Griechenland (Hölderlin)
Hätt’ ich dich im Schatten der Platanen,
Wo durch Blumen der Cephissus rann,
Wo die Jünglinge sich Ruhm ersannen,
Wo die Herzen Sokrates gewann,
Wo der brüderlichen Freunde Ruf
Aus der lärmenden Agora schallte,
Wo mein Plato Paradiese schuf,
Wo den Frühling Festgesänge würzten
Von Minervens heil’gem Berge stürzten –
Der Beschützerin zur Huldigung –
Wo in tausend süßen Dichterstunden,
Wie ein Göttertraum, das Alter schwand,
Wie vor Jahren dieses Herz dich fand;
Ach! wie anders hätt’ ich dich umschlungen! –
Marathons Heröen sangst du mir,
Und die schonste der Begeisterungen
Deine Brust verjüngten Siegsgefühle.
Deinen Geist, vom Lorbeerzweig umspielt,
Drükte nicht des Lebens stumpfe Schwüle,
Die so karg der Hauch der Freude kühlt.
Und der Jugend holdes Rosenlicht?
Ach! umtanzt von Hellas goldnen Stunden
Fühltest du die Flucht der Jahre nicht,
Ewig, wie der Vesta Flamme, glühte
Wie die Frucht der Hesperiden, blühte
Ewig dort der Jugend stolze Lust.
Ach! es hätt’ in jenen bessern Tagen
Nichts umsonst so brüderlich und gros
Dem so gern der Freude Zähre floss! –
Harre nun! sie kömmt gewiss die Stunde,
Die das Göttliche vom Kerker trennt –
Stirb! du suchst auf diesem Erdenrunde,
Attika, die Heldin, ist gefallen,
Wo die alten Göttersöhne ruhn,
Im Ruin der schönen Marmorhallen
Steht der Kranich einsam trauernd nun;
Doch er findet seine Brüder nie
In Ilissus heilgem Tale wieder -
Unter Schutt und Dornen schlummern sie.
Mich verlangt ins ferne Land hinüber
Und ich schlief im engen Hause lieber,
Bei den Heiligen in Marathon;
Ach! es sey die letzte meiner Thräne,
Die dem lieben Griechenlande rann,
Denn mein Herz gehört den Todten an!