Graf Johann’s Weihnachtshöge

Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Graf Johann’s Weihnachtshöge
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 65–67
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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35. Graf Johann’s Weihnachtshöge.

Im Jahr 1261 kam Graf Johann von Holstein zu Weihnachten nach Lübeck auf die Höge oder den Juul, nach alter Gewohnheit. Da ward er einen Edelmann, Namens Borchert Bood, ansichtig, den er neulich, wie er’s verdient, aus Holstein vertrieben hatte. Wie ihm dieser zum Trotz vor seinen Augen viel Auf- und Niedergehens machte, konnte der Graf, obwohl er in der Stadt nicht so mächtig, daß er ihm etwas thun dürfen, doch solche Frechheit auf die Länge nicht leiden; sondern ward zornig, ergriff sein Schwert, lief dem Edelmann nach die Breitestraße auf bis an den Sood, der großen Apotheke gegenüber, und erstach ihn, daß er beliegen blieb.

Die Bürger, ob sie wohl freundlich gegen den Grafen gesinnt waren, hielten doch dafür, daß er ihre Gerechtigkeit gebrochen, jagten ihm deßwegen nach und schrieen: „Jodute! Jodute!“ Er aber wollte ihres Zorns nicht [66] erwarten, und da er kein gesatteltes Roß zur Hand hatte, lief er mit wenigen Rittern nach dem Holstenthor zu. Der Auflauf war nun mächtig, und man belief ihm die Brücke. Wie er das sah, machte er sich längs der Mauer herum nach dem Mühlenthor; aber des gemeinen Volks war in den Gassen so viel, und das Geschrei zu groß: er flüchtete sich also in die Domkirche. Deß waren die Leute zufrieden, daß er nicht davon kommen konnte; sie besetzten den Dom aufs beste; da lobte er an, daß er mit dem Burgemeister gehen wollte, wohin der’s begehrte. Also begab er sich in des Raths Hände, und sagte ihm den Gehorsam zu; die Herren Burgemeister aber baten ihn: er möchte, damit das Volk gestillet würde, mit ihnen aufs Rathhaus gehn. Da ließen sie ihm ein feines Gemach zurichten, wie sie in der Eile konnten, und sagten ihm, er möchte nur wenige Tage Geduld haben. Als nun das Wesen täglich stiller ward, bestellten die Herrn, daß man den Grafen so genau nicht bewachen solle; also brachten seine Diener um Mittag, als Jedermann zu Tische saß und die Thüren zuhielt, ein gesatteltes Pferd, ließen ihn zum Fenster hinaus, und eilten flugs mit ihm davon. Und war dieser Handel den Regenten der Stadt lieb, daß der Graf nur so davon gekommen; denn was die andere That mit dem erstochenen Edelmann belangte, das gedachten sie auf eine andere Zeit wohl mit ihm zu schlichten.

[67] Der Graf aber war der Herberge undankbar, und wartete nur auf eine Gelegenheit, wie er sich rächen möchte. Als er nun kurz danach gegen König Christoph auf der Loheide das Feld behalten, bat er seine Verwandte, daß sie ihm zu Gefallen noch einen Ritt machen möchten. So zog er vor Lübeck mit wildem Rauben und Brennen; und was er fand, das war ihm eine freie Beute.

Die Lübschen, ob sie wohl nicht gräflich, sondern schändlich überfallen wurden, saßen sie doch dermalen still, weil die Bürger außen, und keine Kriegsvölker zur Hand waren. Bald aber nahmen sie Herzog Albrecht von Braunschweig zu ihrem Feldobersten an mit 1600 Pferden, und erholten sich wieder im Lande Holstein, bis der Graf bald hernach starb.

Bemerkungen

[390] Sood – Brunnen. – Jodute – wahrscheinlich Tiodute, (wofür auch To jodute) – Leute heraus!