Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/29. Kapitel

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Das neunundzwanzigste Kapitel.
Wenn Gott den Menschen wieder aufgerichtet hat, so erhält er ihn in seiner Kirche, als in einer Versammlung der Heiligen, darinnen ihm seine Gläubigen einen Dienst leisten, bis er einen jeden zu rechter und wohlgefälliger Zeit in die ewige Seligkeit aufnimmt.

 796. Dieser Artikel wird im Glaubensbekenntnis also beschrieben: Ich glaube eine heilige christliche Kirche, welche einem Schafstalle gleich ist, daß, wie der Hirte seine Schafe darin sammelt, vor dem Ungewitter, vor den Wölfen und anderem Unheil bewahret, so der Herr Christus, unser Erzhirte, seine Gläubigen zu einer Heerde zusammenbringt, sie in seine Kirche versammelt, beschützt, vertheidigt und mit aller geistlichen Nothdurft versieht. Wenn wir diese christliche Kirche recht betrachten wollen, so müssen wir auf sieben Punkte Acht geben.

 797. a) Was für Namen sie habe? Diese sind zweierlei:

 α) eigene Namen. In griechischer und lateinischer Sprache heißt sie ecclesia, eine Zusammenberufung, weil Christus seine Gläubigen dazu beruft. Im Deutschen wird sie genannt Kirche (Lutherus| nennt sie in der deutschen Bibel die Gemeine), welches allein dem Gebrauche, aber nicht dem Ursprunge nach ein deutsches Wort ist, und es scheint, als ob es vom Griechischen (κυριακος, οικος) herkäme, da dann die Kirche so viel hieße, als ein Haus und eine Versammlung des Herrn. Es ist aber an dem Namen wenig gelegen.

 798. β) Beinamen, als: Heilig, wovon hernach geredet werden wird, allgemein, wobei das zu bedenken ist, daß das Papstthum sich die katholische Kirche, und die, die ihr zugethan sind, katholische Christen nennt und vorgibt, daß man bei diesem Namen erkennen müsse, welches die rechte Kirche des Herrn Christi sei, und daß die, welche solchen Namen nicht habe, nicht die rechte Kirche, die aber, die sich katholisch nenne, die wahre Kirche sei. Dieß recht zu verstehen, müssen wir wissen:

 799. Warum die Kirche katholisch heißt? Katholisch heißt allgemein, und so wird Christi Kirche genannt, wenn sie entgegengesetzt wird der jüdischen Gemeine im Alten Testamente, welche nur ein Volk war, an einem Orte, und nicht zu aller Zeit, und nur bis auf Christi Zukunft in’s Fleisch währen sollte. Denn obwohl damals allen Heiden frei stand, sich zu dem jüdischen Gottesdienste zu bekennen, so war doch dieser allein an dieses Volk, und insonderheit an Jerusalem gebunden, daß er unter andere Völker und an andere Orte nicht ausgebreitet werden konnte; da hingegen die Kirche Christi im Neuen Testamente weder einem gewissen Ort, noch Volk anhänget, wovon der Herr Christus gesprochen hat Joh. 4, 21. 23.: „Es kommt die Zeit, da ihr weder auf diesem| Berge, noch zu Jerusalem werdet den Vater anbeten; aber es kommt die Zeit, und ist schon jetzt, daß die wahrhaftigen Anbeter werden anbeten im Geist und in der Wahrheit.“ Und die Apostel Matth. 28, 19. empfangen den Befehl: „Gehet hin und lehret alle Völker u. s. w.“ Marc. 16, 15.: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium allen Creaturen.“ Dieß ist geweissagt worden Ps. 19, 4. 5.: „Es ist keine Sprache noch Rede, da man nicht ihre Stimme höre, ihre Schnur gehet aus in alle Lande, und ihre Rede an der Welt Ende.“ Jes. 11, 10.: „Es wird geschehen zu der Zeit, daß die Wurzel Isai, die da stehet zum Panier den Völkern, nach dem werden die Heiden fragen u. s. w.“ Also ist nun durch Christum eine allgemeine Kirche gestiftet, so fern dieselbe, ohne Unterschied des Volks, des Orts und der Zeit, alle Menschen an allen Orten angeht, unter allen Völkern und allenthalben fortgepflanzt werden mag, die auch bis an der Welt Ende verbleiben soll.
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 800. Ob sich das Papstthum mit Recht des Titels katholisch rühme? Dieser Name gebührt ihm nicht, weil a) es die Lehre des Herrn Christi führt, welche der Same ist, woraus seine allgemeine Kirche erwächst, Luc. 8, 11. 1 Petri 1, 23., b) weil es nicht zu aller Zeit von Christo an gewährt hat, sondern von Zeit zu Zeit erwachsen und durch seltsame ungebührliche Mittel so weit gestiegen ist, daß es erst etliche Jahrhunderte nach der Apostel Zeit aufgekommen ist. Heißt es denn katholisch, so mag| es den Namen behalten, von dem es in der That nichts hat.

 801. b) Wie mancherlei die Kirche sei? Ehe angezeigt wird, was die Kirche sei, muß gewiß gemacht werden, von was für einer Kirche hier geredet werde. So ist’s

 α) eine streitende und triumphirende Kirche. Die streitende ist die Versammlung der Gläubigen, die auf Erden mit dem Teufel, der bösen Welt und ihrem eigenen Fleische immerdar zu kämpfen haben, wovon St. Paulus also redet, 1 Timoth. 1, 18.: „Das Gebot befehl’ ich dir, daß du eine gute Ritterschaft übest, und habest den Glauben und gut Gewissen.“ 2 Timoth. 4, 7.: „Ich habe einen guten Kampf gekämpfet u. s. w.“ 2 Corinth. 7, 5.: „Da wir in Macedonien kamen, hatte unser Fleisch keine Ruhe, sondern allenthalben waren wir in Trübsal, auswendig Streit, inwendig Furcht.“ Die triumphirende Kirche ist die Versammlung der Heiligen und Auserwählten, welche in die ewige Seligkeit versetzt ist und ohne Aufhören Gott lobet wegen des Siegs, den sie wider ihre geistlichen Feinde erhalten hat. Darüber singt sie das Triumphlied: „Nun ist das Heil und das Reich und die Macht unseres Gottes seines Christus worden, weil der verworfen ist, der uns verklaget Tag und Nacht vor Gott.“ Offenb. 12, 10. und 5, 12.: „Das Lamm, das erwürget ist, ist würdig, zu nehmen Kraft, und Reichthum,| und Weisheit, und Stärke, und Ehre, und Preis, und Lob.“

 802. Die streitende Kirche ist nicht einerlei, denn es ist da die sichtbare und unsichtbare. Die sichtbare ist eine Versammlung derer, die zu Christi Reich sich bekennen, darinnen das Wort Gottes rein gepredigt und die Sacramente nach Christi Einsetzung und Ordnung gehandelt werden. Sichtbar wird sie genannt, nicht wegen der Personen, die sich darinnen befinden und sichtbar sind, sondern wegen des sichtbaren Gottesdienstes, durch welchen sie bezeugt, wie sie den im Worte vorgetragenen Glauben angenommen habe, in demselben Gott dienen wolle und also zu der ewigen Seligkeit zu gelangen hoffe. Von dieser Kirche wird Matth. 18, 17. Meldung gethan: „Höret dein Bruder die (zwei oder drei Zeugen) nicht, so sage es der Gemeine; höret er die Gemeine nicht, so halte ihn für einen Heiden u. s. w.“ Apostelgesch. 5, 11. „Es kam eine große Furcht über die Gemeine.“ Röm. 16, 1. „Phöbe ist am Dienst der Gemeine zu Cenchrea.“

 803. Die unsichtbare Kirche wird nicht daher also genannt, daß die dazu gehörigen Menschen nicht sollten sichtbar sein, sondern wegen des unsichtbaren Glaubens, durch welchen sie die wahre Kirche sind, und ist nichts anders, denn der Haufe der Rechtgläubigen in der Welt, welche durch Glauben, geistlicher Weise, dem Herrn Christo vereinigt sind, wie geschrieben steht, Ephes. 3, 17.: „Christus wohne durch den Glauben in unsern Herzen.“ Sofern nun sind sie sichtbar, weil diese Kirche der Haufe der Rechtgläubigen ist, dem kein Mensch in’s Herz sehen kann, da ein| Mensch allein sieht, was vor Augen ist (1 Sam. 16, 7.), der Herr aber allein das Herz aller Kinder der Menschen kennt, 1 Kön. 8, 39. Darum kennt er allein die Seinen, 2 Timoth. 2, 19., uns aber sind die rechten Christen verborgen, Röm. 2, 29. „Ein rechter Jude ist nicht auswendig ein Jude, sondern der inwendig verborgen ist.“ Und „der gottseligen Frauen Schmuck soll sein der verborgene Mensch des Herzens, unverrückt mit sanftem und stillem Geist,“ 1 Petr. 3, 4. „Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Geberden, man wird auch nicht sagen, siehe, hie oder da ist es, denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ Luc. 17, 20. 21. Ps[.] 45, 14.: „Des Königs Tochter ist ganz herrlich inwendig.“ Dieses beweisen auch die Exempel: Da Ahab die Propheten des Herrn verfolgte, und Elias meinte, daß er allein von den Rechtgläubigen übergeblieben wäre, 1 Könige 19, 10., antwortete ihm der Herr, „er habe in Israel sieben Tausend lassen übrig blieben, derer Kniee sich nicht gebeugt haben vor Baal,“ V. 18. Von der christlichen Kirche, unter dem Reich des Widerchrists, ist geweissagt, daß sie fliehen würde in die Wüsten, da sie hat einen Ort von Gott bereitet, daß sie daselbst ernährt würde, tausend, zwei hundert und sechzig Tage, Offenb. 12, 6.
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 804. Daraus wird offenbar, die sichtbare und unsichtbare Kirche werden hiermit von einander unterschieden, daß a) in der sichtbaren sind zugleich bei einander Gläubige und Ungläubige, nämlich Alle, die die reine Lehre bekennen und die Sacramente gebrauchen, wiewohl Viele darunter Heuchler sind, die es nicht mit Ernst meinen, und so wohl ungläubig sind, als die das Wort nicht gehört haben. In der unsichtbaren| Kirche sind allein die Rechtgläubigen, und keine Heuchler. b) Zu der sichtbaren Kirche kommt man durch das Hören des Wortes Gottes und den rechten Gebrauch der Sacramente nach Christi Einsetzung; zu der unsichtbaren allein durch Glauben, c) Darum wird die sichtbare genannt die Gemeine der Berufenen, die unsichtbare aber die Gemeine der Auserwählten, wiewohl in derselben auch diejenigen gefunden werden, die eine Zeitlang glauben, und doch wieder abfallen und ewig verderben.

 805. Die sichtbare Kirche auf Erden ist entweder die allgemeine, die sich über den ganzen Erdboden erstreckt, oder die, die in gewissen Orten sich enthalten.

 Die allgemeine wird verstanden, wenn der Herr Christus spricht: „auf diesen Fels (den Glauben an mich) will ich bauen meine Gemeine.“ Matth. 16, 18., und wenn er genannt wird das Haupt der Gemeine, Coloss. 1, 18., für die er sich dahin gegeben, und die er gereinigt hat durch’s Wasserbad im Wort, Ephes. 5, 26. Es gehören also in diese Kirche Alle, die in der ganzen Welt Gottes Wort rein erkennen und die Sacramente gebrauchen, und nicht allein die zu einer Zeit und an einem Ort leben, sondern die von der Welt Anfang an allen Orten des ganzen Erdkreises bis an den jüngsten Tag gelebt haben, leben und noch leben werden.

 806. Von der Particular-Kirche, die sich an gewissen Orten befindet, redet der Apostel Paulus, wenn er seine Episteln geschrieben hat an Kirchen gewisser Orte, nach Rom, nach Corinth, Ephesus u. s. w. Ingleichen thut die Apostelgeschichte besondere Meldung| der Gemeine zu Jerusalem, Cap. 2, 47. 4, 23. u. s. w. Und so sind die verschiedenen Kirchen in Ober- und Nieder-Deutschland, Sachsen, Hessen u. s. w.

 807. c) Was für eine Kirche nun hier verstanden werde? Es ist hier nicht die Rede von der triumphirenden Kirche, sondern von der auf dieser Welt streitenden; auch nicht die Rede von den Particular-Kirchen, die hin und wieder an gewissen Orten zu finden sind, sondern von der allgemeinen, die sich durch die ganze Welt erstreckt. Weil aber diese entweder sichtbar oder unsichtbar ist, und die Rechtgläubigen, die zur unsichtbaren Kirche gehören, sich nicht immerdar zugleich in der unsichtbaren finden, so ist zu wissen, daß hier von beiden gehandelt werde, jedoch unterschiedlich. Denn redet man von der äußerlichen Versammlung, so ist damit die sichtbare Kirche gemeint; redet man aber von der geistlichen Einigkeit im Glauben, so wird die unsichtbare verstanden, wie solches zum Theil aus vorhergehenden Erklärungen, zum Theil aus Anderem, das hernach von der Kirche gesagt werden wird, leicht abzunehmen ist.

 808. d) Was für Personen zu der christlichen Kirche eigentlich gehören? Davon ist unterschiedlich zu reden, nämlich zu der unsichtbaren Kirche gehören allein die, welche ohne falschen Schein den rechten Glauben im Herzen haben und dadurch dem Herrn Christo geistlich verbunden sind; die nun im Glauben stehen, sind die rechten Gliedmassen der Kirche, es sei sonst ihre Ankunft und Gelegenheit beschaffen, wie sie will. Hingegen da, wo der rechtschaffene Christenglaube nicht ist, kann kein äußerlicher Schein (Ansehen, noch Hohheit) helfen, sondern alle Ungläubigen| bleiben außer Christo, und sind nicht wahre Gliedmassen seines geistlichen und unsichtbaren Leibes.

 809. Zur sichtbaren Kirche gehören

 α) nach Gottes Willen alle Menschen, welche er ohne einigen Unterschied berufet. Es ist also kein Unterschied zwischen Juden und Heiden, weil er auch die Heiden in sein Reich beruft, Jes. 11, 10. „Die Wurzel Isai stehet zum Panier den Völkern, nach der werden die Heiden fragen.“ Apostelgesch. 10, 35. „In allerlei Volk, wer Gott fürchtet und Recht thut, der ist ihm (zur Aufnahme in die christliche Kirche) angenehm.“ Gal. 3, 28. „Hier ist kein Jude, noch Grieche, hier ist kein Knecht, noch Freier, hier ist kein Mann, noch Weib, denn ihr seid allzumal Einer in Christo Jesu;“

 810. β) nach dem äußerlichen Ansehen gehören die zur Kirche, welche das göttliche Wort und die Sacramente nach Christi Verordnung gebrauchen, sie seien auch gleich, wie sie wollen, gute oder böse, gläubige oder ungläubige, Heuchler oder rechtschaffen. Denn nachdem wir Menschen allein auf das Aeußerliche sehen können, muß die christliche Liebe Alles hoffen und glauben, 1 Corinth. 13, 7., und sich versehen, daß alle, die sich zur Gemeine halten, solches auch thun mit gutem, aufrichtigem Herzen, ob zwar Niemand dessen aller Dinge gewiß sein kann. So wurde Simon, der Zauberer, für einen guten Christen gehalten, weil er das Wort bekannte und sich taufen ließ, Apostelgesch. 8, 13., deßgleichen Demas, Pauli Gefährte und Beistand, der doch kein guter Christ war, 2 Timoth. 4, 10.

|  811. Dieß erklärt der Sohn Gottes durch Gleichnisse, als: von dem Netze, das in’s Meer geworfen wird, damit man allerlei Gattung fähet; wenn aber an’s Land gezogen wird, so lieset man die guten in ein Gefäße, aber die faulen werden weggeworfen, Matth. 13, 47. ff. Durch das Gleichniß vom Acker, darauf nicht allein Waizen steht, sondern auch Unkraut, V. 38.; von dem königlichen Hochzeitmahl, dabei sich Würdige und Unwürdige einstellen, Matth. 22, 10. 11. Wie nun in dem Netze untüchtige Würmer, auf dem Acker das Unkraut, im königlichen Saal der unwürdige Gast zu finden sind, so sind in der Kirche solche, die einen falschen Schein führen, jedoch mit großem Unterschiede von dem rechten Christen, welche die angeführten Gleichnisse genugsam erklären, und St. Johannes 1 Epistel 2, 18. 19. beschreibt: „Nun sind viel Widerchristen worden, sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns, denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns blieben, aber daß sie offenbar würden, daß sie nicht alle von uns sind.“ Deßgleichen unterscheidet St. Paulus die Rotten von den Christen, ob sie schon müssen unter einander sein, 1 Corinth. 11, 19. „Es müssen Rotten unter euch sein, auf daß die, so rechtschaffen sind, offenbar werden.“

 812. γ) In der That und Wahrheit sind allein die Gläubigen rechte eigentliche Gliedmassen der sichtbaren Kirche, und gehören in der Wahrheit die nicht dazu, welche des Glaubens verlustig sind, entweder durch falsche Lehre, oder durch bösen Wandel.

|  Durch Lehre, die in der Lehre, einen solchen Irrthum haben, daß sie verhindert werden, den seligmachenden Glauben in ihrem Herzen zu fassen. Hymenäus, Philetus und Alexander hatten am Glauben Schiffbruch gelitten, weil sie die Auferstehung von den Todten nicht glaubten, weßwegen sie Paulus nicht zu der Kirche rechnete, sondern dem Satan übergab, 1 Timoth. 1, 19. 20. 2 Timoth. 2, 17. 18. Solche Leute werden Ketzer genannt, die zwar die heilsame Lehre zum Theil richtig haben und sich zu Christo bekennen, aber im Hauptartikel irren, den seligmachenden Glauben nicht erlangen, und Andere davon abführen, ob sie schon nicht durch bösen Wandel von der Gemeine abfallen.

 813. Durch bösen Wandel sind die des Glaubens verlustig, welche in grobe Sünden gerathen sind und diese aus Vorsatz und wider ihr Gewissen thun. Wie diese den Glauben wegwerfen, ist oben schon dargethan worden. St. Paulus verbannte einen Mann, der zu Corinth seine Stiefmutter zur Ehe genommen hatte, und hielt ihn so lang für kein Glied der Gemeine, bis er Buße that, 1 Corinth. 5, 5. Demnach ist ein solcher Sünder außer der Kirche und Gemeine Christi, so lange er in seinen Sünden bleibt. Wie aber so grober Sünder ist, der nicht in die Gemeine aufgenommen werde, wenn er Buße thut, so ist auch keiner, der zuvor in der Gemeine ist und mit einem Fehltritt übereilet wird, der nicht aufgenommen werden sollte, wenn er Buße thut. Gal. 6, 1. „So ein Mensch etwa von einem Fehl übereilet würde, so helfet ihm zurecht mit sanftmüthigem Geiste, die ihr geistlich seid.“

 814. e) Was die eigentlichen Qualitäten| und Eigenschaften der Kirche seien? Diese sind

 α) die Reinigkeit, davon Ephes. 5, 26. 27.: „Christus hat die Gemeine geheiliget, und hat sie gereiniget durch das Wasserbad im Wort, auf daß er ihm selbst darstellete eine Gemeine, die herrlich sei, die nicht habe einen Flecken, Runzel oder deß etwas, sondern daß sie heilig sei und unsträflich.“ Solche Reinigkeit ist eigentlich zugerechnete, wenn uns Christus seine Gerechtigkeit anzieht (Jes. 61, 10.), sonst ist schon angezeigt, wie in der Kirche auch böse Leute seien, ob sie schon eigentlich nicht dazu gehören, und oben ist erwiesen worden, daß die Wiedergeburt in dieser Zeit immerdar unvollkommen bleibe, und die Heiligen über ihre täglichen und steten Sünden zu klagen Ursache haben. So ist auch die Kirche in ihrer beständigen Reinigkeit nicht ohne Sünde und tägliche Unreinigkeit, obwohl diese vor göttlichem Gerichte zugedeckt und nichts Verdammliches an denen ist, die da sind in Christo Jesu. Röm. 8, 1.;

 815. β) die Einigkeit, die wir im Glauben bekennen: ich glaube eine christliche Kirche u. s. w., weil ihrer nicht mehr sind, als die einige, welche die Zahl der gläubigen Gottes-Bekenner ist. Darüber ist auch kein Streit; aber weil die Kirche eine Versammlung der Heiligen und Gläubigen ist, so gewinnt es ein seltsames Ansehen, daß darinnen sich Ketzereien und Rotten finden lassen, durch die viel Streit, Zank und Uneinigkeit angerichtet wird, weßhalb Mancher denkt, daß des Satans Schule mehr, als Gottes Kirche sein müsse, aus der solcher Hader und Widerwärtigkeit herkommen. Daher ist wohl zu beachten:

|  816. 1) Daß des Herrn Christi Kirche einen stetigen Feind am Teufel habe, der nicht unterläßt, ihr viel Ungemach zuzufügen, Matth. 13, 37. ff. „Des Menschen Sohn ist’s, der da guten Samen säet, der Acker ist die Welt, der gute Same sind die Kinder des Reichs[,] das Unkraut sind die Kinder der Bosheit, der Feind, der sie säet, ist der Teufel.“ Neben diesen sind 2) Menschen, die sich ihre Hoffart, Ehrgeiz u. s. w. bewegen lassen, dem Satan zu Gefallen seine böse Lehre auszustreuen, 1 Timoth. 4, 1. „In den letzten Zeiten werden Etliche von dem Glauben abtreten, und anhangen den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel.“ Ausführlicher hat sie der Apostel beschrieben 2 Timoth. 3, 2. ff. So lange nun die Kirche diesen Feind hat (wie denn Christus und Belial nimmermehr zusammenstimmen, 2 Corinth. 6, 15.), so lange ist’s nicht möglich, daß nicht sollten Ketzereien entstehen.

 817. Welche Gott aus zwei Ursachen zuläßt: zur Strafe der ungehorsamen Welt, welche die Lügen mehr liebt, als die Wahrheit, Joh. 3, 19., „darum schicket ihnen Gott kräftige Irrthümer, daß sie der Lügen glauben, auf daß gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit,“ 2 Thess. 2, 11. 12.; zur Probe derer, die rechtschaffen sind, 1 Cor. 11, 19. „Es müssen Rotten unter euch sein, auf daß die, so rechtschaffen sind, offenbar werden.“ Ferner ist zu beachten:

 818. Daß zuvor verkündigt worden ist, in der Kirche werden viele Ketzereien entstehen, Luc. 2, 34. spricht Simeon: „Dieser (Jesus)| wird gesetzt zu einem Fall und Auferstehen Vieler in Israel, und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird.“ Apostelgesch. 20, 29. 30. „Das weiß ich, daß nach meinem Abschied werden unter euch kommen gräuliche Wölfe, die der Heerde nicht verschonen werden, auch aus euch selbst werden aufstehen Männer, die da verkehrte Lehre reden, die Jünger an sich zu ziehen.“ Insonderheit ist von den letzten Zeiten geschrieben Offenbar. 12, 12.: „Wehe denen, die auf Erden wohnen und auf dem Meer, denn der Teufel kommt zu euch hinab, und hat einen großen Zorn, und weiß, daß er wenig Zeit habe.“ Matth. 24, 24.: „Es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen, und große Zeichen und Wunder thun, daß verführet werden in den Irrthum, da es möglich wäre, auch die Auserwählten.“ 2 Timoth. 3, 1.
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 819. Daß in der ersten christlichen Kirche Secten entstanden sind, deren bereits die Schrift gedenkt. So entstand ein Zwiespalt zwischen Petrus und dem Zauberer Simon, Apostelgesch. 8, 18. ff., zwischen Paulus und den falschen Aposteln, die Gesetz und Evangelium zusammen mengen wollten, Apostelgesch. 15, 2. ff. Galat. 3, 1. ff. Dergleichen Streit haben verursacht die Nicolaiten, Offenb. 2, 6. 15. Die Jesabel, die des Herrn Knechte verführte, V. 20., an dieser Stelle wird auch Meldung gethan der Satans-Schule, mit der die Bischöfe zu Smyrnen und Pergamon zu thun hatten, Offenb. 2, 9. 13. Wenn sich demnach heutzutage in der Kirche allerlei Schwärmerei| regt, soll das Niemand ärgern, weil damit geschieht, was der Kirche Eigenschaft mit sich bringt, und in der ersten apostolischen Kirche verspürt worden ist.

 820. γ) Die Beständigkeit der Kirche. Da von Christo nicht eine solche Kirche hat gestiftet werden sollen, welche nur eine Zeitlang währt, wie die jüdische Synagoge, so wird unter die Eigenschaften der Kirche auch diese gezählt, daß sie nimmermehr, so lange die Welt währt, aufgehoben werden soll, wobei auf folgende zwei Punkte zu sehen ist:

 Wie die Kirche in dieser Welt nicht zu Grunde gehen soll. Oben ist ein Unterschied gemacht worden zwischen der unsichtbaren Kirche, die auf dem Glauben beruht, und der sichtbaren, welche im öffentlichen Gottesdienst besteht. Die unsichtbare kann nicht vergehen, denn obwohl das Häuflein der Gläubigen sehr gering wird, so bleibt es doch bei des Herrn Christi Verheißung, „meine Gemeine sollen die Pforten der Hölle nicht überwältigen,“ Matth. 16, 18. 28, 20.: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Denn gleichwie Gott zu Elias Zeiten sich siebentausend behalten hatte, die Elias nicht wußte, noch kannte, 1 Könige 19, 18., so behält er sich noch zu aller Zeit einen heiligen Samen der Gläubigen, die er allein kennt, 2 Timoth. 2, 19. Das hat Daniel verkündigt Cap. 2, 41.: „Gott vom Himmel wird ein Königreich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird. Er wird alle Königreiche zermalmen und zerstören, aber es wird ewiglich bleiben.“

 821. Daraus entsteht die Frage: Ob denn und wo unter’m Papstthum die christliche Kirche| gewesen sei, ehe denn Lutherus seine Predigt angefangen hat? Antwort: erstlich, weil zu der Zeit die Kirche in die Wüste hat kommen sollen, daß sie vor dem höllischen Drachen sicher wäre, so ist es ein ungereimtes Begehren, anzuzeigen, wo sie damals gewesen sei, weil sie Gott also verborgen hatte, daß sie auch der Teufel nicht wissen und verfolgen sollte; zweitens, wo Gottes Wort gepredigt und die Sakramente unverfälscht gehandelt werden, daselbst ist allzeit eine Versammlung der Gläubigen, weil das göttliche Wort niemals vergeblich gepredigt wird, sondern, wie Gott spricht: „Es soll nicht wieder leer zu mir kommen, sondern thun, das mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich’s sende,“ Jes. 55, 11., so daß also allezeit Etliche gläubig sind, obwohl derselben wenig wären. Die heil. Taufe wirket den Glauben und die Wiedergeburt, daß die kleinen Kinder, welche durch die Taufe von Neuem geboren worden sind, rechtschaffene Christen und der Kirche Gliedmassen sind.
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 822. Demnach sind unter’m Papstthume rechte Gliedmassen gewesen 1) diejenigen, welche durch die h. Taufe dem Herrn Christo einverleibt und seine geistlichen Gliedmassen geworden sind, ehe denn die Irrthümer ihren Verstand verkehrt haben; 2) diejenigen, die durch’s gepredigte Wort gläubig geworden sind, deren ein Theil dem Irrthume des Papstthums öffentlich widersprochen haben, und deren zum Theil in Historien gedacht wird, deren Zahl aber ohne Zweifel nicht zu zählen war; 3) diejenigen, die über den Irrthum des Papstthums geklagt haben, von denen wir zum Theil auch nichts erfahren haben; 4) diejenigen, die in ihrer Einfalt geblieben sind, aus dem göttlichen Worte die| seligmachende Lehre gefaßt und darinnen von der Welt selig abgeschieden sind.

 823. Wie die Kirche in dieser Welt zu Grunde gehen könne? Das mag geschehen in der sichtbaren Kirche, wenn der öffentliche Gottesdienst aufgehört hat und allein heimliche Jünger Christi vorhanden sind, wie Nicodemus, Joh. 3, 2., und Joseph von Arimathia, Joh. 19, 38., waren. Daß sie zu solchem äußerlichen Abnehmen gerathen könne, ist daher zu beweisen:

 weil es von den Zeiten des Widerchrists eigentlich verkündigt worden ist, Offenb. 12, 6.: „Das Weib (die Kirche) entfloh in die Wüste, da sie hatte einen Ort bereitet von Gott, daß sie daselbst ernährt würde tausend zweihundert und sechzig Tage,“ V. 13, 14.: „Der Drache verfolgte das Weib, und es wurden dem Weibe zween Flügel gegeben, wie eines großen Adlers, daß sie in die Wüste flohe, an ihren Ort u. s. w.“ Cap. 13, 3. 4. 7.: „Der ganze Erdboden verwunderte sich des Thieres, und beteten den Drachen an, und dem Thier ward gegeben, zu streiten mit den Heiligen, und sie zu überwinden, und ihm wird gegeben Macht über alle Geschlechte und Sprachen und Heiden.“ Cap. 14, 8. 17, 2. 15. 18, 3.

 weil die Kirche etlichemal so gänzlich dahin gefallen ist, nämlich unter dem Regiment des Ahab, da Elias meinte, er wäre von des Herrn Dienern allein übrig geblieben, 1 Könige 19, 14.; unter der babylonischen Gefangenschaft, da das jüdische Volk bei 70 Jahren seines Gottesdienstes beraubt war und unter dem allen nur vier Männer gefunden wurden, nämlich Daniel, Sadrach, Melech und Abed Nego, die der heidnischen Abgötterei widersprachen, Daniel 3, 12.

|  zur Zeit des Leidens Christi; da war kein öffentlicher Bekenner vorhanden, viel weniger ein öffentlicher Gottesdienst, und war also die sichtbare Kirche Christi gefallen. Was nun zuvor geschehen, und was verkündigt worden ist, daß es unter dem Reich des Widerchrists geschehen werde, dasselbe ist, wenn es geschieht, der Natur und den Eigenschaften der christlichen Kirche nicht zuwider.

 824. Denn, daß sie verglichen wird einem Hause, das auf dem Berge liegt, und von Jedermann gesehen werden kann, Matth. 5, 14., das ist allein von ihrem richtigen und ordentlichen Zustand zu verstehen, nicht aber von dem zufallenden Paroxismus, welche auch ein Haus auf dem Berge verdunkle, wenn nämlich die finstere Nacht einfällt und dicker Nebel aufsteiget. Ja, die Sonne selbst wird in Finsternissen und durch dicke Wolken verborgen, ob sie sonst schon nicht verborgen werden kann. So ist die Kirche (außer solchen zufälligen Verfinsterungen) in der Welt bekannt und Jedermann vor Augen.

 825. δ) Die gewisse beständige Wahrheit. Hier ist zu beachten:

 wie die Kirche des rechten Glaubens nicht fehlen könne; nämlich, so fern sie beim göttlichen Wort bleibt, und sich davon nicht abbringen läßt; dann: die ganze Versammlung der Gläubigen (welche die unsichtbare Kirche ist) kann nicht irren in den Stücken des christlichen Glaubens, welche zum Grunde desselben gehören, und ohne welche kein Glauben im menschlichen Herzen wachsen kann; denn gewiß, wenn die unsichtbare Kirche also irrte, wäre auf der ganzen Welt keine Kirche mehr, was dem zuwider ist, was| jetzt aus dem göttlichen Worte berichtet worden ist. Jedoch ist keiner unter allen Gläubigen, der nicht in solchen gefährlichen Irrthum gerathen könnte, dadurch er auch den Glauben von sich stieße (davon an einem andern Orte). Welche aber darunter auserwählt sind, die hat Gott von Ewigkeit her gesehen, daß sie zu dem Glauben, von dem sie abfallen möchten, wieder gelangen werden. Darum ist gewiß, daß solche Irrende wieder zum verlornen Glauben kommen, ehe sie von der Welt abscheiden, weil Gottes Vorsehung nicht fehlen kann.

 826. Wie die Kirche des rechten Glaubens fehlen könne. Nämlich, 1) wenn sie von dem göttlichen Worte abweicht. 2) Die Particularkirchen können in Irrthum gerathen, dadurch sie vom Glauben abtreten, wie in den Kirchen geschehen ist, welche sich vor Zeiten zu der Arianischen Ketzerei begeben haben. 3) Die allgemeine sichtbare Kirche kann von dem Glauben also abfallen, daß sie gefährliche Irrthümer öffentlich lehrt, und in der ganzen Welt der öffentliche Gottesdienst an keinem Orte mehr rein gefunden wird. Dieß ist damit zu beweisen, weil zuvor dargethan worden ist, daß die sichtbare Kirche gänzlich auf der Welt untergehen könne.

 827. f) Welche die Kenn- und Merkzeichen seien, dadurch erkannt werde, welche die rechte, wahre, oder falsche Lehre sei? Dafür kann kein gewisseres Zeichen gegeben werden, als die reine Predigt des Evangeliums und der Gebrauch der Sacramente nach Christi Einsetzung. Das wird daher bewiesen:

|  α) weil Wort und Sacrament das Mittel sind, dadurch die Kirche gepflanzt wird. Nun ist also zu schließen: Wo das rechte eigentliche Mittel ist, dadurch Gott die Kirche gepflanzt hat, da ist auch die Kirche selbst, weil Gottes Wort nimmermehr ohne Frucht ist, Jes. 55, 11. Wo aber das Wort und die Sacramente sind, da sind die recht eigentlichen Mittel, dadurch die Kirche gepflanzet wird.

 Denn was das Wort betrifft, so heißt dasselbe der Same der Kirchen, Luc. 8, 11. und 1 Petri 1, 23. „Ihr seid wiedergeboren, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Worte Gottes, welches ewiglich bleibt.“ Da der Herr Christus eine Gemeine unter den Heiden pflanzen wollte, gab er den Aposteln diese Instruction: „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Heiden und taufet sie u. s. w.“ Matth. 28, 19. Daher Paulus bezeugt 1 Corinth. 4, 15. „Ich habe euch gezeuget in Christo Jesu, durch’s Evangelium.“

 Was die Sacramente anbelangt, so ist von der Taufe berichtet worden, daß sie sei das Bad der Wiedergeburt u. s. w. Tit. 3, 5., und wer in’s Reich Gottes eingehen wolle, der müsse von Neuem geboren werden aus dem Wasser und heiligen Geist, Joh. 3, 5. Es folgt also, wo das Wort und die Sacramente sind, da ist auch die Kirche. Dagegen muß auch folgen, wo die rechten eigentlichen Mittel, durch welche Gott seine Kirche pflanzet, nicht sind, daselbst ist, ordentlicher Weise, keine Kirche. Wo aber das Wort und Sacrament nicht rein sind, da sind auch die rechten Mittel| nicht, dadurch die Kirche gepflanzt wird, darum ist auch dieselbe keine Kirche.

 828. β) Weil das Wort und Sacrament der Kirche und der Rechtgläubigen eigene Güter und die Handlung derselben ihre eigenen Werke sind, Joh. 10, 27. „Meine Schafe hören meine Stimme.“ Cap. 8, 47. „Wer von Gott ist, der höret Gottes Wort, darum höret ihr nicht, denn ihr seid nicht von Gott.“ Cap. 14, 23. „Wer mich liebet, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen, und Wohnung bei ihm machen.“ Wo der Kirche eigene Werke sind, daselbst ist auch die Kirche zu finden; wo Gottes Wort recht gelehrt, gehört, und die Sacramente ausgespendet werden, da sind der Kirche eigene Werke, darum ist die Kirche daselbst auch zu finden. Hingegen, wo der Kirche eigene Werke nicht sind, da ist auch die Kirche nicht; wo Gottes Wort nicht lauter gehört, und die Sacramente nicht rein nach Christi Ordnung ausgetheilt werden, da sind nicht der Kirche eigene Werke, darum ist auch daselbst die Kirche nicht.

 829. γ) Weil die Rechtgläubigen und die Falschgläubigen eben daran von einander unterschieden werden, ob sie Gottes Wort hören oder nicht hören, die Sacramente recht gebrauchen oder nicht gebrauchen, Joh. 8, 31. „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger.“ Matth. 7, 15. 16. „Sehet euch vor vor den falschen Propheten, an ihren Früchten (das ist die Lehre, weil ein Lehrer eigentlich keine andern Früchte hat, als seine Lehre) sollt ihr sie erkennen.“| Wodurch nun die Falschgläubigen von den Rechtgläubigen abgesondert und unterschieden werden, das ist ein Zeichen der rechten Kirche. Durch das Hören des reinen Wortes Gottes und durch den Gebrauch der Sacramente werden die Falschgläubigen von den Rechtgläubigen abgesondert und unterschieden, darum sind das Hören des reinen Wortes Gottes und der Gebrauch der Sacramente gewisse Kennzeichen der rechten Kirche. Dieß Einzige ist uns genug, anzuzeigen, wo die Kirche Christi oder nicht sei, und wir dürfen um andere Kennzeichen nicht bekümmert sein, als

 830. um das Alter, daß die Kirche für die rechte zu halten sei, welche die älteste ist; denn entweder wird das Alter nach der Fundation (Gründung) in Gottes Wort oder nach dem äußerlichen Ansehen gerechnet. Nach jener ist auch die Kirche die älteste, welche nach dem äußerlichen Ansehen zuerst angefangen hat, z. E. da der Herr Christus sammt den Aposteln im jüdischen Lande predigte, schien seine Gemeine neu und der Pharisäer Haufe alt, und doch war Christi Kirche in der ersten Predigt (des Weibes Same soll der Schlange den Kopf zertreten, 1 Mos. 3, 5.) gegründet, und also die älteste, da hingegen der Pharisäer Versammlung nicht älter war, als ihre Lehre, die ihre Aeltesten vor weniger Zeit erdacht hatten.

 831. Sieht man aber auf das äußerliche Ansehen, so ist darnach die rechte Kirche nicht zu beurtheilen, und zwar darum nicht, weil solches Kennzeichen in der h. Schrift nicht gegründet ist, und wir nirgends auf das äußerliche Ansehen oder Alter gewiesen worden sind; und weil die rechte Kirche für die falsche und die falsche für die rechte gehalten werden müßte. Als| sich Gott aus Abraham’s Haus ein Volk zum Dienst erbauen wollte, und ihn aus Chaldäa ausführte, hatte Abraham schon eine Kirche in seinem Vaterlande gehabt, in welcher er sammt seinen Vorfahren andern Göttern gedient hatte, Josua 24, 2. Da nun Abraham eine neue Kirche anfing, war die abgöttische alt, und hätte also Abraham’s Hauskirche für eine falsche, die abgöttische für die rechte gehalten werden müssen. Als Gott das jüdische Volk aus Aegypten führte, und unter demselben einen besondern Gottesdienst aufrichtete, war die abgöttische Kirche der Aegypter viel älter, die jüdische aber neuer, es hätte darum diese für die falsche und jene für die wahre gehalten werden müssen. Da die christliche Lehre durch die Apostel in die Welt ausging, ward sie für neu gehalten, Apost. Gesch. 17, 18. „Es siehet, als wollte er neue Götter verkündigen.“ V. 19. „Können wir auch erfahren, was das für eine neue Lehre sei, die du lehrest?“ Dagegen war die Abgötterei alt; es wäre also, nach dem Alter zu urtheilen, diese recht, St. Pauli Lehre aber unrecht gewesen. In den letzten Zeiten, als die christliche Kirche eine Zeitlang verborgen gewesen war, hat sie von Neuem wieder hervorkommen sollen, Offenb. 14, 6. 18, 4., gegen welche das Papstthum alt war, woraus jedoch nicht folgte, daß das Papstthum die rechte Kirche sei. Wir dürfen auch nicht sehen
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 832. auf die Größe und Weitläuftigkeit, daß die die rechte Kirche sei, welche sich am weitesten ausgebreitet hat. Die Kirche zwar erstreckt sich durch die ganze Welt, aber nicht an allen Orten der Welt hat sie ihren freien, offenen Lauf und den Gottesdienst, was der Augenschein gibt und Niemand läugnen kann.| Daß aber die, welche sich in der Welt nach dem äußerlichen sichtbaren Gottesdienst am weitesten ausgebreitet hat, die rechte Kirche Christi sei, kann nicht zugelassen werden, einmal, weil wir auf ein solches Merkzeichen von Gott nicht gewiesen worden sind, und dann, weil die rechte Kirche für falsch und die falsche für die rechte erkannt werden müßte. Christus nennt seine Kirche eine kleine Heerde, Luc. 12, 32., und sie war so klein geworden, als der Herr litt, daß eine Zeitlang keine, dann kaum zwei oder drei Personen sich zu ihm bekannten; im Gegentheile aber hing die ganze Menge den Pharisäern an, und war die falsche Kirche vielfach größer, als die rechte. Die Arianische Ketzerei hatte beinahe alle Lande, darinnen Christi Kirche eingepflanzt war, eingenommen, hingegen war das Häuflein der Rechtgläubigen gering geworden, und doch konnte die Arianische Ketzerei darum nicht die rechte Kirche sein. Vom Wider-Christ haben wir die Verkündigung, daß er unter sich bringen werde alle Völker, Könige, Geschlechte und Sprachen, Offenb. 13, 3. 7. 14, 8. 17, 2. 15. 18, 3., da im Gegentheil Christi Kirche in die Enge getrieben werden sollte, daß sie auch in der Wüste verborgen liege, Offenb. 12, 6. Von den letzten Zeiten ist auch geweissagt, daß viele falsche Propheten und falsche Christi aufstehen werden, durch die in den Irrthum geführt werden, da es möglich wäre, auch die Auserwählten, Matth. 24, 14., da denn gewiß die Verführung größer sein wird, als der Haufe derer, die Gott dienen, nach Jesu Ausspruch Luc. 18, 8. „Wenn des Menschen Sohn kommen wird, meinest du, daß er auch werde Glauben finden auf Erden?“ Wir dürfen nicht sehen
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|  833. auf die Wunderwerke, daß die die rechte Kirche sei, welche Wunderzeichen thut, dagegen die die falsche, die solche nicht thun kann. Nun ist aber außer Zweifel, daß Gott manche wunderbare Werke seiner Providenz auch noch unter uns verrichte; aber davon ist hier nicht die Rede, weil hier solche Wunder verstanden werden, wie sie der Herr Christus und seine Apostel zur Bekräftigung der Lehre verrichtet haben und die damals anzeigen sollten, welches der rechte Messias und Heiland wäre. Jes. 35, 4. 5. „Gott, der da vergilt, kommt, und wird euch helfen, alsdann werden der Blinden Augen aufgethan werden, und der Tauben Ohren werden geöffnet werden, alsdann werden die Lahmen lecken, wie ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob sagen.“ Daß aber die Kirche darnach zu jeder Zeit zu prüfen sei, kann nicht angenommen werden,

 834. weil man nicht wissen könne, ob sie von Gott oder vom Teufel herkommen; da nämlich von ihnen keine göttliche Verheißung da ist, so wird von allen Wundern, welche ohne Gottes Wort geschehen, ungewiß, ob sie recht oder falsch seien, indem der Teufel der Menschen Augen gar wohl verblenden und mit falschen Wundern betrügen kann, die wir einzig und allein von göttlichen Wundern dadurch unterscheiden können, daß wir sehen, ob sie zuvor verkündigt seien, oder nicht. Nun haben wir kein Wort noch Zusage von stetiger Fortsetzung der Wunder, die zu aller Zeit in Christi Kirche gefunden werden sollen, und darum kann man nicht wissen, wenn sie schon geschehen, ob sie von Gott oder vom Teufel sind;

 835. weil die Wunderwerke zu den letzten Zeiten gefährlich sind und wir gewarnt| sind, uns nicht daran zu kehren, Matth. 24, 24. ff.: „Es werden viele falsche Propheten und falsche Christi aufstehen, und große Zeichen und Wunder thun, daß verführt werden in Irrthum, wo es möglich wäre, auch die Auserwählten. Siehe, ich habe es euch zuvor gesagt; darum, wenn sie zu euch sagen werden, siehe, er ist in der Wüste, so gehet nicht hinaus, siehe, er ist in der Kammer, so glaubet es nicht.“

 Daraus ist zu schließen: Wovor wir gewarnt worden sind, uns davor zu hüten und nicht daran zu kehren, das ist auch kein solches Kennzeichen, daran wir wissen können, welches die rechte Kirche sei. Die Wunder verhalten sich also, darum sind die Wunder nicht solche Kennzeichen, daran wir wissen können, welche die rechte Kirche sei;

 836. weil die Wunder in den letzten Zeiten von Gott zum Kennzeichen des Wider-Christs gesetzt worden sind. Dahin deutet der Herr Christus in der angeführten Stelle (Matth. 24, 24.), aber viel eigentlicher ist davon geweissagt 2 Thess. 2, 9.: „Welches (des Widerwärtigen) Zukunft geschieht, nach der Wirkung des Satans, mit allerhand lügenhaften Kräften und Zeichen und Wundern.“ Offenb. 13, 13. 14.: „Das andere Thier thut große Zeichen, daß es auch machet Feuer vom Himmel fallen für den Menschen, und verführet, die auf Erden wohnen um der Zeichen willen, die ihm gegeben sind, zu thun u. s. w.“ Woraus folgt: Was ein Zeichen des Wider-Christs ist, das kann nicht Zeichen der Kirche Christi sein; die Wunder sind in den letzten Zeiten ein Zeichen| des Wider-Christs, darum können sie in den letzten Zeiten nicht ein Zeichen der Kirche Christi sein;

 837. weil die Gaben, Wunder zu thun, sich weder bei der alten Kirche, etliche hundert Jahre nach der Apostel Zeit, noch zu dieser Zeit bei Jemandem findet. Daraus folgt: Woran die Kirche zu jeder Zeit erkannt werden soll, das muß zu jeder Zeit in Christi Kirche zu finden sein. Die Gabe, Wunder zu thun, ist nicht zu jeder Zeit in der Kirche zu finden, darum soll die Kirche nicht zu jeder Zeit daran erkannt werden.

 838. Was aber von Wundern in der päpstlichen Kirche vorgegeben wird, als ob sie noch täglich geschähen, so ist zu wissen: a) daß der Geist Gottes zuvor verkündigt habe, es werden lügenhafte Zeichen sein; b) weil solche Wunder von fernen Orten berichtet werden, so ist von ihnen nicht leicht etwas Gründliches zu erfahren, ob die Geschichten wahr oder erdichtet seien; c) weil über 100 Jahre weder der Papst noch sonst jemand der ihm Zugethanenen zur Widerlegung der evangelischen Lehre ein Wunder gethan, auch nicht das Herz und den Muth gehabt hat oder noch hat, desselben sich zu erbieten, so beruhet gewiß das Vorgeben auf Unwahrheit.

 839. g) Die Autorität und Gewalt der Kirche. Die Kirche hat nicht Macht, Jemanden mit Gewalt zum Glauben zu zwingen, oder über die Gewissen zu herrschen, welche, ob schon die Menschen diese Macht manchmal aus Furcht mit dem Munde und äußerlichem Vorgeben annehmen, doch durch leibliche Gewalt sich nicht bewegen lassen, und der Macht allein weichen, wenn sie von der Wahrheit überzeugt sind.| So aber mit dem Gewissen zu verfahren, ist a) der Kirche nicht erlaubt, auch hat sie b) es niemals ausgeübt, vielmehr hat c) der Herr Christus es verboten, Luc. 6, 55. 56. Als er von den Samaritern nicht aufgenommen ward, V. 53., und Jacobus und Johannes darüber so erzürnt wurden, daß sie Feuer vom Himmel fallen und sie verzehren lassen wollten, that ihnen der Herr Einhalt und sprach: „Wisset ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid? Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern zu erhalten.“

 840. Es besteht der Kirche Gewalt vornämlich in guter Ordnung und gutem Regiments sowohl was die Bestellung des Predigtamtes und die Ceremonieen bei dem Gottesdienste, als auch die Strafe der Halsstarrigen anbelangt. Dieß haben wir zum Theil gesehen, als von dem Beruf und der Gewalt des Predigtamtes gehandelt worden ist, zum Theil soll es jetzt betrachtet werden, nämlich:

 α) Es ist der Kirche freigelassen, die Ceremonieen nach ihrem Gefallen frei zu ordnen, jedoch mit gewissem Maß. Die Ceremonieen beim Gottesdienste des alten Testaments sind von Gott in allen Punkten verordnet gewesen (wie das dritte Buch Mosis darthut), aber in Christi Kirche sind keine Umstände des Gottesdienstes absonderlich geboten, sondern in der Kirche Freiheit gestellt worden, nur daß alles nach der Regel gerichtet sei: „Lasset alles ordentlich und ehrlich zugehen.“ 1 Corinth. 14, 40. Und V. 26.: „Lasset Alles zur Besserung geschehen.“ Was sonst Paulus von dem Hauptentblößen oder bedecken bei dem gemeinsamen Gebete, 1 Corinth.| 11, 4. 5.), von der Ordnung des Lehrens (1 Corinth. 14, 27. ff.), den Christen zu Corinth vorgeschrieben hat, das bindet uns heutzutage nicht, wie auch die Kirche niemals solches alles als ein allgemeines Gebot aufgenommen hat. Es steht der Kirche also frei, die Ceremonieen und Gebräuche nach ihrem Gefallen zu setzen, wie solche in Gottes Haus und in der Versammlung der Heiligen ehrlich stehen, und sich findet, daß es zur guten Ordnung und zur Besserung der Gemeine dienen mag.

 841. β) Kein Stand der Kirche, oder auch einzelne Person, hat Macht, dasjenige, was die Kirche geordnet hat, nach Gefallen zu ändern und abzuschaffen. Soll alles ehrlich und ordentlich zugehen, so darf das nicht nach eines Jeden Sinn geändert werden, was die ganze Gemeine gesetzt hat, weil daraus vielfältige Verwirrung und Unordnung entstehen müßte. Wer demnach etwas solcher Ordnung der Kirche zuwider thut, der versündigt sich gröblich wider die Autorität der Kirche, indem er aus eigenem Vornehmen abthut, was sie durch göttliche Macht festgesetzt hat.

 842. γ) Wiewohl die Kirche den Gebräuchen beim Gottesdienst zu jeder Zeit ab- und zuthun mag, was sie will, so steht doch in ihrer Gewalt nicht, den Feinden göttlicher Wahrheit, die solche Gebräuche anfechten, zu weichen, und ihnen zu Gefallen etwas zu ändern. Der Apostel hielt die Beschneidung für ein freies Mittelding, denn er selbst beschnitt den Timotheus, Apost. Gesch. 16, 3. Als aber die falschen Apostel forderten, die Christen müßten sich| beschneiden lassen, stritt Paulus hart dawider, Apost. Gesch. 15, 2., daß er auch bezeugte: „Siehe, ich Paulus sage euch, wo ihr euch beschneiden lasset, so ist euch Christus kein nütze.“ Gal. 5, 1. gibt er darauf die Lehre: „Bestehet in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat, und lasset euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen u. s. w.“ Also war die Erhaltung der christlichen Freiheit die Ursache, warum sich der Apostel der Beschneidung so hart widersetzte. Cap. 2, 5.: „Wir wichen denselben nicht eine Stunde, unterthan zu sein, auf daß die Wahrheit des Evangelii bei euch bestände.“ Es erfordert die christliche Freiheit, daß die Kirche, wenn sie ihrer Gebräuche halber angefochten wird und sie schon sonst zu ändern gedächte, doch den Gebrauch ihrer Freiheit ihren Feinden nicht übergeben soll (weil sie hernach Alles ändern müßte, was diesen gefiele), und deßwegen beharren bei dem, was sie geordnet hat und gewohnt ist. So stehet in christlicher Freiheit, die Bilder aus den Kirchen zu thun, die Beschwörung des Satans bei der Taufe auszulassen, Orgeln abzuschaffen u. dgl. Wenn aber falsche Brüder fordern, man solle und müsse solches und dergleichen ändern, dann steht es nicht mehr der Kirche frei, sie zu ändern, sondern sie muß sie behalten, damit sie sich nicht ihren Feinden eben damit dienstbar mache und ihre Freiheit selbst hinwegwerfe.
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 843. h) Die verschiedenen Stände der Kirche. Der Herr ist nicht ein Gott der Unordnung, darum will er, daß Alles ordentlich und ehrlich in der Kirche zugehen soll, 1 Corinth. 14, 33. 40. Er| hat daher drei Hauptstände verordnet, in die er Alle gesetzt, welche er in seine Kirche aufnimmt, den Lehrstand, den Regierstand, den Hausstand. In den ersten gehören Lehrer und Prediger; in den andern Regenten und Unterthanen, in den dritten Herren und Frauen, Knechte und Mägde, auch Aeltern und Kinder.

 Daß Gott den Lehrstand verordnet hat, ist im vorigen Kapitel zur Genüge ausgeführt worden. Den Hausstand hat er bald nach dem Sündenfall gestiftet, 1 Mos. 3, 17.: „Mit Kummer sollst du dich auf dem Acker nähren dein Lebenlang, Dornen und Disteln soll er dir tragen.“ Diesen Stand hat er auch ohne Jemandes Einrede bisher erhalten.

 Der Regierstand kommt auch von Gott her. „Durch mich regieren Könige und die Rathsherren setzen das Recht,“ spricht die göttliche Weisheit, Sprüchw. 8, 15. „Wo aber eine Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet,“ Röm. 13, 1.

 844. Bei Betrachtung des Regierstandcs ist nicht zu übergehen: Ob auch in Christi Kirche, und nachdem er die Menschen gelehrt hat, eine weltliche Obrigkeit sein solle? Wir antworten: Ja!

 α) weil die Obrigkeit von Gott selbst eingesetzt, weder durch Christum, noch durch seine Apostel abgeschafft und aufgehoben worden ist, insonderheit, weil der Herr Christus mit solchen Menschen zu schaffen hatte, die im Stande der Obrigkeit waren, als dem Hauptmann zu Capernaum, Matth. 8, 5. ff., dem Königischen,| Joh. 4, 47. ff., dem Könige Herodes und dem Landpfleger Pontius Pilatus, Matth. 27, 11. Luc. 28, 2. 8. Ebenso die Apostel, mit dem Hauptmann Cornelius, Apost. Gesch. 10, 17. ff., Sergius, Cap. 13, 7., Felix, Cap. 24, 10., König Agrippa, Cap. 26, 1. ff. Keinem von diesen allen ist ein Wort gesagt worden, ihren Stand zu verlassen, was geschehen wäre, wenn Christus die Obrigkeit in seinem Reiche nicht hätte dulden wollen oder können.

 845. β) weil der Obrigkeit bei Beschreibung des Reiches Christi, durch die Propheten besondere Meldung geschehen ist, Ps. 2, 10. 11. „So lasset euch nun weisen, ihr Könige, und lasset euch züchtigen, ihr Richter auf Erden, dienet dem Herrn mit Furcht u. s. w.“ Ps. 24, 7. „Machet die Thore weit, und die Thüren hoch, daß der König der Ehren einziehe.“ Jes. 49, 23. „Die Könige sollen deine Pfleger, und ihre Fürsten deine Säugammen sein.“ Cap. 60, 3. „Die Heiden werden in deinem Lichte wandeln, und die Könige im Glanze, der über dir aufgeht.“ Ps. 72, 10. 11. „Die Könige am Meer und in den Inseln werden Geschenke bringen, die Könige aus Reich Arabien und Seba werden Gaben zuführen, alle Könige werden ihn anbeten.“

 846. γ) Weil uns Christen befohlen ist, für die Obrigkeit zu beten, 1 Timoth. 2, 1. 2.: „So ermahne ich nun, daß man vor allen Dingen zuerst thue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, auf daß wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit.“

|  847. δ) Weil wir Christen ermahnt werden, der Obrigkeit unterthan zu sein, Röm. 13, 1.: „Jedermann sei unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat.“ V. 2.: „Wer sich nun wider die Obrigkeit setzt, der widerstrebet Gottes Ordnung, die aber widerstreben, werden über sich ein Urtheil empfangen.“ V. 4.: Sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses thut.“ V. 5.: „So seid nun aus Noth unterthan, nicht allein um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen.“ V. 7.: „So gebt nun Jedermann, was ihr schuldig seid, Schoß, dem der Schoß gebühret, Zoll, dem der Zoll gebühret, Furcht, dem die Furcht gebühret, Ehre, dem die Ehre gebühret.“ Matth. 22, 21. „Befiehlt der Herr Jesus, dem Kaiser Zins zu geben.“ 1 Petr. 2, 13. 14.: „Seid unterthan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, es sei dem Könige, als dem Obersten, u. s. w.“ V. 17.: „Fürchtet Gott, ehret den König.“
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 848. i) Was für Feinde und Widerwärtige die Kirche Christi auf Erden haben werde? Sie ist auf der Welt wie Christi Schifflein auf dem Meere, das mit Wellen bedeckt war, Matth. 8, 24., und hat an allen Orten und Enden Feindschaft, Joh. 15, 18. 19. „So euch die Welt hasset, so wisset, daß sie mich vor euch gehasset hat. Dieweil ihr nicht von der Welt seid, sondern ich habe euch von der Welt erwählet, darum hasset euch die Welt.“ Es ist nicht nöthig, dieß hier weitläuftig auszuführen; zwar wäre der Ketzer und falschen Lehrer, die in der Kirchen sein würden, Meldung zu thun, daß nicht Jemand| meine, wo Secten und Verführer sich finden ließen, da wäre die wahre Kirche nicht; aber es ist davon schon gehandelt worden, als von der Reinigkeit der Kirche die Rede war.

 849. Unter den falschen Lehrern und Feinden der Christenheit ist der vornehmste der Widerchrist, welchen man mit dem griechischen Worte den Antichrist zu nennen pflegt, der sich dem Herrn Christo am heftigsten und grausamsten widersetzt. Widerchristen werden sonst alle genannt, die sich mit falscher Lehre Christo widersetzen, 1 Joh. 2, 18. „Nun sind viele Widerchristen worden.“ Aber von einem besonderen und vornehmen Widerchrist ist 1 Joh. 4, 3. geweissagt: „Das ist der Geist des Widerchrists, von welchem ihr habt gehört, daß er kommen werde.“ St. Paulus heißt ihn „den Menschen der Sünde, das Kind des Verderbens, den Widerwärtigen.“ 2 Thess. 2, 3. 4.

 850. Von diesem Widerchrist entstehen verschiedene Fragen, als: ob er nunmehr in die Welt gekommen sei? ob er aus dem jüdischen Geschlechte entstehen werde? ob er zu Jerusalem wohnen solle? oder eine einzelne Person sein werde? u. s. w. Hier ist es nicht am Orte, ausführlich davon zu handeln, sondern nur zwei Hauptfragen zu beantworten: α) ob zu dieser Zeit der Widerchrist gekommen sei und β) wer derselbe sei? Wenn nun dargethan wird, wer der Widerchrist sei, und vor Augen ist, daß er vorhanden sei, so ist auch damit erwiesen, daß er jetzt gekommen sei.

 851. Es soll demnach ein jeder Christ wissen, daß der römische Papst der große Widerchrist| sei, von dem die Weissagungen lauten.[1] Dieses ist aber folgendermaßen zu beweisen. An wem alle Zeichen zu finden sind, die uns Gott gegeben hat, den Widerchrist daran zu erkennen, der ist gewiß der große Widerchrist. Wie Christus aus nichts Anderem hat erkannt werden mögen, als aus seinen Merkzeichen, so kann der Widerchrist aus nichts Anderem, als aus seinen Merkzeichen, erkannt werden. An dem römischen Papst sind alle Zeichen zu finden, die uns Gott gegeben hat, den Widerchrist daran zu erkennen, darum ist der römische Papst gewiß der große Widerchrist. Die Zeichen des Widerchrists sind: sein Name, der Ort seines Sitzes, die Zeit seiner Regierung, sein Stolz und Uebermuth, seine Werke oder Verrichtungen.

 852. a) Der Name, daraus der Widerchrist und sein Reich zu erkennen ist, heißt Babylon, Offenb. 17, 5. „An ihre Stirn war geschrieben, der Name, das Geheimniß, die große Babylon.“ Daß diese Babylon die Stadt Rom sei, wird sich hernach ergeben, wenn wir von dem Orte des Widerchrists handeln werden. Wie nun des Papstes Kirche Rom heißt, so heißt sie auch geistliche Babylon, welches der Name des widerchristlichen Reichs ist.

 853. b) Der Ort, an welchem der Antichrist regieren würde, wird mit vier Namen beschrieben, Babylon, Offenb. 17, 5., die sieben Berge, Offenb. 17, 9. „Die sieben Häupter sind sieben Berge,| auf welchen das Weib sitzt,“ die große Stadt, die über die Welt herrscht, Offenb. 17, 18. „Das Weib, daß du gesehen hast, ist die große Stadt, die das Reich hat über die Könige auf Erden.“ Diese 3 Namen gehören eigentlich der Stadt Rom. Denn, daß diese

 Babylon sei, haben die alten Kirchenlehrer dafür gehalten, und streiten auch dafür die heutigen Papisten, Babylon heiße die Stadt Rom auch an diesem Ort, als Bellarminus lib. 2. de Rom. Pontif. 2. und Gretserus defens. 2. contravers. Bellarmini lib. 2. cap. 2. Darum bedarf das hier keines besondern Beweises.

 Die sieben Berge sind die Stadt Rom, welche auf sieben Bergen liegt, wovon auch die Profan-Scribenten geschrieben haben. Die Papisten sind auch darin mit uns einig, durch sieben Berge werde Rom verstanden.

 Die große Stadt, die das Reich hat über die Könige auf Erden, ist außer allem Zweifel Rom, da sie damals die Könige der Erden unter ihre Botmäßigkeit gebracht hatte, wie weltkundig ist, und auf dem ganzen Erdboden keine Stadt war, deren einer solche Gewalt hätte zugeschrieben werden können, als allein Rom. Daraus wird auch, als aus einem Kennzeichen, geschlossen, der Sitz des Widerchrists sei Rom.

 854. Wenn nun die Anhänger des Papsts dieß ablehnen wollen und sagen, es sei das heidnische Rom gewesen, weil die heidnischen Kaiser viele Verfolgungen in der Christenheit angerichtet haben, so ist die Antwort: a) hier werde gehandelt von der letzten Zeit, welche der nachfolgen solle, in welcher Johannes, und also| die heidnischen Kaiser gelebt haben; und b) dieß hat geschehen sollen, wenn das römische Reich in Abfall gekommen sein würde, 2 Thess. 2, 3. „Er kommt nicht, es sei denn, daß zuvor der Abfall komme, u. s. w.“ welcher Abfall im Gleichnisse zweier Thiere beschrieben wird, Offenb. 13. Zur Zeit aber der heidnischen Kaiser war dieß noch nicht geschehen, c) Dieß Reich sollte haben einen Schein der Heiligkeit (welcher bei den römischen Kaisern nicht war). Darum wird es also beschrieben: „Das andere Thier hatte zwei Hörner, gleichwie das Lamm, und redet, wie der Drache.“ Offenb. 13, 11. Es bleibt also gewiß, daß der Widerchrist in den letzten Zeiten, wenn das römische Reich in Abnahme gekommen sein wird, zu Rom regieren werde. d) Dieses Reich hat ein Kirchen-Regiment sein sollen, wie der vierte Name des Orts mit sich bringt.

 855. Der vierte Ort ist Gottes Tempel, 2 Thess. 2, 4. „Der Widerwärtige setzet sich in den Tempel Gottes, als ein Gott.“ Durch den Tempel wird nicht der zu Jerusalem gewesene verstanden, denn dieser mußte zerstört, Matth. 24, 2., und kein dritter Tempel gebaut werden, Daniel 9, 27., sondern es wird gemeint, die Kirche Gottes, welche ein Tempel genannt wird, 1 Corinth. 3, 16. „Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid?“ 2 Corinth. 6, 16. „Ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes.“ So hat nun der Widerchrist in der Kirche regieren sollen. Wie dieß der Papst gethan hat, ist mehr, als gut ist, bekannt, und wird sich jetzt bald finden.

 856. c) Die Zeit seiner Regierung. Hier ist zweierlei zu merken:

|  α) um welche Zeit dieses Reich seinen Anfang und Fortgang haben werde? Da kann nicht so genau angezeigt werden, welches Jahr und Monat der Widerchrist zu regieren angefangen habe, als das römische Reich abgenommen hatte. Denn Johannes beschreibt’s Offenb. 13. erstlich als ein Thier, das sieben Häupter und zehn Hörner hatte (welches sind zehn Königreiche nach Daniels Auslegung, Cap. 7, 24. „Die zehn Hörner bedeuten zehn Königreiche, so aus demselben Reich entstehen werden“), darnach, daß dasselbe tödtlich wund werde. V. 3.: „Nachdem steigt ein anderes Thier auf, das habe zwei Hörner (zwei Regimente, ein geistliches und ein weltliches) gleich einem Lamm, aber es rede wie der Drache.“ V. 11.: „Also ist dasselbe Thier, der Widerchrist, damals aufgestiegen, da das erste Thier (das römische Reich) tödtlich wund war.“ Hievon redet der Apostel 2 Thess. 2, 7.: „Es reget sich schon bereits die Bosheit heimlich, ohne daß, der es jetzt aufhält, muß hinweggethan werden.“
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 857. β) Wann es werde darnieder liegen und aufhören? St. Paulus meldet das klar, 2 Thess. 2, 8. „Alsdann (wenn hinweg ist, was die Bosheit aufhält, nämlich die große Macht des römischen Reichs) wird der Boshaftige offenbar werden, welchen der Herr umbringen wird, mit dem Geist seines Mundes, und wird sein ein Ende machen durch die Erscheinung seiner Zukunft.“ So wird er offenbaret durch das Wort (welches das ordentliche Werkzeug ist des Geistes des Mundes Gottes), tödtlich geschlagen, aber gänzlich abgethan werden, wenn der Sohn Gottes das allgemeine Gericht über| die Welt ergehen lassen wird. Wozu uns dieses nun hier diene, wird bald zu vernehmen sein.

 858. d) Die angemaßte Hohheit, Pracht und Uebermuth. Diese wird oft angedeutet, „wenn das Thier seine Gebote ausgehen lässet an die, so auf Erden wohnen.“ Offenb. 13, 14., wenn es zuwege bringt, „daß Niemand kaufen oder verkaufen kann, er habe denn das Mahlzeichen oder den Namen des Thiers,“ Offenb. Johannis 13, 17.; „wenn die große Hütte bekleidet ist mit Scharlach und Rosinfarbe, und übergoldet mit Gold und Edelsteinen und Perlen, und hat einen güldenen Becher in der Hand u. s. w.“ Cap. 17, 4. Eigentlich aber und vor Allem hat St. Paulus den Uebermuth wohl beschrieben. „Der Widerwärtige erhebt sich über Alles, das Gott oder Gottesdienst heißt, also, daß er sich setzet in den Tempel Gottes, als ein Gott, und gibt vor, er sei Gott.“ 2 Thess. 2, 4. Wie sich dieses am römischen Papst erfüllt hat, darauf muß hier hingedeutet werden.

 859. α) Die große übermäßige Pracht ist am Tage, und in vielen Historien von vielen hundert Jahren her heftig beseufzt und beklagt worden.

 β) Er hat sich erhoben über Alles, das Gott und Gottesdienst heißt. Ueber den lebendigen Gott, Schöpfer Himmels und der Erden, hat er sich aufgeblasen, daß er nicht an Gottes Wort hat gebunden sein, noch in seiner Lehre daraus examinirt werden wollen, auch daß er vielfältig wider Gottes Wort gelehrt, des Herrn Christi Testament in ein Opfer verwandelt, und den Kelch, welchen der Herr Christus auch den Laien zu empfangen befohlen hat, hinweggenommen hat, damit sein Gesetz und seine Anordnung höher gesetzt| werde, als des lebendigen Gottes Gesetz und Verordnung. Auch werden die Obrigkeiten Götter genannt, Ps. 82, 1. Diese aber hat der Papst so überstiegen, daß er die römischen Kaiser ab- und eingesetzt hat, die von ihm die Bestätigung empfangen und dann dem Papste die Füße haben küssen müssen. Wenn der Papst hat reiten wollen, hat er schuldig geachtet, daß der Kaiser ihm die Steigreifen halte und das Pferd mit dem Zaum führe, ja, es haben wohl die Päpste den Kaisern auf den Hals getreten, und in Summa, was der Papst nicht gewollt hat, dessen hat sich auch keine Obrigkeit unterfangen dürfen. Also hat sich ja der Papst erhoben, über Alles, was Gott heißt, und weil er sich höher gesetzt, als Gott, so hat er eben damit aus sich selbst einen Gott gemacht.

 860. γ) Er hat sich erhoben über Alles, was Gottesdienst heißt, nämlich über alle Kirchen auf Erden, und sich für Christi Statthalter, der Kirche Bräutigam und Haupt, den allgemeinen Bischof ausgegeben, dem Niemand etwas einreden soll, ob er schon unzählig viel tausend Seelen in den Abgrund der Hölle führte, und dessen Prahlens ist kein Maß noch Ziel, daß, wenn auf der ganzen Welt jemals grausame, erschreckliche Hoffart gespürt worden ist, so ist sie gewiß bei den Päpsten zu finden.

 861. e) Seine eigenen Werke und Verrichtungen, deren wir hauptsächlich vier betrachten wollen.

 α) Die Wunderwerke: Diese sind zur letzten Zeit uns zu Zeichen gegeben worden, den Widerchrist zu erkennen, 2 Thess. 2, 9. „Welches Zukunft geschieht nach der Wirkung des Satans mit allerlei lügenhaften| Kräften und Zeichen und Wundern.“ Offenb. 13, 13. „Das Thier thut große Zeichen.“

 Der Papst thut Zeichen und Wunder, wie sein Anhang mit großem Gepränge rühmt. Daß aber diese lügenhaft seien, ist daraus abzunehmen, 1) weil nicht bewiesen werden kann, daß sie wahrhaftige und recht göttliche Zeichen seien; 2) weil wir aus Gottes Wort nicht wissen können, daß sie wahrhafte Wunder seien; 3) weil sie von Gott also gezeichnet sind, daß eben dieselben, welche in der letzten Zeit geschehen oder vorgegeben werden, lügenhaft sein und durch des Satans Wirkung geschehen werden.

 862. β) Das Verbot der Speise, 1 Timoth. 4, 1. ff. „Der Geist sagt deutlich, daß in den letzten Tagen werden Etliche von dem Glauben abtreten, und anhangen den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel, und gebieten, zu meiden die Speise, die Gott geschaffen hat, zu nehmen mit Danksagung.“ Der Papst hat verboten, Speise, die Gott geschaffen hat, zu nehmen, als Fleisch, Milch, Käse, Butter, Eier, und was nur vom Fleisch herkommt, daß dessen Niemand genießen darf in der Fastenzeit, an gewissen Tagen durch alle Wochen des ganzen Jahrs, sowohl etlichen gewissen Ordens-Leuten, die sich ihre Lebenszeit hindurch des Fleisches enthalten müssen, und solches um desto größerer Heiligkeit willen, mit der Bedrohung, daß, wer solches Gebot hintansetzen, und die Speise, die doch Gott mit Danksagung zu nehmen geschaffen hat, genießen würde, in den Bann gethan, von Gottes Gnade ausgeschlossen sein sollte, bis er sich wieder mit dem Papste vertragen würde.

|  863. γ) Das Verbot der Ehe. Das hat St. Paulus am angeführten Orte mit dem Speiseverbot zusammengesetzt: „Der Geist sagt, daß Etliche werden anhangen der Lehre der Teufel, und verbieten, ehelich zu werden.“ Und Daniel spricht, es werde der Widerchrist der Frauen-Liebe (ordentliche und zugelassene) nicht achten, Cap. 11, 37. Dieß kann von einem allgemeinen Verbot der Ehe nicht verstanden werden, weil Niemand damit fortkommen, noch einigen Anhang erlangen würde, wie doch dieses Verbot von verführerischen Geistern herkommen sollte.

 Der Papst aber hat den Ehestand verboten Allen, die den Gottesdienst verwalten oder sich sonst in gewisse Orden begeben, damit sie so in großer Heiligkeit Gott dienen möchten, womit er aber die Christenheit mit unzählig viel Hurerei, Ehebruch und anderer Unreinigkeit, sammt grausamen Kindermord erfüllt hat, worüber alle Historien schreien und klagen.

 864. δ) Die Krämerei, die er in Gottes Kirche angestellt hat. Der Apostel klagt über solche Leute, die meinen, Gottseligkeit sei ein Gewerbe, 1 Timoth. 6, 5., womit er ohne Zweifel auf des Widerchrists Kram und Gewerbe, das er unter dem Schein der Gottseligkeit treiben würde, gesehen hat. Die Offenbarung Johannis beschreibt Cap. 18, 3. ff. dieses babylonische Reich des Widerchrists als eine Kaufmanns-Stadt, da großes Gewerbe und reiche Kaufleute seien. Was dieß bedeutet, ist Daniel 11, 43. gesagt: „Er wird durch seinen Zug herrschen über die güldenen und silbernen Schätze u. s. w.“ und St. Petrus 2 Epistel 2, 1. ff.: „Unter euch werden sein falsche Lehrer, und Viele werden nachfolgen ihrem| Verderben, und durch Geiz mit erdichteten Worten werden sie an euch handthieren.“ Dieß hat der Papst redlich erfüllt, dessen Geldfischerei alle zu beschreiben, unmöglich ist. Man bedenke nur, was für unzählig Geld er und sein Haufe erlangt hat mit Stiftungen und Einkaufungen der Messe, die die Lebenden entweder für sich und ihre Sünden, oder für die Todten und deren Erlösung aus dem Fegfeuer mit nicht wenigem Geld erlangen müssen; was durch die ganze Christenheit der Handel mit Ablaßbriefen getragen hat, die entweder zu Rom, besonders in Jubeljahren, mit unzähligem Haufen und mit großem Geld erkauft oder durch die Ablaßkrämer in allen Landen feil geboten worden sind; was die casus reservati oder solche Fälle der Sünden, von denen zu absolviren, sich der Papst allein vorbehalten hat, in die Rentkammer gebracht haben, (denn daß der Papst dabei nichts verschenkt habe, kann die taxa poenitentiaria oder Taxe, wie theuer man eine jede Sünde abkaufen soll, und welche öffentlich ausgegangen ist, bezeugen); was die mancherlei Dispensationen haben eintragen mögen, welche allezeit schwer Geld erfordert haben; zu geschweigen, was die Krönungen der Kaiser und Könige, die bischöflichen Mäntel und dergleichen unzählige Fünde, deren man sich theils jetzt schämt, theils ohne Scheu noch gebraucht, eingebracht haben. Ueber diese Krämerei haben viele fromme Leute unter’m Papstthum geschrieen und geklagt, es sei zum Erbarmen, daß um Geld Alles feil sei, man verkaufe dafür die Königreiche, die Kirchenämter, die Gebete, die Gottesdienste, Himmel und Hölle, Gott und den Teufel.
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|  865. Dieses sind die Merkzeichen des Widerchrists, welche hier angezogen werden mußten, und aus denen geschlossen werden könne, daß der römische Papst der rechte eigentliche Widerchrist sei, wie denn dieser ganze Abschnitt in diesem Schluß gefaßt werden mag: Wer sich in der christlichen Kirche zu der letzten Zeit, wenn das römische Reich in’s Abnehmen gekommen sein wird, über Gott und Alles, was Gott ist, erhebt, und sich als einen Gott halten und ehren läßt, seinen Sitz zu Rom aufgeschlagen hat, mit lügenhaften Wunderwerken prangt, Speise und die Ehe verbietet, und aus dem Gottesdienste eine Krämerei macht, derselbe ist der rechte eigentliche große Widerchrist. Der römische Papst ist eben derjenige, an welchem sich Alles dieses ausdrücklich und sonnenklar findet, darum ist der römische Papst der rechte, eigentliche große Widerchrist.





  1. Was nun folgt, ist die Ansicht aller älteren Dogmatiker der lutherischen Kirche vom Widerchrist. Indem dieser Abschnitt mitgetheilt wird, soll keineswegs der Ansicht und Ueberzeugung der Leser vorgegriffen werden.


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