Geschichte der Neustädter Realschule in Dresden

Textdaten
Autor: Adolf Hantzsch
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Titel: Geschichte der Neustädter Realschule in Dresden
Untertitel: Nach den Quellen bearbeitet
aus: Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. Heft 2
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Erscheinungsdatum: 1880
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Erscheinungsort: Dresden
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[Titel]
Geschichte
der
Neustädter Realschule in Dresden.
Herausgegeben
vom
Vereine für Geschichte und Topographie Dresdens
und seiner Umgebung.
Nebst Vereins-Nachrichten.


Mittheilungen des Vereines 2. Heft.



Dresden,
Emil Schilling.
1875.
[Inhalt]


Inhaltsverzeichniß.



Seite
1. Geschichte der Neustädter Realschule 1–73
2. Vereinsnachrichten 74–76
3. Mitgliederverzeichniß 77 u. 78



[1]


Geschichte
der
Neustädter Realschule in Dresden.
Säcularschrift zur Feier ihres historisch beglaubigten 400jährigen Bestehens
von
Adolf Hantzsch, Lehrer an der VI. Bezirksschule.




Zu den Erfahrungen, die der Geschichtsforscher nicht zu selten zu machen Gelegenheit hat gehört auch die, daß er den Zeitpunkt gewisser, nicht gerade weltbewegender Ereignisse mit Sicherheit nicht festzustellen vermag, sei es, daß man es unterließ, Aufzeichnungen darüber zu machen, sei es, daß zerstörende Einflüsse das etwa Niedergeschriebene vernichteten. Für den eben ausgesprochenen Satz liefert auch die Geschichte der Neustädter Realschule einen Beweis, da das Gründungsjahr der genannten Anstalt durchaus nicht ausfindig gemacht werden kann, obgleich über die Zeit ihrer Entstehung mancherlei allerdings unbewiesene Behauptungen aufgestellt worden sind. So sagt der Rector Beger in seiner Festrede bei Einweihung des noch gegenwärtig benutzten, aber durchaus nicht mehr zureichenden Gebäudes der Neustädter Schule (den 6. November 1854): „Wenn ein hohes Alter, wenn eine durch mehrere Jahrhunderte fortgesetzte Wirksamkeit an sich Anspruch auf Achtung und Ehre verleiht, so darf sich dessen die Schule zu Neustadt um so mehr erfreuen, da sie die älteste Lehranstalt unserer Stadt ist.“ Woher er diese Behauptung genommen, ist nicht ersichtlich, da er fortfährt: „Ueber ihre ältere Geschichte besitzt man in genügender Art weder urkundliche, noch traditionelle Nachrichten. Ihr Wirken vor und lange nach dem großen Brande 1685 übergehen die Annalen der Stadt mit Stillschweigen, da das anspruchslose Walten in den Lehrstätten der Jugendbildung dem Auge des Chronisten ja meist verborgen bleibt. ... Nur erst über die Umwandelung des Neustädter Gymnasiums in eine höhere Bürgerschule liegen in einigen Actenstücken zuverlässige Berichte vor.“[1]

[2] Dieser Auslassung ist zunächst die Thatsache entgegenzustellen, daß die Kreuzschule bereits 1452 urkundlich erwähnt wird[2], diese auch allgemein als älteste Schule Dresdens gilt[3], und sodann der Umstand, daß Hilscher in seinem Buche: „Etwas zur Kirchenhistorie in Alt-Dreßden (1721)“ mancherlei über die Neustädter Schule mittheilt. Vielleicht gründete Beger seine Behauptung auf die Bemerkungen, die Vorwerk in seinem Buche: „Geschichte und Verfassung des Dresdner Schulwesens (1836)“ über die Gründung der letztgenannten Anstalt macht, indem er Seite 5 sagt: „Die Neustädter Schule ist die älteste Schule von ganz Dresden, welche ursprünglich zu dem daselbst befindlich gewesenen Augustiner-Kloster gehörte, bis sie 1539 von Herzog Heinrich dem Frommen der Gemeinde als Parochialschule übergeben wurde.“ – Hasche[4] hält es nicht für unwahrscheinlich, daß sie durch Wilhelm den Einäugigen entstanden ist, der 1404 in Neustadt das Augustinerkloster gründete, obgleich die Stiftungsurkunde (Weck, S. 295–297) nichts darüber sagt. Buhle[5] glaubt auch, daß die Schule wahrscheinlich schon vor 1539 bestanden habe und in dem erwähnten Jahre nur in eine Art evangelisches Gymnasium umgewandelt worden sei. Hilscher in seinem „Etwas zur Kirchenhistorie in Alt-Dreßden“ läßt die Schule erst nach der Reformation entstehen, da er S. 42 seines Buches sagt: „Nach Einführung der Reformation in Neustadt trug man auch Sorge, wie die Jugend zur Gottseligkeit und andern nöthigen Wissenschaften möchte angeführet werden. Denn da ward nicht nur ein Schulmeister, wie es dazumal hieß, sondern auch nachmals ein Cantor, und bei Vermehrung der Jugend noch ein Bacularius (Stabträger, Kirchendiener) auch Tertianus oder Tertius genannt, ingleichen vor die Mädchen ein Jungfer-Schulmeister geordnet.“ Man begreift nicht recht, wie Hilscher bei einer so klar ausgesprochenen Ansicht S. 182 seines Buches in Anmerkung h behaupten kann, daß der Stadtschreiber Michael Weiße in Neudresden[6] bereits 1530 ein Legat gestiftet hätte, dessen Zinsen zum Theil der Schule zu Altdresden[7] zu [3] Gute gehen sollten. Es liegt in dieser Bemerkung nicht nur ein Widerspruch mit der oben angeführten Mittheilung, da der Hilschers Meinung zufolge erst nach 1539 entstandenen Schule nicht 1530 schon ein Zinsengenuß zugewiesen werden konnte, sondern auch ein historischer Irrthum. Weiße kam nämlich überhaupt erst 1549 nach Dresden und errichtete das erwähnte Vermächtniß von 50 Fl. in seinem Testamente vom Jahre 1563, darin bestimmend, daß die Zinsen zur Anschaffung von Büchern für arme Alumnen und Currendaner der Kreuzschule, sowie für arme Zöglinge der Schule zu Altdresden verwendet werden sollten.[8] – Außer Hilscher vertreten auch Gehe (die Unterrichts- und Erziehungsanstalten in Dresden, 1845)[9] und Ackermann (die frommen und milden Stiftungen im Königreich Sachsen)[10] die Ansicht, daß die Neustädter Schule erst 1539 gleich nach Einführung der Reformation und zwar vom Stadtrath ins Leben gerufen worden sei.

Bei diesen sich einander gegenüberstehenden Ansichten müssen wir uns doch auf die Seite derer stellen, welche die Entstehung der Anstalt in die vorreformatorische Zeit verlegen und zwar zunächst aus folgendem Grunde. In der weiter unten zu erwähnenden Urkunde vom Jahre 1543, durch welche Kurfürst Moritz den Unterhalt der Kirchen- und Schuldiener zu Altdresden festsetzt, heißt es ausdrücklich: „Nachdem die Kirchen vnd Schulendiner zu Alten Dreßden hievor vnd bis anher vonn dem Augustiner Closter doselbs bestellt vnnd versorgt wordenn, Vnnd aber durch die Gnade des Allemechtigenn das Licht der Wahrheit auch des Heiligen Evangely vnnd Wort Gottes Cristlicher vnnd rechter Verstand wiederum an Tag kommen dordurch es mit berürten Closter vnnd derselben Ordens Personen ain Anderung erlangt, damit die Kirchen vnnd Schulendiner doran weiter nicht haben können bestellt, noch vnnterhalten werden etc.“[11] Wenn also auch Schuldiener oder Lehrer bisher schon von dem Augustinerkloster zu Neustadt, das bekanntlich 1539 einging, angestellt und versorgt wurden, so mußte doch offenbar eine Schule da sein, an der sie wirkten.

[4] Eine weitere Bestätigung für das Vorhandensein der Neustädter Schule in der Zeit vor der Reformation liegt in folgender Thatsache. Im „Gerichtshandelsbuch des Rathes zu Dresden“, das mit dem Jahre 1505 beginnt und im hiesigen Rathsarchive verwahrt wird, findet sich von 1507 auf Blatt 24 folgender Eintrag: „Zu merken auff Freitag am tage Elisabeth haben Vor einem Erbern Rath petrus leuppolt die Zceit Schulmeister und Stadtschreiber Zu alden dresden Sampt seiner ehelichen Wirtein Nachgelassenen Hannsen Senfftis zeligen etwan Zceugkmeister yrer tochter Jungfer Margarethen vff Irem Hause In der grossen Juden gassenn Zcehen silberne schogk Vormacht Vnd geeigent Die sie Zu Iren Mundigen Jaren ap sie die erleben Werde Zu ehelicher erlicher erstatunge doran haben Vnd bekomen sal Szo sie ader bynnen der Zceit todis abginge, sal dise gabe Ine Wider In Heyme komen Vnd fallen Vnd vor nichtis angesehen Werden.“[12] Bedeutungsvoll bei dieser Erbschaftsangelegenheit ist der Umstand, daß in derselben ein Schulmeister zu Altdresden Erwähnung findet und mit Namen angeführt wird.

Wenn diese Mittheilung offenbar beweist, daß die Neustädter Schule schon vor der Reformation bestand, so dürfte etwa weiter zu fragen sein, ob das Jahr ihrer Gründung von der genannten Zeit an noch weit zurückliegt? Dies scheint allerdings der Fall, wie einzelne Notizen aus alten Altdresdner Stadtrechnungen, welche insgesammt für die frühere Geschichte unserer Stadt äußerst wichtig sind, unzweifelhaft darthun. Zum ersten Male kommt in den erwähnten alten Aufzeichnungen die Neustädter Schule, oder richtiger, deren Lehrer 1475 vor, denn es heißt daselbst: „Ausgabe 15 Gr. 3 Pf. an den Schulmeister, Trinkgeld vom Ungelde.“[13] Diese Notiz ist bei [5] aller Einfachheit ihres Inhalts insofern äußerst wichtig, als sie das Vorhandensein der Neustädter Schule bereits im Jahre 1475 aus amtlichen Quellen unwiderleglich nachweist. Wenn ja noch ein Zweifel darüber herrschen könnte, ob der in jener Mittheilung erwähnte Schulmeister auch wirklich an der hier in Frage kommenden Anstalt gewirkt habe, so müssen die noch folgenden, ebenfalls Altdresdner Stadtrechnungen entnommenen Angaben ein solches Bedenken vollständig beseitigen.

Können wir auch nach Lage der Sache das Jahr 1475 nicht gerade als das Gründungsjahr der Neustädter Schule bezeichnen, da es doch denkbar, obgleich höchst zweifelhaft ist, daß man später einmal das Vorhandensein der genannten Anstalt zu einem noch früheren Zeitpunkte als zu dem hier angegebenen zu beweisen vermag, so erachten wir doch das oben erwähnte Jahr trotzdem für höchst wichtig, da es möglich ist, von diesem Zeitpunkte an die Geschichte der Neustädter Schule durch einen Zeitraum von 4 Jahrhunderten zu verfolgen. In dieser Beziehung also darf man immerhin das Jahr 1875 für das jetzt so blühende Neustädter Unterrichtsinstitut als ein Jubeljahr bezeichnen.

Die Altdresdner Stadtrechnungen von 1500 führen folgende Posten auf: „20 Gr. Lohn dem Schulmeister;“ 6 Fl. in Golde dem Pfarrer und Schulmeister vom Salve (einem gestifteten Kirchengesange) jährlich. Wichtig ist die Notiz von 1503: „4 Gr. vertrunken, als der neue Schulmeister, der Baccalaureus von Hayn, im Kloster vom Prior angenommen ward“, woraus deutlich hervorgeht, daß die Schule vom Augustinerkloster zu Altdresden abhängig war. Der Ausgabeposten von 1504: „1 Gr. dem Locaten, so mit seinen Schülern vorm Rathe gesungen“, erinnert an eine frühere Einrichtung, nach welcher Lehrer ihre Dienste auf eine bestimmte Zeit vermietheten. Ueber den Eintrag von 1507: „1 Gr. den Schülern, vor dem Tisch gesungen“, möge bemerkt sein, daß bei besonderen Veranlassungen, namentlich bei dem Antritte des neuen Rathes, vom Lehrer der Neustädter Schule im Rathszimmer vor dem Rathstische ein Festgesang aufgeführt wurde. In derselben Stadtrechnung, die den letzterwähnten Posten enthält, kommt auch vor: „3 Pf. dem Schüler, mit dem Hirten umgegangen.“ Die Einwohner Dresdens mußten nämlich einen Hirtenlohn entrichten, welchen der Hirt selbst in Begleitung[WS 1] [6] eines Schülers vereinnahmte; die Hilfsleistung des letzteren bestand wahrscheinlich im Aufzeichnen der geleisteten Zahlungen. Uebrigens verwendete man auch in Neudresden die Schüler zu diesem Geschäfte und zwar hier schon im 15. Jahrhunderte.

Anfangs hatte die Neustädter Schule nur einen Lehrer, der sich kurzweg Schulmeister oder auch Ludimoderator nannte, welchen Titel auch die ältesten Rectoren der Kreuz- und der Annenschule führten; da sich aber die Amtsgeschäfte bald vermehrten, namentlich seit Einführung der Reformation, die auf die Einrichtung der Schule sicher nicht ohne Einfluß blieb, mußte noch ein zweiter Lehrer angenommen werden, der wegen seiner Wirksamkeit beim Kirchenchore Cantor hieß und dessen bereits 1543 Erwähnung geschieht. Auf dem im vorhergegangenen Jahre zu Leipzig abgehaltenen Landtage hatte man bestimmt, die Einkünfte der aufgehobenen Klöster zum Besten der Kirchen und Schulen zu verwenden. Mit Beziehung darauf ordnete Kurfürst Moritz 1543 an, daß dem Schulmeister zu Altdresden aus den Einkünften des ehemaligen Augustinerklosters 50 und dem Cantor 30 Fl. gegeben werden sollten.[14] Wahrscheinlich nicht lange nach dieser Zeit erhielt die Anstalt einen dritten Lehrer, den man Tertius oder Bacularius nannte und welcher bei der 1555 hier abgehaltenen Visitation mit aufgeführt wird.

Wer der erste Ludimoderator gewesen, ist nicht zu sagen; erst 1556 findet sich außer dem schon erwähnten Leupold wieder einer verzeichnet, nämlich Joachim Cranichfeld, den man als Schüler aus Freiberg berief. Man muß sich zwar wundern, daß man einen jungen Mann, der seine Studien noch nicht einmal abgeschlossen, für geeignet hielt, einer Schule als erster Lehrer vorzustehen, aber damals war dies eben um so eher möglich, als man Männer von mangelhafter wissenschaftlicher Bildung selbst mit Predigerstellen betraute. Wenigstens sagte der Superintendent Daniel Greser (1542–91) bei Gelegenheit der 1574 hier stattfindenden Visitation von den hiesigen Geistlichen: „Er wisse unter ihnen keine, so Flacianische oder Calvinische Opiniones hätten, ohne ihrer drei, . . . doch wisse er, daß gemeiniglich die Pastoren, so aus Glöcknern Pfarrherrn worden, zwar ungelehrt, doch fromm wären und den Katechismum [7] fleißig trieben.[15] Ob nach dem Mitgetheilten die Behauptung Vorwerks festzuhalten ist, daß die Neustädter Schule etwa um 1560 den Charakter einer Vorbereitungsanstalt für die Universität annahm[16], möchte vielleicht zu bezweifeln sein.

Als Johann Cranichfeld 1559 die Neustädter Schule verließ, um seine unterbrochenen Studien wieder aufzunehmen, wurde an seiner Stelle Martin Braune zum Schulmeister „per virgam et baculum“ investirt.[17] Er war „ein Dresdnisch und eingeboren Kind, vom Rathe gegen Meißen in die Schul verschicket, hernachmals mit einem Stipendio nach der Universität verlegt und dann Schulmeister zu Altdresden“ geworden. Nach nur einjähriger Wirksamkeit hierselbst siedelte er als Pfarrer nach Böhmen über, doch nöthigten ihn die durch die Papisten hervorgerufenen Verfolgungen, das Land zu verlassen und sich in seiner Heimath wieder um ein Amt zu bewerben. Das Glück begünstigte ihn hierin, denn er erhielt 1563 das eben erledigte Diakonat an der Bartholomäuskirche, das mit dem Pfarramte zu Plauen verbunden war, und um das er unterm 14. Septbr. des genannten Jahres angehalten hatte.[18]

Während Braune’s Amtirung an der Neustädter Schule, nämlich den 12. Decbr. 1560 erließ Kurfürst August ein Rescript, nach welchem von nun an an die beiden Schulen zu Alt- und Neudresden jährlich 4 Stangen Holz aus der Haide unentgeldlich abgegeben wurden. Der Rath theilte der ersteren Anstalt 1 Stange zu, während die letztere 3 Stangen erhielt.[19]

Ueber Braunes Nachfolger bemerkt Weiße’s Memorial: „1561 Sonntags Matthäi (d. 21. Septbr.) ist Paul Pretschendorf (häufiger Preschner genannt) als Schulmeister in Altdresden in Gegenwart des Pfarrers und dreier Rathsherren per baculum et virgam im Schulamte investirt, ihm befohlen, die Jugend in der Kirche und Schule in Gottesfurcht, Ehrbarkeit und anderen Disciplinen und [8] Künsten zu erbauen, die Ungehorsamen ziemlich zu castigiren. Den Schülern befohlen, solchem Schulmeister gefolgig und gehorsam zu sein; dem Pfarrherrn befohlen, Aufmerk zu haben gegen Mißbrauch, Unfleiß oder andere Unrichtigkeit.“ Dieser Pretschendorf oder Preschner ist von den bisherigen Lehrern der Neustädter Schule der erste, der sich verheirathete, und weil er auf Auslassungen ihm befreundeter Personen hin fürchtete, seine Verehelichung möchte seine Amtsentsetzung zur Folge haben, wendete er sich mit einer Eingabe an den Rath, dem er darin Folgendes vortrug. „Nach Erbietung meiner willige, pflichtschuldige und gehorsame Dienste, weiß ich E. E. G. einem ehrbaren und wohlweisen Rath nicht zu verhalten, wie daß ich verlaufender Zeit mich mit einer Jungfrau Magdalene Pilitzin genannt, mit Wissen der Meinen verlobet, und nun aus wichtigen Ursachen, in Kurzem mein ehelich Beilager zu halten vorgenommen habe. Es sind aber Etliche, die guter Meinung mir solch christlich Vornehmen widerrathen, als würde ich, sobald ich mich verändert und gefreiet hätte, weil sonsten ungebräuchlichen, daß die Schuldiener zu Altendresden Weiber haben, meines Dienstes entsetzet und benommen werden, deß ich mich doch nicht zu einem E. W. Rath, weil er mich zu solchem Amt und Schuldienste tüchtig erkannt und verordnet, (dafür ich denn auch E. E. W. Rath aufs höchste danke) versehe. Gelanget demnach an einen E. W. Rath mein höchstes und demüthiges Bitten, ein E. W. Rath wolle seinen geneigten Willen mir in dem erzeigen und mich, dieweil es ohn allen Schaden und Nachtheil der Knaben geschehen kann, bei meinem Dienst günstiglichen erhalten.[20] Es bedarf kaum der Erwähnung, daß der Rath den heirathslustigen Lehrer trotz seiner Verehelichung unbedenklich im Amte ließ.

Weniger erfolgreich erwies sich eine andere Eingabe, die Preschner in Gemeinschaft mit dem Cantor seiner Schule dem Rathe unterm 31. März 1563 übersandte, weil „etliche Bürger zu Altendresden ihre Kinder, mit denen man viel Mühe gehabt, ehe man sie angebracht, so daß man ihrer in der Kirchen nicht wohl entrathen mag, ohne alle Ursach, nur daß sie den Kindern willfahren, damit ihnen haußen aller Muthwill und Untugend mag gestatt werden, gegen Neudresden in die Schule führen. Etliche aber führen die [9] ihren hinein nur einer Parteken (des zeitlichen Gutes)[21] halben, wenn sie ein Responsorium singen können, nicht daß sie etwas lernen sollten, darüber sie dann, wie wir es mit den andern Knaben und unsern Inspectoribus darthun wollen, nicht zu klagen haben, und schwächen also unsere Schule, daß wir in die Länge den Gottesdienst in der Kirchen nach Nothdurft nicht würden ausrichten können, und zuletzt schier keinen behalten würden, der eine deutsche Lection in der Kirchen lesen könnte.“ Obwohl die Absender der Klage zugestehen müssen, „daß man den Aeltern, wenn sie ja den Verderb ihrer Kinder suchten und begehrten, solche Handlungsweise nicht wohl wehren könne,“ gelangen sie doch zu der Bitte, „es wolle ein E. W. Rath unsere Klage einer ganzen Gemeine zum Besten beherzigen, auf Mittel und Wege trachten, wie die Schule in ihren Würden möchte erhalten werden, und den Knaben gewehret, daß ihnen nicht alsbald, wenn man sie sauer ansähe, die Schule drinnen offen stünde, sondern haußen, bis sie ihre Fundamenta Grammatica gestudiret hätten, bleiben müßten.“ Die Bitte, „daß man hausarmen Knaben, derer viel haußen sein, und gar kein Unterhalt haben, die auch gerne studiren wollten, eine wöchentliche Beisteuer thun und die Belohnung von Gott dem Allmächtigen nehmen möchte, damit sie auch zum Studiis gereizet und dabei erhalten würden“, schließt die Eingabe.[22]

Der Rath verlangte darauf hin vom Rector der Kreuzschule Tobias Mostelius, eine Auslassung über die Gründe, welche manche Aeltern zu einer solchen Handlungsweise bestimmten, worauf der Letztere unterm 1. April des genannten Jahres sich in seiner Antwort also äußerte: „Ich weiß aus Erfahrung, daß allezeit, wo zwei Schulen so nahe bei einander, eine der andern weichen muß, und in welcher ein jeder sein bessere Gelegenheit zu haben verhoffet, darin begiebt er sich. Damit aber Zank und andere Unordnung verhütet, hab ich mich anfänglich, da mir diese Schul befohlen worden, mit dem Pfarrherrn zu Altendresden, der dazumal Herr Hieronymus Opitz gewesen, unterredet, keinen aus der Altdresdnischen Schul hierinnen zum Schüler anzunehmen, er bringe mir denn ein Schreiben vom Schulmeister, darin vermeldet, daß er in unsrer Schul tauglich [10] und sein Gelegenheit zu Altendresden nicht länger wäre. Solches hab ich mich bis anher verhalten, es wäre denn, daß ihr Pfarrherr oder ein andrer Gelehrter mir selbst einen Knaben daher überantwortet. Daß ichs aber den zu Altendresden, die ihre Kinder in unser Schul gern wissen wollten, ganz abschlagen sollt, hab ich nicht thun können, mich fernhin von mir nicht geschehen kann. ..... Wir können keinen in unsrer Schul aufhalten, der anderswo sein Besserung zu suchen begehret, denn man setzt keinem in Schulen ein Ziel, wie lang er drin verharren soll, so giebt man auch keinen auf eine gewisse Zeit ausgelernt, wie die Handwerk thun.“ Nachdem Mostelius seine Verwunderung über die Beschwerde ausgesprochen, die ganz unbillig und unpassend sei, „dieweil ungefährlich in einem halben Jahre keiner aus Altendresden in unser Schul aufgenommen worden,“ wie denn überhaupt nur 8 Knaben aus Altendresden in der Kreuzschule seien, schließt er: „Wenn in den Schulen mit Ernst und Fleiß dem Honig nachgegangen, wie sichs gebühret, wie denn sonder Zweifel die Schuldiener zu Altendresden thun, so dürfen sie nicht Sorg haben, daß ihre Schul zugehe.“[23] – Der Rath fand diese Ansichten richtig und ließ deshalb die Klage der Altdresdner Lehrer auf sich beruhen.

Im nächsten Jahre, 1564, siedelte die Schule in das ehemalige Forsthaus über, wie sich aus einem Schreiben des Kurfürsten August (vom 1. Decbr. 1564) an den Schösser zu Dresden ergiebt, worin es heißt: „Unser gewesener Forstknecht Peter Beier hat an uns gelanget und gebethen. Nachdeme Ime hie bevore das Haus zu Aldenn Dreßden, welches nunmehr zur Schulen eingezogen, vernoßunge geschehen sein soll, das wir Ime dargegen unser Fischhaus zun Aldenn Dreßden und den platz so diesseit dem Mordgrunde ligt, zu Felde anzurichten eignen und damit begnaden wolen etc.“[24] – Das genannte Haus, in welchem die Schule bis zum Brande von 1685 blieb, mag für die erste Zeit wohl genügt haben; nach und nach stellten sich an ihm aber solche Mängel heraus, daß der Rector Tobias Petzold es nicht unterlassen konnte, bei der 1671 in Dresden stattfindenden Kirchen- und Schulvisitation auf dieselben aufmerksam [11] zu machen und um deren Abhilfe nachzusuchen. Er schreibt in seiner Eingabe an die Visitatoren: „Es wird weh- und demüthigst gebeten

1. Vmb eines Neuen Auditorij aufbauung, Worzu in der ietzige also genanten Holtz Kammer ein Ziemlicher anfang gemacht, maßen, Waß vor stanck v. Vnflat wir drey Collegen über einen hauffen sietzende Von ein 150 biß 60 Knaben, einfreßen, Wie Wir auch in dociren einander Verhinderlich seyn, Vnd Waß ofters Vor Vngeziefer (salvo honore) die Kinder nach Hauße bringen, ist nicht Zu beschreiben.

2. Weil es nicht allein heist, wie die Alten gesagt: Musae amant munditiem, non sordes; sondern es auch die höchste billigkeit erfodert, daß man auß einem Schull- nicht ein Rauch-Hauß Werden laße, alß Wird geflehet, selbiger Wände Von außen Vnd dann Vnßeren finsteren engen stübchen Von innen ein Wenig Zu übertünchen Vnd anzustreichen.

3. Hatt mir Gott Drey liebe Kinderlein bescheret, Worzu Ich necessario, Weil sie gantz Vnerzogen, Zwey Mägde haben muß, der Tischgänger, Welche bald ab, bald Zunehmen, Zugeschweigen, so ist das eben erwähnte Stübchen Von den Wiegen, Vnd dem darinn stehenden Bette, sampt den Kindern Vnd gesinde so Voll, daß man Weder Vor noch hinter sich Kann, Wo bleiben nun meine meditationes, sie seyn immer so gering, alß sie Wollen? erfodert also die Vnumbgängliche Noth, mir irgend in einem örthchen auf der Schule ein Museolum, Zu continuation meiner Zum rechten Zweck Lauffenden studien, Zu Verfertigen laßen.

4. Ist Wohl eine 100 jährige alte Treppe Vorhanden, die dermaßen außgetreten, daß man Keinen sichern Tritt thun Kann, auch Viel Leute, Kinder Vnd gesinde hinunter gefallen, auch der darneben liegende Boden nicht Viel beßer. Wie nothwendig ein solcher bau sey, ist leicht Zu erachten.

5. Möchte das Schullhauß auch Wieder in den gruben mit Pflastersteinen außgesetzet Werden.

6. Ist Kein Röhrwaßer auf dem ganzen Kirchhofe, außer des Herrn Diaconi abfall, Welcher doch selten läufft, Zu finden. Sollte nun, da Gott Vor sey, Feuer außKommen, wie denn das Brauhauß hart angelegen, Wo Wollten Wir Vnß auf der Schule retten, Wir müßen alle mit Weib Vnd Kind Verderben Vnd VmbKommen. Nun [12] brauchte man Kaum ein 30 biß 40 röhren Von den Verschloßenen Waßerhäußern, allwo es gefaßet Wird, biß in die Schule, so Würde alßdann ein Christlöblich Vnd nützliches Werck gestiftet.

7. Findet man hie einen Schull-Keller, darinnen Wohl ein 100 Kuffen Bier liegen Können, Vnd Wir Schull Collegen haben nicht ein räumchen, da man sommers Zeit eine frische Butterbüchße halten Könte, sondern der Schencke auf hiesigen Raths Keller hatt selbigen inne, Vnd leget doch fast nichts das gantze Jahr hinein, bitten demnach demüthigst vmb Wiedereinräumung deßelben.“[25]

Bei solchen Verhältnissen kann man die Wünsche des Rectors gewiß nur als billige bezeichnen, und dennoch sollten sie ihm nicht erfüllt werden. Der Superintendent, dem man die in Frage stehenden Klagepunkte zur Begutachtung vorgelegt, bemerkte einfach dazu: „Die Punkte betreffen die Verbesserung der Schulwohnung. Da kann zur andern Zeit an seinem Orte füglicher, als itzo gehandelt werden.“[26] Das Schulhaus blieb also in seinem bisherigen Zustande, bis es 14 Jahre später, nämlich 1685, der große Brand, sicherlich nicht zum Bedauern der darin wirkenden Lehrer, vernichtete.

Indem wir vom Gebäude wieder auf die in demselben befindliche Anstalt übergehen und dabei noch einmal das 16. Jahrhundert ins Auge fassen, muß bemerkt werden, daß in Ermangelung von darauf bezüglichen Notizen nicht angegeben werden kann, in welcher Weise man damals die Schüler beschäftigte; dagegen wissen wir Einiges über ihren Dienst als Currendaner. Die Einrichtung, stimmbegabte Knaben gegen Gewährung von Unterricht aufs Chor zu nehmen, um einen Theil des Gottesdienstes abzusingen, hat jedenfalls schon zu der Zeit in Dresden bestanden, als diese Stadt noch katholisch war. Die Einführung der Reformation änderte in diesen Verhältnissen nur insoweit etwas, als einem Theil der Chorschüler jetzt die Aufgabe zufiel, auf den Gassen solche geistliche Lieder abzusingen, die theils die Lehrsätze der römisch-katholischen Kirche bestritten, theils die der protestantischen unterstützten. Daß dies ein treffliches Mittel war, dem Volke die Reformation nach und nach bekannter und beliebter zu machen, liegt auf der Hand, und es ist daher von Burney[27] [13] wohl nicht zu viel behauptet, wenn er sagt, daß diese Chorschüler zu der schnellen Ausbreitung der Lehre Luthers in Sachsen nicht wenig beigetragen haben.

Man darf freilich nicht glauben, daß mit Einführung der Reformation in Dresden jede noch aus katholischer Zeit stammende Einrichtung sofort aufgegeben worden sei; keineswegs. Nur Etwas zum Beweis. Ein Verzeichnis, „was vom Kirchenornat zu unsrer Kirchen zu Alten-Dreßden (nach Besichtigung vom 18. August 1601) vorhanden“, erwähnt auch folgende Dinge:

„1 Grün würfflicht Samtes Meßgewandt sampt ihren Vier Hembden und Zugehör
1 Blaw und Weiß Meßgewandt
1 Meßgewandt mit dem gestickten Crucifix
1 Meßgewandt von güldtnen stücken, welches Herr Sauermann Anno 1599 dazu verordnet; ferner
2 Schleyer der Marien und 1 Hembdlein dem Jesusbildlein.“[28]

Der Umstand also, daß neben rein protestantischen Einrichtungen gewisse katholische noch bestanden, erklärt es auch, daß auf der Neustädter Schule 2 Currendaner- oder Mendicantenchöre existirten, von denen das eine auf den Straßen lateinische, das andere deutsche Lieder sang. Laut der Matrikel von 1575 erhielten die Schüler des ersteren Chores alle Sonntage 1 Gr. aus dem Gotteskasten in Neudresden, außerdem 10 Gr. insgesammt, dagegen nur 18 Pf. für einen Umgang an der Mittwoch und am Freitage. Die Mendicanten, welche beim Herumgehen deutsch sangen, bekamen Sonntags 5 Gr. 3 Pf., Mittwochs und Freitags aber nur 10 Pf. Das ersungene Geld wurde sofort, aber nach gewissen Verhältnissen, vertheilt.[29] – Im Laufe der Zeit änderte sich Manches bei diesen Chören. Das Singen lateinischer Lieder hörte auf; auch wurden die eingegangenen Almosen später aufbewahrt und nur zu gewissen Zeiten im Jahre zur Vertheilung gebracht.

Wie stark diese Chöre waren, weiß man jetzt ebensowenig, als man (mit Ausnahme des Jahres 1670–71) die Zahl der Schüler kennt, welche etwa bis 1700 jährlich die Schule frequentirten. Ein freilich nicht ganz sicherer Schluß darauf ließe sich vielleicht aus [14] der Menge des Inventars machen, das die Schule 1656 enthielt, nämlich: 2 schwarze Schreibtafeln, zwei kleine Täflein und 1 Tisch, 13 lange Bänke, 2 lange Tafeln, 1 schwarzes Pult mit Tritten, 1 lange Tafel mit rothen Linien.“[30]

Die „Acta Visitationis bey der Stadt Dressden, Anno 1671“ bieten aus dem 17. Jahrhunderte folgende Nachrichten über die Neustädter Schule. Was zunächst das „Salarium" der drei an dieser Anstalt angestellten Lehrer betrifft, so betrug dieses beim Rector 50 Fl.[31] ohne die Nebeneinnahmen, beim Cantor 40 Fl., außerdem 5 Fl. 15 Gr. Tranksteuer und 1 Schragen weiches Holz,[32] und an Accidenzien zufolge der Matrikel von 1575 „die Hälfte vom Gelde, so die Knaben um Martini und aufs neue Jahr, item in den Hochzeiten mit der Musica figurali colligiret.“[33] Diese etwas ungewissen Einkünfte hatte der Cantor dadurch zu erhöhen gewußt, daß er, allerdings dem Gesetze zuwider, schon seit Jahren die Einnahmen der Chorschüler „allein vor sich behielt“, was die Viertelsmeister und die Bürger zu Altdresden veranlaßte, sich bei den Visitatoren darüber zu beschweren.[34] Diese bestimmten unterm 10. April 1671: „Der Cantor soll die Martins-, Neujahr- und Hochzeitgelder (welche er bisher wider die matricul alleine vor sich behalten), nach deren Inhalt mit den Knaben theilen,“[35] Der Baccalaureus erhielt zufolge seiner eigenen Angabe „aus dem Religionsamte Altdresden quartaliter 3 Fl. 15 Gr. 9 Pf., und aus der Kirche quartaliter 2 Fl. 5 Gr. 3 Pf., d. h. im Ganzen jährlich 24 Fl.“ Daneben gab es auch nicht die geringsten Accidenzien. Es ist begreiflich, daß der 3. Lehrer bei einer so geringen Besoldung, von der jährlich 15 Fl. für Holz allein aufgingen, kaum leben konnte und bei ihm eine Aufbesserung des Gehaltes dringend nöthig war.[36] Ob seine hierauf bezüglichen Bitten an die Visitationscommission Erfolg hatten, verschweigen die Acten.

[15] Um einen gewissen Einblick in die Leistungen zu gewinnen, die man für die angegebenen Gehaltssätze behördlicherseits beanspruchte, mögen hier wortgetreu die Lectionspläne folgen, nach welchen die drei Lehrer unterrichteten.

1. Lectiones, quae pro more solito in prima Scholae Palaeo-Dresdensis Classe a me Rectore cum publicis tum privatis horis per singulas septimanas tractantur:

[16]
Horis antemeridianis:       Horis pomeridianis:
Die Lunae. Die Lunae.
Precibus mane semper ante- Precibus Finitis
habitis. Cum Majorennibus: Cum Majorennibus: Vel Scrip-
Cornelius Nepos exponitur, ac tum Ordinarium e Sacris l.[37]
Etymologice et Syntactice phra- profanis Historicis l. Epistoli-
sibus ex sententiis excerptis cis vel Imitatio ad Cornel.
resolvitur. Nepot. e lectione antemeridiana
Cum Minorennibus: Declina- proponitur.
tiones et Conjugationes e Donato Cum Minor. Vel Portula Sei-
Rhenij. delij Grammatice resolvitur,
vel Nomenclaturae Vocab. reci-
tantur.
Die Martis.
Cum Major. Colloquia Corderi, Cum Major. Dicta Colloquia
ac eadem cum iisdem habetur in Auditorio inter duos ob-
ratio, quae cum Cornelio Nepote. ambulando. Imitatione ante-
Cum Minor. Tyrocinium Rhe- gressa memoriter recitantur.
nij recitatur. Cum Minor. Vestibulum Rhenij et
Exercitiolum ex illo illis propo-
nitur.
Die Mercurij.
Cum Major. Compendium Hütteri A Meridie
prius bis l. ter explicatum Publicae pro vulgari Scholarum
memorie mandatum recitatur. more habentur Feriae
Cum Minor. Catechismus Lati-
nus Lutheri, et Psalmi Davidici
recitantur, et postea super      
Psalmos Scriptum extempora-
neum utrisque ad Calamum
dictatur.
Die Jovis.
Cum Major. alternatim l. Gram- Cum Major. hora prima ac ae-
matica Graeca Crusij, unum cunda Civilitas Morum Erasmi,
cum Evangeliis Graecis per- tertia ac quarta. Elementa Logica
lectis et resolutis l. Prosodia et Rhetorica Mitternachts tractan-
Latina Schmidij cum Versibus tur.
prius transponendis recitatur. Cum Minor. Portula et Syntaxis
Cum Minor. Syntaxis l. Latina Germanica e Donato Rhenij.
e Grammatica Schmidij l. Ger-
manica e Portula Seidelij
Die Veneris.
Cum Major. Epistolae Ciceronis Cum Major. alternatim l. Epist.
exponuntur, et Phrases ex iisdem Ciceron. l. Terentius Ethnicus
annotantur. Grammatice ad Imitationem
Cum Minor. iterum Tyrocinium usque pertractantur
Rhenij recitatur. Cum Minor. Vestibulum Rhenij.
Die Saturni l. Sabbati.
Cum Major. Compendium Hüt- A Meridie
teri, Cum Minor. Catechismus Feriae conceduntur.
Latinus Lutheri, ut supra die
Mercurij.

Privatis in horis nil nisi Orbis sensualium
pictus tractatur, memorieque mandatur, ac
semper Scripta extemporanea proponentur.
Orbe hoc ad finem perducto, Scholam Comenij
Theatricam cum Deo sumus exstructuri.
Tantum de Lectionibus.

Die deutsche Übersetzung dieses Lectionsplanes lautet:

"Unterrichtsgegenstände, welche nach gewöhnlicher Weise in der ersten Classe der Schule zu Altdresden von mir, dem Rector, sowohl in öffentlichen, wie Privat-Stunden jede Woche hindurch behandelt werden. [17]

[18]
In den Vormittags-       In den Nachmittags-
stunden: stunden:
Am Montage. Am Montage.
Nach stets vorausgegangenem Gebet Nach beendigtem Gebet
mit den Größeren: Cornelius mit den Größeren: Entweder wird
Nepos wird erklärt und etymo- ein gewöhnliches Stück aus hei-
logisch wie syntactisch nach heraus- ligen oder profanen Geschichts-
genommenen Sätzen in Redens- schreibern oder Briefschreibern, oder
arten aufgelöst. eine Nachahmung des Cornel.
Mit den Kleineren: Die Declina- Nepos aus der vormittägigen
tionen aus des Rhenius Donat. Lection aufgegeben.
Mit den Kleineren wird entweder
Seidels Portula grammatisch er-
klärt, oder es werden Vocabeln.
hergesagt.
Am Dienstage.
Mit den Größeren: Die Gespräche Mit den Größeren werden die
des Corder, und wird mit diesen genannten Gespräche von zwei
ebenso verfahren, wie mit dem Schülern während des Auf- und
Cornelius Nepos. Abgehens im Auditorium, nach vor-
Mit den Kleinen wird das hergegangener Nachahmung, aus
Tyrocinium des Rhenius her- dem Gedächtnis hergesagt.
gesagt. Mit den Kleineren: das Vesti-
bulum des Rhenius, und wird
denselben eine kleine Ausarbeitung
aus jenem Buche aufgegeben.
Am Mittwoch.
Mit den Größeren: Das Hand- Vom Mittage an
buch des Hütter, was vorher nach gewöhnlicher Sitte in allen
zwei- bis dreimal erklärt worden Schulen Ferien.
ist, wird aus dem Gedächtnis
hergesagt.
Mit den Kleineren: Der Lutherische
Katechismus in Latein und die
Psalmen Davids werden hergesagt,
und sodann wird beiden Abtheilungen
ein Extemporale über die      
Psalmen in die Feder dictirt.
Am Donnerstag.
Mit den Größeren wird ab- Mit den Größeren wird in der
wechselnd die griechische Gram- ersten und zweiten Stunde Civili-
matik von Crusius zugleich mit tas morum von Erasmus, und in
den durchgelesenen und erklär- der dritten und vierten Stunde wer-
ten griechischen Evangelien oder den die logischen und rhetorischen
Schmidts lateinische Prosodie mit Elemente von Mitternacht ge-
zu versetzenden Versen hergesagt. trieben.
Mit den Kleineren: der Syntax, Mit den Kleineren: Portula und
entweder lateinisch aus Schmidts der deutsche Syntax aus dem
Grammatik, oder deutsch aus Donat des Rhenius.
Seidels Portula.
Am Freitag.
Mit den Größeren: Cicero's Mit den Größeren werden ab-
Episteln werden ausgelegt und wechselnd entweder Cicero's
Redensarten aus denselben auf- Episteln oder des Terenz Eth-
gezeichnet. nicus grammatisch bis zur Nach-
Mit den Kleinen wird wiederum ahmung durchgenommen.
das Tyrocinium des Rhenius
hergesagt.
Am Sonnabend.
Mit den Größeren: Das Handbuch Vom Mittage an wird frei gegeben.
des Hütter.
Mit den Kleinen: Luthers Kate-
chismus in Latein, wie oben am
Mittwoch.
In den Privatstunden wird nichts als der Orbis
pictus sensualium (?) getrieben und dem Gedächtniß
eingeprägt, und es werden immer Extemporalia auf-
gegeben. Wenn der Orbis pictus zu Ende ist, werden
wir mit Gottes Hilfe des Comenius Theater-
Schule errichten.
Soviel von den Lectionen.

2. Der Cantor hatte täglich 8 Stunden Unterricht zu ertheilen und zwar in folgenden Dingen:

[19]

„1. Herrn Lutheri Catechismus Latine et Germ:
2. M. Johannis Rhenij Donat.
3. M. Johannis Rhenij Tirocinium, quod pueris commonstrat usum Declin: et Conjugat:
4. Compendium ex Grammatica Latina Phil. Melanch:
5. Januae Latinitatis Vestibulum Comenij.
6. Psalterium Davidis Germ:
7. Alle Tage gewiße Singestunde.
8. Rechnungs- Vnd Schreibestunde.[38]

3. Der Baccalaureus Christian Beckmann, von Hilscher fälschlicherweise Berkmann genannt[39], machte über seinen Stundenplan folgende Mittheilungen:

„1. Werden die Knaben in Lateinisch- und Teutschen A b c Büchlein, nach der Ordnung, gründlich informiret, sowohl was die Merckung der Buchstaben, als auch das buchstabiren und lesen anlanget.
2. Nechst diesen Wird der Lateinisch- und Teutsche Catechismus mit Ihnen tractiret, Worbey Sie auff den Täffelgen Zu schreiben anfangen.
3. Hierbei aber müßen sowohl die Kleinen als größeren Knaben, den Kleinen Teutschen Catechismum täglich außwendig lernen.
4. Wenn Sie nun in Obigen Büchlein richtig buchstabiren und lesen Können, Werden Sie Zu desto fertigern lesen in Lateinisch- und Teutschen Evangelien-Buche angehalten, fangen auch darbey auff Pappier Zu schreiben an.
5. Wenn Sie Zu Mittage Zweymal Ihre Lectiones auffgesaget haben, müßen sie etwas aus der Kleinen Vocabul recitiren.
6. Wird die gantze Woche durch täglich Zweymal ein Stück nach dem andern aus dem Catechismo recitiret und außwendig gebetet, auch darbey diese Ordnung gehalten, daß die Lesenden Ihrer Zwey

  [20]

oder 3, einer ümb den andern ein Stück des Catechismi allein, die Kleinen aber Ihrer 4 oder 5 mit mir Zugleich beten. (Montags die 10 Gebote, Dienstags die 3 Artikel, Mittwochs die 7 Bitten, Donnerstags die Taufe, Freitags das Abendmahl, Sonnabends die „Sonntäglichen Evangelischen Sprüche“).
7. Nach Verrichteten gebeth werden Ihnen Früh, die itzt gedachten Evangelischen Sprüche unterschiedliche mal Vorgebetet, so Sie hernach recitiren müßen, nachmals, Wenn sie Zweymal auffgesaget haben, Weisen Sie Ihre Scripta (nach inhalt der Vorschriften) auff, und damit Werden die Stunden beschloßen.
8. Die lesenden aber müßen des Sonnabends, die Episteln und Evangelia Lesen, sowohl auch aus den Frag-Stücken ein Püncktlein, oder aber einen Psalm nach und nach erlernen.“[40]

Aus den mündlichen Auslassungen des Rectors Petzold, die von der Commission zu Protocoll genommen wurden, ergeben sich folgende allgemeine Bemerkungen. „Die Neustädter Schule zählte um 1671 130 und etliche Schüler. Zu Martini fand das Examen statt, das von 2 Rathspersonen, vom Pfarrer und vom Diakonus der Neustädter Kirche besucht wurde. Ferien gab es, außer den 2 schulfreien Nachmittagen Mittwochs und Sonnabends, zu den Hundstagen 5 halbe Tage; an einem Jahrmarkte war der 1. Tag desselben frei. Der Pfarrer inspicirte die Schule aller 4 Wochen. Die Schüler gingen wöchentlich dreimal singen, und theilte der Cantor das „Currente-Geld“, welches jedesmal etwa 3½ Fl. betrug, so aus, daß die Größeren etwas mehr erhielten als die Kleinen.“[41]

Bitter klagte der Rector „über die lose Jugend, so nicht in die Schule geht, die die Andern sehr ärgert.“ Es scheint allerdings im Punkte des sittlichen Verhaltens auch bei denen, die Unterricht genossen, durchaus nicht besser gewesen zu sein, sonst würden sich die Viertelsmeister und Bürger zu Altdresden nicht bewogen gefunden [21] haben, in dem schon erwähnten Schreiben an die Visitatoren vom 31. Januar 1671 (S. 14) ausdrücklich zu bemerken: „Auf die Sitten der Knaben wird wenig Acht gegeben, welches dahero erscheinet, daß wann die Jugend aus der Schule gehet, ein Geschrei, Laufen und Unfug verführet wird, welches die Praeceptores durch fleißige Auf- und Nachsicht wehren könnten, wie denn auch der Cantor zuständig, daß die Knaben ordine auf das Chor und wieder herunter geführet und also bessere Zucht vor der christlichen Gemeine beobachtet würde.“[42] – Außerdem gaben die Absender des Schreibens noch an: „Es wäre nöthig, daß in der Schule in Lectiones et in industriam Praeceptorum ein wachsamer Auge gehalten würde, sonsten es dahin zu kommen scheinet, daß ohne Ordnung gelehret werden, auch tüchtige Knaben beim Choro Musico künftig ermangeln möchte. Und dieses um so viel mehr, indem bei allen und jeden Begräbnissen, auch Fest- und Sonntage die armen Currentanij lauten müssen. Da denn sie nicht allein ihre Kleider, indem 4 oder 5 an einer Glocke hangen, zerreißen, die größern Glocken kaum erziehen können, darüber krank werden, die Lectiones, auf Erfordern des Glöckners zu lauten, in der Schule versäumen, dahero sich die Ihrigen darüber beklagen, und indem sie nichts davon bekommen, endlichen gar davon gehen. Zu geschweigen, daß die Confidenten (d. h. die, welche zur Beichte kommen) bei dergleichen Thurm Auf- uud Niedersteigen, mit anderer muthwilligen Jugend Sonnabends sehr turbiret werden. Ingleichen was vor ein Geschrei auf dem Thurm verübet wird, daß man's in Gassen vernehmen kann, und übel davon geredet wird, nicht zu sagen, daß darneben Thurm und Schlösser Schaden leiden, und zu Schaden der Kirchengebäude verderbet. Weiln nun bei einer Leiche, so in die Kirche gesetzet wird, 4 Thlr. 6 Gr. Kirch- und Laute-Gebühr gegeben werden muß, warum man nicht ein paar Männer, so die Glocken nebenst des Glöckners Gesinde recht anziehen können, statt der schwachen Knaben darzu gebrauchen, und sie des Chori- und der Schulen abwarten lassen.“[43]

Der Rath, über diese und andere Uebelstände von den Commissaren um seine Meinung befragt, nahm sich der Bürgerschaft Neustadts sehr an und erklärte in einer schriftlichen Eingabe vom [22] 7. Februar 1671 rücksichtlich des auf dem Kirchthurme wiederholt stattfindenden Unfuges: „Derselbe soll dahero rühren, daß die Knaben das Lauten verrichten. Weil nun öfters darüber geklaget, so sollen zu solcher Verrichtung ein paar Personen neben dem Glöckner absonderlich verordnet und also dem Unfug hiedurch gesteuert werden.“[44] – Jedenfalls fanden die Bitten um Abstellung der gerügten Mängel höhern Orts geneigtes Gehör; wenigstens bestimmten die Visitatoren unterm 10. April desselben Jahres: „Der Cantor soll nebenst den übrigen Praeceptoren Auf- und Nachsicht haben, auch damit, wenn die Jugend aus der Schul gehet, kein Geschrei, Laufen und Unfug verübet, auch die Knaben ordine in die Kirchen auf das Chor und wieder herausgeführet werden.[45] Rücksichtlich der anderen Uebelstände wurde ebenfalls Abhilfe derselben in Aussicht gestellt.

Ob die mehrfachen gegen den Cantor vorgebrachten Klagen ihn bei der vorgesetzten Behörde mißliebig gemacht hatten, wissen wir nicht; Thatsache ist aber, daß er mit einer ihm wichtigen, auch im Namen des Diakonus vorgebrachten Bitte nicht gut ankam. Es handelte sich nämlich um die Aufhebung der Frühmetten während des Winterhalbjahres, weil da „fast kein einziger Mensch als der Hr. Diakonus benebenst dem Cantore und armen Current-Knaben in die Kirche käme.“ Wir dürfen wohl glauben, daß es nichts Angenehmes war, auf den finsteren, unebenen Gassen frühzeitig ins Gotteshaus zu gehen, besonders an solchen Wintertagen, wo das Glatteis den an sich schon schlechten Weg noch gefährlicher machte. Bei einem solchen Gange zur Frühmette hatte der Cantor 1669 „auff dem Glätteiß einen sehr harten fall gethan und den rechten Arm dermaßen Zerschöllet, daß er noch mehrere Jahre später bey Veränderung deß Wetters Ziemliche Schmerzen erduldete.“ Er bat deshalb nicht blos um seinet- und des Diakonus, sondern auch um „der armen Kleinen Knaben willen, welche nicht Allein Vbel beKleidet, Sondern auch in aller Frost Vnd Kälte, in Schnee Vnd Regen Von Weiten Vnd nahen Gaßen herZu Kommen müßen“[46], die Frühmetten während der 6 Wintermonate ausfallen zu lassen. Der Superintendent ließ ihm einfach den Bescheid zukommen: „Sa1arium bleibt Winter und [23] Sommer: Ergo auch die Arbeit, und haben die Metten in Neu- und Altdresden (jetzt Altstadt und Neustadt) ihre gewisse Ursach.“[47]

War bei der Neustädter Schule die Zahl der Schüler bisher eine für damalige Verhältnisse nicht unbedeutende, so verminderte sie sich allerdings entschieden, als 1685 d. 6. August das bei dem Tischler Tobias Edler durch Verwahrlosung herausgekommene Feuer in Folge des herrschenden Windes binnen 5 Stunden 338 Häuser, darunter Kirche und Schule, in Asche legte[48] und dadurch viele Bewohner der Neustadt nöthigte, sich in einem anderen Theile Dresdens eine Wohnung zu suchen, daher auch ihre Kinder der Schule zu entnehmen. Wollte man hier nicht noch die Schüler verlieren, deren Aeltern in Neustadt oder dessen nächster Nähe verblieben, so mußte schleunigst ein Interimslocal beschafft werden. Dies gelang zwar auch, da außer dem Jägerhofe und dem Rathhause ungefähr noch 20 nach der Elbe zu stehende Häuser beim Brande verschont geblieben waren[49], allein es erwies sich doch so unzureichend, daß die Lehrer sich beim Unterrichte nur gegenseitig störten. Dieser Umstand sowohl, als die unbedeutende Schülerzahl, welche eine Lehrkraft überflüssig machte, veranlaßte es, daß der Tertius Michael Percht, vormals Regens an der Kreuzschule, seine Stellung an der Neustädter Schule aufgab und den früheren Posten wieder einnahm.

Mittlerweile wurde vom Rathe der Bau einer neuen Schule ins Auge gefaßt und über dessen Nothwendigkeit Bericht erfordert. Dieser ging ein und stellte für die Dringlichkeit der Angelegenheit folgende Gründe auf:

„1. Praeceptores und Knaben stecken in einen engen gemietheten Logiam (sic!);
2. Deren ungelegenheit niemandt gern erduldet.
3. So gehen viel Kranckheiten unter denen Kindern herumb und Kan leicht eines das ander anstecken.
4. Mit der Information hindert eine Claße die andere.
5. Die alten Mauern stehen noch, werden aber so bloß Von Wetter beschedigt. (Der Wirth helt an umb berechnung.)
6. Es gehet auch viel Haußzinß drauff.
7. Haben die Knaben im Winther weit Zur Kirchen.

  [24]

8. Der Bau wirdt aus dem Relig. Amdt verrichtet.“[50]

Diese Mittheilung trug gewiß nicht wenig zur Beschleunigung des Schulbaues bei, so daß er bereits 1686 beendet war, wie auch die noch zu erwähnende Inschrift über dem Portale des Schulhauses beweist. Wenn daher Gehe[51] behauptet, das dasselbe erst mehrere Jahre nach dem Brande wieder aufgebaut worden sei, so ist dies eben ein Irrthum.

Das neue Schulhaus, welches bekanntlich bis zu seinem 1853 erfolgten Abbruche die Stelle einnahm, welche heute das Hôtel zum Kronprinzen ziert, enthielt neben mehreren Unterrichtslocalen auch die Wohnungen für den Pastor und den Diakonus der Neustädter Kirche, und trug über der Hausthür folgende Inschrift: „D. O. S. Pietatis et bonarum artium officinam ferali incendio Ao. MDCLXXXV d: 6. Aug. cum. tota pene civitate in cineres versam primum voluit restaurari munifica Amplissimi Senatus cura Ao. MDCLXXXVI.“ Nach Vorwerk[52] lautet dieselbe in deutscher Sprache: „Diese dem besten und heiligsten Gotte geweihte Werkstätte der Tugend und Wissenschaften, welche am 6. August 1685 beinahe mit der ganzen Stadt in Asche gelegt wurde, ist durch die mildthätige Sorgfalt Eines Hochedlen Rathes im Jahre 1686 wieder hergestellt worden.“

Da wir jetzt einmal vom Schulhause reden, möge an dieser Stelle eine hierauf bezügliche, obgleich der Zeit nach nicht hierher gehörige Bemerkung Hasche's[53] Platz finden. Derselbe erzählt nämlich, daß der schon mehrfach erwähnte Pastor Hilscher im Gebäude eine Tafel aufhängen ließ, „auf welcher in 4 Feldern gemalte Vögel allegorische Lehren zum Fleiß und anderen Tugenden eines Schülers geben sollten.“ Das eine Feld zeigte einen Hahn, welcher der aufgehenden Sonne entgegenkräht; das zweite eine Wachtel auf dem Weizenfelde; das dritte eine in tiefe Nacht gehüllte Eule und das vierte einen Raben bei Schneegewölk. Jedes Bild hatte seine Bedeutung, die durch eine darunter stehende poetische Erklärung ausgesprochen war. Leider vermögen wir nicht anzugeben, was aus dieser Tafel,[54] die zu Hasche’s Zeit noch existirt haben muß, geworden ist.“

[25] Geeignete Schullocale waren nun zwar vorhanden, aber es fehlte an Schülern, die sie hätten füllen können. Da auch die nächsten 3 Jahre eine vermehrte Frequenz nicht herbeiführten, so verließ der aus Ungarn stammende und 1685 als 1. Lehrer an die Schule berufene Jonas Gelenius 1689 die Stätte seiner bisherigen Wirksamkeit und ging als Rector an die Kreuzschule. Es ist jedenfalls von Seiten Vorwerk’s[55] nur eine Verwechselung, wenn er im vollen Gegensatz zu Hilscher (Etwas zur etc., S. 130) behauptet, daß der Tertius Percht ebenfalls erst 1689 seinen Posten an der Neustädter Schule aufgegeben habe, da die Verminderung ihres Cötus[WS 2] nach dem Brande sofort eine Lehrkraft an der Anstalt entbehrlich machte. Ob deren vorhin erwähnter Dirigent Gelenius den Rectortitel annahm, als derselbe 1687 auf kurfürstlichen Befehl in unserm Vaterlande eingeführt wurde, ist nicht gewiß, da manche Vorsteher lateinischer Schulen den Titel „Schulmeister“ für ehrenvoller hielten. Wenigstens sagte Jacob Spitzel in Ronneburg: „Ich bin als Schulmeister vociret, ich will auch als ein Schulmeister sterben.“[56]

Hier dürfte wohl auch ein geeigneter Platz sein, einen Rückblick auf die Reihe der bisherigen Rectoren zu werfen, die uns Hilscher in seinem „Etwas zur Kirchenhistorie“ etc.,[57] unter Beifügung kurzer Bemerkungen namhaft macht. Als ersten bekannten Schuldirigenten führt er den Seite 6 schon genannten Joachim Cranichfeld auf, der 1556 von der Freiberger Schule hierher berufen, 3 Jahre in Neustadt-Dresden wirkte. Seine durch diese Anstellung unterbrochenen, aber noch nicht abgeschlossenen Studien nahm er 1559 wieder auf, indem er zu dieser Zeit nach Wittenberg ging, hier studirte und promovirte, und nun nach Dresden, der Stadt seiner früheren Thätigkeit, zurückkehrte, um hier, und zwar an der Neustädter Kirche, erst als Diakonus, dann als Pastor bis zu seinem Tode zu wirken. Auf Cranichfeld folgte der Seite 7 schon genannte Martin Braune, der sich in Hilschers Aufzeichnungen gar nicht vorfindet und nur 1 Jahr, nämlich von 1560–61 als Rector der Schule amtirte, worauf der ebenfalls bereits erwähnte Paul Pretschendorf oder Preschner [26] diesen Posten 7 Jahre, von 1561–68 verwaltete, dann aber Diakonus wurde.

Zu seinem Nachfolger ernannte man den mit dem Oberhofprediger Weller sehr befreundeten Simon Lesch, welcher ebenfalls 7 Jahre Rector war. Nun folgte Zacharias Füger, sodann Christoph Hildisch, welcher 1584 als Diakonus nach Bischofswerda ging. Der jetzt eintretende Rector Bernhard Tanner machte schon 1585 dem besonders im Griechischen tüchtigen Johann Reisiger Platz, welcher aber auch nur 2 Jahre wirkte, worauf Wolfgang Jenichen 1587 eintrat. Als derselbe nach 8 jähriger Wirksamkeit 1595 an die Kreuzschule ging, gelangte der bisherige Tertius Johann Schindler ins Rectorat, und war in dieser Stellung bis 1603 thätig. Ihm folgte Gregor Müsbach (auch Müßbach geschrieben), der 1616 seines Amtes entlassen[WS 3], 1626 wieder in dasselbe eintrat, nachdem in der 10jährigen Zwischenzeit Jonas Pelsius (auch Blasius genannt) und Johann Hofmann als Rectoren der Schule vorgestanden hatten. Als 1633 Müsbach starb, erhielt der frühere Regens an der Kreuzschule, Jacob Morgenstern, das Rectorat, das aber noch in demselben Jahre durch Johannes Willius besetzt wurde, weil jener bald nach seinem Amtsantritte das Zeitliche segnete. Willius blieb der Schule 30 Jahre, nämlich von 1633–1663 erhalten, während sein Nachfolger Tobias Petzold sein Amt nur 13 Jahre verwaltete, da er 1676 einem Rufe als Pastor nach Kleinröhrsdorf folgte. Nun wirkte bis 1685 der an der Annenschule bisher thätig gewesene Jacob Krößner als Rector, worauf der ungarische Exulant Jonas Gelenius in diese Stelle einrückte, die er aber, wie Seite 25 bereits erwähnt, 1689 mit dem Rectorat an der Kreuzschulc vertauschte. Da der Posten eines Leiters der Schule erst 1695 wieder zur Besetzung gelangte, so soll die Reihe der Rectoren hier abgebrochen und an geeigneter Stelle fortgesetzt, jetzt aber nur noch erwähnt werden, daß Hilscher bis zu dem letztgenannten Jahre 10 Cantoren und ebensoviele dritte Kollegen ohne besondere Bemerkungen namhaft macht.[58]

Als Gelenius 1689 an die Kreuzschule abging, blieb, da bereits seit 1685 kein Tertius da war, nur der Cantor an der Neustädter [27] Schule zurück, die dieser bis zu Ende des Jahres 1694 selbstständig verwaltete. Den 9. Januar 1695 legte er seine Directorialfunction in die Hände des bisher in Dippoldiswalda wirkenden Rectors M. Gottfried Laurentius nieder, der in gleicher Eigenschaft in Neustadt-Dresden eine Anstellung erhalten hatte. Wenn auch nicht mit Sicherheit angegeben werden kann, warum man die Stelle des dritten Lehrers bis zum Jahre 1709 unbesetzt ließ, so liegt doch die Vermuthung sehr nahe, daß dies in Folge der schwachen Schülerzahl geschah. –

Wurden wir durch die meisten der bisherigen Mittheilungen mehr mit der äußeren Geschichte der Schule vertraut gemacht, so müssen wir unser Augenmerk doch auch auf die inneren Einrichtungen der Anstalt lenken und angeben, was die allerdings nicht gerade zahlreichen Nachrichten über diesen Gegenstand bieten. Die verschiedenen Fächer, in welchen die Zöglinge der Neustädter (oder lateinischen) Schule unterrichtet wurden, sind in den auf Seite 15–20 befindlichen Lectionsplänen aus dem Jahre 1671 ausführlich angegeben; hier möge nur noch einmal hervorgehoben sein, wie sehr man die Unterweisung in der christlichen Lehre betonte, da die Schüler der lateinischen Schule ebenso gut als die der Elementarschulen zum Besuche des sonntäglich stattfindenden Katechismusexamens verpflichtet waren. Um einer falschen Vorstellung von dieser Einrichtung vorzubeugen, dürften einige Andeutungen über dieselbe nicht unangemessen sein. In der Regel schenkte die Gemeinde dem Katechismusexamen, das sich unmittelbar dem Mittagsgottesdienste anschloß und mit einer Glocke eingelauten wurde, ihre Theilnahme. Während nun die in der Kirche bereits Anwesenden sangen: Herr Gott, erhalt uns für und für etc., oder: Liebster Jesu, wir sind hier etc., oder ein ähnliches Lied, versammelten sich die Kinder, die, nach Geschlechtern getrennt, ihre Plätze einnahmen, worauf der Diakonus das zu besprechende Hauptstück von der Kanzel herab vorlas, dann das Vaterunser betete, und nach Absingung einiger passender Verse die Katechisation begann. Die Einrichtung, daß ein Geistlicher examinirte, datirt erst von Spener her (1688); früher war das Examen etwas anders eingerichtet gewesen. Nachdem man nämlich ein Lied gesungen, las der Diakonus ein Hauptstück vor, worauf sich zunächst 2 Knaben nach den auf dem Altarplatz befindlichen, einander gegenüberstehenden [28] erhöhten Tritten verfügten, und der eine nun dem andern die Frage vorlegte: „Wie heißt das erste Gebot?“ Der Angeredete antwortete natürlich: „Du sollst nicht andere etc.“, und richtete nun seinerseits folgende Frage an den Nachbar: „Was heißt das?“ worauf derselbe sagte: „Wir sollen Gott über alle – vertrauen.“ In dieser Weise gingen erst die 2 Knaben, dann auch 2 Mädchen die 10 Gebote durch und die sogenannte Katechismuspredigt schloß hierauf das Examen[59], bei dem man sich also begnügte, den religiösen Stoff dem Gedächtniß der Kinder eingeprägt zu haben, aber nicht daran dachte, ihn auch mit dem Verstande und mit dem Gemüthe zu durchdringen. Um wie viel glücklicher müssen sich da nicht unsere Kinder schätzen, die auch in religiöser Beziehung mit dem Worte den Begriff empfangen!

Das erwähnte Betonen des religiösen Stoffes veranlaßte es nicht nur, daß die Zöglinge der Neustädter Schule den Gottesdienst regelmäßig besuchen und sich deshalb von der Anstalt aus im Zuge nach dem Gotteshause begeben mußten, sondern erklärt auch den etwas seltsamen Umstand, Schulknaben zum Verlesen von Texten bei gewissen Gottesdiensten zu verwenden. Hilscher erzählt in seinem „Etwas zur etc.“, Seite 156, daß ein Knabe bei der am Neujahrstage nach der Mittagspredigt stattfindenden Vesper das Evangelium, in der Betstunde Donnerstags vor einem Bußtage, dann in der Mittagspredigt des letzteren selbst, wie ebenso in den Wochenpredigten früh ½ oder ¾7 Uhr den Psalmen, und bei derselben Gelegenheit während der Fastenzeit den zu besprechenden Passionstext verlas.

Man glaube indessen nicht, daß bei der vielfachen Beschäftigung mit religiösen Gegenständen sowohl innerhalb als außerhalb der Anstalt die Schüler von weltlichen Angelegenheiten ganz fern gehalten worden wären, wie der Umstand beweist, daß 1732 und auch 2 Jahre später der damalige Rector M. Kretzschmar bei ausschließlicher Betheiligung seiner Zöglinge eine „doppelte dramatische Uebung“ veranstaltete. Ueber die erste derselben ließ sich nichts ausfindig machen; dagegen sind einzelne Nachrichten vorhanden, welche die 2. Aufführung vom Jahre 1734 betreffen. Zu dieser ließ der schon genannte Rector ein deutsches Programm[60] drucken, in welchem er nicht [29] nur „alle Hohe Patrone und Schulfreunde, insbesondere einen Hochedlen und Hochweisen Rath“ einlud, sondern auch die Frage erörtert, „ob es wohl auf Schulen thunlich und den Schülern zuträglich sei, wenn man zuweilen mit ihnen ein Dramatisches Exercitium anstelle?“ Bei der verschiedenen Beurtheilung, die dieser Gegenstand schon erfahren, neigt sich Kretzschmar auf die Seite derer, welche diese Uebungen für nützlich halten, denn „1. da selbstverständlich nur strengmoralische Handlungen zur Darstellung kommen dürfen, sind solche Schauspiele eine Schule guter Sitten; 2. stärken sie das Gedächtniß; 3. gewöhnen den Menschen schon von Jugend auf, vor den Leuten zu reden; 4. üben die Stellung und Bewegung des Körpers, denn üble Geberden verstellen und verdunkeln die zierlichste Rede. Alle diese Vortheile werden durch Uebungen im freien Vortrage nicht erreicht, obgleich viele dazu rathen wollen. Wenn trotz des großen Nutzens solche dramatische Darstellungen auf den Schulen unterbleiben, so geschieht dies wohl hauptsächlich aus dem Grunde, weil man sich vor der überaus schweren Last scheut, die dem Lehrer aus der Einübung des Spiels erwächst.“ Kretzschmar veranstaltete also eine dramatische Aufführung, und zwar für den 13. Mai Nachmittags 2 Uhr die einer lateinischen, und für den nächsten Tag die einer deutschen Comödie, welche den Titel führte: „Die gedrückte, doch endlich erhöhte Tugend.“ Da sich in Neustadt kein geeigneter Saal fand, wurden die Vorstellungen auf dem zu solchen Zwecken oft benutzten und vom Rathe zur Verfügung gestellten, aber jetzt nicht mehr vorhandenen Gewandhause am Neumarkte gegeben, und ernteten, wie Lindau im 2. Bande seiner Chronik Seite 215 in der Anmerkung berichtet, großen Beifall. Man konnte ihn den Darstellern wohl gönnen, da sie den Aufführungen nicht nur Zeit und Mühe, sondern auch insofern Geld geopfert hatten, als die Bühne auf ihre Kosten hergerichtet worden war. Eine Entschädigung dafür gab es nicht, denn die Karten, welche man sich am Tage der Vorstellung beim Rector holen mußte, berechtigten zu freiem Eintritt. –

Wenn wir jetzt einer Wirksamkeit der Schüler gedachten, die nur sehr selten ausgeübt worden zu sein scheint – wenigstens finden sich über dramatische Aufführungen keine weiteren als die mitgetheilten Nachrichten vor –, so müssen wir unser Augenmerk nun wieder einmal auf eine andere bereits besprochene und ebenfalls öffentliche [30] Thätigkeit lenken, die, wie die schon erwähnte, auch nur einen Theil der Zöglinge beschäftigte, wir meinen das öffentliche Singen. Dadurch erwarben sich die Chorschüler zum Theil ihren Unterhalt. Von ihrer Mitwirkung bei Hochzeiten, Kindtaufen und anderen Familienfesten läßt sich kaum etwas sagen, und von ihren wöchentlich zweimal stattfindenden Singumgängen höchstens soviel, daß dieselben neben anderen Zwecken auch dazu dienten, die Leute mit gewissen schwierigen Melodien bekannt zu machen, die an Sonn- und Festtagen beim Gottesdienste zuweilen gesungen wurden. Aus diesem Grunde sangen die Currendaner beim 2. Reformationsjubiläum 1717 schon 4 Wochen vor dem Feste bei ihren Umgängen die Lieder, welche durch die Kircheninspection für die Feier festgesetzt worden waren.[61]

Die Hauptthätigkeit der Chorschüler bestand neben der Besorgung des Gottesdienstes im Singen bei den öffentlichen Begräbnissen oder sogenannten Schulleichen, die den Gegensatz zu den stillen oder Beisetzleichen bildeten, und nach dem Kostenbetrage in halbe, ganze und doppelte zerfielen. Die halben Schulleichen, bei welchen sich nur die Hälfte der Chorknaben nebst dem Cantor und Tertius betheiligten, durften stets nur früh 9 Uhr stattfinden und hießen deshalb auch Frühleichen; die ganzen Schulleichen dagegen, welche von dem vollen Chore und sämmtlichen Lehrern der Schule begleitet wurden, konnten in der Woche wegen des Schulunterrichts nur Mittags 12 Uhr, Sonntags wegen des Katechismusexamens erst um 2 Uhr abgehen. – Starb ein Schüler, so gaben ihm sämmtliche Zöglinge der Anstalt nebst den Lehrern das letzte Geleit; auch existirte hierbei, wenigstens noch im 17. Jahrhunderte der jedenfalls aus älterer Zeit überkommene Gebrauch, daß diejenigen Knaben, welche dem Verstorbenen besonders nahe gestanden, ihm kleine schwarze Kreuze nach dem Begräbnisse aufs Grab steckten.[62]

Wahrscheinlich wurde die häufige Betheiligung der Chorschüler bei Beerdigungen die Veranlassung zu der Bestimmung, für alle eine zweckentsprechende gleichartige Kleidung einzuführen. Diese bestand in einem schwarzen Anzuge nebst Mantel von derselben Farbe; außerdem trug jeder Currendaner eine dicke, runde Perrücke. –

[31] Von den der Schule angehörenden Personen kommen wir wieder auf einzelne, die Anstalt allerdings nur indirekt betreffende Ereignisse, nämlich auf die im 18. Jahrhundert stattfindenden kirchlichen Jubelfeste zu sprechen. Das erste derselben war das 200 jährige „Jubiläum der Reformation“, das vom 31. October bis 2. November 1717 in Dresden feierlich begangen wurde. In Neustadt zogen am 3. Festtage nach beendigter Mittagspredigt außer den Schülern der lateinischen (jetzt Real-) Schule auch die der übrigen öffentlichen Unterrichtsanstalten in das geschmückte Gotteshaus, wo der Diakonus M. Adam Zahn über Offbrg. 3,2. eine von Hilscher in Beilage 10 seines oft genannten Buches (Seite 301–307) abgedruckte Rede hielt. Zur Vorbereitung auf das Fest war unter die Zöglinge der Neustädter Schule eine kleine Schrift, die Reformationsthatsache in gedrängter Kürze darstellend, zur Vertheilung gelangt. – Beim 2. Jubelfeste vom 25.–27. Juni 1730, die vor 200 Jahren erfolgte Uebergabe der „Augsburg’schen Konfession“ betreffend, zogen in Gemeinschaft mit andern Kindern sämmtliche Schüler der lateinischen Schule, 139 an der Zahl, in die mit Orangerie geschmückte Kirche, wo der schon oben genannte Geistliche, seit dem November 1730 Hilscher’s Nachfolger, examinirte.[63] In dankbarer Erinnerung an das glücklich vorübergegangene Jubiläum wurde in der Schule am 5. Juli noch ein besonderer Rede-Actus abgehalten. – Dasselbe geschah bei der 2. Säcularfeier des „Augsburger Religionsfriedens“ 1755. Nach dem eigentlichen Feste am 29. September, bei welchem auch diesmal die Kinderzüge nach dem geschmückten Gotteshause nicht fehlten,[64] veranstaltete der Rector der Neustädter Schule bei zahlreicher Betheiligung Seiten des Publikums eine Nachfeier, über die der Pastor Gräfe von der Neustädter Kirche in seinem noch jetzt in deren Pfarrarchive aufbewahrten Festberichte Folgendes mittheilt: „Noch ist zu erwähnen, daß am 17. October ein schöner Schulactus gehalten wurde, wozu der Hr. Rector, nämlich M. Gotth. Ehrenfr. Becker, das Programm „von dem Friedenskinde“ über Luc. 10,6., und der Cantor, Hr. Johann Gottl. Grahl, die Musik (nämlich wie dies in den Schwarzeschen Jubelacten zu lesen, I. Band, S. 74: Drama [32] sacrum momoriae et honori Pacis divinae ac religiosae dicatum musicisque concentibus exhibitum. Personae dramatis: Pax alma, fides justifica, caritas operosa, gaudium sen Chorus, lateinisch mit deutscher Uebersetzung) hat drucken lassen. Der Actus geschah auf dem großen Rathssaale, davon wir eine Länge von 8½ Fenster auf jeder Seite und also 40 Ellen lang und 22 Ellen breit genommen hatten. Das Uebrige war durch eine Wand von rothem Tuche abgesondert. An dieser Seite war ein Schaugerüst aufgebaut mit Stufen, deren der oberste Platz, darauf die Redner ganz frei standen, 4 Ellen breit in das Gevierte war, und die Erhöhung von 5/4 Ellen hoch. Ueber den Rednern war ein kleiner Baldachin von indianischem Nesseltuch mit bunten, seidenen Blumen genäht, der sich bis auf den Boden über die ganze Erhöhung ausbreitete. Auf beiden Seiten waren zwei Orchester zu Musik aufgerichtet, über welchen zwei Paar Pauken hingen, und diese sowohl, als die Stufen für die Andern, waren mit rothem Tuche beschlagen und ein Theil des Fußbodens auch damit belegt. Die Musik, von zwei Chören, war schön gesetzt und schön ausgeführt. Und da der Actus erst gegen 6 Uhr zu Ende ging, so waren an den Säulen und anderen Orten 64 Lichter bei der Dämmerung angezündet worden, wodurch die Sache auch ein besser Ansehen erhielt.“ Die Vorträge bestanden in Folgendem: Adam Christ. Eckardt aus Zschopau recitirte ein carmen saeculare; Karl Christian Reismann aus Dresden hielt eine Rede über die Religion als Hervorbringerin wahrer Glückseligkeit; Karl Gottlob Friederici aus Dresden erhob in einem lateinischen Gedichte das Göttliche, das sich bei dem Religionsfrieden wahrnehmen lasse; Christ. Gottfr. Maxim. Gräfe, Sohn des Neustädter Pastors Gräfe, legte in einer griechischen Rede dar, wie viel der Religionsfrieden zur Erhaltung des weltlichen Friedens beitrage; Joh. Gottlieb Tzschader aus Dresden entwickelte in einer französischen Rede den Gedanken, daß der Religionsfriede eine der größten Wohlthaten der göttlichen Gnade sei; Ferd. Gottlob Furgantius aus Trebsen bei Meißen verherrlichte Kurfürst Moritz in einer lateinischen Rede und endlich Gottfr. Herklotz aus Reichstadt bei Meißen hielt eine deutsche Lobrede auf Kurfürst August.[65]

[33] Je mehr wir uns in diesen Mittheilungen dem Ende des 18. Jahrhunderts nähern, desto zahlreicher und bestimmter werden die Nachrichten über die Neustädter Schule. Aufzeichnungen aus dem Jahre 1784[66] verbreiten sich über die Beschaffenheit des Schulhauses, das jetzt noch nicht ganz 100 Jahre stand, aber zu den größten Ausstellungen Veranlassung bot. Auf seine Uebelstände hinzuweisen, unternahm der damalige Neustädter Diakonus Leibnitz, der bekanntlich nebst dem Pastor im Schulhause Amtswohnung hatte. Wenn nun auch die gerügten Mängel zunächst nur die Diakonatswohnung betrafen, so lassen sie doch Schlüsse auf die übrigen Theile des Gebäudes machen. Leibnitz sagt in seiner Eingabe an den Rath vom 10. October des obengenannten Jahres: „In dem Logis (es enthielt eine sehr große und eine kleine Stube nebst Kammer und Küche), das ich im hiesigen Schulgebäude seit 25 Jahren bewohne, kann ich unmöglich ohne den größten Nachtheil an meinen Augen und Gesundheit länger bestehen. Die Wohnstube ist so groß, daß sie nicht erheizt werden kann; die 2., nach dem Schulgäßchen gehend und zum Studiren benutzt, so finster, daß ich bis früh um 9, auch Nachmittags von 3 Uhr an Licht brauche und mir daher meine Augen beinahe ganz ruinirt habe. Die Kammer und Stuben sind an Fußböden, Oefen und Thüren so schadhaft, daß die anzubringenden Reparaturen als impracticable und zu hoch angesehen worden, als daß die Beschaffenheit des Gebäudes deren Betrag verdient hätte. In dem vergangenen Winter habe ich an die 26 Klaftern Waldholz verbrannt, ohne daß ich sagen kann, daß ich und die Meinigen die nöthige Wärme genossen. Mein Studiren wird durch das der Studirstube gegenüber vorgenommene Brauen und Malzen und durch das Lärmen der Arrestanten umsomehr unterbrochen und gehindert, da meine Wohnung von dem gegenüber sich befindenden Brauhause und Frohnveste nur durch ein sehr enges Gäßchen geschieden, auch da die letztere Seite frei stehet, so feucht ist, daß ich schon einen großen Schaden an Büchern erlitten, und meine Eßvorräthe muß ich in einem an dem Abtritte anliegenden Behältnisse, wo durch Gestank und Moder Alles verdirbt, aufbewahren, und der wenige Raum in meinem Keller verhindert mich, diesem Uebel abzuhelfen.“ – Die Bitte um Gewährung [34] einer bestimmten Geldsumme zur Ermiethung einer Privatwohnung erscheint unter solchen Umständen nur gerechtfertigt.

Daß Leibnitz nichts übertrieben, beweist der Bericht der aus 1 Maurermeister, 1 Zimmermeister und dem Bauschreiber bestehenden Prüfungscommission vom 30. October 1784, der alle Angaben des Diakonus bestätigte und u. A. sagt: „Es ist fast nicht rathsam, in einem alten Gebäude, wo schon von Zeit zu Zeit Vieles verändert worden, mehrere und zwar Hauptveränderungen vorzunehmen.“

Dem Diakonus wurde auf seine Bitte ein jährlicher Zinsbeitrag von 70 Thlr. gewährt, und die in Folge seines Auszugs freigewordene Wohnung dem Rector zugewiesen, der sein bisheriges Quartier dem Cantor überließ. Diese von den beiden Lehrern gewünschte Veränderung fand die Bestätigung des Oberconsistoriums und gelangte Ostern 1785 zur Ausführung.

Für einige Jahre verstummten die Klagen der Bewohner des Schulhauses, wurden aber 1793 wieder laut. Ganz besonders wies der Cantor auf die Mißstände seines Quartiers hin, und da auch der Bauschreiber in seinem ihm vom Rathe abgeforderten Berichte die Mängel anerkannte und ihre Beseitigung warm befürwortete, so wurde vor der Hand die in der 1. Etage gelegene Cantoratswohnung mit einem Aufwande von über 100 Thlr. reparirt.

Bedeutungsvoller erwiesen sich aber die Mißstände, welche die innere Einrichtung der Schule betrafen.[67] Diese zählte, wie bisher, 3 Lehrer. Während der Tertius im Christenthume, Schreiben und Rechnen, der Cantor aber in der lateinischen und in den Anfangsgründen der griechischen Sprache unterrichtete, fiel dem Rector alles Uebrige, d. h. die Unterweisung in den höheren Fächern zu. Diese Einrichtung war insofern ein Uebelstand, als in Erkrankungsfällen des Anstaltsdirigenten keiner seiner beiden Kollegen ihn vertreten konnte, weil diesen in der Regel der für den höheren Unterricht nöthige Grad wissenschaftlicher Bildung mangelte. Wollte man daher eine Stellvertretung des Rectors ermöglichen, so mußte man an den 2. Lehrer oder Cantor rücksichtlich seines Wissens und Könnens künftig größere Anforderungen stellen, ihm dann aber auch ein höheres Diensteinkommen bieten als bisher. –

Eine durch den Grad der erlangten Ausbildung bedingte Eintheilung [35] der Schüler existirte damals auch nicht. Der Rector hatte beispielsweise in seiner Klasse neben den Zöglingen, die nach der Universität abgehen wollten, auch solche, welche erst Unterricht in den Anfangsgründen der lateinischen Sprache erhielten, und dieser Umstand veranlaßte die Bildung von wenigstens 3 Abtheilungen, von denen jede den Lehrer in Anspruch nahm, ohne recht vorwärts zu kommen. –

Man beklagte auch den Mangel an Fleiß und anständigem Betragen bei den Schülern, und erwähnte mit Beziehung auf letzteres, daß die meisten derselben nicht nur vor, sondern oft auch während der Unterrichtsstunden vor dem Schulgebäude umherschwärmten und Vorübergehende ausspotteten und neckten. Es sei wirklich geboten, einmal mit Strenge dagegen einzuschreiten und 2 oder 3 der Schlimmsten nach wiederholten fruchtlosen Ermahnungen aus der Schule zu entfernen.

Auch das Chor litt unter mancherlei Mängeln. Man beklagte sich im Publikum

„1) über leichtsinniges Betragen der Choristen beim Absingen von Liedern in der Kirche oder vor Häusern; viele Bürger hätten daher letzteres untersagt und die dafür ausgesetzten Beneficia entzogen;

2) darüber, daß die Chorschüler mit Anfang der Predigt die Kirche verließen, sich während derselben in Wirthshäusern umhertrieben und Billard spielten. Der Hr. Cantor möge daher künftig das Chor verschließen, die Schlüssel an sich nehmen und Entfernung aus der Kirche nur bei strenger Kälte gestatten;

3) darüber, daß die Knaben außer den Schulstunden ihre Zeit in Gesellschaft von Frauenzimmern in Wirthshäusern oder auf nahegelegenen Weinbergen mit Spiel und Trinken verschwendeten.“

An der Kleidung der Choristen tadelte man: „Sie gehen mit seidenen Strümpfen, mit 1 oder auch wohl 2 großen Uhrketten und die Schuhe mit Bändern gebunden, alles Dinge, die für Menschen, so von Almosen leben und denen man etwas schenken soll, ganz unanständig sind.“[68]

Die Schule ging augenscheinlich ihrem Verfalle entgegen, was auch aus dem Schülerverzeichniß vom Jahre 1793 ersichtlich ist. Diesem [36] zufolge bestand der Cötus der Anstalt, die nach Hilscher 1717 130 Zöglinge gehabt hatte, aus 35 Schülern, von denen auf die 1. Klasse 15 (7 Choralisten und 8 Extraner), auf die 2. 9 (5 Choralisten und 4 Extraner) und auf die 3. 11 Schüler (5 Choralisten und 6 Extraner) kamen. Solchen Verhältnissen gegenüber konnte die aus Rath und Superintendent bestehende Schulbehörde sich nicht passiv verhalten. Sie erbat sich von den der Sache nahestehenden Personen, wie Rector, Stadtrichter u. s. w., Verbesserungsvorschläge, und veröffentlichte den 28. September 1793 eine unter Benutzung derselben entworfene und den 21. October desselben Jahres auch vom Oberconsistorium bestätigte Generalverordnung, deren Hauptpunkte folgende sind:

„Die Schule soll auch ferner aus 3 Hauptklassen mit ebensoviel Lehrern bestehen. – Der Rector, welcher seinen Unterricht im großen Auditorium der Schule ertheilt, hat nur 2 Abtheilungen, die der Prima und Secunda anderer Anstalten entsprechen. Ihm allein steht das Recht zu, die angemeldeten „Chorales“ und „Extraneis“ zu prüfen, über ihre Aufnahme zu entscheiden, und sie ohne alle Parteilichkeit und Nebenabsichten nach dem Maße ihrer Kräfte in die Klasse und Unterabtheilung zu setzen, wo sie mit Nutzen fortstudiren können. – Die bisherige 3. Abtheilung des Rectors wird mit der Klasse des Cantors (also der zweiten) verschmolzen und dem zeitherigen Tertius gegeben, der von nun an den Titel Subrector führt, und seine Schüler auch in 2 Abtheilungen scheidet, die der Tertia und Quarta anderer Schulen gleichstehen. Als Unterrichtszimmer wird das bisher vom Cantor innegehabte Local rechts vom Eingange der Schule benutzt. – Der Cantor ist von nun an Tertius und bekommt die 3. Klasse oder die Quinta, hat aber auch das Singen in der Kirche an Sonn-, Fest- und Bußtagen, Vor- und Nachmittags zu leiten.“ – Die Thätigkeit jedes Lehrers bestimmte folgender Stundenplan (s. am Schlusse).

„Wie bisher, ist auch künftig jährlich Dienstags nach dem Reformationsfeste in allen 3 Klassen in des Raths und der Neustädter Geistlichen Gegenwart ein Hauptexamen zu halten, und sind dabei die von den Schülern gefertigten Specimina nebst Zensurtabelle vorzulegen, worauf durch den Rector die Translocation aus einer Klasse in die andere vorgenommen wird. Die Versetzung der Schüler aus einer Unterabtheilung in die andere bleibt dem Klassenlehrer überlassen.“ – [37] Mit Beziehung auf das Chor bestimmte die Verordnung, „daß der Cantor eine strenge Aufsicht über die Schüler zu führen habe, und daß, um die häufigen, durch das Singen veranlaßten Schulversäumnisse auf das geringste Maß zu beschränken, in den Betstunden künftig nur 4, in den Wochenpredigten 8, bei Kindtaufen und Hochzeiten 4–6 Currendaner wechselsweise thätig sein sollten.“ –

Weil die Veränderungen im Schulorganismus nicht ohne Geldopfer eingeführt werden konnten, so bestimmte die Verordnung über die Einkünfte der Lehrer:

a) „Der Rector erhält jährlich das Schulgeld von den in seiner Klasse sitzenden Schülern (jeder Choralist zahlte wöchentlich 2 Gr., jeder Extraner 4, 6 oder 8 Gr.), von jeder Laute-Leiche 1 Thlr., von jeder Wagenleiche ohne Lauten 7 Gr. 4 Pf., von den übrigen aber, wie hergebracht, 4 oder 2 Gr., und genießt allein die Einkünfte des Gregoriusumgangs (wovon er dem Subrector 4 Thlr. und dem Cantor 2 Thlr. wegen ihrer Begleitung abgiebt). Ferner erhält er 55 Thlr. 6 Gr. Besoldung aus dem Religionsamte zu Neustadt, 6 Thlr. Zulage aus der Kirche daselbst, 6 Thlr. 10 Gr. Tranksteuer-Beneficium, 5 Thlr. 6 Gr. oder 6 Fl. aus dem Religionsamte zu Neustadt für die Besorgung des Heizens der Schulklassen, 15 Thlr. Legatengelder, 9 Thlr. 3 Gr. von 2 Legaten, wofür 4 arme Extraner freien Unterricht erhalten, schließlich 4 Schragen Holz aus dem Religionsamte zu Neustadt (1 Schragen für sich und 3 für die Schulklassen), mit Anfuhre und Macherlohn, freie Wohnung im Schulgebäude und zwar auf der rechten Seite der 1. Etage.“ Da der damalige Rector Schäfer durch Entziehung seiner 3. Schülerabtheilung an seiner Einnahme eine Einbuße erlitten, bewilligte man ihm, aber ausdrücklich nur für seine Person, eine außerordentliche jährliche Zulage von 30 Thlr. auf Lebenszeit.“

b) „Der Subrector bekommt auch das Schulgeld für die in seiner Klasse sitzender Schüler (von jedem Choralisten 1 Gr. 6 Pf. und von jedem Extraner 3–4 Gr. wöchentlich), von jeder Laute-Leiche 12 Gr., von jeder anderen soviel als der Rector; dann hat er den ferneren Genuß dessen, was für das Singen beim Nachmittagsgottesdienste, den künftig der Cantor besorgt, ausgesetzt ist. Als Fixum erhält er 13 Thlr. 2 Gr. baare Besoldung, 18 Thlr. 9 Gr. zum Zins aus dem Religionsamte, 12 Thlr. aus der Sophienkirche, [38] 7 Thlr. 21 Gr. und 50 Thlr. aus der Kirche zu Neustadt, 21 Thlr. 22 Gr. Legatengelder, incl. 2 Thlr. 12 Gr. vom Conrector der Kreuzschule, 5 Thlr. Tranksteuer-Beneficium, 12 Thlr. für den Martini-, Neujahrs- und Gregoriusumgang, nämlich 4 Thlr. vom Rector und 8 Thlr. vom Cantor.“

c) „Der Cantor erhält das Schulgeld von den in seiner Klasse befindlichen Schülern (jeder Choralist zahlte 1 Gr. 6 Pf. und jeder Extraner 2 Gr. wöchentlich), die Einkünfte des Martini- und des Neujahrsumganges (weil der Subrector ihn dabei begleitet, zahlt er diesem jährlich davon 8 Thlr. Entschädigung; verrichtet aber gegen 2 Thlr. jährliche Entschädigung vom Rector für diesen den Gregoriusumgang); ferner das Leichengeld und die Trauungsgebühren, wie sie bisher üblich gewesen; ferner was für das Singechor Sonntags aufgelegt wird; außerdem 35 Thlr. Besoldung, 24 Thlr. Legatengelder, 8 Thlr. Adjuvantengeld, 5 Thlr. Tranksteuer-Beneficium, 34 Thlr. 16 Gr. für die Singestunden vom Chorgelde; ferner 1 Schragen 9/4 weiches Holz und freie Wohnung in der 1. und 2. Etage des Schulhauses.“[69]

Da bei den Einkünften der drei Lehrer der Anstalt auch Legatengelder aufgeführt werden, so dürfte es hier wohl am Platze sein, Einiges über die Legate für die Neustädter Schule mitzutheilen. Des ältesten derselben von dem Stadtschreiber Michael Weiße in Neudresden (jetzt Altstadt), 1563 gestiftet, ist Seite 2 und 3 bereits Erwähnung geschehen. Andere Vermächtnisse rührten her von Wolfgang Schmied, Rathsherr und Religionsamtsverwalter in Altdresden, zu Schulbüchern und Papier für arme Schüler und zur Lehrerbesoldung (1619); von Christoph Kornwart (1702) und von Johann Engelbrecher, Bürger und Drechsler in Altdresden (1706) zum Ankauf von Schulbüchern.[70]

Es würde zu weit führen, alle der Schule gewidmeten späteren Vermächtnisse[71] anzugeben: wir nennen nur diejenigen, deren Zinsen dem 2. und 3. Lehrer zu gute kamen, wie sie in dem Actenstück B VIIb, 21 b aufgezählt werden.

[39]

Namen der Legate. Wie bisher bestanden? Wie künftig zu vertheilen?
Cantor. Tertius. Subrector. Cantor.
Thlr. Gr.  Pf.  Thlr. Gr.  Pf.  Thlr. Gr.  Pf.  Thlr. Gr.  Pf. 
Trömer’sche Charfreitags-
   predigt
12  12  12  12 
Tutzschke’sches Legat 14  14  14  14 
Ulbricht’sches Legat 14  14  14  14 
   Schulgeld daher
Thomas Lange’s Kate-
   chetische Stiftung
15  15 
Dietrich Schmidt’sches Legat                        
  à 1000 Thlr.
   Desgl. à 1200 Thlr.
Heckel’sches Legat
Ußwald’sches Legat 22  22  22  22 
Zimmermann’sche 3 Vor-
   bereitungspredigten
12  12 
Trotzer’sches Legat
Kegler’sches Legat 12  12 
Giese’sches Legat 12  12 
Pillnitzer Legat
Aus der Kreuzschule 12  12  12  12 
Pfund’sches Legat
Bereuther Rothe’sches Legat
    29  13  22  19  11  25  22  11  26  10 

Eine mehr als flüchtige Erwähnung verdient die Stiftung, die dem Kaufmann Karl August Pfund ihre Entstehung verdankt. Dieser Kinderfreund bestimmte in seinem am 16. October 1771 errichteten und am 7. März 1791 eröffneten Testamente 2000 Thlr. zur Gründung einer Armenschule für 12–16 Knaben. Da sich nach seinem Tode eine Schrift vorfand, in welcher noch 1000 Thlr. für denselben Zweck ausgesetzt waren, die Erben aber die Gültigkeit des letzteren Legates leugneten, so entstand zwischen ihnen und dem Stadtrath, dem Verwalter der Stiftung, eine Differenz, die dadurch ihre Beilegung fand, daß die Erben noch 800 Thlr. herauszahlten. In Anbetracht des Umstandes, daß die Errichtung einer so kleinen Schule unthunlich sei, wurde mit Bewilligung der Pfund’schen Erben und des Oberconsistoriums 1796 die Einrichtung getroffen, daß der Subrector und der Cantor je 6–8 arme Knaben in den öffentlichen Lehrstunden unentgeldlich unterrichteten, wofür jeder der beiden Lehrer [40] von den eingehenden Capitalzinsen à 4 Proc. eine jährliche Zulage von 36 Thlr. erhielt. 18 Thlr. kamen für Holz, Bücher und Schreibmaterialien in Ausgabe. Als zu Ende der 1830er Jahre öffentliche Elementarvolksschulen für Neu- und Antonstadt entstanden, wies man seit 1840 die Freischüler der Pfund’schen Stiftung mit Genehmigung der Schulinspection wie der Kreisdirection der Bezirks- beziehendlich der Bürgerschule daselbst zu.[72]

Ehe wir auf die Umgestaltung der Neustädter Schule in eine sogenannte höhere Bürgerschule eingehen, müssen wir noch einmal das Chor ins Auge fassen. Wenn Burney in seinem schon erwähnten Buche: „The Present State Of Music In Germany etc. London 1773“ Band 2, S. 70, bei Gelegenheit der Gebühren für das öffentliche Singen auf den Straßen u. A. auch erwähnt, „daß die hier wohnenden Gesandten den Dresdner Schülern jedes Vierteljahr 1 Krone (etwa 5 Mark) geben, um vor ihren Thüren – nicht zu singen“, so scheint darin kein rühmliches Zeugniß für die Leistungen der hiesigen Choristen zu liegen, und doch wurden diese sehr häufig nicht nur am Hoftheater, sondern auch auf Privatbühnen in der Oper verwendet. Die Theilnahme der Neustädter Currendaner an derartigen öffentlichen Aufführungen nahm so zu, daß der Unterricht in bedenklicher Weise darunter litt, und die Kirchen- und Schulinspection sich daher veranlaßt fand, unterm 25. Januar 1796 eine Verordnung an die Lehrer der Neustädter Schule zu richten, „von nun an und unter keinerlei Vorwand zu gestatten, daß die Alumni, Currendaner oder Choralisten in den allhier und besonders auf dem Lincke’schen Bade gegeben werdenden Operetten das Singen der Chöre oder wohl gar gewisse Singrollen auf dem Theater oder hinter den Coulissen übernehmen und mit oder ohne Bezahlung verrichten, vielmehr solches zur Beförderung der Sittenlosigkeit und zur Verhinderung der Studien gereichende Unternehmen auf das Strengste zu untersagen. Jeder Schüler, der dagegen fehlt und dessen überführt werden kann, ist ohne alle weitere Nachsicht und Schonung von der Schule zu excludiren. In Ansehung des Kurfürstlichen Hoftheaters verbleibt es vor der Hand bei der zeitherigen Erlaubniß, nur ist von den Lehrern darauf zu sehen, daß wegen der Vorstellungen [41] und zu den Proben so wenig wie möglich die Zeit und die öffentlichen Schulstunden versäumt, und diese Verrichtungen der guten Ordnung und Disciplin unschädlich werden.“[73]

Eine andere, auch das Singen betreffende Inspectionsverordnung vom 3. März 1800 hatte in Folgendem ihren Grund. An der Neustädter Schule bestand nämlich seit unbekannter Zeit der Gebrauch, die abgehenden Schüler in dem Falle, daß sie die Universität bezogen oder eine anständige Versorgung erhielten, durch ein Abschiedssingen zu ehren. Die erwähnte Verordnung gestattete dies zwar auch für die Zukunft, bestimmte aber, daß der die Anstalt verlassende Zögling einige Wochen vor seinem Weggange bei dem Stadtrichter, als dem nominellen Senat, sich melde und einen Erlaubnißschein hole, der stets und zwar unentgeldlich ausgefertigt werde, wenn bei dem Gesuche kein Bedenken vorliege.[74]

Mit dem Eintritt in das 19. Jahrhundert fällt als erstes wichtiges Ereigniß in der Geschichte der Anstalt die Umwandlung derselben in eine höhere Bürgerschule ins Auge. Bisher war sie nämlich eine sogenannte lateinische oder gelehrte Schule gewesen, d. h. eine solche, „in welcher Knaben und Jünglinge, die sich ausschließlich oder doch vorzüglich dem gelehrten Stande widmeten und als Lehrer, Juristen, Aerzte oder in andern Fächern, zu denen Schul- und Universitätswissenschaften schlechterdings erforderlich sind, dem Staate dienen wollten, die Vorbereitungswissenschaften, besonders die alten Sprachen erlernten, um sodann auf Academien oder Universitäten ihre Studien mit Erfolg fortsetzen zu können.“[75] Da aber die Schule in ihren Leistungen entschieden zurückging, und die Zahl der Schüler auffällig abnahm, so beschloß man zufolge Rescripts des Oberconsistoriums vom 31. Januar 1803, die Anstalt einer durchgreifenden Veränderung zu unterwerfen und sie den Zeitbedürfnissen entsprechend einzurichten. Die Schüler sollten demnach künftig nicht nur in den Elementarkenntnissen unterrichtet werden, wie sie Kinder, [42] die für das gewöhnliche bürgerliche Leben bestimmt sind, nothwendig brauchen, sondern sie sollten in höheren Abtheilungen auch von Mathematik, Geographie, Geschichte, Naturlehre, von der lateinischen und griechischen Sprache soviel erfahren, daß ein abgehender Zögling, wenn er seine Zeit wohl angewendet, mit Nutzen in eine gelehrte Schule übergehen könnte. Damit im Publikum nicht die Ansicht entstehen möchte, als ob die Schule durch diese Umwandlung ihren Rang als höhere Lehranstalt verlöre, gab die Behörde ausdrücklich folgende Erklärung: „Der Vorwurf, daß durch die Veränderung einiger Lehrgegenstände die Stadtschule selbst erniedrigt werden könnte, ist von demjenigen, der die Verhältnisse der Wissenschaften und ihren Bezug auf das gemeinthätige Leben gegeneinander zu vergleichen und abzuwägen versteht, gewiß nicht mehr zu erwarten, und hier sollte man ihn um so weniger befürchten dürfen, da die bisher auf dieser Schule getriebene lateinische und griechische Sprache aus selbiger nichts weniger als gänzlich verbannt, sondern bis zu einem gewissen Grade durchaus fortgetrieben und mit dem Unterricht in der Mathematik, Naturgeschichte, Naturlehre, Technologie, der französischen Sprache und dem Zeichnen, an welchen vorher nie gedacht worden war, und der doch selbst dem sich zum gelehrten Stande bestimmenden Jünglinge so nöthig ist, bereichert werden soll.“[76]

Natürlich machte die neue Einrichtung auch mehr Lehrkräfte nöthig, als bisher thätig gewesen waren, weshalb man neben den schon vorhandenen 3 Klassenlehrern noch einen Mathematikus, einen Lehrer der französischen Sprache, einen Zeichen- und einen Schreiblehrer an der Schule anstellte. Die durch Erweiterung des Lehrkörpers entstehenden größeren Kosten für die Anstalt wurden zum Theil durch eine Erhöhung des Schulgeldes gedeckt, so daß in der 1. Klasse von nun an monatlich 1 Thlr. 8 Gr., in der 1. Abtheilung der 2. Klasse 1 Thlr., in deren 2. Abtheilung 16 Gr., in der 1. Abtheilung der 3. Klasse 12 Gr. und in der 2. Abtheilung derselben (A-B-C-Schützen) 8 Gr. bezahlt werden mußte. Außerdem verpflichtete sich jeder Schüler, jährlich zweimal, zu Michaelis und zu Weihnachten, für Holz und Licht jedesmal 4 Gr. zu entrichten.[77] [43] Dieses Geld floß in die neugegründete, mit mehreren anderen Einkünften dotirte Schulkasse, aus welcher die Hauptlehrer ihre Besoldung in monatlichen Raten pränumerando bezogen. – Mit der Einnahme des Schulgeldes war der Rector betraut, eine Einrichtung, die bis in die Vierziger Jahre bestanden hat.[78] – Um die besprochenen Veränderungen auch äußerlich anzudeuten, wurde der bisherige Name „lateinische Schule“ mit dem „höhere Bürgerschule“ vertauscht, womit man die Anstalt „nicht als eine Schule für höhere Bürger, sondern als höhere Schule nach Umfang, Zweck, Ziel und Methode des Unterrichts hinstellte.“

Da man in Folge der neuen Einrichtung in der obersten Klasse die Schüler höchstens bis in ihr 16. Jahr behielt, so hätte das Singechor der Schule insofern darunter leiden müssen, als es ihm stets an den zu einem harmonischen Gesange so nöthigen tieferen Stimmen gefehlt haben würde. Um dieses Uebel zu verhindern, wählte man aus dem Chore 4–6 ältere Zöglinge aus, die als Aequivalent für ihre ferneren Dienste nicht nur Unterricht in der Musik und theoretische wie praktische Anweisung in der Unterrichtskunst erhielten, sondern auch in der 3. Schulklasse zur Verwerthung ihrer pädagogischen Kenntnisse unter Aufsicht eines Lehrers veranlaßt wurden. Diese Schüler, die also thatsächlich ein kleines Lehrerseminar bildeten und insbesondere später in Stellen auf dem Lande Verwendung fanden, blieben bis zu ihrem Abgange von der Schule mit dem Chore in der bisherigen Verbindung. Ihre Zahl stieg nach und nach auf 10, und wählte der Rector aus ihrer Mitte, besonders seitdem sie von 1826 an zum Schulamtscandidatenexamen zugelassen wurden, die der Neustädter Schule nöthigen Collaboratoren, deren einer je nach Verhältniß der Stundenzahl monatlich 6–10 Thlr. aus der Schulkasse erhielt.[79]

Auf der seit 1803 betretenen Bahn ging nun die Anstalt still doch rüstig weiter, ohne daß sie indeß besonders bemerkenswerthe Ereignisse erlebt hätte. Ein neuer Geist aber zog in sie ein, als im Jahre 1838 August Beger das Rectorat übernahm, und hier dürfte auch wohl der geeignetste Platz sein, die noch nicht genannten Rectoren der Schule anzuführen.

[44] Wie Seite 27 schon bemerkt, hatte man im Jahre 1695 Laurentius aus Dippoldiswalda nach Neustadt-Dresden berufen. Er war ein Zeitgenosse und Freund des Pastor Hilscher, starb aber noch vor dessen Tode 1726. Ihm folgte Christoph Ziegenhals, der bis 1733 der Schule als Rector vorstand, dann aber als 3. College an die Kreuzschule überging. An seinen Platz trat der Seite 28 bereits erwähnte Christoph Kretzschmar, der auf der vorhin genannten Anstalt seine Vorbildung erhalten, auch als Regens Alumnorum an derselben gewirkt hatte. Von 1733–1741 war er Rector an der Neustädter Schule, dann 11 Jahre Conrector an der Kreuzschule und von 1752–1764 selbst Rector an dieser Anstalt. Als merkwürdig dürfte wohl der Umstand bezeichnet werden, daß Kretzschmar mit dem an seiner Schule wirkenden Conrector Johann Christian Köhler an ein und demselben Tage, nämlich den 5. Juni 1764 starb. Nach seinem Weggange von der Neustädter Schule trat Christian Gottfried Grabner in seine Stelle ein, die er von 1741–1752 verwaltete, dann aber als Rector nach Schulpforta übersiedelte. Sein Nachfolger in Dresden wurde Gotthelf Ehrenfried Becker (s. S. 31) von 1752–1762, nach welchem Christian Friedrich Grell 9 Jahre lang, nämlich von 1762–1771 das Rectorat führte. Als dieser in Folge eines Sturzes vom Pferde unerwartet starb, übernahm Christian Friedrich Olpe die Leitung der Schule. Geboren 1728, bekleidete er 1756 das Amt eines Universitätsbibliothekars zu Wittenberg, siedelte 2 Jahre später als Rector nach Torgau über, wo er bis zu seiner Berufung nach Dresden verblieb. Schon nach 1 jähriger Wirksamkeit an der Neustädter Schule (1771–1772) wurde Olpe Rector an der Kreuzschule, der er bis 1802 vorstand. Ebenfalls nur 1 Jahr, nämlich von 1772–1773 wirkte sein Nachfolger Christoph Friedrich Jünger an der Neustädter Schule, worauf Johann Gottfried Schäfer folgte, welcher der Anstalt bis zu seinem den 7. April 1801 erfolgenden Tode erhalten blieb.[80] Dieser war es auch, welcher zu der am 20. April 1795 stattfindenden Entlassungsfeier von 6 nach der Universität abgehenden Zöglingen durch das lateinische Programm [45] einlud: „De Vi Consuetudinis In Literarum Studio.“ Das Rectorat wurde nach Schäfers Ableben vor der Hand nicht wieder besetzt, sondern von dem Subrector Koch bis zum 1. Mai 1803 interimistisch mit verwaltet; doch erhielt dieser für die vermehrte Arbeit nichts, da des Rectors Besoldung, Accidenzien, Legatenzinsen, sowie das Schulgeld der Zöglinge an die Schulinspection abgegeben werden mußten, welche diese Einnahmen für die zu errichtende Schulkasse ansammelte.[81] Mit Eröffnung der Anstalt als höhere Bürgerschule den 16. Mai 1803 übernahm Christian Friedrich Paufler ihre Leitung, doch behielt er diese nur 1 Jahr, da er 1804 sich als Rector nach der Kreuzschule versetzen ließ, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode 1816 thätig war. In Neustadt wurde nach Paufler’s Abgange als Dirigent der Schule Gotthard Friedrich Anger[82] eingewiesen, der zu der ersten unter seiner Direction den 6. November 1804 stattfindenden Prüfung durch ein deutsches Programm einlud, das „einige Forderungen an die Aeltern und Erzieher der Kinder“ enthält, „die in der höhern Bürgerschule zu Neustadt bei Dresden unterrichtet werden.“ Anger stand derselben bis 1838 vor, in welchem Jahre er in den Ruhestand trat und in Dr. Friedrich August Beger einen Amtsnachfolger fand. Da derselbe von dem größten Einflusse auf die Umgestaltung der Neustädter Schule gewesen ist, wird man es billig finden, wenn wir aus seinem Leben etwas mehr als einige Data geben, umsomehr, als wir eine trefflich geschriebene Selbstbiographie von ihm besitzen.

Am 10. März 1802 in einer schlichten Bürgersfamilie in hiesiger Stadt geboren, besuchte Beger bis zu seiner Konfirmation eine Elementarschule und trat dann auf Wunsch seines Vaters in dessen Tischlerwerkstatt ein, um als der älteste Sohn des Hauses das väterliche Handwerk zu erlernen und später einmal das Geschäft zu übernehmen. Bereits nach 1½ Jahren war der Lehrling durch verständige und einsichtsvolle Leitung so weit gebracht, daß er ein allen Anforderungen entsprechendes Gesellenstück anzufertigen vermochte. Durch welchen Umstand, fragt man gewiß, wurde aus dem einfachen Tischler ein so anerkannter Mann der Wissenschaft? Die Liebe [46] bewirkte dieses Wunder. Von 2 Töchtern einer im Hause seiner Aeltern wohnhaften hochgestellten Familie nämlich machte die ältere „durch ihre körperliche Schönheit und Anmuth, wie durch die Feinheit ihres Geistes und die Zartheit ihres Gemüthes“ einen solchen Eindruck auf den Handwerkslehrling, daß er sich ihr nach und nach näherte, mit ihr schließlich in innigen Verkehr trat und dabei die Erklärung erhielt, daß nur die Aufgabe des bisherigen Berufes und das Betreten der wissenschaftlichen Laufbahn die Möglichkeit böte, sich einmal ganz zu gehören.

Von diesem Augenblicke an war in Beger alle Lust zur Tischlerei geschwunden und nur der Gedanke, studiren zu dürfen, bewegte sein Inneres. Die Mutter wurde für diesen Plan zuerst gewonnen; der Vater folgte, wenn auch nur widerstrebend. Da Beger sich dem Studium der Theologie zuwenden wollte, aber durchaus keine Vorkenntnisse in den hierzu erforderlichen alten Sprachen besaß, begann er deren Studium unter Beihilfe von einigen nicht sonderlich tüchtigen Privatlehrern mit solchem Eifer, daß er bereits nach 4½ Monaten 1818 in die Secunda der Kreuzschule aufgenommen werden konnte. Soviel vermögen ernster Wille und muthige Ausdauer! Nach vierjährigem Besuche des vorhin genannten Gymnasiums ging Beger nach Leipzig und studirte zwar Theologie, vertauschte aber schließlich doch, so sehr sich auch seine Aeltern widersetzten, den Predigerberuf mit der academischen Lehrthätigkeit, „weil ihn beim Betreten der Kanzel stets eine an Verzweiflung grenzende Angst überfiel.“

1826 erwarb er nicht nur die philosophische Doctorwürde, sondern bestand auch in vorzüglicher Weise die theologische Prüfung pro candidatura, worauf er im nächsten Jahre mit einem Gehalt von 200 Thlr. als Lehrer an der Kreuzschule eintrat. So war denn damit der eine Zweck seines Lebens erreicht, nämlich in der wissenschaftlichen Laufbahn eine Stellung errungen; aber das Glück, mit dem von ihm hochverehrten Mädchen für immer verbunden zu sein, konnte er deshalb nicht genießen, weil die Aeltern desselben schon über seine Hand verfügt hatten. Nach einer 5jährigen gesegneten Wirksamkeit an der Kreuzschule wurde Beger den 7. Januar 1833 Vicedirector am Friedrichstädter Seminar, und Ostern 1838 Rector an der Neustädter Schule.[83]

[47] Wir bemerkten schon, daß mit seinem Eintritte in letztere Anstalt ein neuer Geist in dieselbe einzog, und können die Wahrheit unserer Behauptung nicht besser beweisen, als wenn wir zunächst den Zustand des Lehrinstituts schildern, wie ihn der neue Rector im Schulprogramm von 1855 dargelegt hat.[84] „An Lehrapparaten gab es etwa 3 Gegenstände in brauchbarem und 3–4 in unbrauchbarem Zustande. Die Bibliothek zählte 38 Werke von geringerem Werthe und mehrere gewöhnliche und veraltete Landkarten. Für Naturgeschichte, Anthropologie, Technik etc. gab es keine Veranschaulichungsmittel, und dem Zeichenunterrichte fehlte es durchaus an Musterblättern. Ueberhaupt fand sich bis 1838 im Haushaltplane der Schule kein Posten für Vermehrung der Lehrapparate. Die Zahl der meist den ärmeren Ständen angehörenden Schüler betrug im April 1838 98, und davon waren nur 3 über 14, die übrigen 6–14 Jahre alt. Keiner der Zöglinge hatte seine Heimath außerhalb Dresden. Von den 98 Schülern zahlten nur 80 Schulgeld und zwar 30 à jährlich 6 Thlr., d. h. die der 4. Klasse, oder richtiger die 2. Abtheilung der 3. Klasse (die A-B-C-Schützen), 22 jährlich à 8 Thlr., 19 jährlich à 12 Thlr. und 9 jährlich à 16 Thlr., ergiebt einen jährlichen Schulgeldertrag von 728 Thlr. Die Aufnahmegebühren von 32 neu eintretenden Schülern betrugen 28 Thlr.“

Da Beger den Begriff „höhere Bürgerschule“ so auffaßte, daß sie „eine Bildungsanstalt für Kinder zur allgemeinen Vorbereitung auf alle höheren Berufsarten und Verhältnisse des Lebens“ sei, so trat mit seiner Anstellung wieder eine Reorganisation der Schule und die Einführung eines neuen Lehrplanes ein. Man gab das bisher übliche Fachsystem auf und griff wieder zum Klassensystem, wenn auch die Herstellung der neuen Ordnung wegen Ungleichheit der Schüler und der Wünsche und Ansprüche der Aeltern viel Noth und Verlegenheit bereitete. Als vorherrschende Norm für Klassificirung und Translocation der Schüler galt von nun an das Maß der Kenntnisse in Religion, deutscher Sprache und Arithmetik[WS 4]. Da auch eine 4. Klasse vorhanden war, bestimmte Beger, daß die 3 oberen Klassen Vormittags von 8–11 Uhr, die untere von 9–12 Uhr, Nachmittags alle von 2–4 Uhr Unterricht hätten.[85]

[48] Das bisher mit der Anstalt nur wegen des Chordienstes verbundene Seminar (Seite 43) wurde aufgehoben, und der von Seminaristen gegebene Unterricht künftig von mehreren tüchtigen Lehrern ertheilt.[86] – Beger führte auch gleich im ersten Jahre seiner Rectorwirksamkeit monatliche Lehrerconferenzen ein und drang auf Verminderung der Freistellen durch Uebertragung der Pfund’schen Stiftung auf Elementarschulen. – Die Lehrmittel erfuhren eine angemessene Vermehrung, und die Lehrzimmer insofern eine zweckmäßigere Einrichtung, als man aus einigen „kerker- und kellerartigen“[87] Stuben hellere und größere Räume herstellte.

Schon 1839 nämlich war bei den Stadtverordneten der Antrag eingebracht worden, die Schule durch einen Vorbau zu erweitern, da die Unterrichtszimmer zu dunkel seien. Im April 1840 kam man auf die nicht zum Abschluß gelangte Angelegenheit zurück und beschloß, 1. die nach der Hauptstraße liegende 1. u. 2. Schulklasse beizubehalten; 2. die vormalige 3. und 4. Klasse durch Herausnehmen der Wand in eine einzige Stube umzugestalten, sowie 3. auch dasselbe mit den darüber befindlichen, bisher dem Rector Beger gehörigen 2 Zimmern zu thun. Diese Beschlüsse fanden höhern Orts Genehmigung und gelangten deswegen auch zur Ausführung.[88]

Nicht weniger erwähnenswerth ist folgende vom Stadtrath und der Schuldeputation beantragte, und von den Stadtverordneten genehmigte Erhöhung des Schulgeldes

von 1 Thlr. 8 Gr. auf 1 Thlr. 16 Gr. in der 1. Klasse;
1 1 8 2.
16 1 3.
12 16 4.

Obgleich dadurch gegen früher eine Mehreinnahme erzielt wurde, bewilligte man die von der Schuldeputation vorgeschlagene Zulage für den Rector nicht, wohl aber die Erhöhung des Gehaltes für den Mathematikus von 200 auf 300 und für den Collaborator von 120 auf 200 Thlr. und die Anstellung eines besonderen Schulgeldeinnehmers, wie auch die Fixirung des zum Theil auf Accidenzien und ungewisse Emolumente [49] gestützten Einkommens der Hauptlehrer. Diese Veränderungen vollzogen sich in der Zeit von 1838–1844. –

Man muß gestehen, daß in der Schule Vieles nicht nur anders, sondern auch besser geworden war; aber Beger wollte noch höhere Ziele erreichen, deshalb wies er im Osterprogramm von 1845 darauf hin, daß in Anbetracht der Zeitverhältnisse eine abermalige Reorganisation der Anstalt nöthig sei.[89]

Nachdem er ausführlich den bedeutenden Aufschwung im Gewerbewesen, im Bürgerthum und in der Geselligkeit dargelegt, fährt er fort: „Der große Fortschritt bei jenen 3 Factoren ist unverkennbar, aber ebenso unleugbar sind auch die gesteigerten und erweiterten Ansprüche an die allgemeinere und gründliche Bildung Aller, welche mit vorwärts zu gehen die Pflicht oder die Absicht haben. Jener Fortschritt und diese Bildung stehen in so entschiedener Wechselwirkung, daß der weitere Fortschritt nicht füglich ohne diese Bildung, und diese Bildung nicht ohne Theilnahme an diesem Fortschritt gedacht werden kann. . . . . Um nun den Höhepunkt geistiger und praktischer Tüchtigkeit, welcher seit den letzten Jahrhunderten in Kunst und Gewerbwesen, in Staats- und Gemeindeverwaltung, in Verkehr und Geselligkeit, überhaupt für das würdevollere Leben und die höhere Stellung der Nichtgelehrten oder Nichtliteraten erreicht worden ist, und in allen Geschäfts- und Berufsverhältnissen bei der außerordentlich vermehrten Concurrenz mit unnachsichtlicher Strenge gefordert wird, nicht ganz zu verfehlen, bedarf unstreitig die sich diesem Leben und diesen Verhältnissen des höheren Gewerbe- und Bürgerstandes widmende Jugend eine moderne, der künftigen Stellung und Wirksamkeit, der Richtung und Forderung des Zeitgeistes entsprechende Bildung.“

Um diese seinen Schülern möglichst reichlich zu gewähren, wurde im Laufe des Jahres 1845 von Beger ein neuer Lehrplan entworfen und Ostern 1846 eingeführt, wodurch die Schule immermehr den Charakter einer Realschule im vollen Sinne des Wortes annahm. Von dieser Veränderung setzte der Rector in seinem Osterprogramm von 1847[90] auch das Publikum in Kenntniß, indem er sagte: „Im Laufe der Jahre hat die Anstalt immermehr den reinen Charakter [50] der Realschule angenommen. Nach allmähliger Entfernung aller fremdartigen, störenden Elemente ist nun auch zur Vervollständigung des Unterrichtsplanes die englische Sprache aufgenommen worden. Dieser Charakter der eigentlichen Real- oder höheren Bürgerschule offenbart sich in der Berufswahl, für welche sich die Mehrheit der Zöglinge entschieden hat. So haben sich z. B. von den 37 Zöglingen, welche während des Jahres 1846–1847 am Unterrichte der 1. Klasse theilgenommen haben, 8 für den Kaufmannsstand, 5 für die Oekonomie, 2 für die Mechanik, 3 für die Technik, 2 für das Ingenieurwesen, 1 für den Buchhandel, 2 für das Lehrfach, 3 für die Baukunst, 1 für die Malerkunst, 1 für die Musik, 3 für den Militärdienst, 1 für das Apothekerfach entschieden; 3 beabsichtigen durch das Gymnasium auf die Universität, 2 zur Erlernung eines Handwerks überzugehen.“

Eine weitere Veränderung und Erweiterung erfuhr die Anstalt Ostern 1851. Zu dieser Zeit wurde nämlich die 4. Klasse der polytechnischen Schule allhier aufgehoben, und da viele derjenigen, die hier einzutreten beabsichtigten, abgewiesen werden mußten, so gingen sie größtentheils auf die Neustädter Schule. Die nicht unbedeutende Vermehrung ihres Schülercötus veranlaßte eine vollständige Trennung der 1. und 2. Abtheilung der bisherigen 1. Klasse, was eine wesentliche Vervollkommnung im Organismus des Lehrkursus und eine Erweiterung der Lehrziele der 1. Abtheilung der 1. Klasse (1a) zur Folge hatte. Da der Unterrichtsplan mancherlei Veränderungen erfahren mußte, so stellte Beger gleich einen neuen auf. Die Anstalt, durch das Vertrauen der Aeltern mehr und mehr geehrt, fand die vollste Anerkennung auch bei den Behörden, welche sie vom Jahre 1851 an in ihren Bekanntmachungen und Verordnungen stets als Realschule bezeichneten, durch welchen Namen ihr Zweck und ihre Stellung angemessener angegeben wurde.

Durch Ministerialverordnung vom 17. November des letztgenannten Jahres erhielt die Anstalt das für sie höchst wichtige und sie ehrende Recht der Reifeprüfung. Das erste Maturitätsexamen fand Ostern 1853 statt, und konnte von den 6 daran theilnehmenden Zöglingen 5 derselben „mit vollem Rechte“ die Censur 1 gegeben werden.[91]

[51] Welche Freude mußte dies nicht dem rastlos vorwärts strebenden Rector bereiten, der sich, insoweit die innere Einrichtung der Anstalt in Frage kam, jetzt am Ziele seiner Wünsche sah, obgleich er die Fortentwickelung der Schule keineswegs für gänzlich abgeschlossen hielt.

Um die ihre Hebung bezweckenden Verdienste Beger’s, welche selbst vom König Friedrich August durch Verleihung des Ritterkreuzes vom Albrechtsorden anerkannt wurden, recht würdigen zu können, muß man wissen, wie es mit der Schule 1838 aussah (siehe Seite 47), und in welchem Zustande sie sich nach des Rectors eigenen Angaben[92] im Jahre 1854 befand. „Der Apparat für Mathematik, Physik und Chemie“, heißt es in jenen Mittheilungen, „zählt jetzt über 500, der für Naturgeschichte über 2000 Nummern. Die Bibliothek enthält außer 18 vortrefflichen Wandkarten 261 Werke, und ist jedes Fach und jeder Zweig des Unterrichts durch die vorzüglichsten Schriften der Literatur vertreten. Zur Veranschaulichung für Anthropologie, Technik etc. giebt es jetzt 15 ausgezeichnete, sehr umfängliche Wandzeichnungen, wie für alle Stufen und Arten des Zeichnens 647 treffliche Vorlegeblätter, auch 20 schöne Gypsabdrücke und Gypsfiguren. Ueberhaupt sind seit 1838–1854 über 3000 Thlr. zur Vermehrung des Lehrapparates verwendet worden. – Die Zahl der Schüler, die meist den gebildetsten und angesehenen Familien angehören, betrug von 1854–55 327, von denen zu Ostern noch 307 der Anstalt verblieben. Von diesen waren 60 zwischen 9 und 14, 147 zwischen 14 und 20 Jahren. 137 gehörten außerhalb Dresden wohnenden Familien an. Schulgeld zahlten 294 Schüler (die übrigen haben Freistellen), nämlich 24 jährlich à 20 Thlr., 84 jährlich à 24 Thlr., 125 jährlich à 28 Thlr. Die Aufnahmegebühren von 135 Neueingetretenen betrugen Ostern 1854 405 Thlr. Der Mehrbetrag von Schulgeld und Aufnahmegebühren stellt sich gegen den Schülerbestand im April 1838 in runder Summe von 750 auf 7450 Thlr. heraus, mithin ist der Mehrertrag des Schulgeldes um das Zehnfache gehoben worden. – Der Lehrplan zur Erhöhung und Erweiterung des Unterrichts ist 4 Mal, 1839, 1845, 1851 und 1852 umgearbeitet worden. Vor 1838 bestand für alle Lehrgegenstände das Fachsystem, jetzt herrscht für den Unterricht in Religion, [52] französischer und englischer Sprache, Mathematik und Naturwissenschaften, Geschichte, Geographie, Schreiben, Zeichnen und Singen, das Klassensystem vor. Bis Ostern 1838 gab es nur in 3 Klassen französischen und lateinischen Unterricht, jetzt wird derselbe in 8 Klassen und außerdem in 3 Klassen Englisch ertheilt. Früher fehlte Geschichte der deutschen Literatur, jetzt findet sich durch 3 Klassen ein dreijähriger Kursus. Wenn 1838 nur 3 Klassen naturgeschichtlichen Unterricht erhielten, so erhalten ihn jetzt 8 Klassen; in einer derselben findet noch ein Kursus in Anthropologie statt. Früher hatte nur 1 Klasse Physik und Geometrie, jetzt haben dies 5 Klassen. Früher gab es in keiner Klasse Chemie, geometrisches und Situationszeichnen; jetzt besteht für erstere in 2 Klassen ein 2 jähriger, für letztere beiden Fächer in 3 Klassen ein 3 jähriger Kursus. Außerdem haben fast alle Lehrgegenstände, namentlich in den Unterklassen, eine wesentliche Erweiterung erfahren. Was die Zahl der Klassen anlangt, so ist diese von 4 auf 8 gestiegen und dadurch das 8-Klassensystem zum Abschluß gelangt.“

Die innere Einrichtung der Schule ließ jetzt vor der Hand nichts zu wünschen übrig, und hätte der Rector sich in Anbetracht des Umstandes, daß das von ihm so ernst erstrebte Ziel schließlich erreicht war, der vollsten Befriedigung hingeben können, wenn nicht gewisse, durch ganz ungeeignete Schulräume veranlaßte Uebelstände gewesen wären. Wir erinnern uns, daß man bereits im Jahre 1784 die schlechte Beschaffenheit des Schulhauses in einer Eingabe an die Behörde hervorgehoben und 1793 wenigstens seine hervortretendsten Mängel durch eine theilweise Reparatur beseitigt hatte. Jahre lang schwiegen die Klagen über die dunkeln Unterrichtslocale, bis sie 1839 wieder laut wurden, ohne aber eine durchgreifende Verbesserung der Räume herbeiführen zu können. Diese strebte Beger aber ebenso sehr an, als die Umwandlung der Anstalt in eine moderne Realschule, und er ließ daher keine Gelegenheit vorüber gehen, ohne die Behörde auf die wirklich bedenklichen Mängel des Schulgebäudes aufmerksam zu machen. Weil die gelegentlichen Bemerkungen in dieser Angelegenheit unbeachtet zu bleiben schienen, reichte Beger im August 1844 bei der Schulinspection und bei dem Stadtrath ein Schreiben ein, welches ausschließlich die Uebelstände des Schulhauses besprach und u. A. auch Folgendes enthielt: „Die größten Uebelstände [53] liegen in den vorhandenen Unterrichtslocalen, in der eigenthümlichen Lage und inneren Einrichtung des ganzen Schulgebäudes. Mit Ausnahme in der vorderen Hälfte der 1. und 2. Klasse genießen die Schüler nie eines vollen, reinen und unmittelbaren, sondern nur eines schwachen, reflectirten und durch den weißen Anstrich gegenüber stehender hoher Mauern und Wände künstlich verstärkten Tageslichtes. Die Schädlichkeit und Verwerflichkeit dieser Maßregel ist von Aerzten und Behörden vollkommen anerkannt. Im Herbst und Winter müssen die Schüler Vormittags oft bis gegen 10 Uhr und Nachmittags schon von ½3 Uhr an bis 5 Uhr bei einer schlechten Talglichtbeleuchtung lesen, rechnen, schreiben und zeichnen; ja, es ist nicht selten der Fall, daß auf der einen Hälfte einer Klasse oder einer Tafel Licht gebrannt werden muß, während auf der anderen Hälfte noch ohne Licht gearbeitet wird. Die Verderblichkeit dieses Doppellichtes für die Gesundheit der Augen ist unzweifelhaft. Außerdem sind die Fenster selbst so klein, dagegen Brüstungen und Pfeiler derselben so tief und breit, daß das Licht dadurch ebenfalls sehr verkümmert wird. Ferner sind die hinteren Klassen wegen Mangel an Sonnenstrahlen und Sommerluft so feucht und kalt, daß bei einigermaßen nasser Witterung die Wände vom Boden bis zur Decke von Nässe durchdrungen erscheinen und selbst in den heißesten Sommertagen ein der Gesundheit schädlicher Contrast mit der äußeren Lufttemperatur stattfindet. Katarrh und Erkältungen kommen daher im Sommer nicht selten bei Schülern und Lehrern vor.“ – Nachdem Beger die Uebelstände angegeben, die durch das Fehlen eines besonderen Zeichensaales herbeigeführt werden, fährt er fort: „Der Mangel an einem Local für den physikalischen Unterricht hat den Nachtheil, daß die unentbehrlichen Apparate theils gar nicht aufgestellt werden können, theils mit mancherlei Störungen stets herbeigeholt und wieder weggetragen werden müssen. Die nothwendigsten größeren Experimente müssen daher in der Privatwohnung des Lehrers ausgeführt werden, wodurch ebenfalls mancherlei Unordnung und Verdruß entstehen muß. – Wie mißfällig und unansehnlich, wie wenig empfehlend und einladend das ganze Aeußere des Schulgebäudes sei, liegt offen am Tage. Mitten auf der Hauptstraße unter großen und ansehnlichen Häusern an der von Einheimischen und Fremden am lebhaftesten besuchten und vor einigen Jahren durch geschmackvolle Barrièren gezierten Hauptpromenade, [54] dem Corso unseres Elbflorenz, steht dieses öffentliche, dem höheren Jugendunterrichte bestimmte Gebäude, das schon durch seine aus der Reihe der übrigen Häuser zurückgeschobene Lage, durch seine Niedrigkeit und überhaupt durch die mißfällige Erscheinung in seinem jetzigen Zustande das Auge eines jeden Gebildeten verletzen muß, der nur einigen Sinn für architectonische Anständigkeit und Schicklichkeit in Bezug auf Straßen und öffentliche Gebäude in sich trägt. Daß die Anstalt von Vielen wegen ihrer berüchtigten Localitäten verachtet und perhorrescirt[WS 5] wird, ist eine bekannte und natürliche Folge. Nach 6jähriger Erwägung und Beobachtung habe ich die Ueberzeugung gewonnen, daß es der Anstalt ungeachtet der ernstesten Anstrengungen des Lehrerkollegiums nicht gelingen werde, eine entschiedenere Anerkennung und höhere Würde zu behaupten, wenn ihr nicht mit Beseitigung der hier erwähnten und allzu bekannten Mängel und Uebelstände auf eine sowohl ihrem Zweck und ihrer Idee, als den Fortschritten und Bedürfnissen der Zeit entsprechende Weise äußerlich die nöthige Erhebung und Erweiterung, innerlich die vollkommenere Ausstattung und Organisation geboten wird.“[93]

Einer anderen, nur an den Stadtrath gerichteten Eingabe, die Beger kurze Zeit nach der ersten abgehen ließ, entnehmen wir Folgendes: „Unter Beziehung auf die im (vorigen) Berichte enthaltene offene und ausführliche Schilderung der jetzigen Schullocale richtet der gehorsamst Unterzeichnete an den verehrten Stadtrath die ergebenste Bitte: „Zu Gewährung zeit- und zweckmäßiger Locale für die höhere Bürgerschule zu Neustadt-Dresden einen Neubau geneigtest berathen und beschließen zu wollen.“ Sollten jedoch der baldigen Ausführung eines Neubaues unüberwindliche Hindernisse entgegen stehen, so dürfte wohl folgendem Antrage eine geneigte Gewährung nicht versagt werden, daß wenigstens

1. nach 3jähriger Benutzung die Schullocale wieder geweißt und ausgebessert;
2. da die jetzige Beschaffenheit und Einrichtung der Oefen oft stundenlange Störungen des Unterrichts verursacht, neue Oefen mit Einrichtung zur Kohlenheizung gesetzt;
3. den Abtritten eine anständigere Lage und Einrichtung gegeben;

  [55]

4. statt der Klassenbeleuchtung durch Lichte auf Leuchtern eine vollkommenere, in den meisten Lehranstalten längst übliche eingeführt;
5. da die seit mehreren Jahren mit werthvollen Büchern bereicherte Bibliothek durch Feuchtigkeit und Moder dem Verderben nahe, und wegen Mangel an Raum in der Schule, meist unter die Privatbibliotheken der Lehrer zerstreut ist, eine Bibliothekstube;
6. da die Anstalt eines Conferenzzimmers entbehrt, eine Conferenzstube eingerichtet;
7. die 2. Klasse durch Hinzunahme des jetzt für 12 Thlr. vermietheten Kellerlocals erweitert und endlich
8. dem ganzen Gebäude durch einen freundlicheren Anstrich ein anständigeres Aeußere gegeben werde.[94]

Diesen sehr freimüthigen Eingaben ließ Beger 1846 weitere Berichte und Anträge folgen, und bat wiederholt, da er nie eine Resolution erhielt, schließlich den 10. December 1848 „ganz gehorsamst um endlichen und geneigtesten Beschluß auf seine Berichte und Anträge und um dessen schriftliche Zufertigung.“ „Die schriftliche Zufertigung einer vielleicht abfälligen Resolution soll mir jetzt und in Zukunft als Rechtfertigungsurkunde meines pflichtmäßig eifrigsten, wenn auch ohne meine Schuld mißlungenen Strebens und Wirkens dienen. Mit dieser letzten Bitte glaube ich aber auch mein ferneres gänzliches Schweigen und Ruhenlassen vor dem gebildeten Publikum wie vor meinem eigenen Bewußtsein vollkommen rechtfertigen zu können. Dies mein letztes Wort und mein letzter Schritt!“[95]

Bis 1851 ließ Beger die Angelegenheit wirklich ruhen, doch konnte er sich nicht enthalten, im Osterprogramm aus dem genannten Jahre folgenden Passus aufzunehmen: „Während früher die äußerst schlechte, der Gesundheit der Zöglinge durchaus nachteilige Beschaffenheit der Schullocale einen großen Theil des gebildeten Publikums abgehalten hat, seine Söhne unserer Lehranstalt anzuvertrauen, sind seit einiger Zeit schon öftere Fälle vorgekommen, daß unserer Schule [56] wegen ihres verderblichen Einflusses namentlich auf das Gesichtsorgan gerade die bravsten, sich in jeder Hinsicht auszeichnenden, ihren Mitschülern zum Muster und der Anstalt wie ihren Lehrern zur Ehre gereichenden Schüler aus den geachtetsten Familien, zum Theil auf ausdrückliche Anordnung des Arztes, wieder entnommen worden sind . . . Die vollkommen begründeten Klagen können durch Verbreitung in weitere Kreise das schon lange herrschende Mißfallen und Mißtrauen in einer dem Bestehen der Anstalt gefährlichen Weise vermehren“.[96] Daher, meinte Beger, sei auch der Ankauf des in Vorschlag gebrachten Grundstückes zu beschleunigen.

Zur Bekräftigung seiner Aussagen übersandte der Rector der Behörde mehrere bei ihm eingegangene Briefe, welche sich über die Leistungen der Schule sehr anerkennend, über die daselbst herrschenden Uebelstände aber mißbilligend aussprachen und dem Dirigenten der Anstalt den Austritt braver, geachteten Familien angehörender Schüler anzeigten. Man durfte es den Aeltern wirklich nicht verdenken, daß sie ihre Söhne einer Schule entnehmen wollten, deren Unterrichtsräume man geradezu als eine „Pflanzstätte der Kurzsichtigkeit“ bezeichnete, und von denen Beger offen äußerte: „Stets befiel mich innige Trauer und bitterer Mißmuth, so oft ich in die Klassen trat und selbst an den schönsten und sonnigsten Tagen die Jugend in Kerkerdunkelheit, in Gefängnißkälte und Feuchtigkeit lesen, schreiben zeichnen und so Gesundheit und Augen verderben sah.“[97]

Solchen nur zu begründeten und oft gehörten Klagen gegenüber konnte die Behörde auf die Dauer sich nicht gleichgültig verhalten. Sie mußte schließlich, da die Nothwendigkeit eines Neubaues so klar und bestimmt nachgewiesen worden war, sich zur baldigen Beschaffung eines geeigneten Gebäudes entschließen, und die ihrerseits deshalb unternommenen Bemühungen wurden auch mit Erfolg gekrönt, denn es gelang, das der verstorbenen Frau Kaufmann Schönberg gehörige Haus und Gartengrundstück von deren Erben zu Anfange des Jahres 1851 käuflich zu erwerben. Da man also jetzt gegründete Aussicht hatte, durch einen Neubau ausreichende Räume zu beschaffen und so das Wachsthum der Schule nicht länger aufzuhalten, wies man auch diejenigen Schüler, welche Ostern 1851 an [57] der polytechnischen Anstalt wegen Auflösung der 4. Klasse daselbst nicht Aufnahme finden konnten und sich daher in Neustadt meldeten, nicht ab. Freilich bot hier das alte Schulgebäude, das einen Flächenraum von 438½ □ Ellen und nur „4 feuchte, dunkle, kalte und zerstreute Klassenlocale“ hatte, keinen ausreichenden Raum, weshalb für die Sommermonate in der 1. Etage des Neustädter Rathhauses ein großer heller Raum für Schulzwecke eingerichtet wurde.

Den 14. Juli 1851 siedelten sämmtliche Schüler in die geräumigen, hellen und ruhig gelegenen Localitäten des auf dem angekauften Grundstücke vorhandenen Gebäudes über, um sie nicht noch einen Winter unter den Mängeln des alten Schulhauses leiden zu lassen. Dieses kam durch Verkauf in Privathände und mußte, wie schon erwähnt, dem jetzigen Hôtelgebäude „zum Kronprinz" Platz machen. Zu bedauern ist es, daß der Käufer der alten Schule aus unbekannten Gründen nicht die an ihn gestellte Bitte erfüllte, die über der Thür befindliche Tafel mit der Seite 24 erwähnten Inschrift der Behörde zu überlassen, welche sie in dem zu erbauenden neuen Anstaltsgebäude an einem geeigneten Platze als Denkstein wieder mit anbringen wollte.[98]

Mittlerweile waren wegen des Neubaues die nöthigen Schritte eingeleitet worden. Herr Baudirector Eichberg hatte bereits 3 Pläne entworfen, deren einer durch den Baumeister Eberhardt trefflich zur Ausführung gelangte. Ueber das Gebäude, das einen Flächenraum von 3517 □ Ellen einnimmt und mit seiner Hauptfronte die Königstraße begrenzt, sagt Beger im Osterprogramm von 1855:[99] „Es zeichnet sich nicht nur durch die Vollständigkeit seiner Einrichtungen nach den verschiedenen Zwecken des Unterrichts und des Schullebens aus, sondern ist auch eine schöne Zierde unserer Stadt. Es enthält 21 geräumige, helle, gesunde, nebeneinander an breiten Corridoren gelegene Schulräume, darunter 8 Zimmer für Klassenunterricht, 2 für Parallelunterricht, 1 Zimmer für den Unterricht in der Physik, 1 Zimmer für den Unterricht im Singen, 1 Saal für den Zeichenunterricht, 1 Laboratorium für Unterricht und Uebungen in der Chemie, 3 Zimmer für mathematische, physikalische, chemische und [58] naturgeschichtliche Apparate und Sammlungen, 1 Zimmer für die Bibliothek, 1 Conferenz- und 1 Lehrerzimmer, und vor Allem einen ausschließlich zu Schulfeierlichkeiten bestimmten Festsaal, zu dessen Ausschmückung Herr Maler Voigt, früherer Schüler der Anstalt, durch das werthvolle Geschenk und Werk seiner Hand in dankbarer Gesinnung beigetragen hat.“ Dasselbe zeigt den 12jährigen Jesus im Tempel, und ist in Sepie sehr ansprechend ausgeführt.

Beger wünschte das Gebäude äußerlich noch besonders geschmückt zu sehen, und diesem Umstande ist es zu verdanken, daß man jetzt an der Façade des Hauses die Statuen Lessings und Alexanders v. Humboldt erblickt. Das Verdienst des Rectors in dieser Angelegenheit ist um so höher anzuschlagen, als er zu den Kosten, die die Herstellung dieser bedeutungsvollen Zierde verursachten, mehr als ein Drittheil, nämlich 125 Thlr. aus eigenen Mitteln beitrug. Die beiden Statuen kosteten nämlich 325 Thlr., und wurde diese Ausgabe nicht durch die Behörde, sondern durch Privatpersonen gedeckt. Ein nicht genannt sein wollender Freund der Schule schenkte hierzu 100 Thlr. und durch Beiträge von Aeltern der Zöglinge kamen weitere 100 Thlr. zusammen. Wenn nun Beger auch anfangs geglaubt hatte, den noch fehlenden Rest von 125 Thlr. ebenfalls durch fremde Beiträge aufzubringen, so erfüllte sich doch diese Hoffnung nicht, weil sowohl ungünstige Zeitverhältnisse, als auch häufige Sammlungen für mildthätige Zwecke, besonders für den Neustädter Thurmbau, ein Eingehen ausreichender Spenden hinderte. Um nun seinen Lieblingsplan nicht scheitern zu sehen, entschloß sich Beger, wie schon bemerkt, die noch fehlenden 125 Thlr. selbst zuzuschießen.[100] Ehre darum dem Manne, der neben seinen ernsten und nie ruhenden Bemühungen für das Wohl der Schule auch Geldopfer zu bringen sich nicht scheute!

Welche Gefühle müssen ihn erfüllt haben, als mit dem 6. Novbr. des Jahres 1854 der Tag herangekommen war, an welchem in das Werk, dem er seine besten Kräfte gewidmet hatte, der Schlußstein eingefügt, d. h. das neue Schulhaus eingeweiht wurde. Der Weiheact fand am genannten Tage Vormittags in der mit den Büsten der Könige Friedrich August und Johann geschmückten Aula in [59] einfacher Weise statt, und hatten sich dazu eingefunden der damalige Vorstand des Ministeriums des Kultus und öffentlichen Unterrichts Staatsminister Dr. v. Falkenstein, Geh. Kirchen- und Schulrath Dr. Meißner, Oberbürgermeister Pfotenhauer, Stadtrath Gehe als Vorstand der städtischen Kirchen- und Schuldeputation, Hofrath Dr. Reichenbach, eine große Anzahl hiesiger protestantischer Geistlichen, der Rector der Kreuzschule, die Directoren der beiden Seminare und der übrigen hiesigen Schulanstalten. Nach einem allgemeinen Gesange sprach der Ephorieverweser und Stadtprediger M. Steinert die Weihrede, worauf das Singechor der Schule ein auf die Feier besonders gedichtetes Lied vortrug. Nun betrat Rector Beger die Rednerbühne und wies in längerer Aussprache auf das Wesen der Realschule und auf die hauptsächlichsten Entwickelungsmomente der Anstalt seit dem Jahre 1838 hin. Nach dem Vortrage eines zweiten Liedes seiten des Singechores sprach der Consistorialrath Pastor Dr. Thenius Gebet und Segen, worauf ein allgemeiner Gesang die Feier schloß.[101]

Mit der Befriedigung dieses Wunsches des Rectors waren nun die hauptsächlichsten Bedingungen erfüllt, welche eine segensreiche Wirksamkeit der Schule verbürgten, und daher konnte Beger mit hoffnungsvollem Blicke in die Zukunft in seiner Festrede auch sagen: „Aus dem Gestein im Grunde des Baues hat sich in einfacher Schönheit ein Tempel der Jugendbildung erhoben, an dessen Altären Knaben und Jünglinge mit Opfern der Liebe und der Begeisterung Kunst und Wissenschaft, Tugend und Frömmigkeit ehren lernen. In den Räumen um diese feierliche Stätte wird einst eine reiche Ernte nützlicher Kenntnisse und Geschicklichkeit, edler Sitte und Gesinnung erblühen, eine Ernte, deren Gewinn und Genuß in Stadt und Vaterland das Glück künftiger Geschlechter begründen soll.“[102]

Selbstverständlich wollte Beger damit nicht ausgesprochen haben, daß seine Schule schon auf der Höhe angelangt sei, die zu erreichen er in seiner Schrift: „Die Idee des Realgymnasiums“ (Leipzig 1845) von einer solchen Anstalt verlangt. Zunächst mußte er bald den Uebelstand beklagen, daß immer nur wenige Zöglinge den vollen [60] Kursus an der von ihm geleiteten Schule durchmachten und sich der Reifeprüfung unterzogen, und hoffte er nur dann auf eine Besserung dieses mißlichen Umstandes, wenn neben Beseitigung verschiedener schon früher beklagter Verhältnisse von der Regierung ein Regulativ über die Maturitätsprüfungen an den Realschulen festgestellt würde.[103] Leichter ließ sich dem zweiten Mangel abhelfen, der darin bestand, daß in den letzten Jahren eine Anzahl Schüler, die man einzig und allein ihres Alters wegen in höhere Klassen aufgenommen hatte, in Folge ihrer höchst mangelhaften Vorbildung die Erreichung des Lehrzieles unmöglich machten, und dadurch den guten Ruf nicht nur der von ihnen besuchten Klasse, sondern auch der ganzen Anstalt gefährdeten. Um diesen Uebelstand, über den sich Beger im Programm von 1856 S. 31–33 des Weiteren ausspricht, zu beseitigen, schritt derselbe Ostern 1855 zur Errichtung von 2 sogenannten Ergänzungsklassen, die Ostern 1860 in Parallelklassen zu Tertia und Quarta umgestaltet wurden und die Klassenzahl von 6 auf 8 erhöhten. –

In das schon erwähnte Jahr 1855 fiel auch die „3. Säcularfeier des Augsburger Religionsfriedens“, die auch von der Neustädter Schule, allerdings in weit einfacherer Weise als 100 Jahre früher, festlich begangen wurde. Nach einer Vorfeier am 22. September in den Anstaltsräumen nahm am nächsten Tage der ganze Schülercötus an dem Festzuge zu dem reichgeschmückten Gotteshause Theil, wo die öffentliche Feier des hochwichtigen Tages stattfand.[104]

Wie sehr es Beger darum zu thun war, den mit Recht gegründeten Ruf seiner Schule auch für die Zukunft sicher zu stellen, beweist sein Verhalten gegen mehrere Schüler der 1. Klasse, die sich Ostern 1856 zur Reifeprüfung gemeldet hatten. Der Rector gesteht selbst: „Bei einiger Nachsicht und Milde würden vielleicht alle wenigstens mit der Censur IIIa oder IIb diese Prüfung bestanden haben;“ allein von dem Grundsatze geleitet, „daß auf dem festern und tiefern Grunde wirklicher Tüchtigkeit die künftige Brauchbarkeit der abgehenden jungen Leute, sowie das äußere und innere Glück ihres Lebens bei Weitem sicherer gestellt wird, als auf einer lockern und breiten Sandschicht oberflächlicher Kenntnisse und mittelmäßiger Leistungen“, ließ er, im [61] Einverständnisse mit seinem Lehrerkollegium, nur einen der Angemeldeten zur Prüfung, die derselbe auch recht gut bestand.[105] Eine derartige Handlungsweise des Schuldirigenten konnte nur dazu dienen, das ihm bisher schon von hiesigen wie auswärtigen Familien entgegengebrachte Vertrauen zu erhöhen, und man findet in der That beim Durchlesen der von Beger herausgegebenen Schulprogramme von ihm wiederholt ausdrücklich anerkannt, in wie höchst erfreulicher und ehrender Weise ihm dieses Vertrauen kundgegeben worden war. Erwägt man noch, daß er auch von seinen Schülern geehrt und von seinen Collegen hoch geschätzt wurde, so erscheint es um so unerklärlicher, wie dieser „sonst so helle und klare, hochgebildete und lebensfrohe Geist“ in plötzlicher Umnachtung am 12. November 1859 in den Fluthen der Elbe seinem Leben ein vorzeitiges Ziel setzen konnte, nachdem er noch an der allen damaligen Bewohnern unserer Stadt sicherlich unvergeßlichen Schiller-Feier Theil genommen hatte. Conrector Wittig von der Neustädter Realschule bezeichnete in seinem den dahingegangenen Leiter der Anstalt ehrenden Nachrufe[106] diesen verhängnißvollen Ausgang von Beger’s Leben mit Recht als „einen tieferschütternden, lähmenden Donnerschlag“, fügt jedoch sogleich hinzu, „daß sein düsterer Eindruck nicht die Erinnerung an die hohen Geistesgaben und die ehrenvollen Verdienste des Geschiedenen verdunkeln könne.“[107]

Die Leitung der Anstalt übertrug die Behörde dem schon genannten Conrector Wittig bis zu dem Eintritte des neuen, auch als Schriftsteller wohlbekannten Rectors Karl Wilhelm Hermann Masius, der, obgleich schon unterm 23. December 1859 vom Rathe für die Stelle gewonnen, doch erst am 23. Mai des nächsten Jahres in dieselbe eingewiesen werden konnte, da er nach seiner Berufung lebensgefährlich erkrankt war. Aus seinem Lebensgange, den das Programm von 1861 S. 33 und 34 mittheilt, möge nur erwähnt sein, daß Masius am 7. Januar 1818 zu Trebnitz unweit Bernburg geboren, sich erst auf der lateinischen Schule, dann auf der Universität [62] zu Halle wissenschaftlich ausbildete, hierauf sowohl am Pädagogium des dortigen Waisenhauses, als an der lateinischen Hauptschule daselbst als Lehrer wirkte. Von 1843–1844 finden wir ihn an der neugegründeten Realschule zu Annaberg, dann bis 1853 am Gymnasium zu Salzwedel, darnach 1 Jahr lang an der Realschule zu Stralsund in Thätigkeit, worauf er 1854 das Directorat der höhern Töchterschule zu Halberstadt übernahm. Nach einer 5½ jährigen gesegneten Wirksamkeit daselbst siedelte er nach Dresden über, um hier der Neustädter Realschule vorzustehen. Wir übergehen die Feier seiner Einweisung in die neue Stellung wie die bei dieser Gelegenheit von ihm gesprochene gehaltvolle Antrittsrede, die man im Programm vom Jahre 1861 S. 34–39 nachlesen mag; erwähnen aber, daß gleich das erste Jahr seiner hiesigen Wirksamkeit für die von ihm geleitete Anstalt insofern höchst bedeutungsvoll wurde, als das bereits von Beger sehnlichst erwartete Regulativ für Realschulen am 2. Juli 1860 wirklich erschien und in Folge seiner weitergehenden Forderungen eine abermalige Erweiterung des Lehrplanes herbeiführte.

Das aus mehr als 100 Paragraphen bestehende und in der Gesetzsammlung veröffentlichte Regulativ wurde wiederholt durch Verordnungen namentlich in dem Theile ergänzt, der von den Berechtigungen eines mit gutem Reifezeugnis abgehenden Abiturienten handelt.

Noch ehe es 1860 in Kraft trat, erfolgte mit dem Antritte von Masius nicht nur eine Aufbesserung der Lehrergehalte, sondern auch eine Erhöhung des Schulgeldes, so daß von jetzt an in den 4 oberen Klassen monatlich 3 Thlr., in den 4 unteren 2½  Thlr. zu entrichten waren.[108] Diese Schulgeldsätze erfuhren durch Verordnung vom 5. Febr. 1870 eine neue Normirung, wonach von Ostern des genannten Jahres an in den Klassen I bis IV jährlich 36 Thlr. in den 3 letzten Klassen (V. bis VI.) aber 30 Thlr. jährlich pränumerando gezahlt werden müssen, wenn die Aeltern oder sonstigen erziehungspflichtigen Ernährer der die Anstalt besuchenden Schüler innerhalb des Dresdner Stadtbezirks ihren wesentlichen Wohnsitz haben; andernfalls sind von den Zöglingen der zuerst genannten Klassen jährlich 45, von denen der übrigen Klassen jährlich 37½  Thlr. zu entrichten.[109]

[63] In demselben Jahre, in welchem die zuerst erwähnte Erhöhung der Schulgeldsätze unter Masius’ Direction eintrat – 1860 – erfuhr die Anstalt auch eine erfreuliche Verbesserung durch Einrichtung der Gasbeleuchtung im Schulgebäude während der Sommerferien.[110] Wenn der Stadtrath schon dadurch seine Fürsorge für das leibliche Wohl der die Neustädter Realschule besuchenden Zöglinge bethätigte, so geschah dies in noch weit höherem Maße 1862 durch die langgewünschte Einführung des Turnunterrichts.[111] Anfangs mußte derselbe in ermietheten Privaträumen ertheilt werden, aber vom 7. Jan. 1868 an konnte dies in der auf dem Grundstücke der IV. Bürgerschule erbauten städtischen Turnhalle geschehen, die in Anwesenheit behördlicher Personen durch den Rector der Neustädter Realschule ihre Weihe erhielt.[112]

Wenn die Einrichtung der Gasbeleuchtung und die Einführung des Turnunterrichts bei der genannten Anstalt das leibliche Wohl ihrer Schüler zu fördern bestimmt waren, so sollte doch deren geistiger Ausbildung nicht geringere Sorgfalt zugewendet werden, und zwar bethätigte sich dieselbe nicht nur in der Ertheilung eines planvollen, anregenden Unterrichts, sondern auch in der Errichtung einer Schülerbibliothek. Das Verdienst, dieselbe ins Leben gerufen zu haben, gebührt dem Rector Masius, der, wohl wissend, daß sich auf dem unsicheren Wege der Schenkungen nichts Gründliches erreichen ließe, an die Liberalität des Stadtraths appellirte und für seinen Zweck als Erstlingsgabe 50 Thlr. erhielt.[113] Mit Hilfe eines von der Stadtkasse fortlaufend gewährten Jahresbeitrages von 10 Thlr., der sich von 1868 an auf das Doppelte dieser Summe erhöhte, und unter Hinzunahme von jährlich fließenden Legatzinsen konnte diese Bibliothek fort und fort durch gediegene, dem Alter der Schüler angemessene Werke dergestalt vermehrt werden, daß sie Ostern 1874 bereits 581 Bände zählte.[114]

Eines noch bedeutenderen Aufschwungs erfreut sich mit Recht die Lehrerbibliothek, als deren Begründer man wohl den Rector Beger bezeichnen darf. Denn fand derselbe bei seinem 1838 [64] erfolgten Amtsantritte auch bereits 38 Werke vor, so waren dies doch nach seinem eigenen Geständnisse „jetzt meist nutzlose Schriften.“[115] Mit anerkennenswerther Bereitwilligkeit gewährte der Stadtrath auf Beger’s Vorstellungen einen jährlichen Beitrag zur Anschaffung solcher Bücher, „die den verschiedenen Wünschen der Vertreter der einzelnen Unterrichtsfächer möglichst Rechnung trugen.“ 1858 war die Lehrerbibliothek schon auf 418 Werke angewachsen, und konnte ihre Vergrößerung um so rascher vorwärts schreiten, als der Stadtrath von jetzt an jährlich 50 Thlr. zu diesem Zwecke in den Stadthaushaltetat einstellte. Ein weiterer Bücherzuwachs erfolgte nicht nur durch Geschenke vom Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, wie von Buchhändlern und Schriftstellern, sondern auch durch die Arnoldische Buchhandlung, deren vormaliger Besitzer bestimmt hat, daß seine Erben gleicherweise wie den übrigen unter dem hiesigen Stadtrath stehenden öffentlichen Unterrichtsanstalten auch der Neustädter Realschule auf die Dauer jährlich Bücher im Betrage von 12 Thlr. nach Wahl des Rectors geschenkweise abzugeben haben.[116]

Bei dieser Gelegenheit wollen wir nicht unterlassen, auch die Sammlungen von naturhistorischen, physikalischen und chemischen Lehrapparaten zu erwähnen, deren Anfänge in die Zeit von 1839 zurückweisen, deren wesentliche Vermehrung aber erst mit dem Schuljahre 1856–57 beginnt. Damals wurden nämlich auf einmal 300 Thlr., welche die Behörde zur Verfügung gestellt, zu Anschaffungen für die erwähnten Sammlungen verwendet,[117] und die fortlaufende Gewährung von jährlich 10 Thlr., welche Summe im Bedürfnißfalle vom Stadtrath erhöht wird, gestattet eine den Zwecken der Schule entsprechende Vermehrung der verschiedenen Lehrmittel. Freunde der Anstalt und eine oft sehr bedeutende Anzahl Schüler sind in dankenswerther Weise jedes Jahr bemüht, namentlich die naturhistorische Sammlung mit werthvollen Geschenken zu bereichern. Möge sich die Schule auch in der Zukunft stets einer so wohlwollenden Förderung ihrer Interessen erfreuen!

Sicherlich beweisen alle die zuletzt mitgetheilten Thatsachen die gedeihliche Fortentwickelung der Neustädter Realschule, und Rector [65] Masius hat wahrlich keinen geringen Theil daran, obgleich er nur 2½ Jahr dem Institute vorstand. Einem ehrenvollen Rufe des Kultusministeriums folgend, gab er am 19. Septbr. 1863 seine bisherige Stellung auf und siedelte als ordentlicher Professor der Pädagogik und Didactik an die Universität nach Leipzig über. Wiederum mußte Conrector Wittig, wenn auch diesmal nur auf kurze Zeit, die Leitung der Anstalt übernehmen, bis ihr am 23. October des vorhin genannten Jahres in der Person des auch durch seine literarischen Arbeiten bekannten Franz Ludwig Eduard Niemeyer[118] ein neuer Rector gegeben wurde. Derselbe, 1818 den 26. October zu Großkugel bei Schkeuditz als Sohn des dortigen Predigers geboren, bereitete sich auf dem Gymnasium zu Quedlinburg und auf der lateinischen Hauptschule der Francke’schen Stiftung zu Halle für den Besuch der Universität vor. Nach Beendigung seiner vierjährigen philologischen und pädagogischen Studien auf der in der zuletzt genannten Stadt befindlichen Hochschule ging Niemeyer 1843 als Hilfslehrer an das Gymnasium zu Stettin, kehrte bereits im Sommer des nächsten Jahres als Collaborator an die lateinische Hauptschule zu Halle zurück und übernahm 1849 die Stelle eines Oberlehrers an der Realschule zu Crefeld. Nach 13 jähriger Amtirung daselbst [66] führte ihn der Ruf unseres Stadtraths 1862 nach Dresden, wo er seitdem in anerkannt trefflicher Weise als Leiter der Neustädter Realschule noch wirkt.[119]

Seit seinem Eintritte bei dieser Anstalt hat dieselbe sich nicht unbedeutend erweitert. Zu den schon unter Begers Direction bestehenden Klassen, von denen die zwei Ergänzungsklassen durch Masius in Parallelklassen zur Tertia und Quarta umgestaltet worden waren, kam Michaelis 1863 eine Parallel-Quinta hinzu, da die in den letzten Jahren regelmäßig wiederkehrende Ueberfüllung der fünften Klasse mancherlei Unzuträglichkeiten herbeigeführt hatte.[120] Ostern 1871 wurde auch die Bildung einer Unter-Prima ins Auge gefaßt, die Idee aber erst zu Michaelis desselben Jahres vollständig verwirklicht, und damit der Realschulcursus laut Verordnung vom 2. Decbr. 1870 von 6 auf 7 Jahre erhöht.[121] Gleichzeitig trat Michaelis 1871 eine Parallel-Secunda ins Leben,[122] die von Ostern 1874 als Unter-Secunda gilt, wodurch die Absolvirung des vollen Kursus bei der Neustädter Realschule laut Bestimmung des Cultusministeriums vom 15. Mai 1873 sich wiederum um 1 Jahr verlängert und jetzt 8 Jahre beansprucht, da der bisherige einjährige Kursus der zweiten Klasse von Ostern 1874 an sich in einen zweijährigen verwandelt hat.[123]

Trotzdem, daß sich mit der wachsenden Schülerzahl auch die Ausgaben der Stadtkasse für die Neustädter Realschule mehrten, erfreuten sich die Lehrer derselben durch die Liberalität des Rathes und der Gemeindevertreter wiederholter Gehaltserhöhungen. 1864 wurden die Stellen der beiden Mathematiker,[124] 1865 und 1869 die der Oberlehrer,[125] 1872 (Programm 1873, S. 56) und 1874 (Programm 1874, S. 54) aber die sämmtlichen Lehrerstellen den Zeitverhältnissen entsprechend aufgebessert, sicherlich zur Freude ihrer Inhaber, aber auch zum Segen [67] der Schule. Denn wer möchte leugnen, daß diese wohlwollende Fürsorge der städtischen Behörde nicht alle Lehrer der Anstalt zum größten Eifer in der Erfüllung der ihnen übertragenen Pflichten ermuntern sollte? Was die Schule heben, ihren guten Ruf noch mehr fördern kann, wird vom Leiter der Anstalt in Gemeinschaft mit dem Lehrercollegium gewissenhaft in Erwägung gezogen und wenn möglich, auch verwirklicht. Dahin gehört z. B. die Einführung von Excursionen, welche seit dem Jahre 1867 während des Sommerhalbjahrs meist allwöchentlich zur Unterstützung des naturwissenschaftlichen Unterrichts in die Umgebung unserer Stadt unternommen werden; daneben besuchen die Schüler der beiden oberen Klassen industrielle Etablissements der verschiedensten Art.[126]

Da jede Unterrichtsanstalt einen, wenn auch nur sehr kleinen Theil der Nation in sich vereinigt, so darf sie auch keine solchen Tage unbeachtet vorübergehen lassen, an denen das Volksbewußtsein höher pulsirt. Die Neustädter Realschule hat den verschiedenen Festen, mochten sie kirchlicher oder politischer Art sein, mochten sie nur für unsere Stadt oder für das engere oder weitere Vaterland Bedeutung haben, stets ihre Theilnahme geschenkt, und sie entweder für sich in ihren eigenen Räumen, oder in Gemeinschaft mit Anderen in der Oeffentlichkeit gefeiert. Wir finden, um mit dem Letzteren zu beginnen, die Zöglinge ihrer Qberklassen in dem festlichen Aufzuge, welcher am 20. Mai 1858 bei der Einholung und Weihe der für die Neustädter Dreikönigskirche gefertigten Glocken stattfand.[127] Ebenso nahmen dieselben 1863 an zwei Festzügen Theil, von denen der erstere dem vor 50 Jahren gefallenen Dichterhelden Theodor Körner, der letztere dem am 3. Septbr. vom Frankfurter Fürstentage heimkehrenden Landesvater galt.[128] Der am Abend des 12. Novbr. 1872 von der Stadt Dresden als Abschluß der Feierlichkeiten zum goldenen Ehejubiläum unseres letztverstorbenen Königs Johann veranstaltete prächtige Lampionzug zählte unter seinen Theilnehmern auch zwei Klassen Neustädter Realschüler.[129] – Die in der Schule durch einen entsprechenden Actus gefeierten Feste betrafen 1839 das 300jährige Jubiläum der [68] Einführung der Reformation in Dresden, (Buhle, Kirchliche Geschichte Dresdens seit Einführung der Reformation bis 1839, S. 103); 1859 den 10. November den 100jährigen Geburtstag unseres Nationaldichters Schiller (Programm 1860, S. 46, 47); 1863 den 19. October den 50jährigen Gedenktag der Leipziger Völkerschlacht (Programm 1864, S. 86); 1864 den 23. September das silberne Amtsjubiläum des Conrector Wittig (Programm 1865, S. 104 ff.); 1866 den 29. October den Abschluß des Friedens, der den Krieg mit Oesterreich beendigte (Programm 1867, S. 101); 1869 den 14. September den 100jährigen Geburtstag Alexanders v. Humboldt (Programm 1870, S. 75); 1871 den 4. März den Friedensschluß des deutsch-französischen Krieges (Programm 1871, S. 86) und 1872 den 9. November das goldene Ehejubiläum unseres verstorbenen Königs Johann (Programm 1873, S. 56). An der Begrüßung desselben bei seinem festlichen Einzuge in Dresden am 3. November 1866, sowie an der Enthüllung des Körnerdenkmals den 18. October 1871 nahmen nur die Lehrer der Schule Theil.

Die deutschen Kriege von 1866 und 1870 berührten die Anstalt noch in einer anderen als der schon erwähnten Weise. Bei dem ersteren, der namentlich zu Anfange auch Dresden in nicht geringe Unruhe versetzte, machte es sich nöthig, die Schule vom 20. Juni bis zum 2. Juli zu schließen, wofür man allerdings die Sommerferien um eine Woche kürzte;[130] der letztere Feldzug rief einen Lehrer der Anstalt, den Probecandidat Martin, zu den Fahnen, welcher, obgleich bei St. Privat in die Brust geschossen,[131] dennoch mit dem Leben davon kam und jetzt in einer Provinzialstadt Sachsens wirkt.

Als bemerkenswerthe Ereignisse aus der neuesten Zeit heben wir noch hervor die durch Kultusministerialverordnung vom 7. Mai 1873 veranlaßte Einführung der Stenographie nach Gabelsberger System als fakultativen Lehrgegenstand,[132] sowie die Gründung einer Privatwittwenkasse aus den Ueberschüssen der Beiträge, welche die Lehrer der Neustädter Realschule nach Verhältniß ihres Gehaltes zur Bestreitung gemeinschaftlicher Ausgaben leisteten. Die genannte Kasse, durch welche 1873 schon 2 Wittwen mit 4 Kindern unterstützt [69] werden konnten,[133] war bis Ostern 1874 durch die regelmäßigen Beiträge der Collegen und durch andere Geldspenden bereits auf 300 Thlr. angewachsen und läßt hoffen, daß sie in der Zukunft bei angemessener Vermehrung ihrer Bestände noch mehr Segen stiften werde.

Das letztgenannte Jahr (1874) erwies sich als ein besonders für den Leiter der Schule, Rector Niemeyer, bemerkenswerthes, denn er erfuhr in demselben in Anerkennung seiner verdienstvollen Wirksamkeit eine doppelte Auszeichnung, und zwar einmal von Seiten des Königl. Ministeriums des Kultus und öffentlichen Unterrichts durch Verleihung des Professortitels, sodann von Seiten des Kaisers von Rußland durch Uebersendung des Ritterkreuzes vom St. Annenorden. Auch trat Niemeyer als Mitglied in die Realschulcommission ein, welche durch das den 15. October 1874 in Kraft getretene neue Schulgesetz in’s Leben gerufen und an die Stelle der bisher thätigen Realschulinspection gesetzt worden ist. Während letztere aus dem Superintendenten der Stadt und einem Rathsmitgliede bestand, setzt sich erstere aus einem Mitgliede des Stadtraths, aus einem solchen der Stadtgemeinde und dem Rector der Schule, also aus 3 Personen zusammen. Sicherlich wird diese neue Einrichtung für die Anstalt um so segensvoller werden, als bei derselben auch dem Wunsche nach fachmännischer Aufsicht Rechnung getragen ist.

Wenn die letzteren Mittheilungen durchaus erfreulicher Art waren, so müssen wir zum Schlusse unserer Geschichte leider noch einen etwas unangenehmen Punkt, nämlich die gegenwärtige schlechte Beschaffenheit des erst vor 20 Jahren eingeweihten Schulhauses erwähnen, die bereits in einer den 7. September 1874 stattgefundenen Versammlung des hiesigen Realschullehrervereins eingehend besprochen, und von welcher in einem Referate im „Dresdner Anzeiger“[134] auch dem Publikum Mittheilung gemacht worden ist. Wie sich aus dem erwähnten Artikel des genannten Blattes ergiebt, lassen sich die Uebelstände des Schulgebäudes kurz in die Klage zusammenfassen: es fehlt darin an Licht, Luft, Raum und Ruhe.

Der Mangel an Licht macht sich besonders in den, nach dem Wallgäßchen herausgelegenen Parterrezimmern bemerkbar, wo im [70] Winter, wie wir uns durch den Augenschein überzeugt haben, selbst an sonnenhellen Tagen immer ein derartiges Halbdunkel herrscht, daß die von den Fenstern am weitesten entfernt sitzenden Schüler nie deutlich zu sehen vermögen, weshalb denn auch in diesen Räumen, wenn in der kalten Jahreszeit das Wetter trübe ist, von früh 8 bis Abends 5 Uhr die Gasflammen ununterbrochen brennen müssen. Auch der Zeichensaal und einige Eckzimmer können hierbei insofern nicht unerwähnt bleiben, als die Schüler in diesen Localen unter dem Einflusse eines den Augen nachtheiligen, weil von verschiedenen Seiten einströmenden Lichtes zu leiden haben.

Was den Mangel an reiner Luft betrifft, so muß hier darauf hingewiesen werden, daß derselbe in dem Fehlen einer geeigneten und ausreichenden Ventilationsvorrichtung seinen Grund hat. Um die unreine Atmosphäre, die sich durch ihren üblen Geruch bemerkbar macht und die Gänge des Schulhauses erfüllt, wenigstens einigermaßen zu beseitigen, hat man neuerdings seine Zuflucht zu einer fortgesetzten Desinfection der Corridore genommen.

Noch weit fühlbarer als der eben angeführte Uebelstand macht sich der Mangel an Raum geltend. Es mußten nicht nur in Folge der jetzt völlig ungenügenden Größe der Aula die durch die Schulgesetze für Montag und Sonnabend gebotenen gemeinschaftlichen Morgenandachten der Schüler schon seit einigen Jahren selbst Montags in Wegfall kommen, sondern es kann auch des eben erwähnten Uebelstandes wegen bei Schulfeierlichkeiten sich immer nur eine beschränkte Zahl, bei der Entlassung der Abiturienten aber außer den Sängern gar kein Schüler betheiligen, weil in dem letzteren Falle die Aula gerade nur für das Publikum ausreicht. Da es an einem Zimmer für die Bibliothek fehlt, hat man die 4 großen, die Bücher enthaltenden Schränke an verschiedenen Orten des in der 2. Etage befindlichen Corridors aufstellen müssen. Ein Lehrzimmer für den physikalischen und naturwissenschaftlichen Unterricht, so wünschenswerth dasselbe auch ist, hat sich wegen Raum-Mangel leider nicht einrichten lassen, und für den Unterricht in der Chemie konnte auch nur dadurch ein Local gewonnen werden, daß man ein solches vom 1. Januar 1873 an in dem an die Realschule anstoßenden geistlichen Hause für den Preis von 150 Thlr. ermiethete.[135]

[71] Der Mangel an Ruhe, unter dem die Anstalt ebenfalls nicht wenig zu leiden hat, wird durch deren Lage an 3 Straßen veranlaßt. Der hier stattfindende Verkehr, wenn auch nicht immer gleich lebhaft, bringt es mit sich, daß man selbst im Sommer die Fenster der Unterrichtslocale immer geschlossen halten muß, wodurch jedoch sogar minutenlange Unterbrechungen des Unterrichts keineswegs verhindert werden.

Die eben erwähnten Klagen, welche in dem verhältnißmäßig kurzen Zeitraum von 20 Jahren an die Stelle der seiner Zeit von Beger so ungetheilt gespendeten Lobsprüche[136] getreten sind, regen in uns Gedanken an, die wir um so lieber aussprechen, als wir damit zugleich der alten, guten Sitte genügen, der zufolge man Jemandem beim Eintritte in einen neuen Lebensabschnitt gern seine Wünsche weiht. Die Neustädter Realschule ist mit dem gegenwärtigen Jahre in ihr fünftes historisch nachweisbares Säculum eingetreten und verdient auch um deswillen unsere volle Theilnahme an ihrer gedeihlichen Weiterentwickelung. Vor allen Dingen wünschen wir ihr daher recht bald ein Gebäude, das allen Anforderungen der heutigen Pädagogik, die über der Ausbildung des Geistes die des Körpers nicht vernachlässigt wissen will, ausreichend entspricht. Mehr denn je ist es ja gerade jetzt allenthalben zum Bewußtsein gekommen, „daß die Jugend mit Wohlbehagen, mit Lust und Freude auf ihrer Bildungsstätte, in der Schule, verweilen muß, um in Absicht auf Geist und Gemüth eines wohlthätigen Einflusses theilhaftig zu werden.“ Wie nun aber, um einen Vergleich zu gebrauchen, ein schöner Körper noch keinen edlen Menschen macht, sondern dies erst durch den ihm innewohnenden Geist geschieht, so bürgt auch das Vorhandensein eines in jeder Hinsicht zufriedenstellenden Schulgebäudes allein noch nicht für eine gedeihliche Fortentwickelung der hier in Frage stehenden Anstalt. Das Meiste hierbei hängt doch immer von dem Geiste ab, der in den Schulräumen waltet. Möge, wie dies bisher geschehen, so auch für die Zukunft seiten der Lehrer der Geist treuer, hingebender Liebe an ihren Beruf, seiten der Schüler aber der Geist edler Lernbegier und willigen Gehorsams sich in der Anstalt thätig erweisen, dann wird deren Arbeit eine Segensquelle noch für die spätesten Geschlechter werden!


[72]
Lectionsplan der Neustädter Schule
nach der Reorganisation im Jahre 1793.
Zeit. Montag. Dienstag. Mittwoch. Donnerstag. Freitag. Sonnabend.
8

9
I. Reichardi Initia doctrinae christianae. Rector. I, II, III. Correctur des Exercitii von jedem Lehrer in seiner Classe. I, II und III
Wie Montags.
I, II u. III
Wie Montags.
I, II u. III
Wie Mittwochs.
II. und III. Lesen und Erklären der Bibel und Christenthum. Subrector. In I, womöglich auch in II ist wenigstens aller 4 Tage ein Extemporaneum zu dictiren, bisweilen auch Anweisung zur lateinischen Poesie zu geben.
9

10
I. und II. Allgemeine Weltgeschichte, Reichsgeschichte, vaterländische, Kirchengeschichte, alte Geographie und Chronologie. Rector. I. und II. Logik oder Rhetorik nach Ernesti Initiis. Rector. I, II und III
Wie Montags.
I, II u. III
Wie Montags.
I, II u. III
Wie Mittwochs.
III. Biblische und etwas von der allgemeinen Weltgeschichte. Cantor. III. Anfangsgründe der griechischen Sprache nach Cap. 8, § 3– 0 der Schulordnung. Cantor.
10

11
I. Ciceronis orationes, Epistolae ad diversos oder Officia. Rector. I. und II. Hebräisch. Rector.
Die es nicht lernen wollen, hören bei dem Subrector einen lateinischen oder griechischen Autor erklären.
I, II u. III
Wie Montags.
I, II u. III
Wie Mittwochs.
II. Ciceronis orationes selectae. Subrector. III. Naturlehre und Naturgeschichte nach Cap. 9, § 4. Cantor. I, II und III
Wie Montags.
III. Anfangsgründe der lateinischen Sprache nach dem Cellarius oder Scheller. Cantor.
2

3
I. und II. Virgil, Horaz, Ovid erklärt. Subrector. – – I, II u. III
Wie Montags.
I, II u. III
Wie Montags.
– –
III. Cornelius Nepos oder Aesopi od. Phaedri Fabulae oder auch Hübneri Historiae sacrae nach Kriegels Ausgabe. Cantor. Nachmittags, nach Befinden auch Vormittags Unterricht der Choralisten im Gesang und anderen musikalischen Wissenschaften durch den Cantor.
3

4
I. Livius, Suetonius oder Salustius. Rector. I, II u. III
Wie Montags.
I, II u. III
Wie Montags.
Wie Mittwochs.
– –
II. Julius Caesar, Justinus auch Eutropius. Subrector.
III. Deutsche Sprache, inhalts Cap. 8 § 16 der Schulordnung (von 1773), auch Rechnen und Schreiben. Cantor. – –
4

5
I. Homer, Xenophon, Plato, Aelianus Rector. – – I, II u. III
Wie Montags.
I, II u. III
Wie Montags.
– –
II. Palaephatus oder ein u. das andere Buch des neuen Testaments. Subrector.
III. Geographie nach der Cap. 9, § 3 der Schulordnung enthaltenen Anweisung, auch Stilübung. Cantor.
[73]


Vereinsnachrichten.




Die Vereinsnachrichten dieses 2. Heftes umfassen 3 Jahre und zwar die Zeitperiode vom Juni 1871 bis Schluß des Jahres 1874.

Die reiche Theilnahme, die auch in diesem Zeitraume dem Vereine geschenkt wurde, führte ihm außer einer namhaften Zahl neuer Mitglieder, auch reiche Geschenke für Bibliothek und Sammlungen zu, die Letzteren veranlaßten den Beschluß zu Bildung eines Dresdner Geschichts-Museums; nach Ermiethung und Beziehung eines eigenen Vereinslocals (in der Glocke an der Frauenkirche Nr. 14, I. Et.) im October 1872 wurde obiger Beschluß in Ausführung gebracht, es geschah die Errichtung des Museums. Dasselbe umfaßt gegenwärtig ca. 240 Nummern und steht zugleich mit den übrigen Sammlungen an Bildern, Autographen, Karten und Plänen unter einem Conservator.

Von der hohen Generaldirection der königl. Sammlungen wurden dem Vereine alljährlich eine Anzahl Karten übermittelt, zu freiem Eintritte in die Dresdner Museen, vom Stadtrathe wurde eine jährliche Geldbeihilfe von 100 Thlr. gewährt; die Inhaber der 3 größten hiesigen Tageblätter (Dresdner Journal, Dr. Anzeiger und Dr. Nachrichten), ließen dem Verein Freiexemplare zu Theil werden, und viele bedeutende Beiträge für Bibliothek und Sammlungen wurden von Gönnern und Freunden geschenkweise übermittelt, besonders auch die Ueberlassung von Inventarstücken verschiedener aufgelöster Innungen, sowie das seit 1874 seiten des königl. Ministerium des Innern gewährte [74] Frei-Exemplar des Dresdner Adreß- und Geschäfts-Handbuches sind mit besonderem Danke zu erwähnen, eben so ist anerkennend der Bereitwilligkeit der hohen Behörden durch Gestattung der Benutzung der Archive bei geschichtlichen Untersuchungen zu gedenken, und sind wir zu der Bitte[WS 6] um fernere Geneigtheit und gütige Theilnahme veranlaßt, damit es möglich werde, das vorgesteckte Ziel zu erreichen, die Topographie und Geschichte Dresdens[WS 7] in ausgiebiger Weise zu bearbeiten, die Sammlungen zu vervollständigen und durch geeignete Veröffentlichungen die Ortsgeschichte zum Gemeingut zu machen.

Erlaubten unsere Cassenverhältnisse, der alljährlich nöthigen Miethe und damit zusammenhängenden Localaufwands wegen auch keine größeren Acquisitionen, so wurde der Verein, namentlich durch die Opferfreudigkeit einiger Mitglieder, dennoch in den Stand gesetzt, nicht nur eignes Mobiliar zu erwerben und die Herausgabe eines II. Vereinsheftes zu beschließen, sondern[WS 8] es ist auch möglich geworden, ein splendid ausgestattetes Stammbuch anzuschaffen, welches durch eigenhändige Namenseinzeichnung Sr. Maj. unsers allverehrten Königs Albert im December des Jahres 1874 die erste Weihe empfing.

Die Vereinsbibliothek besteht gegenwärtig aus 555 Nummern, in 602 Bänden, davon sind:

55 in Folio und Quart,
500 in Octav,

ferner 150 Convolute mit 2000 Einzelstücken; besonders werthvoll sind die Zettelkataloge, umsomehr als diesen auf Vereinskosten die Abschrift des Zettelkatalogs der königl. öffentlichen Bibliothek, „über alle Dresdner Geschichtswerke, die genanntes Institut besitzt“ (ca. 2330 Zettel) einverleibt worden ist.

Die unter Aufsicht des Konservators befindlichen Sammlungen umfassen:

140 Nummern des Museums resp. Antiquitäten,
130 Handschriften und Facsimiles,
265 Portraits,
500 Ansichten und topographische Bilder,
76 Pläne und Grundrisse,
21 Spottbilder.

[75] Die Mitgliederzahl wuchs seit Juni 1871 bis Januar 1875 auf 91 Personen und befindet sich noch fortdauernd in erfreulichem Wachsthum; durch Ableben verlor der Verein 2 Mitglieder, 6 schieden freiwillig aus, während 5 wegen Nichterfüllung ihrer Verbindlichkeiten ausgeschlossen werden mußten.

Was nun die einzelnen Vereinsjahre anlangt, so wurden 1871/72 in 18 Sitzungen 12 größere Vorträge gehalten, in den Sommermonaten zwar gefeiert, doch hin und wieder außerhalb der Stadt zu freier Besprechung Zusammenkunft gehalten; auf Einladung des Festausschusses nahm der Verein an der Enthüllungsfeier des Körnerdenkmals Theil und verstärkte sich im Laufe des Jahres überhaupt durch Zuwachs um 7, und verminderte sich durch Abgang um 1 Mitglied.

1872/73 (dem vierten Vereinsjahre) ist zu erwähnen die contractlich auf 3 Jahre geschehene Ermiethung des Vereinslocals, die veranstaltete Nachgrabung auf einer heidnischen Begräbnißstätte an der Reisewitzer Straße, die Anstellung eines neuen Vorstandsmitgliedes, „des Conservators“, und die laut Beschluß der Stadtverordneten vom 16. Mai 1873 gewährte – vom Stadtrathe auf Ersuchen des Vereins beantragte – jährliche Beihülfe von 100 Thalern. In 24 Sitzungen wurden 16 größere Vorträge gehalten; die Mitgliederzahl vermehrte sich um 30, während 4 abgingen.

Im 5. Vereinsjahre, dessen Dauer (laut Beschluß vom 14. October 1873) vom Juni 1873 bis ult. December 1874 währte, um es in Zukunft mit dem Kalenderjahre zusammenfallen zu lassen, sind mehrere Veränderungen zu registriren, so wurde zum ersten Male ein Jahreshaushaltplan vorgelegt; der Vereinstag vom Mittwoch auf Freitag verlegt, bestimmte Vorstandssitzungen an jedem ersten sogenannten Bibliotheks-Freitag im Monat eingerichtet, ein neues Vereinsstatut sub dat. 14. November 1873 eingeführt, in den Monaten Juli und August 1874 Ferien abgehalten, die Anlegung eines Stammbuches beschlossen und in 35 Sitzungen 26 größere Vorträge gehalten. Neue Mitglieder wurden 23 aufgenommen und 4 sind abgegangen, so daß, wie schon oben erwähnt, der Verein eine Präsenzstärke von 91 Mitgliedern aufweist. Möge auch im neuen Jahre der Verein kräftig fortwachsen und gedeihen!

Dresden im Januar 1875.
W.
[76]


Mitglieder-Verzeichniß




Biedermann, Gust. Wold. Frh. v., Eisenbahndirector und Geh. Finanz-Rath, Dr. phil. – Vorsitzender.
Neubert, H. Moritz, Bürgermeister. – I. Stellvertreter.
Weiße, Moritz, Kgl. Hofuhrmacher – II. Stellvertreter.
Widemann, Julius Emil, Juwelier – Schriftführer.
Hantzsch, K. Adolf, Lehrer – Stellvertreter.
Nitze, Ferdinand, Privatus – Bibliothekar.
Rieger, Eduard, Lehrer – Conservator.
Claus, F. Gustav Albert, Banquier – Cassirer.
Arldt, K. Th., Dr. med.
Bauer, Heinrich, Uhrmacher.
Beger, J. H., Dr. med.
Bernhardt, Postpraktikant.
Blochmann, G. M. S., Commissionsrath.
Böhme, Alb. v., K. Ceremoniensänger.
Bösigk, F. L., Dr.phil. u. K. Bibliotheks-Secretair.
Deicke, H. W., Fabrikant chirurgischer Instrumente.
Döhner, Fr. K., Archidiaconus an der Kreuzkirche.
Ellrich, Th., Werkzeugfabrikant.
Ende, Ernst am, Bibliothekar b. statist. Büreau im Kgl. Minist. des Innern, Secret. d. ökonom. Gesellsch. im Köngr. Sachsen.
Fahrenwaldt, J.A. H., Techn., Berlin.
Flath, C. Ed., Stadtrath.
Flemming, Th., Advocat.
Fröhner, C. R., Director d. Gewerbebank.
Fürstenau, Mor., Kammermusikus und Bibliothekar.
Gautsch, K. F. C., Advocat.
Geller, Emil, Kunsthändler.
Göhler, P., Cand. theol. und Lehrer.
Götz, O. M. v., K. Kammerherr und Rittergutsbesitzer auf Trattlau.
Goetz, C. E., Particulier.
Günther, Moritz, Blumenfabrikant.
Hagedorn, F. J. M., Kaufmann und Bahnhofs-Restaurateur.
Handrich, K., Hoftheater-Jnspicient.
Haselhorst, Moritz, Kaufmann.
Hausmann, Gustav, Dr. phil., Oberlehrer an der Kreuzschule.
Heichen, M., Gutsbesitzer.
Helfing, Gold- und Silberarbeiter.
Heydenreich, Ed. H., Advocat.
Heydenreich, Pastor in Leubnitz.
Jähnert, Instrumentenmacher.
Immisch, Otto, Lehrer.
Jüchtzer, Chorsänger.
Kaden, Schneidermeister.
Kießling, Emil, Calculator im statistischen Bureau.
Klemm, Heinrich, Verlagsbuchhändler.
Kochtitzky, F. E. Frh. v., Major a. D.
König, Th. F. W., Färbermeister.
Königsheim, A. W., Reg.-Rath Blasewitz.

[77]

Koppel, Dr. und Privatdocent am Kgl. Polytechnikum.
Krasselt, Franz, Hilfsarbeiter bei der K. Expedition f. Brandvers.-Statistik.
Krause, Christian Fr., Dr. phil., privat. Schuldirector.
Krebs, C. A., Königl. Hof-Kapellmeister.
Kubig, C. Jul. Alex., Porcellanmaler.
Kunde, Verfertiger chirurg. Instrumente und Pandagist.
Kuzzer, Albin, Zahnkünstler.
Lehmann, Ottomar, Buchdruckereibesitzer.
Leonhardt, Moritz, Buchbinder.
Mandel, Herm., Particulier.
Martin, Louis, Antiquitätenhändler.
Metzner, Carl, Blumenfabrikant.
Minckwitz, Fr. Aug. von, Excellenz, Wirkl. Geheimer Rath und Oberhofmeister I. Maj. der Königin Mutter.
Moldau, Emil Adolar, Dr. med.
Naumann, Heinrich, Buchhändler.
Naumann, Tapezirermeister.
Niese, Carl, Advocat.
ó Byrn, F. A. Frh., K. Kammerherr.
Petermann, L. Th., Dr. phil., Ministerial-Secretair.
Petzold, Paul, Buchdruckereibesitzer.
Pfretzschner, Musikdirektor u. Organist.
Pietsch, K. H., Appellationsrath a. D.
Pietschmann, Josef, Kunsthändler.
Rahnfeld, F. A., Oberaufseher im historischen Museum.
Reichenbach, G. G. L., Dr. med. et phil., Geh. Hofrath, Professor, Director.
Ruge, Sophus, Dr. phil., Professor am Kgl. Polytechnikum.
Schilling, Emil, Buchhändler.
Schnecke, Richard, Kaufmann.
Seelig, Th., Linist.
Séménow, Alex. v., Hauptsteueramts-Assistent.
Sieber, Turnlehrer.
Spalteholz, Robert, Kaufmann.
Sperber, K. Julius, Regierungsrath.
Springer, Ed. Ferd., Redacteur des Dresdner Anzeigers.
Taffel, Franz Emil, Advocat.
Teucher, O. H. S., Stadtrath.
Tutzschmann, Maxim. Moritz, Pfarrer in Plauen bei Dresden.
Wagner, Carl, Lehrer,
Walter, A., Kaufmann.
Weinhold, Julius Moritz, Dr. phil. Oberlehrer an der Kreuzschule.
Weißenbach, Hans Frh. v., Dr. jur. und Gerichtsreferendar in Oschatz.
Welzel, Albert Ferd., Edelsteingraveur und academischer Künstler.
Werner, Albert, Steinsetzmeister.
Wolf, Albert, Hofantiquar.


  1. Programm der Neustädter Realschule vom Jahre 1855, S. 5 u. 6.
  2. Gehe, die Unterrichts- und Erziehungsanstalten in Dresden, 1845. S. 4.
  3. Neubert, Rechtsverhältnisse der Kreuzschule, 1862. S. 3 u. 4.
  4. Umständliche Beschreibung Dresdens. 1. Th., S. 546.
  5. „Kirchliche Geschichte Dresdens seit Einführung der Reformation bis 1839.“ Dresden 1839, S. 16.
  6. Altstadt.
  7. Neustadt.
  8. Neubert, Rechtsverhältn. der Kreuzschule. S. 12, Nota 1 u. Gehe, S. 18, Nr. 28.
  9. S. 60.
  10. S. 530.
  11. Hasche’s Urkundenbuch, Urkunde 238, S. 463.
  12. Zu merken auf Freitag am Tage Elisabeth (d. i. 19. oder 20. Novbr.), haben vor einem ehrbaren Rath Petrus Leupold, die Zeit Schulmeister und Stadtschreiber zu Altendresden, sammt seiner Ehefrau, nachgelassenen Hans Senfts seligen, vormals Zeugmeister, ihrer Tochter Jungfer Margaretha auf ihrem Hause in der großen Jüdengasse (Galleriestraße) zehn silberne Schock vermacht und zugeschrieben, die sie zu ihrer Mündigkeit, wenn sie die erleben werde, zu ehelicher ehrlicher Erstattung daran haben und bekommen soll; so sie aber binnen der Zeit mit Tod abginge, soll diese Gabe ihnen wieder anheim fallen und für nichts angesehen werden.
  13. Das Ungeld war eine landesherrliche Abgabe, bei deren Einnahme und Umrechnung der betreffende Lehrer wahrscheinlich mit zu helfen hatte.
  14. Hasche, Urkundenbuch. 238. Urkunde, S. 464.
  15. Hilscher, Etwas etc. S. 46.
  16. Geschichte und Verfassung des Dresdner Schulwesens. S. 5.
  17. Weiße’s Memorial, ein Foliant in Schweinsleder, handschriftliche Aufzeichnungen des Stadtschreibers Michael Weiße (1549–1567) enthaltend.
  18. Siehe den im Rathsarchive befindlichen Folianten, dessen Aufschrift lautet: „Kirchen vnnd Schulen Diener Inn Alden vnnd Newen Dresden 1516–1582.“ Fol. 218.
  19. Weiße's Memorial.
  20. Foliant, die Kirchen- u. Schuldiener betreffend, 1516 bis 1582. Fol. 202.
  21. Wörterbuch der deutschen Sprache von Dr. Daniel Sanders. 2. Bd., S. 502.
  22. Foliant, die Kirchen- und Schuldiener betreffend, 1516–82. Fol. 204.
  23. Foliant, die Kirchen- und Schuldiener betreffend, 1516–82. Fol. 207, 208.
  24. Geh. Finanz-Archiv. Rent. Copial vom Jahre 1564.
  25. Rathsactenstück A. II, 69. Fol. 228.
  26. A. II, 69. Fol. 248.
  27. The Present State of Music In Germany etc. London 1773. 2. Band S. 66
  28. Rathsactenstück B. VIIIb, 8.
  29. Hilscher, Etwas zur etc. S. 181, Anmerkung f.
  30. Rathsactenstück B. VIIb, 8.
  31. Rathactenstück A. II. 69, Fol. 228.
  32. A. II. 69, Fol. 233.
  33. A. II. 69, Fol. 232.
  34. A. II. 69, Fol. 278.
  35. A. II. 69, Fol. 461.
  36. A. II. 69, Fol. 235.
  37. Das im Original erscheinende l ist nicht genügend zu erklären, wahrscheinlich bedeutet es „oder".
  38. A. II 69, Fol. 233.
  39. Hilscher, Etwas zu etc. S. 130.
  40. A. II. 69, Fol. 234.
  41. A. II. 69, Fol. 75. 76.
  42. A. II. 69, Fol. 275 u. 278.
  43. A. II. 69, Fol. 275.
  44. A. II. 69, Fol. 259.
  45. A. II. 69, Fol. 461.
  46. A. II. 69, Fol. 231.
  47. A. II. 69, Fol. 248.
  48. Hasche, Diplomatische Geschichte. 3. Theil, S. 269.
  49. Lindau, Chronik von Dresden. 2. Theil, S. 165.
  50. Rathsactenstück B II, 105 m.
  51. Die Unterrichts- und Erziehungsanstalten Dresdens. Seite 60.
  52. Geschichte des Dresd. Schulwesens. S. 6, Anmerkung.
  53. Umständliche Beschreibung Dresdens. 2. Theil, S. 699.
  54. Bild davon in Hist. Sax. G. 237, 32.
  55. Geschichte des Dresd. Schulwesens. S. 6.
  56. Osterprogramm der Neustädter Schule 1857. S. 14, Anmerkung.
  57. Seite: 123 ff.
  58. Etwas zur etc. Seite 128–130.
  59. Etwas zur etc. Seite 152, § 7.
  60. Hist. Sax. G., 237. 30.
  61. Hilscher, Etwas zur etc. S. 195.
  62. Hilscher, Etwas zur etc. S. 173, Anmerkung o.
  63. Lindau, Chronik v. Dresden. 2. Bd., S. 280.
  64. Lindau’s Chronik. 2. Th., S. 345.
  65. Die Jubelfeier des Augsb. Religionsfriedens in den Jahren 1655 u. 1755 im Kurfürstenthum Sachsen, besonders in Dresden, v. Gustav Böttger, S. 55 u. 56.
  66. Rathsactenstück B II, 52.
  67. Rathsactenstück B VII, 21 b.
  68. Rathsactenstück B VII, 21 b.
  69. Rathsactenstück B VII b, 21 b.
  70. Hilscher, Etwas zur etc. S. 182.
  71. Siehe Gehe, die Unterrichtsanstalten Dresdens. S. 62, ff.
  72. Gehe, S. 100 ff.
  73. Rathsactenstück B VIIb, 21 b. – Die in vorliegendem Aufsatze aus Actenstücken angeführten Citate sind nicht durchgängig, sondern nur zum Theil in der ihnen eigenthümlichen Orthographie wiedergegeben worden, um wenigstens einige Einblicke in die Rechtschreibung vergangener Jahrhunderte zu gewähren.
  74. Rathsactenstück B VIId, 21 b.
  75. Hist. Sax. G. 237, 34. S. 3.
  76. Hist. Sax. G. 237, 34. S. 5. u. 6.
  77. Hist. Sax. G. 237, 38.
  78. Hist. Sax. G. 807.
  79. Vorwerk, S. 6.
  80. Lindau, Chronik, 2. Theil. S. 281 u. 500. Hasche, Umständliche Beschreibung. 1. Th., S. 546.
  81. Rathsactenstück B VII, 12.
  82. Dessen Nekrolog in der „Allgemeinen Schulzeitung.“ 1853, Nr. 80.
  83. Siehe Ausführlicheres in: „Mein Leben und Wirken.“ Selbstschilderung von Dr. Fr. Aug. Beger. Frankfurt a. M., 1860.
  84. Seite 13 u. ff.
  85. Hist. Sax. G. 807.
  86. Osterprogramm der Neustädter Schule 1840. S. 30.
  87. Programm 1855. S. 8.
  88. Sitzungsprotocoll der Stadtverordneten vom 2./10. 1839 u. vom 15./4. 1840.
  89. S. 21 u. 22.
  90. S. 28 u. 29.
  91. Osterprogramm der Neustädter Schule 1855. S. 9, Anmerkung.
  92. Osterprogramm der Neustädter Schule 1855. S. 13 ff.
  93. Osterprogramm der Neustädter Schule 1849. S. 9 ff.
  94. Osterprogramm der Neustädter Schule 1849. S. 11. 12.
  95. Programm 1849. S. 15.
  96. Osterprogramm der Neustädter Schule 1851. S. 22. 23.
  97. Programm 1855. S. 11.
  98. Osterprogramm der Neustädter Schule 1855. S. 4.
  99. S. 14.
  100. Osterprogramm der Neustädter Schule 1855. S. 18.
  101. Dresd. Journal von 1854. S. 1109. – Wörtlicher Abdruck der Reden im Osterprogramm von 1855.
  102. Programm 1855. S. 14.
  103. Osterprogramm der Neustadter Schule 1856. S. 31.
  104. Programm 1856. S. 33, 34.
  105. Osterprogramm der Neustädter Schule 1857. S. 50.
  106. Programm 1860. S. 47–49.
  107. Beger’s Andenken erhält auch die vom sächs. Pestalozziverein verwaltete Begerstiftung, deren jährliche Zinsen von 135 Mark zu gleichen Theilen zwei verwaisten Lehrerssöhnen, welche studiren, zu Gute gehen.
  108. Osterprogramm der Neustädter Schule 1861. S. 39
  109. Programm 1870. S. 79
  110. Osterprogramm der Neustädter Schule 1861. S. 39.
  111. Programm 1862. S. 47.
  112. Programm 1868 S. 60.
  113. Programm 1862. S. 45.
  114. Programm 1874. S. 52.
  115. Osterprogramm der Neustädter Schule 1855. S. 13.
  116. Programm 1863. S. 44, ff. Siehe auch Schramm, Gesch. der Annenschule S. 124 und 125 und Gehe, S. 184 und 185.
  117. Programm 1857. S. 53.
  118. Um die Geschichte der Neustädter Schule möglichst vollständig zu geben, hätten wir gern auch ein Verzeichniß aller übrigen an ihr wirkenden Lehrer zusammengestellt; leider sind die hierauf bezüglichen Nachrichten so lückenhaft, daß von einer Ausführung des erwähnten Planes abgesehen werden mußte. Es sei nur bemerkt, daß von etwa 1550–1803 an der Anstalt immer nur 3 Lehrer wirkten, deren Zahl sich in dem letztgenannten Jahre auf 7, 1851 auf 10, kurze Zeit darauf auf 13, und von 1860 an fortgesetzt so erhöhte, daß der Lehrkörper gegenwärtig aus 21 Gliedern besteht. – Auch der Schülercötus ist, namentlich in den drei letzten Jahrzehnten, d. h. von 1838–1868, fast immer gewachsen, erhält sich aber seit dem letzterwähnten Jahre ziemlich in der gleichen Höhe. So interessant es auch sein müßte, das Zurückgehen und Wiederaufblühen der Anstalt nach den jährlichen Schülerbestandslisten zu verfolgen, so unterlassen wir es doch, dieselben zu geben, weil sie, obgleich bis fast in die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurückreichend, ebenfalls sehr lückenhaft sind. Wir bemerken nur, daß die Anstalt im Schuljahre 1838–39 = 98, 1844–45 = 148, 1854–55 = 327, 1864–65 = 303 und 1874–75 = 372 Schüler zählte. In den letzten 24 Jahren weist die Bestandsliste von 1851–52 die niedrigste Ziffer, nämlich 198, dagegen die von 1868–69 die höchste, nämlich 406 Schüler auf. – Mit der wachsenden Zahl der Zöglinge ist im Laufe dieses Jahrhunderts auch eine Vermehrung der Klassen von 3 auf 11 eingetreten.
  119. Osterprogramm der Neustädter Schule 1863 S. 49, 50. Die Feier der Einweisung in demselben Programm S. 50–55.
  120. Programm 1864.S. 86.
  121. Programm 1871. S. 88.
  122. Programm 1872. S. 71, 72
  123. Programm 1874. S. 57.
  124. Programm 1864. S. 89.
  125. Programm 1865. S. 107 und Programm 1870. S. 74.
  126. Osterprogramm der Neustädter Schule 1868. S. 52.
  127. Programm 1859. S. 83.
  128. Programm 1864. S. 56.
  129. Programm 1873. S. 56.
  130. Osterprogramm der Neustädter Schule 1867. S. 101.
  131. Programm 1871. S. 85.
  132. Programm 1874. S. 57.
  133. Osterprogramm der Neustädter Schule 1873. S. 62.
  134. 3. Beilage von Nr. 252, d. 9. Septbr. 1874.
  135. Osterprogramm der Neustädter Schule 1873. S. 58.
  136. Siehe S. 57 und Programm 1855. S. 14.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bcgleitung
  2. lat.: Gesamtheit der Angehörigen einer Lehranstalt
  3. Vorlage: eutlassen
  4. Vorlage: Arithemtik
  5. mit Abscheu zurückgewiesen
  6. Vorlage: Bite
  7. Vorlage: Deesdens
  8. Vorlage: snndern