Gedächtnisfeier für Georg Büchner auf dem Germaniahügel bei Zürich
[516] Gedächtnisfeier für Georg Büchner auf dem Germaniahügel bei Zürich. Das dritte Heft dieses Jahrgangs der „Gartenlaube” hat bereits ein „Gedenkblatt für Georg Büchner” gebracht, welches Leben und Streben, Werke, Geschicke und Tod dieses allzu früh vollendeten, im Jahre 1837 im vierundzwanzigsten Lebensjahre zu Zürich verstorbenen edeln und talentvollen jungen Mannes bespricht. Dasselbe schließt mit der Bemerkung, daß in Folge der bevorstehenden Aufhebung dem Friedhofes, auf welchem er beerdigt ward, die Hinterbliebenen vielleicht eine Uebertragung der Leiche nach Darmstadt, wo die Familie heimisch ist, bewerkstelligen werden. Dies hat sich indessen dahin abgeändert, daß man die Gebeine, welche man ohne alle sonstigen Reste in reiner Erde fast vollständig noch vorfand, um sie der drohenden Umwühlung auf dem längst geschlossenen Begräbnißplatz zu entziehen, hoch oben am „Zürichberge“ ziemlich nahe am Waldesrande, unter der „deutschen Linde“ auf dem „Germaniahügel“ von neuem beisetzte, an einem Orte, wo sie wohl schwerlich eine weitere Störung zu erwarten haben, Diesen Beschluß hatte der hier in der Nähe, in Küßnacht am Lehrerseminar thätige Dr. Adolf Calmberg aus Darmstadt, Verfasser einer Anzahl von Dramen mit den Geschwistern des Abgeschiedenen gefaßt, nachdem sich zugleich die hiesige „Gesellschaft deutscher Studirender“ der Sache angenommen und im Vereine mit Genanntem und einigen älteren Bannern einen Ausschuß behufs der Ausführung gebildet hatte.
Nachdem nun mehr als eine Woche zuvor in der Stille die Uebertragung der Gebeine und die Aufrichtung eines Denksteins mit entsprechender Inschrift auf dem genannten Hügel erfolgt war, fand am Sonntag den 4. Juli Nachmittags eine einfache Gedächtnißfeier auf und an demselben statt. Es waren dazu die in und bei Darmstadt lebenden Geschwister des Gefeierten, Herr Wilhelm Büchner aus Pfungstadt, Abgeordneter, nebst einem aus Stuttgart eingetroffenen Sohne, Herr Dr. Louis Büchner, der bekannte Verfasser von „Kraft und Stoff“, und Fräulein Luise Büchner, Verfasserin von „Die Frauen und ihr Beruf“ und andern Schriften, herbeigekommen, während der dritte Bruder, Professor Alexander Büchner in Caen in Frankreich, Verfasser einer Geschichte der englischen Poesie, seine Verhinderung meldete. Ein stiller Zug bewegte sich um vier Uhr von dem Polytechnicum und der Universität den Berg hinauf. Voran wehete ihm die alte schwarz-roth-goldene Fahne, welche, herrührend von einer ehemaligen hiesigen burschenschaftartigen deutschen Studentenverbindung „Teutonia“, später an die genannte, vor zehn Jahren gegründete „Gesellschaft deutscher Studirender“ übergegangen von derselben als Symbol der über das „Reich“ weit hinausgehenden deutschen Gesammtnation, an welche auch ihre Mitglieder sich vertheilen, festgehalten wird und in diesem Falle von einem hochgewachsenen jungen Manne, Herrn Krupp, dem Neffen des vielgenannten Anfertigers unserer wirksamen Geschütze, den steilen Berg hinaufgetragen ward. Ihr folgten zunächst die Brüder dem Gefeierten nebst den Mitgliedern des Ausschusses und einigen anderen Theilnehmenden und dann die genannte Gesellschaft der deutschen Studirenden, sowohl von Universität wie Polytechnicum. Die Masse des Zuges nahm am oberen Fuße des Hügels Stellung, Angehörige und Führer nebst Fahne, sowie einige Frauen, auf ihm selbst, die versammelte zahlreiche Menge ringsumher. Vier Redner wendeten sich an die Versammlung, der Vorsitzende des Vereins, Herr Umlauft aus Böhmen mit einer einleitenden Ansprache Dr. Calmberg mit der Hauptrede, Dr. Louis Büchner mit dem Danke der Familie und zuletzt Herr Wilhelm Büchner mit einem Gedichte „Erinnerung an meinen Bruder Georg“, welches nachher den Theilnehmenden gedruckt eingehändigt ward. Die Vorträge wurden durch zwei von der Versammlung gesungene Lieder, das alte Binzer’sche Burschenschaftslied „Wir hatten gebauet“, und Hoffmann’s von Fallersleben „Deutschland, Deutschland über Alles“, eingerahmt.
Zum Schlusse seiner Rede legte Dr. Calmberg einen Lorbeerkranz auf den Denkstein nieder, den jedoch nachher Fräulein Büchner mit einem Blumenkranze vertauschte, um jenen als Andenken mitnehmen.
Am Abend vereinigte eine würdige gesellige Feier, unter dem Präsidium des stud. med.. Herrn Steinmetz, die Theilnehmer an der Gedenkfeier, mit Einschluß der Frauen, im Saale des „Café Literaire“. Ansprachen mit Toasten, inhaltreich in heiterem Ernste, Lieder – unter andern die „Wacht am Rhein“ – und der Vortrag zweier eigenen Stücke, womit der Componist, Herr Schulz-Beuthen, die Anwesenden erfreute, füllte die gemüthliche Versammlung aus. An den Reden betheiligten sich besonders die früher Genannten sowie einige Andere, namentlich Dr. Kinkel,
Sohn, Moleschott, Sohn, G. M. Wislicenus und mit einigen Worten des Dankes Frau Heymann aus New-York. Den Stoff zu den verschiedenen Reden boten in erster Reihe der Gefeierte des Tages, die bahnbrechenden Vorkämpfe jener Zeit, das dankbare Andenken an all unsere treuen Todten aus der Vergangenheit und dem letzten Kriege und die Ermunterung der deutschen Jugend zu Erfüllung ihrer Plicht gegen das Vaterland. Auch Abgeordnete der schweizerischen, italienischen und ungarischen Vereine aus den hiesigen Studirenden, mit welchen der deutsche Verein auf gutem Fuße steht, waren gegenwärtig. Erst etwa um Mitternacht ging die Versammlung auseinander.