Noch einmal das Hartglas
[516] Noch einmal das Hartglas. Zu meinem Aufsatze „Friede im Hause und Revolution in der Glashütte“ (Nr. 27 der Gartenlaube) muß ich um eine naheliegende mißverständliche Auffassung zu verhüten, nachträglich bemerken, daß der dort gebrauchte Ausdruck: der Meusel’schen Methode gebühre der Preis, wie auch der Zusammenhang der Worte ergiebt, keineswegs eine von mir selbst gewonnene Ueberzeugung ausdrücken soll. Ich hatte die Angaben über das Meusel’sche Verfahren aus so directen Mittheilungen geschöpft, daß ich sie für zuverlässig halten mußte. Gleichwohl habe ich aus Briefen des Herrn de la Bastie, die mir mitgetheilt wurden, die Ueberzeugung gewonnen, daß sie es nicht in allen Stücken waren, sodaß mir auch der Rest zweifelhaft geworden ist. Andererseits verdanke ich der Freundschaft des Herrn Pieper in Dresden einige Mittheilungen, aus denen ich ersehe, daß sein Verfahren zur Herstellung des Vulcanglases schon am 11. December 1874 patentirt war, sodaß, da die Bastie’sche Patentbeschreibung erst später veröffentlicht wurde, der Deutsche den Franzosen nichts verdankt, als den Gedanken, man könne Glas wie Stahl härten, im Uebrigen aber seinen Weg selbst gesucht und selbst gefunden hat. Die noch sonst in Deutschland hervorgetretenen Miterfinder kamen Wochen und Monate später, nachdem die Grundzüge der Bastie’schen Methode überall bekannt waren. Pieper, der früher Ingenieur in den Krupp’schen Eisenwerken war, entnahm dort gebräuchlichen Metallhärtungsmethoden die Idee seines Verfahrens. Fast in allen deutschen Staaten reichte er lange vor de la Bastie Patentgesuche und Beschreibungen ein, aber ein empfindlicher Mangel unserer Gesetzgebung ließ ihn die Vortheile dieses Vorsprunges wieder verlieren. Er hat seitdem eine ganz neue Methode zur Glashärtung erfunden, über welche ich der noch schwebenden Patentverhandlungen in außerdeutschen Staaten wegen für jetzt keine Mittheilungen machen kann, die aber als eine einer neuen Erfindung völlig gleichzuachtende Fortbildung des älteren Verfahrens erscheint, sodaß, wenn sie sich in der Praxis bewährt, auch in den Ländern, wo Bastie’s Patent in Gültigkeit ist, nach Pieper’s Methode fabricirt werden darf, sobald dies thunlich, werde ich mir erlauben, auf diese wichtige und interessante Methode zurückzukommen, und den Gegenstand benützen, um zugleich die Frage der Prioritätsrechte, das um neue Erfindungen sich drängende Treiben des Industrie-Ritterthums und einige anerkannte Mängel unserer Patent-Gesetzgebung zu erörtern. Der Verein der Glasindustriellen Deutschlands hat übrigens seine Unterhandlungen mit de la Bastie nicht vollständig abgebrochen, sondern ist zu der bei der Vervielfältigung der Glashärtungsmethoden gewiß praktischen Einrichtung übergangen, eine Concurrenz zu eröffnen, nach welcher den Erfindern, je nachdem sich ihre Methoden bewähren, und nach dem Umfange, in welchem nach denselben fabricirt wird, ein vereinbarter Procentsatz gewährt werden soll. Bisher sind nur Bastie und Pieper diesem Vertrage beigetreten.