Französische Vorschläge zum Ausgleich
[520] Französische Vorschläge zum Ausgleich. Wir haben in Nr. 9 unseres Blattes unter „Blätter und Blüthen“ auf einen Ausbruch „französischen Deutschenhasses“ hingewiesen, der in Nizza und Algier spielte und die Deutschen als Ausspionirer und Räuber der französischen Industrie schilderte. Da unter der Verfolgungswuth, welche durch die dortige Presse aufgestachelt wurde, sogar die deutschen Badegäste in Nizza und Mentone zu leiden hatten, so gaben wir unseren Landsleuten den Rath, statt der französischen die italienischen Riviera-Badeorte zu wählen, wo sie dieselben Naturvorzüge in Frieden genießen könnten, während in Frankreich jetzt der einzelne Deutsche so gut wie vogelfrei sei.
Gegen diese Notiz legt ein in Berlin lebender Correspondent der Pariser Zeitung „L’Eclaireur“ eine Lanze gegen die „Gartenlaube“ ein. Er ertheilt derselben zwar das Lob, daß ihr Inhalt, unähnlich dem französischer „Revues“, von den Eltern auch Söhnen und Töchtern zu lesen gegeben werden könne; aber gründlicher Franzosenfresserei zeiht er sie wegen ihres haßvollen Angriffs auf die genannten französischen Bäder.
Natürlich hat auch in diesem Falle wieder das Karnikel angefangen. Es liegt mehr als Kindlichkeit in dieser französischen Vertheidigungsweise. Nicht daß die Blätter in Nizza und Algier in so über alle Maßen roher Weise gegen die Deutschen auftraten, wird gerügt: nein, die Ursache des ganzen Lärms besteht darin, daß die „Gartenlaube“ jene französischen Artikel abgedruckt hat. Hätte sie, wie der Correspondent von sich behauptet, dieselben ignorirt, so würden sie sicherlich unbeachtet wieder vergessen worden sein. Das heißt also: „Laßt die Franzosen gegen Euch schreiben und treiben, was sie wollen, – kümmert Euch nur nichts darum, dann schadet es Euch auch nichts.“
Das ist der erste Vorschlag zu einem friedlichen Ausgleich zwischen uns und den Franzosen. Noch weiter geht aber der zweite. Daß die Deutschen an dem französischen Haß ganz allein selbst die Schuld tragen, liegt auf der Hand. Die Milliarden, versichert der französische Correspondent, würde man uns gern verzeihen, aber nie könne uns verziehen werden, daß die unglücklichen Provinzen Elsaß und Lothringen der thörichten Eitelkeit der Deutschen geopfert werden mußten. So lange die Deutschen unfähig seien, zur Einsicht dieses politischen Mißgriffs zu gelangen, müßten sie sich auch den französischen Haß gefallen lassen. Also: heraus mit den sogenannten Reichslanden, dann sind sofort die Franzosen uns wieder gut.
Bis zum 14. Juli dieses Jahres konnte man fast, bei den freundlichen Beziehungen der Regierungen Deutschlands und Frankreichs, auf die allmähliche Einkehr ruhigerer Ueberlegung auch im Volke hoffen. Mit dem empörenden Skandal, den man mit der Nationalfeier in Paris verband, ist diese Hoffnung geschwunden, und es bedarf entschiedenerer Besserungsbeweise, um das mit vollem Rechte tief aufgeregte Volksgefühl der Deutschen zu beruhigen. Der Berliner L’Eclaireur-Correspondent sucht unsere Behauptung von der Unsicherheit der Deutschen in Frankreich damit zu widerlegen, daß er die Tausende aufzählt, welche in Paris und vielen anderen Industrie- und Handelsstädten Frankreichs leben und sich bereichern.
Wohl! Gegen die Deutschen in Massen geschieht selten ein Angriff. Wie ergeht es aber dem Einzelnen, der in einer französischen Masse als Deutscher erkannt wird? Es ist eine französische Stimme, welche (im „Intransigeant“) sagt: „Wir können uns nicht genug gegen den stupiden Chauvinismus einer Handvoll Besessener erheben, welche Frankreich zu retten glauben, indem sie Fensterscheiben zerbrechen und Fahnen zerreißen, Bierstuben erstürmen und Schlachten in den Straßen gewinnen, wo sie Hundert gegen Einen stehen!“ – Das ist die Schmach, die, gegen eine Nation allein gerichtet, auch die äußerste Geduld derselben endlich brechen kann. Der eine Deutsche, Dr. Wurzer, wurde bei der Statue von Straßburg am Concordienplatz von der ganzen Meute angegriffen, – und von den Fahnen aller Nationen am „Hôtel Continental“ wurden nur die deutschen geschändet.
Welches entwürdigende Schauspiel für eine Nation, daß ein Haufe, der unmöglich nur aus Gassenjungen bestanden haben kann, eine Unthat gegen ein anderes Land begeht, vor dessen Regierung die Häupter der Republik dafür Abbitte thun müssen!
Wären wir weniger werth, als wir uns mit Recht fühlen, so könnte diese Thatsache uns als genügende „Revanche“ für die Unbill gelten. Wir aber sehen in diesem Vorgang nur etwas so Niederdrückendes und Beklagenswerthes, daß wir es selbst an einem Feinde nicht mehr als einmal erleben möchten. Fr. Hfm.