Sommermorgen
[520] Sommermorgen. (Mit Illustration S. 513.) Sommerzeit, schöne Zeit! Doppelt schön aber ist so ein Sommermorgen. Früh, wenn eben die höchsten Wipfel der Bäume am Horizonte von den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne verklärt werden, dann gilt es, hinauszueilen aus den dumpfen Räumen des Hauses in die frische Natur, in den Wald und in die thaugetränkten Felder. Tausend Kinder der lieblichen Flora blühen und duften, fleißige Bienen ziehen sammelnd und summend von Kelch zu Kelch, und ein leiser Morgenwind umfächelt Gräser, Blumen und Getreide. Die Menschenbrust hebt sich freier und athmet in durstigen Zügen die balsamische Luft, das Auge ruht fröhlich auf all dem Leben und Weben ringsumher, und die Arbeit geht noch einmal so gut von statten, als in späteren Stunden, wenn die Sonne steigt und der blinkende Thau vor ihren sengenden Strahlen verschwindet.
Völlig hingenommen von all den Reizen der umgebenden Natur ist auch das junge, schöne Menschenkind, das von dem Feldsteige her sich dem Bache nähert, in dessen silberklaren Wellen der schmale Steg sich deutlich widerspiegelt. Kein Fröhliches Lied tönt von den Lippen des Mädchens, aber aus ihren Augen leuchtet ein warmes Empfinden, und ihre ganze Haltung deutet auf ein freudiges Lauschen und Träumen. Sie selbst steht noch im Morgen ihres Lebens, und dieser ist so heiter wie der Sommermorgen. Möge auf beide ein glücklicher Tag und Abend folgen!