Frankreich und England. Drei Blätter – Frankreich

Frankreich und England. Drei Blätter – Einleitung W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen/Zweite Abtheilung (1840) von Franz Kottenkamp
Frankreich und England. Drei Blätter – Frankreich
Frankreich und England. Drei Blätter – England
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Frankreich und England.


Erstes Blatt.
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FRANKREICH.
FRANCE.

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Frankreich und England.


(France and England.)




Erstes Blatt.
Frankreich.

Die Invasions-Armee, welche England erobern und sicherlich auch die legitime Regierung der Stuarts dort wiederherstellen soll, ist des Großen Königs (Grand Roi) vollkommen würdig, wie der im französischen Heere damals officielle Name Ludwig’s XV. zum großen Spaß der Engländer und überhaupt aller vernünftigen Menschen lautete. Die im Vordergrunde befindlichen Soldaten, wahre Vogelscheuchen, sind die Repräsentanten der ganzen Armee, denn es ist offenbar der Gedanke des Künstlers, die im Hintergrunde auf das Schiff hinmarschirende Truppe, die er nicht deutlich darstellen kann, sey durchaus von derselben Art. Natürlich ist etwas stark aufgetragen, allein der theilweise erbärmliche Zustand der Armee unter der Regierung von Mätressen und des Hofadels, nach dem Tode des Marschalls von Sachsen, machte auch bekanntlich bei uns in Deutschland die Franzosen damals verächtlich. Hungerleiderei und Mißhandlung der sogenannten Canaille, war ja ohnedem [602] in Frankreich das hergebrachte Regierungs-System. Den Engländern mußte jenes Elend vor Allem in die Augen fallen. Die Provinzen zwischen Calais oder Boulogne und Paris, durch welche der Brite bei seiner fashionablen Tour nach der Hauptstadt reisen mußte, waren, an Hilfsquellen ärmer, wie andere Theile Frankreichs, und auch durch lokale Rechte und Privilegien weniger geschützt, unter Ludwig XV. bis 1789, so gut wie zu Grunde gerichtet. Ueberall sah man verfallene Wohnungen, in Lumpen gehüllte Menschen u. s. w. Der Eindruck, welcher hierdurch bei den durchreisenden Briten zurückblieb, läßt sich in einzelnen Schriften jener Zeit genau nachweisen. Auch der Verfasser selbst hat noch mehrere Aeußerungen britischer Augenzeugen von höherem Alter über das damals auffallende Elend jener Gegenden, vor der Revolution im Gegensatz mit dem Zustande nach 1818, vernommen.

Die Scene ist ein Wirthshaus, dicht bei dem Orte der Einschiffung, wo man den erwähnten damaligen Zustand der Picardie u. s. w. an dem unfruchtbaren Vorgebirge und an der Art erkennt, wie dort der Ackerbau betrieben wird. Die traurige Gestalt der vorderen, an den Pflug gespannten Mähre, gibt davon eben so genügendes Zeugniß wie der Umstand, daß Frauen die harten Handarbeiten betreiben. Das Wirthshaus ist offenbar ein Beköstigungsort für die vorbeiziehenden Truppen; wie gut für dieselben gesorgt wird, sieht man im Vordergrunde; für die noch später Kommenden hängt hinter dem Fenster ohne Scheiben ein unglückliches Rippenstück, woran wenigstens keine Faser von Fleisch mehr anzutreffen seyn möchte. Andere, zum Aushängen von Lebensmitteln bestimmte Haken sind leer geblieben. Das Wirthshaus selbst ist zum „königlichen Holzschuh“ und verspricht im Schilde die Beköstigung mit Wassersuppe. Soup maigre, au Sabot royal ist die Inschrift. Der hölzerne, anstatt des ledernen Schuh’s, galt nämlich dem damaligen Engländer für das non plus ultra der französischen Armuth, und hatte, in England selbst durchaus ungewöhnlich, bei John Bull eine große Berühmtheit erlangt. So sagt der politisirende Verwalter, welcher den gastfreien Herrn spielt, im Vicar of Wakefield: Was, wir sollen unsere Rechte als Briten aufgeben u. s. w., um, wie der Zeitungsschreiber [603] sagt, auf Holzschuhe herunter gesattelt (d. h. gebracht) zu werden? (as the Gazettier say’s to be saddled down to woodden shoes). Goldsmith’s Invalide in einem sehr bekannten Aufsatz, welcher in den Essay’s zu finden ist, erklärt sich scharfsinnig seinen Franzosenhaß: weil sie (die Franzosen) Frösche essen und hölzerne Schuhe tragen (because they eat frogs and wear woodden shoes). Auch hier hat man Beides, denn ein Officier benutzt das Symbol der alt französischen Ritterlichkeit und Ehre, seinen Degen, zu einem häuslichen Zweck; er brät vier Frösche für sich, wegen seines Ranges und privilegirten Standes als Edelmann, eine Nahrung, worin er vor der Canaille bevorzugt ist. Auch schielt der hinter ihm stehende Soldat, dessen Elend sich ohnedem aus dem zerrissenen Schuh ergibt, mit wehmüthigem Blick auf die vier geopferten Bewohner der Moräste. Dabei erregt der Officier den Enthusiasmus von denjenigen seiner Leute, deren Magen noch einige Elasticität behalten hat. Vive le Roi! (alten Styls) denn die fleckenlose weiße Fahne, wovon auch wir in unsern Tagen, von 1815 bis 1830, so viel Sentimentales vernommen haben, führt die lockende Inschrift: Vengeance, avec le bon bier et bon beuf d’Angleterre! Dieß schöne Französisch einer stereotypen Figur, des auf dem Continente reisenden Engländers, stammt natürlich von Hogarth, welcher seine eigene Muttersprache nicht immer orthographisch schreiben konnte, obgleich er über den Schauspieldirector Rich, auf dem vorletzten Blatte vom Wege des Liederlichen, gerade deßhalb spottete, und noch viel weniger das Französische richtig verstand. – Der Enthusiasmus des Vive le Roi, wovon die Emigranten in Coblenz die Ueberzeugung hegten, es sei jedem Franzosen angeboren, hat sich übrigens von den zwei Soldaten bis jetzt noch nicht über die andere Truppe hin ausgedehnt, denn im Hintergrunde ist ein Sergeant genöthigt, seine Leute mit der Hellebarde anzustacheln, damit sie in genügender Kampfbegier das Schiff besteigen.

Obgleich die Truppe als halbverhungert erscheinen mag, so bietet die kämpfende Kirche (The church militant), ein um so erfreulicheres Bild. Ein wohlgenährter Capuziner ist zur Einschiffung bereit, und führt diejenigen Geräthschaften, welche zur Beglückung Englands [604] durch die Stuarts nothwendig sind, auf einer Schleife mit zu Schiffe. Bekanntlich waren damals französische Landung und das Verfahren, womit Ludwig XIV. die Hugenotten beglückte, bei den Engländern synonym. Die Ursachen, welche Jakob’s erzwungene Reise bewirkten, standen in um so lebhafterem Andenken, da die Stuarts zweimal den Bürgerkrieg erregt hatten. Daher waren Priester das nothwendige Zugehör zu allen bildlichen Darstellungen, welche hierauf Bezug hatten. Als z. B. der Freund des Künstlers, der berühmte Fielding, nach der Landung des Prätendenten, sein Zeitblatt The Jacobite’s Journal einige Zeit lang schrieb, nahm er folgende Vignette: Ein Schotte reitet auf einem Esel, den ein Capuziner leitet. – Der Capuziner auf diesem Blatte ist jenem vorausgesetzten Verfahren gemäß beschäftigt. Er prüft mit Wohlgefallen die Schärfe des Henkerbeils. Auf der Schleife hat er sich wohl versehen. Dort sieht man Werkzeuge zu den damals in Frankreich allgemeinen grausamen Todesstrafen und zur Tortur, welche beide den reisenden Engländern ein Greuel waren. Vor Allen ist ein Rad und das Modell eines Galgens bemerkbar; ersteres seit der Aufhebung des Edikts von Nantes die Strafe reformirter Prediger, die ihre Pflicht ausübten, und die folgenreiche Todesart des Reformirten aus Toulouse, Jean Calas. Der hauptsächlichste und ehrwürdigste Apparat besteht jedoch in einem Bildniß des heiligen Antonius mit dem Schwein und in dem Plane zu einem neu zu errichtenden Kloster in Blackfriar’s, einem Theile von London; dort befand sich nämlich bis auf Heinrich VIII. ein Capuziner-Kloster, welches jenem Stadttheile den Namen gab, und worauf die hier repräsentirte Kirche seit mehr als zweihundert Jahren ihre Ansprüche noch nicht aufgegeben hat. Hinter dem Capuziner ist noch ein Soldat bemerkbar, welcher mit dumpfem und etwas neugierigem Ausdruck den Apparat betrachtet, dessen Bedeutung ihm, dem Sclaven auf Lebenszeit, nicht recht einleuchtet.