Frankreich und England. Drei Blätter – England
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Anderer Art ist natürlich das glorreiche England mit Beef und Beer und den Truppen, die jenen Angriff zurückweisen, oder die siegreiche Unionsfahne mit den verschränkten Kreuzen auf allen Meeren, vor Quebec und in Ostindien, sowie auf dem Festlande in mannigfachen Kämpfen wehen lassen werden. Vor Allem ist hier der Ueberfluß starker Nahrung in die Augen fallend, welcher bei jeder Gelegenheit ein nothwendiges Erforderniß der britischen Tapferkeit bildet; die drei Repräsentanten der bewaffneten Macht Großbritanniens haben sich zur Genüge mit Beef versehen, und denken sicherlich wie Johnson im Don Juan von Byron, welcher sagt:
[608]Laßt zuvor mich essen,
Dann will ich gern mit jedem Feind mich messen[1].
(In Heaven’s name let’s get some supper now,
And then I’m with you, if you’re for a row.)
Die Scene ist vor einem Wirthshause und offenbar an einem Orte, wo ein Depot für die Armee und Flotte sich befindet, wo Rekruten angeworben, exercirt u. s. w. werden, entweder bei Portsmouth oder Woolwich oder bei andern zu ähnlichen Zwecken bestimmten Plätzen. Das Wirthshaus ist der natürliche Schauplatz einer Composition, wie die vorliegende, denn nach englischen Gesetzen wird eine Einquartirung bei Bürgern nirgends geduldet, sondern das Kriegsministerium muß zu dem Zweck ein Wirthshaus miethen, wo Kasernen nicht vorhanden sind. Das Wirthshaus muß zu ähnlichen Zwecken schon häufig bestimmt gewesen seyn, denn es führt den Herzog von Cumberland, den Sieger von Culloden, im Schilde, der übrigens in Deutschland durch Hastenbeck und Kloster Severn eben als kein großer Held bekannt ist. Hier paßt jedoch das Schild um so mehr, da der von jenem Herzoge besiegte Prätendent Carl Eduard nicht allein eine französische Garde hatte, sondern auch den Bürgerkrieg mit französischem Gelde führte.
An diesem Wirthshause fallen noch zwei Gegensätze zum vorigen Blatt in die Augen. Der eine ist das seitwärts von der Thüre angebrachte Bild einer Flasche kräftigen Bieres, welches den Kork champagnerartig gesprengt hat, und sich schäumend in ein Glas ergießt, um den durstigen Wanderer einzuladen, der andere die Inschrift „Roast and boiled every day“ (täglich Gebratenes und Gekochtes).
Vor dem Hause sind, wie erwähnt, drei Waffengattungen vereinigt; derjenige, welcher auf dem Tische sitzt, ist ein Matrose, der seine Pistole, die Hauptwaffe von Jack Tar neben dem Hirschfänger, auf einen Porterkrug [609] gelegt hat; der zweite scheint ein Marinesoldat schon deßhalb zu sein, weil er dem Matrosen, wahrscheinlich einem alten Bekannten von irgend einem Kriegsschiffe her, die Hand vertraulich auf die Schulter legt. Der dritte ist ein Grenadier, an der Mütze kennbar, der im derben Volkswitz die Carikatur des Grand Roi an die Wand malt. Ludwig XV. ist auf der Stelle kennbar. Die schöne bourbonische Nase, sowie das französische Grinsen (the French grin), ein damals stereotyper Zug der Carikatur, welcher auch wirklich zu der gefeierten feinen und ritterlichen Seite des ancien regime, im Gegensatz zu dem Benehmen des britischen Gentleman, vollkommen paßt, charakterisiren den Premier Gentilhomme. Er legt die Hand auf das Schwert, bei Ludwig XV., eine wahrhaft lächerliche Bewegung, und stellt die Beine auf solche Weise, wie es sich von dem Helden des Hirschparkes erwarten läßt. Die andern Attribute, der Haarbeutel, die Krone, der Galgen, die Lilien, bedürfen keiner Erklärung. Der Grenadier zeigt zugleich seine Künstlerschaft im Carikaturenzeichnen durch den Umstand, daß er in Folge des Gebrauchs, welcher bei dergleichen Kunstprodukten auch noch jetzt gewöhnlich ist, seiner Figur einen Zettel in den Mund legt. Dieser lautet in gebrochenem Englisch: You take a’my fine schips; you be de pirate; you be de teef (thief); me send my grand armies and hang you all, und möchte in ähnliches Deutsch ungefähr auf folgende Weise zu übersetzen sein: Ihr nem all mein schön Schiff; Ihr sein der Pirat; Ihr sein der Tieb; will schick die groß Armee und hang Sie All. – Der Humor dieser Carikatur erweckt die Heiterkeit der Gesellschaft, der Matrose jubelt laut; seine Art Geliebte, ohne die Jack Tar on shore (am Ufer) durchaus nicht zu denken wäre, legt, das Gemälde betrachtend, ihren Finger auf die Spitze der Gabel, um zu zeigen, der Darstellung fehle es nicht an Pointe. So sagen wenigstens Trusler und Ireland und beide mögen Recht haben; ob Hogarth jedoch noch einen plumperen Scherz im Auge hatte, bleibt dahingestellt. Eine zweite Dirne von demselben Schlage mißt wohlgefällig den breiten Rücken des Grenadiers mit ihrer Schürze, und scheint mit ihrer Freundin so eben einen Streit über die Vorzüge der beiderseitigen Geliebten gehabt zu haben. – Des Soldaten Degen [610] ruht auf dem Rinderbraten, wie die Pistole des Matrosen auf dem Porterkruge, eine Andeutung, John Bull werde seine Lieblingsnahrung gegen Froschesser zu vertheidigen wissen. – Auch an geistiger Aufregung des Nationalgefühls herrscht kein Mangel. Ein Pfeifer und Trommler in einer Person, mit seinem Apparat zur Seite, sitzt auf dem Boden, und spielt das God save the King; auf dem Tische liegt ferner ein Abdruck von Thomson’s berühmten Nationallied When Britons first at heaven’s command, oder, wie es nach dem Refrain gewöhnlich genannt wird, Rule Britannia; zwei Lieder, deren Ursprung sich aus der Zeit des Künstlers herschreibt.
Seitwärts neben der Unionsfahne werden Rekruten angeworben. Ein junger Bauer hat den glorreichen rothen Rock dem demüthigen Kittel des Farmer’s vorgezogen. Sein Maaß nimmt ein Sergeant mit seiner Hellebarde, findet jedoch, dasselbe sei zu klein. Somit stellt sich der hoffnungsvolle junge Held auf seine Zehen um die gehörige Höhe zu erreichen, und blickt dabei voll Wohlgefallen sowohl auf den Rinderbraten, wie auf das Kunstwerk des Grenadiers. Daß es überhaupt nicht an Rekruten fehlt, beweist der Hintergrund, denn dort exerzirt ein Sergeant eine Abtheilung neu angeworbener Soldaten.
- ↑ Ein bei der Flotte allgemeiner Gebrauch ist hierin charakterisirt. Indem die Vorbereitungen zur Schlacht in der Nähe des Feindes getroffen werden, wird zuerst die Glocke zum Mittagessen (Dinnerbell) geläutet, wonach ein solides Mittagmahl eingenommen wird, es mag fünf Uhr Morgens oder fünf Uhr Abends sein.