Fliegende Blätter Heft 37 (Band 2)

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Titel: Fliegende Blätter Heft 37 (Band 2)
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aus: Fliegende Blätter, Band 2, Nr. 37, S. 97–104.
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
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Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg, Commons
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[97]



Nro. 37.
13. II. Band.
Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst- Erscheinen wöchentlich. Subscriptionspreis für
handlungen, sowie von allen Postämtern und den Band von 24 Nummern 3 fl. 36 kr. R.-W.
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Die deutsche Dame von gutem Ton.

Die Thurmuhr hatte so eben die zehnte Morgenstunde geschlagen, als die junge Gräfin Ernestine Wallendorf erwachte und sich schlaftrunken die hübschen blauen Augen rieb. Das blasse Weibchen war recht niedlich in dem, mit feinen Spitzen besetzten Nachtleibchen. Um sich des modischen Ausdruckes zu bedienen, sie sah sehr interessant fatiguirt aus, denn sie hatte schon wieder fast eine ganze Nacht auf dem Balle zugebracht, hatte wie rasend getanzt, und in ihren Ohren klangen noch die faden Schmeicheleien der Salons-Helden, der Löwen in Glaçehandschuhen, der eleganten Pflastertreter mit gewichstem Schnurrbarte, lackirten Stiefeln und der ins Auge gepreßten Lorgnette. Diese Art von Leuten liebt es, ihre anerkannte Kurzsichtigkeit noch geflissentlich zur Schau zu tragen, weil es nun Einmal so Mode ist.

Noch immer wollte der Schlaf nicht von den müden Augenlidern der Gräfin weichen. Sie gähnte, – die natürlichste Sekunde in vierundzwanzig Stunden. – O dieses Gähnen, welche Wollust nach einem durchlebten Balle, nach einer langen Soirée mit Thee und Butterbroden! Nur auf ihrem Lager ist es der Dame vom guten Ton vergönnt, das zarte Mäulchen zu öffnen; denn im Salon muß es mühsam unterdrückt werden. Und wie oft ist dies der Fall, namentlich in neuerer Zeit, wo Geist und Liebenswürdigkeit den guten Ton fliehen, wo nur fade junge Gecken ohne höhere Bildung, lediglich mit dem Zuschnitte des Schneiders angethan, die funkelnden Säle bevölkern, indes die Gebildeten der Männerwelt der abscheulichen Cigarre und der Conversation in den Klubbs huldigen, und die zarten, sehnsüchtig-schmachtenden oder hochmüthig-koketten Damen den Liebeleien und Fadessen des Geckenthums überlassen. Daher auch diese Leerheit, dieses Langweilen, dieses krampfhafte Haschen der jetzigen Damen-Welt der höchsten Stände nach Vergnügungen, von denen sie unter solchen Verhältnissen nie befriedigt werden. Die Besseren, namentlich die Aelteren aus jener Zeit, wo es noch besser war, fühlen das mit jedem Jahre mehr. Diese Partei sucht Trost in dem Gelehrtthun, verfällt aber in der Regel auch wieder in Extreme und verscheucht sich eben so gut wie die Frivolen den praktischen Theil der Männerwelt, der Geist und Gemüth sucht, und seinem Gott dankt, wenn er diesen Sphären glücklich ausweichen kann.

Die Gräfin erhob sich endlich, warf den weiten Pudermantel über und schritt in reichgestickten Pantoffeln in das Nebenzimmer, wo das Feuer am Kamine brannte und ihrer das Frühstück harrte. Auf einem kleinen runden Tischchen, zunächst des Kamins, befand sich der Theekessel, davor die weite Tasse. Die niedlichen Finger wühlten geschäftig in der Zuckerbüchse, mit Vorsicht wurde die dampfende Tasse an die Lippen gebracht und nun der warme Trank mit vollen Zügen eingeschlürft. Indessen hatte die geschäftige Zofe einige Pariser Modejournale überreicht, welche so eben von der Post angelangt waren. Mit Begierde fiel die Gebieterin über diese längst ersehnten Blätter her und durchflog sie mit andächtiger Neugier. Wohl hundert Male wurden die [98] Bilder beschaut und geprüft, und schnell erwachte der Vorsatz in ihr, Mittags in’s berühmte Putzwaaren-Magazin der Madame Z*** zu fahren. „O, wenn ich nur zwei so ähnliche Stoffe zu Ueberröcken fände!“ war der schönen Dame Morgengebet und es trieb sie heute zeitlicher als sonst zur Toilette. Diese Toilette währte aber volle zwei Stunden, denn sie wurde durch die verschiedenartigsten Unterbrechungen in die Länge gezogen, während dem die arme Zofe an der Seite ihrer Tyrannin vergeblich Schildwache stehen mußte. Beim Frisiren erst begann ihre volle Activität, aber auch der Höllenmoment ihres Daseins, denn zwei- bis dreimal mußte die Frisur verändert werden, oder flog das Häubchen der Dulderin an den Kopf, je nach der Laune der Dame von gutem Ton.



Nach vollendeter Toilette begab sich die Gräfin in den Salon, ordnete die Albums und Almanache auf den Tischen, und legte Lacrételle's Histoire du Consulat et de l’Empire zurecht, um den täglichen Visiten glauben zu machen, sie befasse sich nicht blos mit Romanen, sondern auch mit den neuesten, ernstern Erscheinungen der französischen Literatur. Dem war aber nicht so. Unsere niedliche Gräfin kannte von Allem dem keine Sylbe, und blickte sie zuweilen in ein Buch, so waren es nur die krankhaften Romane irgend eines modernen Franzosen, die ihr einiges Interesse einflößten. Deutsche Literatur ist für den guten Ton viel zu plump, viel zu langweilig. Vieles Nachdenken gehört auf den Katheder, nicht in die witzsprudeln-wollenden Räume eines heutigen Salons. Dafür paßt am besten französische Witzelei und Frivolität. Alles Nationelle trägt den Stempel der Gemeinheit oder der Demagogie, vielleicht deßhalb, weil man das Tiefere unsers deutschen Gemüthes und unsere Gediegenheit in diesen Sphären nicht zu begreifen vermag.

Mit Ungeduld harrte die Gräfin der ersehnten Stunde, welche ihr die neuesten Stoffe zu den beiden Ueberröcken vor Augen bringen würde. Bis zwei Uhr hatte sie den Wagen bestellt. Früher das Haus zu verlassen, wäre ein Verstoß gegen die gute Sitte. Ungeduldig schritt sie im Gemache auf und nieder, warf sich bald in diesen, bald in jenen Armstuhl, und blätterte in den unzähligen Albums und Taschenbüchern, mit Neid die lieblichen Frauengesichter in denselben betrachtend. Die arme Dame empfand schon wieder Langeweile. Der Tag ist für diese Geschöpfe zu lang, viel zu lang. Mit Schaudern sehen sie dem Wachsen desselben entgegen, indeß wir es mit Entzücken beobachten und uns der süßen Hoffnung der baldigen Erlösung von den städtischen Winterqualen erfreuen.

Der anglomanisirte Bediente meldete den Wagen. Hastig sprang die Gräfin vom Stuhle auf, schellte der Zofe und befahl Hut und Shawl zu bringen, dann trat sie vor den Spiegel, setzte den eleganten Rosahut auf das niedliche Köpfchen, wobei sie mit den kokettesten Mienen wohl hundertmal in das schmeichlerische Glas blickte und hüllte sich in den schweren Shawl. Das zarte Füßchen stampfte vor Ungeduld den Boden, als die engen Handschuhe, trotz aller Elasticität, sich dennoch der Hand nicht fügen wollten, langte sodann nach dem parfümirten Schnupftuche und hüpfte die Treppe hinab.



Die elegante Kalesche fuhr vor. Auf dem hohen Sitze saß ein junger Mensch, von Geburt aus mit schwarzem Kopfhaare begabt, der Anglomanie aber und des guten Tones halber mit einer weißen Perrücke angethan. Dieser Pseudo-Britte war aus dem Dorfe Feldmoching gebürtig, einer Ortschaft in einer reizenden, der Lüneburger-Haide ähnlichen Gegend gelegen. Sechs Jahre anglomanischer Stallstudien hatten ihn zum würdigen Perrücken-Träger emancipirt und dem deutschen Michel englisches Halbblut in die Adern rinnen [99] machen. „John“, sagte die Dame zum metamorphosirten Feldmochinger, „in das Magazin der Madame Z***!" und die Karosse rollte zum Thore hinaus. Der gute Ton hat so vielseitige Nüancen und Kleinigkeiten, welche sogar auf die Art und Weise, wie eine Priesterin desselben im Wagen zu sitzen habe, sich erstrecken. Sie muß in demselben mehr liegen als sitzen, darf die Komplimente der vorübergehenden Bekannten nur mit einem kalten, geringschätzigen Kopfnicken erwidern, mit einem Worte, sie muß sich so benehmen, daß man, würde es eine sogenannte Plebejerin so machen, in gerechtem Unmuth ausrufen würde: „Seht nur dieses unbedeutende Geschöpf von bedeutender Grobheit!“ Diese schroffen Manieren sind nichts Anderes, als die verunglückte Nachahmung französischer Nonchalence, die von unsern deutschen Modedamen in grober Uebersetzung als Reutlinger Nachdruck wieder erscheint.

Die Kalesche hielt vor dem bewußten Magazin, unsere Dame stieg aus und hüpfte á la Elsler[WS 1] in den Laden. Hier wimmelte es schon von ebenbürtigen Freundinnen und Bekannten. „Ich bin noch so fatiguirt vom gestrigen Balle“, klagte die Eine und suchte sich durch vorgebliche Nervenschwäche interessant zu machen. „Ich leide schon wieder an Migräne“, seufzte eine Andere, und „ich spüre Halsweh“, jammerte die Dritte und fingirte einen plötzlichen Fieberfrost. Wie natürlich wurden diese Leidensgeschichten alle in deutsch-französischem Dialekte vorgetragen. Nun ging es über die Stoffe her. Die Madame nebst ihren Dienerinnen hatten vollauf zu thun. Alles mußte herab genommen werden, wurde durchstöbert, gekauft. Unsere Heldin hatte endlich die beiden gewünschten Kleider gefunden. Nachdem sie noch Einiges besichtigt, verließ sie das Magazin. Der Wagen mußte halten bleiben; sie wollte zu Fuße gehen. Nur der Bediente folgte. Auch das Gehwerk der jetzigen Damen hat sich geändert. Durch die langen, den Staub aufrührenden Kleider, haben sie sich einen schleichenden Gang angewöhnt, der an ihre orientalischen Geschlechts-Verwandten erinnert, die gleichfalls in ihren langen Gewändern und schlotternden Pantoffeln mehr schleifen als gehen. Ueber das schleppartige Kleid hängt der dicke Shawl herab, in den sie sich fest einwickeln. Wie gut, daß in Frankreich die kurzen Röcke abgekommen sind, dem Vaterlande der kleinen Füße.

Es schlug halb vier Uhr. Gräfin Ernestine bestieg wieder den Wagen und fuhr mit einem kleinem Umwege nach Hause. Nun begann ein wichtiger Moment, es galt die Toilette zur Tafel beim ***schen Gesandten, welche um halb sechs Uhr stattfinden sollte. Die ganze Schatzkammer der Gräfin wurde ausgekramt. Ein schwerer, seidener Stoff, erst kürzlich direkt aus Paris angelangt, sollte die zarten Glieder umhüllen. Der Kopfputz bestand aus einem sammetnen Barett mit weißer Feder. Das kleinste Fleckchen wurde benützt, um es mit Schmuck auszufüllen. Zur bestimmten Stunde fuhr sie zum Diner, welches bis halb acht Uhr währte. Alsdann wurde wieder nach Hause gefahren, abermals Toilette gemacht, um gegen halb zehn Uhr den Ball bei dem Grafen M*** zu besuchen.



Das Benehmen der Damen vom guten Ton auf einem Balle besteht eines Theils in süßkoketten Blicken mit den bevorzugten Lion’s, theils in kaltgnädigem Kopfnicken gegen die Gleichgültigen. Die Art des Sitzens im Lehnstuhle oder auf dem Sopha ist die nämliche, mehr liegend als sitzend und die Arme übereinander gekreuzt. Stoff der Unterhaltung sind Theater, Witterung, Beschaffenheit des Parkettes in Hinsicht des Tanzes, der aber meistens getadelt wird, und liebevolle Kritiken über die anwesenden Damen, nebst Ausbrüchen der Eifersucht, wenn ein zahmer Lion einer der Kolleginnen etwas länger den Hof macht, oder das Kleid einer Andern mehr Beifall findet, als das eigne. Dazwischen wird mit einer Art von Raserei getanzt, welche den Ausdruck der Selbstbetäubung verräth. Wehe den Männern, die keinen Geschmack an diesen forcirten Freuden haben, die nicht tanzen und nicht spielen, Sie theilen das traurige Loos indischer Parias. Dieser unendliche Luxus, diese Diamanten, diese Blumen und Schleifen, sie vermögen es nicht, die Bewunderung und Ehrfurcht des Sonderlings, oder wie man ihn lieber zu bezeichnen pflegt, dieses Mannes von schlechtem Ton zu erwecken. Der Gefühllose zieht geistreiche Männerzirkel vor. Welcher Frevel! Welche Mißachtung des Anstands und guter Sitte!

Es war zwei Uhr Morgens, als unsere Gräfin nach Hause zurückkehrte. Ermattet sank sie in den Lehnsessel vor der Toilette, und schon während des Aufdrehens der Locken fielen ihr die müden Augenlider zu. Im halben Taumel wankte sie in das Bett und schlummerte sanft hinüber in das Reich der Träume.



[100]


Elegie
beim großen Fasse zu Heidelberg.




Faß! das man als achtes Wunder
Auf dem ganzen Erdball kennt,
Ach was hast du von dem Plunder,
Daß dich jede Zunge nennt?
Wärst du lieber angefüllet
Mit der Rebe Purpursaft,
Dem der Freude Rausch entquillet,
Der die Welt zum Himmel schafft!


Doch im Keller, tief und schaurig,
Weht um dich Verwesungshauch,
Durch das Spundloch hohl und traurig
Klafft nach Wein dein Riesenbauch.
Seufzest du noch lange lechzend,
Unbethaut von Most und Wein,
Ach dann brechen endlich ächzend
Deine dürren Rippen ein!


Zweimal, o der goldnen Tage!
Warst Du edlen Trankes voll.
Da entflohen Sorg und Klage,
Als Dir Himmelstrost entquoll.
Jedes Auge strahlte Wonne,
Feinde küßten lallend sich,
Weinerglüht der rothen Sonne
Manches Braven Antlitz glich!


Kehret wieder, Jubelstunden!
Mit der Freude Rebenkron’,
Daß dies Faß, von Laub umwunden,
Werd’ aufs Neue Bacchus Thron.
Mögen dann in lust’gen Schenken,
Bei der Becher hellem Klang,
Dessen auch die Zecher denken,
Der dies Klaglied durstig sang!




Mispel, der Kobold.
Ein Pasticcio von C. Spindler.
(Schluß.)


7.

Freundliche Gesichter sahen aus den hellen Fenstern, freundliche Arme umschlangen bald den Hausfreund-remplaçant. Eine sehr hübsche Frau küßte ihm den Staub von der Stirne, zwei winzige Blondköpfe nahmen Ränzel und Wanderstab ihm ab. Treue Freundeshand streckte sich ihm aus der Thüre entgegen, und im Nu saß er an dem kleinen Tische, besetzt mit Früchten und Wein, in der zierlichen von Reben umrankten Stube; – nicht ein Fremdling unter Fremden, sondern ein Hausvater unter den Seinen. Und also vergingen ihm die Tage in himmlischer Freude und Lust, daß er nimmer daran dachte, wie er nicht der Gärtner gewesen, sondern der ehescheue Julius. Ein wohlthätiger Zauber hatte ihn umgarnt, seine Brust erweitert, und ein ganzes Paradies darinnen angepflanzt, schöner als die Blumen seines Gartens, in dem er arbeitete, als sei das von Jugend auf sein Handwerk gewesen. Er hatte die Frauen gehaßt, aber hier fand er nur Treue und Liebe; er hatte den Freund mißtrauisch beobachtet, aber er fand ihn immer wie das klare Gold so probehaltig. Die Kinder hatten sich in [101] sein Herz genistet, als ob’s die eigenen wären, und er fühlte sich glücklich und zufrieden. Dies sagte er ohne Scheu und Zögern dem dienstbaren Kobold, der als Freiherr von Spinnenkram einst bei ihm einkehrte und tête-à-tête nach seinem Wohlbefinden fragte. „Welch ein Thor war ich!“ rief Julius; „auf der goldnen Mittelstraße findet man das Glück, und Liebe und Freundschaft lügen doch nicht wie die Schattenbilder, die sich dafür ausgeben. Ich habe das große Loos gewonnen. Die Arbeit macht mich glücklich; mich erfreut Gattin und Freundeswort, und ich bin Herr im Hause, worin mir weder Prinz, noch Admiralität, noch Landstand, noch ein Kislar Aga, am allerwenigsten ein schmutziger Beduine zu befehlen hat. Mispelchen, Herzchen, nun dank ich Ihnen erst, und dispensire Sie von jedem weitern Dienste.“ – „Du täuschest Dich, fürcht’ ich,“ entgegnete der winzige Freund spöttisch; „die Heuchelei der Weiber ist ohne Ende. Der sich der Herrschaft über sie rühmt, steht gewiß unter dem Pantoffel.“ – Julius lachte. – „Und ihre Treue?“ – fuhr Mispel fort. – „Lauter und rein.“ - ,,Und der Hausfreund?" – „ Ein ächter Mann von altem Schrot und Korn, der während meiner – meines Vorgängers Abwesenheit allein mein Hauswesen aufrecht hielt. Lassen Sie daher jeden Spott, denn ich bin glücklich.“ – So eben schwebten die blühende Frau, die herrlichen Kinder herein; der Freund kam als Gast zum frugalen Mahle, und bei der Gärtnerburschen fröhlichem Saiten- und Flötenspiel tafelte hier ein zufriedener Verein. Nur das Koboldchen war verdrüßlich, denn es hatte sich, wie es grämelnd einsah, total geirrt. Es hatte geglaubt, den Lebensüberdrüssigen in ein ehelich Fegfeuer zu setzen, um ihn alsdann zu seinem Leibeigenen zu gewinnen, und hatte in der Eile fehlgegriffen. Er brütete daher über einem Plane, wie dem Glücke seines Protégés am Besten beizukommen sei.


8.

„Rathe einmal, was ich in diesem Kästchen verwahrt halte?“ fragte Julius’ Gattin, als er am nächsten Tage von der Arbeit zum Mittagsmahle kam. Julius betrachtete das niedliche Nähkästlein aufmerksam, ohne zu errathen. Aber eine Stimme, die aus dem Innern drang, half ihm aus dem Traume. „Bitte, bitte, lieber Herr, – lispelte sie – mach’ auf, und glaub’ der Frau kein Wort.“ – „Ei, Mispelchen, wie kommst du denn in den engen Karzer?“ fragte Julius verwundert. – „Auf die leichteste Art von der Welt, “versetzte die Frau lächelnd! „Das boshafte Wesen wollte Unkraut unter den Waizen säen, und ’s ist ihm mißglückt. Kam es etwa nicht vor einer Stunde in feiner Barongestalt, und that so schön und freundlich, um mich zu berücken? Erzählte es mir nicht etwa die wunderlichsten Dinge von Dir, und wollte mich überreden, Du seist gar nicht mein rechter Mann, sondern ein unbeständiger verlarvter Wildfang? Bot er mir nicht etwa Gold, Perl und Edelstein, und muthete mir zu, Dir die Treue zu brechen? Ich merkte aber die Tücke, und mein Mutterwitz belehrte mich, daß dahinter der Böse stecken müsse. Und ich schmeichelte und plauderte, und eh’ sich die Hand umkehrte, hatt’ ich’s heraus, daß Monsieur Asmodi unter dem Freiherrnrocke hause. Er läugnete auch endlich nicht, und da ich mich ungläubig stellte, als er von seiner Zaubermacht sprach, und ihm verhieß, ihm nur zu vertrauen, wenn er vor meinen Augen sich in dieses Kästlein logirt haben würde, – da ging der Einfältige in die Falle. Den Deckel schlug ich zu; und ein frommer Spruch, den die Großmutter mich einst lehrte, hält den Schelm darinnen fest. Jetzt aber, lieber Mann, trage schleunig das kleine Ungethüm in’s Wasser, wo’s am tiefsten ist, damit es vor der Hand Niemand schade. Der Schlüssel zu dem Kerker schmilzt dort in der Herdesflamme.“ – Julius stand verdutzt, bis endlich sein Grimm ob der Bosheit des Geistes wach wurde. Vergebens verschwendete dieser alles Flehen. „Nein Du mußt gezüchtigt sein, Du Teufelsbrätchen,“ rief der erzürnte Gatte: ,,wär’s nur um Deiner Thorheit willen, Du dummer Gnome!“ und schleuderte das Kästchen, in dem es gräulich schnarrte und knurrte, in die Fluth. Die Frau aber sprach sanft und ernst zu ihm: ,,Bring’ mir keine solche Gesellschaft mehr in mein frommes Haus. Nicht immer möchte der Spuck so folgsam sein. Und merk es Dir, Geliebter! Arbeit, Freundschaft, Treue und selige Liebe sind himmlische Wächter des Herdes, denen kein unsaubrer Geist zu nahen hat. Jetzt aber nimm diesen Kuß und Alles sei vergessen!“ – Julius wand sich lächelnd aus der süßen Umarmung, und flüsterte vor sich hin: „Das hätte mir einmal vor Zeiten eine Frau sagen sollen! Und diese, – so sanft und weich sie mit mir spricht, – diese erlangt doch Alles von mir, was sie auch will. Ich merk’s wohl, daß ich nicht Herr im Hause bin. Aber soll ich das angenehme Pantöffelchen schmälen, da doch der Mispel sogar vor ihm in’s Kästchen kroch? Weg mit der Erinnerung an frühere Zeiten. Treu will ich wandeln den Pfad, auf den mein Schicksal mich geführt, König meiner Blumen, Vater meiner Kinder sein, und ewig halten an Liebe und Freundschaft!“

Und er hat es nie bereut.


[102]

Quodlibet.





Großes keroplastisches Kabinet.
(Fortsetzung.)


Schamyl, (Omar Hassan von)

russischer Rebell und Generalissims der verbündeten tscherkessischen und tschetschenzischen Armeen, geboren am 21. Juli 1798 (alten Styls) genannt: Die Gazelle des Kaukasus.

In diesem Bilde sehen wir wieder einen Mann , der es bei seinen ausgezeichneten Kenntnissen und Fähigkeiten, besonders in strategischer Hinsicht, bei einer Fülle von Muth und persönlicher Tapferkeit und sonst untadelhaftem Charakter nur zu sehr bedauern läßt, daß er diese Eigenschaften nicht benützte, sich einen schöneren Nachruhm zu sichern, als den – des Galgens oder Rades, oder dergleichen. Wie würde Schamyl anderseitig groß und glänzend dastehen können – was hätte er wirken und leisten – werden und sein können!

Aus diesem Gesichte (offenbar kaukasische Raçe) leuchtet unfehlbar eine Art von phlegmatischer Gutmüthigkeit, wofür auch die neckische Corpulenz spricht, die er sich durch seine sorgenlose, ruhige, sitzende Lebensart und den häufigen Genuß von Porterbier, das er posttäglich direkt aus England erhält, zugezogen zu haben scheint. Unbezweifelbar ist übrigens die schon gewissermassen jedem Beschauer auffallende treue Aehnlichkeit unserer Portraitfigur hier, da sie genau nach einem Daguerreotype angefertigt wurde, das uns unser Landsmann, der bekannte Herr Maler Münchhäusler, gegenwärtig in Odessa, gütigst zusandte. Ebendemselben verdanken wir auch nebiges Facsimile Schamyls, so wie beifolgende umständliche Erzählung über die endliche Gefangennehmung des Rebellen (aus einem größeren Schreiben, das wir hier im Auszug geben), welcher Bericht uns jedoch, offen gestanden, selber ein wenig übertrieben scheint.

„ ...... Bei dem kleinen Forte Tschirdurta“, so heißt es in diesem Schreiben, „das nur äußerst schwach von russischen Truppen besetzt war, und das Schamyl mit beinahe seiner ganzen Armee seit ein paar Wochen eng eingeschlossen hielt, kam es endlich in den Morgenstunden des 30sten Februar (n. St) bei einem äußerst gewagten, aber glücklich berechneten Ausfalle aus der Feste zu einem entsetzlichen Gemetzel, das erst den andern Tag mit Einbruch der Nacht endete. (?) Die ganze moosige Ebene an dem Kerk hinauf bis gegen Straulwahz, und noch jenseits Tschirdurta bis an den gegen Südwest gelegenen Waldsaum von Ornokl, wenigstens 1½ Stunden Weges, sind mit den Leichen von vielleicht 70, bis 80,000(?) Rebellen, meist Tschetschenzen, Tscherkejer, Sfalataurer und Tscherkessen bedeckt. 43 Kanonen verschiedenen Kalibers (meist englisches Fabrikat), 14 Standarten und das ganze reiche Lager Schamyls sammt seinen beiden Serails, dem Sommer- und Winterserail (!) sein Flaschenkeller und Sonnenschirm, so wie seine ganze Insektensammlung, gegen 2000 Packrosse und Saumthiere und sämmtliche Vorräthe und Munition fielen den Siegern in die Hände.

[103]


(Die Acquisition dieses Facsimiles ist in der vorstehenden Beschreibung angegeben.)

„...... Nach verzweifelter 7 stündiger persönlicher Gegenwehr gelang es endlich, Schamyl bei den zwei Mühlen unterhalb Tschirdurta, wo die Eschen stehen, zu übermannen und er wurde nebst seinen Partheigängern dem berüchtigten Hadschi Mahomar und dem rothhaarigen Schwaïb Mullah noch denselben Tag in geschlossenem Wagen gefangen abgeführt.“





(Handzeichen desselben aus einer Urkunde, die in dem berüchtigten Hause rue St. Victor Nro. 72 in Paris mit den übrigen Papieren verbrannte)


Dagobert, (Pipin)
Sergeantmajor á la suite, geboren in Vincennes am 22. Mai 1779.

Wer kennt nicht auf den ersten Blick in diesem ehrlichen Soldatengesicht den edlen Dagobert, den heldenmüthigen Vater Agricols?

Wahrlich, das ist der Mann, dem der Marschall Simon seine Töchter ruhig anvertrauen konnte! –




manicula Berichtignung und Entschuldigung. manicula

In Nro. 34 dieser Blätter hat sich höchst bedauerlicher Weise ein entsetzlich sinnstörender und widriger Fehler eingeschlichen. Es waren nämlich bei der neulichen Aufstellung unserer schönen Wachsfiguren die Köpfe des Oberon und des Schinderhannes durch einen äußerst unlieben Zufall verwechselt worden, und unser braver Zeichner hat leider ganz sorglos diese beiden Figuren in solchen Zustande getreu wieder bildlich gegeben; das Augenfällige des Irrthums jedoch mag dem geehrten Publikum wohl hinreichend Beweis und Bürge sein, uns von dem Verdachte zu reinigen, als habe dabei irgend eine Mystification in Absicht gelegen, was wir zur Beruhigung übertrieben sorglicher Gemüther oder superfeiner Nasen, die überall auch das Unmöglichste herausfinden wollen, hiemit erklären zu müssen für nöthig glauben, und die Bitte um geneigteste Entschuldigung geziemend beifügen.

Dr. Schweinchen.



[104]

Congreß deutscher Zeitschriften.
(Fortsetzung)


Die Stadt gibt den Gästen zu Ehren ein großes Tournier. Die Kämpfer tragen statt Helmschmuck und Devise Correspondenzzeichen eines vielgelesenen Blattes. Der Thorschreiber * * als Herold erwartet die Einziehenden. Links drängt das Volk auf die Gallerie des Bankettsaales.


Ein Sohn des Reichs der Mitte wird von gewandter Hand zu Boden gestreckt, wobei der Schild des Ritters mit halbgeöffnetem Visir einigen Schaden leidet, und dem Rosse des Verstorbenen ein derber Nasenstüber ertheilt wird.


Der Ritter mit dem Zeichen kämpft mit den 3 struppigen Riesen Communismus, St. Simonismus und Fourierismus, wodurch das Roß eines griechischen Heros sich gewaltig bäumt und der Sternkreuzritter vergnüglich die Hände reibt. Links ein Reporter unter dem Schwerte des Damokles.

(Schluß folgt.)



Redaction: Caspar Braun und Friedr. Schneider. – München, Verlag von Braun & Schneider.
Kgl. Hof- und Universitäts-Buchdruckerei von Dr. C. Wolf & Sohn in München.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Österreicherin Fanny Elßler war eine der bekanntesten Tänzerinnen des 19. Jahrhunderts.