Fliegende Blätter Heft 23 (Band 1)
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Nur weil der Held dieser Geschichte, – insofern man Herrn Jakob Melchior junior überhaupt einen Helden nennen kann – mir so überaus nahe steht, und der Gegenstand meiner größten Achtung und Liebe seyn muß – wie der günstige Leser am Schluße der Geschichte selbst einsehen wird – habe ich mich entschlossen, diese langweilige Lebensgeschichte zu schreiben, der ich sonst meines Gewerbes ein Adonisateur de la tête, wie man in Berlin sagt, auf Deutsch ein Perrüquier war, und möchte ich mich bei dieser Gelegenheit mit allen einschlagenden Kopfarbeiten einem hohen Adel und niedern Publikum gehorsamst empfohlen haben.
Fast hätte ich die Sache aber schon gleich im Anfange wieder aufgegeben, und aus den schön gefalteten Bögen Papilloten gemacht, weil ich gleich zu sehr spürte: Aller Anfang ist schwer. Wochenlang zerbrach ich mir den Kopf, ja ich war zuletzt ganz außer mir, wie ich das Geschäft angreifen sollte, da rieth mir ein guter Freund: Weil meine Geschichte auch langweilig werden sollte, könnte ich am Besten jene von Eugen Sue zum Muster nehmen, und die fiengen alle damit an, daß sie ein möglichst getreues Bild von allen Hauptpersonen zu geben sich bemühten.
Demnach habe ich nun gleich zu Anfang meiner Schrift das Bild Herrn Jakob Melchiors senior und seiner Frau Gemahlin hingesetzt, und dieses ist das Bild ihres Sohnes, Herrn Jakob Melchiors junior, des Helden dieser Geschichte. Herr Melchior senior ist en façe, seine Gattin aber aus der Maulwurfsperspektive aufgenommen. Bei allen dreien ist nach der Vorschrift von
[178] Lessing, Winkelmann, Mengs, Rumohr, Schorn u. s. w. eine möglichst charakteristische Handlung gewählt, ein Moment, wie Lessing sagt, in dem sich rück- und vorwärts das ganze Leben der darzustellenden Person spiegelt. Herr Melchior senior trinkt, seine Gattin schläft in starker Verdauung begriffen, der Sohn sitzt auf einer Geldkiste (?!) zwischen seines Vaters Weinkrug und seiner Mutter Fleischtopf, und wird, wenn wir nicht bald eine vierte Person auftreten lassen, inmitten dieser Schätze Hungers sterben, da er sich aus theoretischer Unentschiedenheit und praktischer Faulheit, also aus Weltschmerz nicht ermuntern kann, nach diesem oder jenem zu greifen.
Herr Melchior senior machte eigentlich in seinem Leben nur einen dummen Streich, und der bestand darin, daß er auf die Welt kam, ehe er die Garantie hatte, daß sein Geld und sein Durst stets in einem angenehmen Gleichgewichte stehen werde, alle anderen dummen Streiche waren nur die Folge dieses ersten, und der einzige kluge Streich war der, daß er starb, als das Mißverhältniß zwischen diesen beiden Streichen einen so hohen Grad erreicht hatte, daß ihm kein Weinwirth mehr borgte. Früher hatte er nämlich dadurch Geld erworben, daß er die Kiste, auf der wir in der Abbildung Melchior junior sitzen sehen, christlichen und unchristlichen Wucherern in Versatz gab. Diese Kiste, ein uraltes von einem in der Hexerei wohlerfahrnen Ahnherrn der Melchiorschen Familie gestiftetes Fideicommiß, enthielt einen nie versiegenden Schatz von Gold, Silber, Juwelen u. s. w. Sie konnte stets dem ältesten Sohne in der Familie weder durch Gewalt, noch List, selbst nicht durch Advokatenkniffe abspänstig gemacht werden, das war gut, – ein schlimmer Umstand war aber, daß keine Gewalt der Erde sie öffnen konnte, ehe und bevor nicht der jedesmalige Besitzer seine Mündigkeit durch irgend einen klugen Streich dargethan hatte. Unser Herr Melchior senior starb nun aber dahin, ehe ihm die Oeffnung der Kiste auf die gemeldete Weise gelang, und alle, welche hierauf hoffend ihm Geld vorgeschossen hatten, waren betrogen. Der zweite dumme Streich Herrn Melchiors war, daß er ein Mädchen ihres Geldes, ihrer Schönheit und ihrer Talente wegen heirathete. Denn wegen ihrer Schönheit wurde sie ihm untreu, andere verzehrten das Geld, und (wie die Weiber sich in der Ehe zu ändern pflegen!) die Talente verloren sich alle; und als die einst geistreiche Dame nicht mehr lieben konnte, legte sie sich auf’s Essen, d. h. viel Essen, sehr viel Essen. Der dritte dumme Streich Melchiors war, daß er die einheimische Weinkultur emporbringen wollte, nicht durch Schutzzölle, sondern durch vermehrten inländischen Consumo, insofern er ihn persönlich darstellen konnte. Ach wenn alle seinem Beispiele gefolgt wären, wie viele arme Winzer und reiche Weinhändler hätten sich gefreut?! Aber die Herzen sind kalt, und der Bierdurst ist zeitgemäß und populär. Melchior opferte sein Leben für seine Idee, und seine Frau starb vor Freude bei seiner Todesnachricht. Sie hinterließen beide nichts als den Ruhm ihrer Thaten in der darauf bezüglichen Urkundensammlung, eine wegen ihres Umfangs höchst merkwürdige Masse unbezahlter Rechnungen. O, wie viel goldene Regeln wollte er seinem Sohne noch geben, als ihn der Tod ereilte! „Mein laut Taufregister zu St. Moritz vielgeliebter Sohn, fing er an, kennst du den Unterschied zwischen einem ordentlichen und einem außerordentlichen Professor? „Junior gähnte mit jener natürlichen Grazie, mit welcher Fanni Elsler[WS 1] ihre Pas macht, und ein englisches Vollblutpferd seinen Schweif trägt. – „Ein ordentlicher Professor,“ sagte Senior, „weiß nichts Außerordentliches und ein außerordentlicher nichts Ordentliches. Ich wäre nun fast einmal ordentlicher Professor geworden, weil meine Ideen so alt und einfach sind, aber es kam nicht dazu, weil sie allen, namentlich den Jüngern, zu schnell einleuchteten. Siehe das Entscheidendste für das ganze Leben ist die Wahl eines Berufs und die Wahl einer Gattin. Glaube, mir, kein Geschäft nährt so gut seinen Mann, wie Essen und Trinken. Heirathe aber wen du willst und wie du willst, denn die Ehe ist ein Hasardspiel, wo man nur gewinnt, wenn man mit dem Gedanken heirathet, daß die Weiber zu unserer Verbesserung da sind. Sei dann deine Frau, wie sie sei, jeden Tag, wann sie schilt, wirst du dich freuen, daß du hier schon einen Theil des Fegefeuers bei einer guten Flasche Wein abmachen kannst, und jeder Tag an dem sie nicht schilt, wird ein Festtag für dich seyn. In meinem Hause hatte es deren freilich weniger gegeben, als auf der Insel Ischia, wo bekanntermassen 211 im Jahre seyn sollen. Uebrigens gibt es nichts comoderes als die Comodität, und nichts fideleres als die Fidelität. Der Anfang aller Weisheit ist die Langeweile – hier starb er. –
Wir bitten jetzt den günstigen Leser, über den Verlauf unserer Geschichte höchst gespannt zu seyn, denn beim Beginne derselben sitzt Melchior junior aus seiner Eltern Hause herausgeworfen, wie oben abgebildet, auf dem Hafendamme in Hamburg, aus Faulheit dem Hungertode nahe, und wenn es Abend wird, schmählicher Einkerkerung gewiß. Vorläufig ist zwar der Krug noch voll und der Topf noch voll und die Kiste voll und Melchior ist auch voll, nämlich voll Wißbegierde, was sein Vater mit dem letzten Worte Langeweile – dem einzigen, welches ihm von der ganzen Rede erinnerlich ist – habe sagen wollen. Du mußt dich nämlich für den Helden meiner Geschichte interessiren, lieber Leser, denn er hat sich nie gelangweilt, und so wie er sich langweilt, ist die Geschichte aus, und wenn du dich langweilst, [179] ist sie auch aus; denn wir bitten dich inständigst, so wie das der Fall ist, so höre zu lesen auf.
Jetzt tritt in unserer Geschichte eine neue, interessante Figur auf: ein dicker, dummer, reicher Engländer, welcher sich seit frühester Jugend langweilt, und jetzt auch aus langer Weile nach Hamburg gefahren ist, nachdem er den ganzen Sommer sich in Norwegen mit Fischangeln gelangweilt hat. In demselben Jahre, an demselben Tage, um dieselbe Stunde, wo sich obenerzähltes Sitzen des jüngern Melchior ereignete, saß gleichfalls am Hafendamme zu Hamburg auf seinem Gepäcke der Lord Nothingnix; um ihn her standen: ein eiserner Spiritus-Schnell-Ofen, ein Beefsteack-Brat-Thee-, Koch- und ganzer Leib-Wasch Apparat, kurz alle jene Erfindungen, durch welche heut zu Tage ein Reisender trotz Eisenbahnen und Gasthöfen sich die Sache eben so schwer machen kann, als ob wir 1245 schrieben. Nachdem sie sich lange angeschaut hatten, sprach Lord Nothingnix: Was machst du Bursche?
Jakob Melchior junior: Was macht ihr, Herr?
Lord. Ich langweile mich.
Junior. Ich langweile mich nicht.
Lord. God dam. Da soll ich nun Packträger rufen, in den Gasthof gehen, Essen, Schlafen, immer das alte Lied. Ich wollte, ich wüßte etwas anzustellen, das mich nicht langweilte.
Junior. Ich wollte, ich wüßte etwas anzustellen, das mich langweilte.
Lord. Ich suche einen Diener, der meinige ist mir davon gelaufen, weil ich ihn unter Weges aus langer Weile täglich geprügelt habe. Willst du mein Diener sein?
Junior. Ist es langweilig?
Lord. Bis jetzt haben es noch alle meine Diener gesagt. Ich halte mir elf Diener und habe nicht für zwei zu thun. Also wenig Arbeit, wenig Lohn, wenig Essen und viele Schläge.
Junior. Topp ich wills probiren.
Also wurde Jakob Melchior junior der Diener des Lord Nothingnix, und ging mit ihm auf die Reise, um die Langeweile kennen zu lernen.
Als sie eine Station weit gefahren waren, stieg der Lord aus dem Wagen, um sich, wie er sagte, nach dem langweiligen, ewigen Sitzen und Schlafen einmal wieder die Beine auszutreten.
Junior kam aber vom Bedientensitz heruntergehupft ausser sich vor Freude über das prächtige Leben; so bequem im Schlafe sich die Welt besehen, Menschen und Länder kennen lernen, im Lehnstuhl und wenn’s gar nicht mehr möglich war, noch mehr des lieben Schlafs zu genießen; wie ein großer Herr im prächtig gallonirten Rocke, die Tasche voll Geldstücke, ins Wirthshaus treten, wo alles auf den leisesten Wink fliegt, und Essen und Trinken die Hülle und Fülle, und von der besten Sorte!! – Es war herrlich! –
Juhe, rief er! wenn man da nur gar nicht zu sterben brauchte, besser kann's im Himmel selbst nicht seyn! das begreife ich nur nicht, warum sich mein Geldkasten noch nicht geöffnet hat; denn wenn das nicht ein gescheidter Streich von mir war, daß ich so mit dem Lord auf die Reise gegangen bin, so werde ich gewiß in meinem ganzen Leben keinen gescheidten Streich zuwege bringen; bei diesen Worten wollte Junior gerade einen seines Sieges im Voraus gewissen Angriff auf eine kalte Repphuhnpastete machen, welche der Wirth in der Geschwindigkeit herbeigeschafft hatte, als ihn auf einmal sein Lord beim Kragen packte.
[180] Warum bist du so lustig Kerl, schrie er ingrimmig, das ist noch das Langweiligste an diesem langweiligen Leben, daß während man sich für sein vieles Geld wie ein Mops ennüyirt, man so viel lustiges Lumpenpack um sich herum sehen muß. Aber nicht wahr, du bist blos lustig, weil du endlich deinen Zweck erreicht und auf dem verdammten, harten, wackelichten Bedientensitz dort oben, im Chausseestaub und Hitze kennen gelernt hast was lange Weile heißt?
Nein Herr, sagte Junior und legte, scheinbar plötzlich traurig werdend, Messer und Gabel nieder; es ist doch etwas Langweiliges, wenn man, so wie ich, beim Reisen eine Absicht hat. Ihr würdet Euch gewiß auch nicht so sehr langweilen, wenn Ihr nicht die Absicht hättet, Euch zu amüsiren. Jetzt ist’s vorbei mit dem Spaß bei mir, denn die lange Weile habe ich noch immer nicht kennen gelernt, weder auf dem Kutschbock noch hier bei der Pastete. Aber Herr, wenn auch nicht für die lange Weile und auch nicht fürs Plaisir, so doch um den Hunger zu stillen, erlaubt Ihr wohl, daß ich die Kleinigkeit da zu mir nehme, setzte er lachend hinzu.
Bursche schrie der Lord, kirschbraun vor Wuth im Gesichte, du wagst es, dich in meinem Dienste nicht zu langweilen, und verlangst dann noch daß ich dich ausgefressenen Schlingel mit Repphühner-Pasteten mästen soll! und damit begann er Juniors Rücken auf das Nachdrücklichste mit seinem spanischen Rohre zu bearbeiten.
Hoho meint Ihr so! rief Junior, nun das ist auch lustig zu seiner Zeit und macht besonders Appetit wenn man’s kurz vor Tisch treibt. Im Nu hatte er den dicken Lord gepackt, zu Boden geworfen und mit dem rasch entrissenen Stocke einigemale sehr unsanft berührt, als die andern Bedienten endlich herbeikamen und – so mannhaft Junior sich wehrte, er wurde überwältigt, und es wäre ihm gewiß schlimm ergangen, wenn nicht der noch am Boden liegende Lord gerufen hätte, sie sollten den Junior in Frieden lassen und ihn wieder auf die Beine stellen.
Das sei ein braver Bursche, sagte er, so geschickt hätte noch kein Boxer von Alt-England ihn zu Boden gestreckt, und als Seine Lordschaft mit vieler Mühe wieder aufgerichtet war, umarmte er den Junior, ließ ihm eine Flasche Burgunder zu seiner Pastete reichen, und sagte, jetzt solle er nicht mehr auf dem Bedientensitz, sondern ihm gegenüber im Innern des Wagens Platz nehmen, da hoffte er würde er sich doch auch mit der Zeit langweilen.
Lord Nothingnix war nun in der That ein langweiliger Reisegesellschafter, da aber Junior beharrlich sein Schlafen fortsetzte, war das nur alle halbe Stunden von einem Jähs! unterbrochene Schweigen seines Herrn, durchaus nach seinem Wunsche. Ueberhaupt konnte es gar keine besser zusammenpassendere Reisegesellschaft geben, als die Beiden waren, denn der Lord that alles was Junior wollte, in der Hoffnung es würde ihn unterhalten, und dieser ahmte alle Handlungen seines Herrn nach, weil er wünschte, es möge ihn langweilen.
Jetzt kamen sie am Ende eines Waldes über einen freien Platz; da hielten die Bewohner des nächsten Dorfes einen Tanz, weil gestern glücklich und reichlich die Erndte beendet war. Augenblicklich erwachte Junior vom Schalle der Musik, befahl dem Kutscher zu halten, und hinein unter die Leute! — — das war eine Lust nach dem langen Sitzen und Schlafen; erst ein frischer Trunk guten kühlen Weines und dann das hübscheste Mädel im Arm, und herum gings im Kreise, daß die kurzen Röcke und langen Zöpfe flogen.
Wie gerne tanzten die Mädchen mit dem schmucken roth-backigen Junior, der prächtig aussah in seinem goldbetreßten Rothrocke, und die Bursche wurden doch auch nicht neidisch, und tranken gerne mit ihm, denn er war zu lustig, daß man gar nicht aus dem Lachen herauskam, und Geld kriegten der Wirth und die Spielleute mehr als sie begehrten. Eine Weile versuchte der dicke Lord es auch so zu treiben, aber schon nach einigen Minuten standen ihm die dicken Schweißtropfen vor der Stirne, denn er hatte unglücklicher Weise ein eben so muthwilliges als handfestes Mädchen zur Tänzerin erwählt, die ihn, als er nach einer Tour austreten wollte, festhielt, und unter schallendem Gelächter aller Anwesenden den dicken Herrn mit sich herum drehte bis sie selbst vor Lachen kaum mehr schnauben konnte. Todtmatt warf sich Lord Nothingnix unter einen Baum auf das Gras nieder und als Junior ihm ein Glas Wein reichte und fragte: Herr, heißt das
[181] nicht gelebt wie die Vögel im Hanfsamen? schrie der Lord: Bursche, du mußt den Teufel im Leibe haben, daß du solch eine Tänzerin aushalten kannst; von Vergnügen bei einer solchen Anstrengung, die ärger ist als Holzhacken, kann natürlich gar nicht die Rede sein. „Darauf ließ er sich von seinen Bedienten allerlei kalte Kuchen und einige Flaschen Wein aus dem Wagen holen, und fing an zu speisen; er war aber so stark echauffirt, daß ihm die Pasteten nicht schmecken wollten, und der Wein trieb ihm so das Blut zum Kopfe, daß er ganz dunkelroth im Gesichte aussah. Etwas Sodawasser war daher das Einzige, an dem er sich laben konnte.
Als nun aber die Bedienten unter dem Vorwande, daß sie die Speisen wieder einpacken wollten, hinter ihres Herren Rücken von denselben naschten, sprang auf einmal Junior dazwischen, warf die[WS 2] Kerle wie Flederwische durcheinander und rief: Ihr Schlingel, Mundraub ist kein Diebstahl, aber man muß doch nichts hinter seines Herrn Rücken nehmen, sondern sprechen: Mit Erlaubniß! – Also, mit Erlaubniß Herr Lord! Warum eßt und trinkt Ihr denn nicht?
Ich habe keinen Appetit, und es dürfte mir schaden, sagte der Lord seufzend.
Ich habe aber Appetit und mir schadet es auch nicht, erwiederte Junior und tranchirte mit großem Behagen einen Wildschweinkopf in Gelée. Was solch eine Herumspringerei Hunger und Durst macht. Kommt her Mädle, setzt Euch zu mir, he Hans, Jörgel bringt Eure Gläser! heut muß Alles lustig sein! Und nun steckte er seinen Tänzerinnen der Reihe nach die leckersten Bissen in den Mund und schenkte den Burschen fleißig ein, — natürlich ohne dabei sich selbst zu vergessen.
Nach einer Weile stiegen alle wieder auf den Wagen unter lautem Beifallruf der Landleute. Das war ein rechter Spaß sagte Junior, streckte die müden Beine von sich, lehnte den weinschweren Kopf an die Wand und schlief ein. Gottlob sagte der Lord, daß wir heut Nacht nach Schloß Pimpelsheim zu meiner schönen Braut kommen, da wird denn doch endlich die Langweilerei ein Ende nehmen, und allmälig schlief er zwar auch ein, aber während Junior sich im Traume noch immer mit der schwarzäugigen Else im Tanze drehte, war der Lord von grausen Gesichtern geplagt, und träumte, er würde schon wieder:
Zur Nachricht für den günstigen Leser, damit er, von welcher Nation er sein mag, doch ja wenigstens diese der ganzen Menschheit verständliche Stelle unserer Geschichte versteht.
Deutsch:
|
Dieses ist ein Rebus![WS 3] |
Französisch:
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Cest un Rébus! |
Englisch:
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That is an Rebus! |
Italienisch:
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Ouesto è uno Rebus! |
Ciceronianisch:
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Hoc est unus Rebus! |
Es war schon völlig Nacht als Lord Nothingnix, Melchior junior, die elf Bedienten und der Kutscher wieder erwachten von Hundebellen und Lichterschein, und richtig, sie fuhren durch Pimpelsdorf, und vor ihnen lag von oben bis unten, nach der Länge und nach der Breite hell erleuchtet, Schloß Pimpelsheim, der Sitz des letzten Sprößlings der vormals berühmten Grafen von, zu und auf Pimpelsheim. Drinnen wurde zum Tanz aufgespielt und Tusch geblasen zu den Toasten, daß die hohen, gothischen Fenster klirrten; durch das Säulen-Portal sah man aber auf der von Hängelampen prächtig erleuchteten großen Treppe reich gallonirte Diener mit Flaschen und Schüsseln auf- und abspringen, daß es eine Lust war.
Melchiörchen, sagte jetzt der Lord, von denen da oben kann ich nicht lernen, wie man sich amüsirt, ich muß dich daher dort als einen vornehmen Herren einführen, damit du mich sehen läßt, wie du’s treibst. Hier werde ich dir’s eher nachthun können als draußen bei dem Bauernpack. Du mußt dir’s daher gefallen lassen liebes Juniörchen, daß ich dich für meinen jüngern Bruder ausgebe, das ist nicht viel bei uns in England. Aber schloß er traurig, ich fürchte, du wirst dich dort eben auch langweilen.
Ja Herr, antwortete Junior das sollte mir auch Leid thun, wenn so auf einmal der Spaß ein Ende hätte, denn mir gefällts zu gut, so mit Euch die Langeweil zu suchen.
Jetzt waren sie angelangt, der Herr Haushofmeister empfing sie und hieß sie willkommen. Die Frau Gräfin Viktorine sagte er bedeutungsvoll die Hand krümmend, wollten eben zu einer Polka antreten, als sie aber hörten, daß ihr längst erwarteter hoher Bräutigam angelangt seien, fielen sie alsobald in Ohnmacht.
Ist sie jung und hübsch die Braut? fragte Junior, während der Lord für die gute Nachricht ein Goldstück gab.
[182]
Man hat mir einen Schwank gesagt,
Ich sag’ ihn auch, wenn’s euch behagt.
Zwei Bauern in der Schenke saßen,
Und wuchrisch ihren Schatz ermaßen.
Wiewohl der Kern schon wäre theuer,
Müßt er viel höher noch hinauf,
Bevor sie schritten zum Verkauf.
Da sprach der eine im Verlauf:
Bis einen Gulden kost’ ein Knödel.
Das hat der Wirth mit angehört;
Ob ihn der Wucher hat empört,
Oder hat ihn bloß der Schalk gestochen,
Denn da sich eben die Gesellen
Thäten ein Mittagsmahl bestellen.
Ließ er, sie wacker zu bedienen,
Kochen zwei Dutzend Knödel ihnen.
Daß die zwei Bauern, gar nicht stutzend,
Von Knödeln jeder fraß ein Dutzend.
Drauf, nach dem Mahl den Mund abputzend,
Sie nach der Zehrung fragten den Wirth.
Grad vier und zwanzig Gulden machen.
Da wollten erst die Bauern lachen;
Ob denn ein Knödel ein’ Gulden kost’!?
Sprach der Wirth aber gar getrost:
Daß es nicht anders euch behagt,
Eh’r zu verkaufen euern Trödel,
Bis einen Gulden kost’ ein Knödel;
So mögt ihr nun verkaufen getrost,
Da schnittens grämliche Gesichter,
Und appellirten an den Richter;
Der aber, zu gemeinem Frommen
Verurtheilt auch sie zu der Summen
Da mußten sie, um quitt zu seyn,
Weil sie nicht hatten baare Gulden,
Um zu tilgen die Knödelschulden,
Vom aufgesparten Körnerhaufen
So viel es eben kosten will.
Der Wirth strich ein die Gulden still,
Und sprach: Ihr könnt in Frieden gehen,
Denn euer Will ist heut gescheh’n;
Werden die Knödel wohlfeiler seyn.
He Nachbar!, was thut ihr da?
Ich sperre meinen Laden und gehe in die Vacanz!
Und wenn nun die Leute kommen und wollen Brod?
Das geht mich nicht an! Der Mensch muß eine Erholung haben!
[183]
„Die Geographie ist die Schwester der Geschichte und nicht die Dienstmagd derselben,“ sagt Nathan der Weise. Die Geschichte erhält von derselben die schätzbarsten Erläuterungen, und würde ohne sie miß- oder gar nicht verstanden werden; die Erkenntniß ihrer Wichtigkeit war es, welche im Jahre 1821 in Paris die geographische Gesellschaft in’s Leben rief. Schon im Jahre 1827 zählte die Gesellschaft 300 Mitglieder. Sie läßt Reisen in unbekannte Gegenden unternehmen, ja selbst in solche, die gar nicht existiren (wir werden zu seiner Zeit auf eine solche Reise zurückkommen), und belohnt die wichtigsten Entdeckungen mit Preisen von 100 bis 10,000 Franc’s. – Dem Beispiele von Paris folgte Florenz. Schon im Jahre 1824 trat daselbst eine ähnliche Gesellschaft zusammen. – Aber auch Deutschland wollte nicht ganz zurückbleiben. Im Jahre 1828 u. 29 bildeten sich an mehrern Orten Vereine für Erdkunde, die sich nur dadurch von den oben genannten unterschieden, daß sie die Erforschung älterer und längst bekannter Gegenden und Länder, und solcher Dinge, die bereits Jedermann wußte, zur Aufgabe machten. Bald krönten ausgezeichnete Resultate ihre Bemühungen, und wir glauben ebenso den Dank unserer Leser zu verdienen, als der Wissenschaft selbst einen Dienst zu erweisen, wenn wir diese eminenten Fortschritte des menschlichen Geistes zur Kenntniß des größeren Publikums bringen. Wir beginnen mit
Michel Sauerkraut, geb. den 11. August 843. Er liegt zwischen dem 46° u. 54° nördlicher Breite und dem 24 und 35 Meridian östlich von der Insel Ferro; schlummert süß und träumt angenehm.
Nils SchnapsToping (Geburts-Ort und Datum hypothetisch) balancirt sich zwischen dem 55° und 56° nördlicher Breite und dem 26 und 30 Meridian östlich von der Insel Ferro; frißt Grütze und geberdet sich unanständig.
Es reitet der Herr zum Thor hinaus –
Juhe! nun geht’s in Saus und Braus;
Die Diener sie han ein’n guten Tag
Bei Nichtsthun und bei Weingelag:
Der Herr, als er zurück nun kümmt,
Vom Narren all das Ding vernimmt;
Darob erboßt er sich gar sehr,
Und schilt sie und bedräut sie schwer:
„Wie weiß der Herr denn?“ fragen sie.
„Der Narr verräth uns!“ sagen sie.
Sie greifen und sie binden ihn,
Und bläuen ihn und schinden ihn;
Und wieder reitet der Ritter aus;
Und kommt vor Abend nicht nach Haus.
„Nun, Hänslein mein, wie steht die Sach’?“
«Mumm! mumm!» „heraus doch mit der Sprach’,
So wie der Narr das Wort vernimmt,
Ein großer Schreck ihn überkümmt;
Er machet sich der Kleider los,
Und zeiget ihm den Rücken bloß:
[184]
Die verehrlichen Subscribenten, welche die Fliegenden Blätter mit Post beziehen, belieben ihre gefälligen Bestellungen auf den 2ten Band, von dem die 1ste Nummer bis Ende Oktober ausgegeben wird, an die resp. Post- und Zeitungs-Expeditionen zu machen, damit in der Zusendung kein Aufschub eintritt.
München, Verlag von Braun & Schneider. – Papier und Druck von Fr. Pustet in Regensburg.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Die Österreicherin Fanny Elßler war eine der bekanntesten Tänzerinnen des 19. Jahrhunderts.
- ↑ Im Original: dir.
- ↑ Der Begriff Rebus bezeichnet ein Bilderrätsel. Vgl. Wikipedia-Artikel Rebus.