Fliegende Blätter Heft 14 (Band 1)

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Titel: Fliegende Blätter Heft 14 (Band 1)
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aus: Fliegende Blätter, Band 1, Nr. 14, S. 105–112
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
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Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: MDZ München, Commons
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Bestellungen werden in allen Buch- und Kunsthandlungen, sowie von allen Postämtern und Zeitungsexpeditionen angenommen.
Nro. 14.
Erscheinen monatlich zwei bis drei Mal. Subscriptionspreis für den Band von 24 Nummern 3 fl. 36 kr. R.-W. od. 2 Rthlr. Einzelne Nummern kosten 12 kr. R.-W. od. 3 ggr.



Schwärzer-Launen.


Auf der bayerischen Grenze in der Scharnitz treibt seit Jahren ein verwegener Mensch das Schwarzmachen, welchen wir eben so gut beim rechten Namen zu nennen wüßten, wie die Mautner und Grenzjäger, die oft genug seine Bekanntschaft machten, den wir aber in diesen Blättern umtaufen wollen, ihm und uns zu lieb. Er könnte, wenn er’s erführe, die Veröffentlichung seines Namens falsch verstehen, da dieser bisher nur in Steckbriefen gedruckt zu lesen war, und daß es sich mit dem Manne nicht gut in einer gewissen Spannung lebt, werden wir aus dieser Geschichte baldigst erfahren.

Der „Ranggelbube“, wie er heißen soll, so gut er auch alle Kniffe und Pfiffe seines Handwerkes kannte, und obendrein die Keckheit von einem Dutzend seiner Spießgesellen allein im Leibe hatte, war auch nicht immer glücklich in seinen Geschäften, wie das allen Leuten begegnet, die durch etwas gewagte Speculationen reich werden wollen.

Bei dem Gewerbe, dem er sich gewidmet hatte, und für das zufällig keine Patente ertheilt werden, rechnen die Ausübenden nicht ohne Scharfsinn darauf, daß diejenigen, die ihnen einen Strich durch die Rechnung machen sollen, solches unterbleiben lassen, oder wenigstens es nicht sehr ernstlich damit nehmen. Es ist ein leidiges Geschäft, bei Tag und Nacht auf allen Jöchern umher zu kriechen, auf daß man zum Schlusse, ob eines Pfundes Kaffee oder einer Rolle Tabak, von einem Schmuggler auch noch todt geschossen werden könne, und wenige Menschen werden sich, auch wenn sie dafür bezahlt werden, dazu berufen fühlen.

So hatte denn auch der Ranggelbube in Erfahrung gebracht, daß die Zöllner es vorzögen, bei Weib und Kind ruhig zu schlafen, und, wenn sie ihm etwa einmal auf einer Streife begegneten, in einem großen Bogen seitab auszuweichen, sobald sie ihn mit der Kraxe auf dem Rücken und dem Stutzen in der Hand in weiter Ferne erspähten. Deßhalb war er ganz zutraulich geworden, lief am hellsten Tage mit seiner Waare, und rief den Grenzjägern den freundlichsten guten Morgen zu, wenn er auf irgend einer Hochalpe ein verzagtes Paar dieser Grünspechte ausfliegen sah; ob dieser großen Sicherheit aber gab er sich kaum mehr die Mühe, zu erfahren, was in der umpfahlten Mautnerherberge [106] Neues vorging, und so blieb’s ihm ein Geheimniß, daß daselbst ein neuer Gewalthaber angekommen war. Die Menschen haben oft die wunderlichsten Passionen; was andere nicht um schweren Lohn thun, treibt der Eine aus purem Vergnügen, und in eben dieser Weise kannte der neue Zöllner keine größere Seligkeit, als die Schwärzerjagd. Vom Ranggelbuben vernahm er alsbald die verlockendsten Schilderungen, und da er einmal Wind hatte, verhalf er sich auch schnellstens auf die rechte Spur. Im lieben Mondenscheine wandelte der Schwärzer einmal über’s Grenzjoch, da sprang der Zöllner hinter einem Heustadel hervor, und ehe sich’s der Ranggel-Pauli versah, war er gepackt und sicher verbändelt.



Darauf ward der Pauli nach Innsbruck in’s Zuchthaus verschickt, und konnte zwei Jahre lang beim Wollhächeln darüber nachdenken, ob er oder der Kaiser bei diesen Streitigkeiten im Rechte sei. Es scheint, er entschied sich für’s erstere, denn da er frei ward und heimkehrte, brachte er durchaus keine größere Achtung für die Zollgesetze mit sich, und machte, schwarz, was ihm in die Hand kam. –

Sein böser Feind, sein strenger Grenzhüter, stund wohl noch auf seinem Posten, und seine Lust, Defraudanten einzufangen, war nicht geringer geworden, wohl aber seine Kraft, denn ein Gebreste hatte ihn heimgesucht, dem kein Arzt gewachsen war, weil der Patient leider an der Krankheit Gefallen fand. In der einöden Wüstenei seiner frühern Station, im Böhmerwald, hatte der grimmige Wächter bereits seinen einzigen Freund und Tröster im Kruge gefunden, und hier im wilden Tyrolergestein floß ihm nun zufällig der Labetrunk doppelt aus dem Bierfasse im bayerischen Mittenwald und aus der Weinkandel im Scharnitzer Dörflein. Es kam dahin, daß der Zöllner tagtäglich betrübter ward und eben so tagtäglich sich reichlicheren Trost bald im Gersten-, bald im Rebensaft erholen mußte, dabei aber nicht immer den hellen Blick und die sichere Faust sich bewahrte, mit welchen er früher amtirt hatte. Solche Leibesschwachheit seines Widersachers gab dem Ranggelbuben seine ganze vorige Verwegenheit wieder, und auch ohnehin schien er, seit er aus dem gelben Vogelhaus in Sanct Niklas entlassen war, weit weniger Gründe zu haben, sich zu scheuen vor Gericht und Kerker. Dem Mautner hatte er aber dennoch durch sichere Hand melden lassen, er möge ihm aus dem Wege gehen, da er sonst ob der versessenen zwei Jahre mit ihm „raiten[1]“ würde. Der drohte hinwieder, der Pauli verlachte ihn, und als der Beamte Miene machte, ihm ernstlich zu Leibe zu treten, erklärte der Schwärzer, er werde seine Büchse nicht mehr mit Hasenschrot für die Beine des Zachäus, sondern mit einer Kugel für dessen Kopf laden.

In einer unwirschen Aprilnacht hatte sich der Ranggelbube zu Mittenwald bei seinem Helfershelfer die Kraxe vollgepackt mit Kontrebande, seinen breiten Rücken damit beschwert, seinen geladenen Stutzen unter die Juppe gewickelt, zum Schluß einen tüchtigen Spritzer Weihbrunnen und ein flinkes Kreuz darüber zu sich genommen, und war also reisefertig in Gottes Namen hinausgewandelt vor den Flecken. Es gehwindete abscheulich, und das Wetter machte den Buben alsbald so fuchsteufelswild, daß er mit dem lieben Herrgotte im Himmel zu zanken anfing, um so weniger also gesonnen war, irgend Einem auszuweichen. Mitten in das dichte Schneegestöber, das seinen rothen Bart in kürzester Frist in den eines Greises verwandelte, sang er zwischen ergiebigen Flüchen laut und den Sturm überschreiend alle Schnadahaggen gegen Mautner und Gensd’armen, die ihm beifielen. So kam er hinaus, wo auf der freiern Weitung über die junge Isar her, der Wind so recht mit aller Macht zu streifen vermag; vor ihm flimmerte im grauen Nebelbrodem der fahle Lichtring irgend einer verspäteten Lampe aus den Zollgebäuden, – links ab mußte nun bald sein Pfad bergauf geben nach dem Grenzgebirge. Hier hallte seine Stimme recht mächtig über die Haide, und nach einem kecken Jauchzer sang er:

„Und kummat der Teufel
„Heunt selbst auf mi an,
„Ich schießet’n z’samm’
„Wie ’n’an alt’n Fasan!“


  1. raiten – rechnen

[107] Noch war er mit dem Trutzlied nicht zu Ende, so stieß er mit dem Fuße an etwas quer über die Strasse liegendes, das er früher nicht bemerkt, da ihm der Wind gerade wieder eine Handvoll Flocken in die Augen geschüttelt hatte. Er dachte an ein Stück Holz oder einen Getraidesack, den etwa ein Fuhrmann verloren haben könnte, und trat ziemlich derb mit dem Fuße auf das Ding; das aber gab darauf einen Laut von sich, halb ein Seufzer, halb ein Knurren, und Pauli spürte nun, daß es etwas Lebendiges wäre. Er bückte sich zu dem Wesen nieder, das sich hier eine so ungute Liegerstätte gewählt hatte, und weil er im dämmerigen Schneeschein nicht zum Besten sehen konnte, half er sich mit Tasten nach, um zu erkennen, wen er da vor sich habe. Es war ein Mensch, – im Gesichte, an den Händen eiskalt, halb eingeschneit, dem Erfrieren näher als dem Aufthauen, – ein Verunglückter, ein Kranker.

Nun kniete der Pauli ganz zur Erde nieder, und suchte dem Manne näher in’s Gesicht zu sehen, rüttelte auch aus allen seinen Kräften an dem Erstarrten, um ihn von dem verderblichen Schlafe zu erwecken. Ein nochmaliges Knurren, wie ein scharfer Blick in das Antlitz des Hilflosen bestätigte die Ahnung, die in selbem Augenblicke in des Schwärzers Kopfe aufstieg. Vor ihm lag der Zöllner aus der Scharnitz; in Mittenwald mochte der mit schwerem Kopfe spät aufgebrochen seyn, und vom Rausch und Unwetter überwältigt, entweder niedergeworfen, oder, wie das Trunkene pflegen, in der süßen Meinung, in’s warme Bett zu steigen, freiwillig dieß gefährliche Lager gefunden haben.



Der Ranggelbube sprang jählings auf. „Hätt’ ich dich einmal,“ rief er wildfrohlockend. „Jetzt woll’n wir mitsammen raiten!“ und rasch griff er nach dem abgelegten Gewehre. Es knackte der Hahn, eine Weile stund er ganz still, – dann lachte er plötzlich hell auf und warf das abgespannte Gewehr über die Schulter.

„Der Teufel ist ja so voll, daß er’s gar nicht einmal merkte, wer ihm das Licht ausgeblasen hätt’, – dasselbe wär mir zu schlecht, – mit wem ich raufe, der muß dächt sehen und auf den Füßen stehen! – Warte Heiter, wir wollen lieber mitsammen heimgehen, – ’s wär dächt schad, wenn du nur so erfrieren müßtest!“

Mit all seiner Kraft faßte er den erstarrten Mautner vorne an der Brust, stellte ihn aufrecht und mit einem behenden, mächtigen Schwunge warf er ihn auf die Kraxe, und während er ihn bei den Armen festhielt, damit er nicht mit dem unfühlbaren Körper hinabgleite, trabte er, so schnell er konnte, mit der schweren Last gerade den Zollgebäuden zu.

Das große Gitter war sorgfältig versperrt, Pauli griff nach dem Glockendrahte und schellte aus allen Kräften. Alsbald kamen in Pelz und Schlappschuh und mit Laterne und Schlüßel die Thorhüter aus dem Hause, und unter der Thüre erschienen noch obendrein vorsichtige Grenzjäger, die das überlaute Geklingel aufgeweckt hatte. Scheltend öffnete der Zöllner dem einzelnen Manne, der aber rasch hereintrat und gerade auf das Haus zuging, wo die Andern mit Licht warteten.

„Der Ranggelbube“ riefen sie mit einemmale und wußten nicht, wie ihnen geschehe. Der aber nahm mit der frühern Gewandtheit seinen Mann vom Rücken, legte ihn vor die Stufen des Zollhauses und sagte dazu: „Da habt Ihr Euern durstigen Zachäus!“

Darnach rückte er sein Hütel etwas nach der Seite, wie zum Gruße, und ging mit der Kraxe voll Kontrebande ruhig durch die Zollstätte seinen Weg vorwärts, zum erstenmale unangefochten und höflichst bekomplimentirt von seinen Erbfeinden. –

Derselbe Ranggelbube trieb neben seinem Schmugglergewerbe zum Vergnügen aber auch etwas Wilddieberei und dabei leisteten seine jüngern Brüder eifrige Hülfe. Nun ist ein Förster durch ein solches Vermessen eben so leicht erzürnt, als ein Zollbeamter durch das Schwarzmachen; und obendrein hat der Waidmann gewöhnlich mehr heißes Blut, und ist gleich sehr aufgelegt, Wilddiebe zu schießen, wie Gemsen und Hirsche. So führten denn auch die Ranggelbuben und der Förster in der Riß ihren Krieg ernstlich genug, und zu öfternmalen war des Einen Blei hart an des Andern Ohr vorbeigepfiffen zur Warnung, daß man wohl auch besser zu zielen verstünde. Einmal that der Jäger einen zu guten Schuß, und ich weiß nicht mehr genau, ein Bruder oder sonst ein Kamerad des Pauli blieb todt am Platze.

Wochen darnach an einem schönen luftigen Sommerabende, saß der Förster in seiner Stube am offenen Fenster und [108] spielte mit seinem ersten einzigen Kinde, einem zweijährigen Mädel. Es war ein liebes, herziges Ding, kugelrund und voll Leben, seine vollen Wänglein glänzten wie ein Röslein im innersten Kern, und hundert feine Goldlocken ringelten sich um sein Köpfchen. Es stund auf des Vaters Knieen, blieb aber nicht die Minute ruhig, es trampelte mit beiden Füßen, zerrte an des Försters großem Schnautzbart, und wenn ihm der scherzend abwehrte und es sanft auf’s Händlein schlug, dann konnte es so herzlich lachen, daß es schütterte und der Alte nicht minder mitlachen mußte. Dazwischen aber that es auch wie ein rechtes Schmeichelkätzlein und halste mit den kurzen Aermchen den Vater und gab ihm Küße nach den Dutzenden, und wenn er fragte: „Mariele, wer bist du?“ – so antwortete es: „Vater sein Pullele“[1] – und schmiegte sich wieder recht fest an seine breite Brust.

Der Mann und sein Kind wiederholten geraume Zeit ihr zärtliches Spiel, dazu tändelte der laue Abendwind in den Rosenbüschen im schmalen Gärtlein, und die Linden neben dem einsamen Hause dufteten, und ein breiter Goldstrom fluthete ober den Bergen, – es war eben ein recht schöner, friedlicher Abend.

Mit einemmale krachte in der nächsten Nähe ein Schuß, und über des Försters Haupt hinweg schlug die Kugel in’s Getäfel der Stube. Der fuhr auf, und umfaßte in erster Angst sein Kind und starrte verwirrt aus dem Fenster. Da stund neben dem Gartenzaun ein Bauer mit dem Stutzen in der Hand und sprach: .„Ich bin’s schon, der Ranggel-Pauli. – Ohne das Kindel da hättest du jetzt auch schon deinen letzten Athemzug gethan! B’hüt dich Gott, Förster!“

– Damit ging er seines Weges; – er hat gar seltsame Launen, der Ranggelbube.



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Nachstehend einige Proben der Illustrationen.

[109]


Robinson hat Schiffbruch gelitten und rettet sich schwimmend und mit augenscheinlicher Lebensgefahr auf eine Insel, von welcher er nicht weiß, ob sie bewohnt oder unbewohnt ist.



Robinson sieht sich ganz verlassen und einsam auf dem Eilande. Stumme Verzweiflung. Rechts im Hintergrunde das Wrack des Schiffes; links die untergehende Sonne, an deren Strahlen Robinson sein Sacktuch trocknet.



Robinson hat sich allmählich etablirt, Kleider und Waffen selbst verfertigt und geht auf die Jagd.



In Ermangelung von Pferden gründet Robinson für sich allein einen Lama – Jockey – Clubb.

[110]


Robinson findet mit seinem Sklaven Freitag einen Klumpen Gold (14 carat). Beide äußern ihr freudiges Erstaunen. Freitag bemerkt, daß selbst unter den Wilden nicht oft so viel Gold auf einmal gefunden worden. Der Fall sei ihm ganz neu.



Robinson hat sich aus den Trümmern eines an der Insel gestrandeten Schiffes unter andern Gegenständen auch Pulver und Blei verschafft und jagt mit dem Donner seines Geschützes den Häuptling eines Stammes Wilder, welche am Meeresufer Menschenopfer feierten, in die See.



Eines Abends gewahrt Robinson durch sein Fern-Rohr einen Punkt am fernen Horizont, den er als ein vorübersegelndes englisches Linienschiff erkennt.



Das Schiff nähert sich. Der Capitain landet mit einigen Matrosen. Gegenseitige Begrüßung. Robinson ist gerettet und kehrt in sein Vaterland zurück. –

[111]


Frühlingscorso.


Der Frühling kam in’s Land herein!
Mit Ehrenpreis und Veigelein
War ihm das Hütlein rings umsteckt;
Mit Blüthenstaub der Schuh bedeckt –

5
Sieht ihn die Biene vor der Zelle:

„Grüß’ Gott, du lieblicher Geselle!“
Dann fliegt sie schnell zum Nest heraus
Hinüber an des Nachbars Haus,
Und als sie’s noch verschlossen sah,

10
Klopft sie und ruft: „Der Lenz ist da!“

Da öffnet sich das braune Haus,
Ein bunter Falter fliegt heraus,
Hat sich die Mähr’ erzählen lassen,
Und freut sich d’rob ohn’ alle Massen.

15
Und wie sie plaudern noch zusamm’,

Maikäfer hergeflogen kam,
Der hört vom Lenz das frohe Wort,
Und trägt es flugs von Ort zu Ort,
Erzählt’s den Brüdern allzumal

20
Auf Flur und Wald, auf Berg und Thal –

Der Heuschreck, tief versteckt im Gras,
Hört von der Kunde dieß und das,
Und wispert d’rauf in aller Stille
Zum Heimchen und zur braunen Grille,

25
Was von dem Lenz und seiner Pracht

Maikäfer für Geschrei gemacht.
Tagfalter auch, der leichte G’sell’,
Verplaudert, was er weiß, zur Stell’,
Und bringt – den Honig noch im Munde –

30
Den Wasserjungfern diese Kunde.

Auch Bienlein hat nicht still geschwiegen,
Erzählt’s den Mücken und den Fliegen:
Und kaum in einer Stunde Zeit
Weiß es die Sippschaft weit und breit. –

35
Da ging zusammen der Senat,

Und faßt Beschluß im großen Rath,
Daß man den Frühling, wenn man wollte,
Mit einem Corso feiern sollte!
Dieß ward mit Freuden acceptirt.

40
Maikäfer war schnell resolvirt,

Und baut sich aus dem Löwenzahn
Ein feines, leichtes Zweigespann,
Und setzet von Waldmeisterlein
Vier dunkelgrüne Räder ein,

45
Und rief das Bienchen freundlich her,

Und bat, daß es ihm Kutscher wär.
Der Heuschreck und sein Hauskumpan
Bot selber sich als Rößlein an. –
Bald zog es her von allen Seiten,

50
Den Frühlingscorso zu begleiten. –

Welch’ lustig’, duftiges Gespann,
Ein Paar Libellen vorne d’ran,
Und in dem Kelch von Maienglocken
Thät Holzbock und sein Liebchen hocken;

55
Zwei Rädlein d’ran von Kaiserkron’

Das gab den schönsten Phaëton.
So ging es dann durch Flur und Halde
Und durch das Moos im Buchenwalde.
Die Vöglein han sich rings gefreut

60
Ob all’ der Pracht und Herrlichkeit

An Wagen, Kutschen und Karrossen
Aus Blättern und aus Blüthensprossen,
Daß sie darauf aus freien Willen
Zur Fahrt begannen aufzuspielen. –

65
O welch’ ein Glück, o welch ein Glück

In der Insektenrepublik!
Da baut und zimmert sich Jedwed’
Sein Wäglein, wenn’s zum Corso geht:
Das ganze Proletariat

70
Fährt mit dem Hocharistokrat.

Goldkäfer thut sich nicht geniren,
Das Blumenwäglein zu kutschiren,
Darin der Todtengräber liegt,
Und sich am Honigkränzlein wiegt.

75
Und wer nicht mithält, fliegt herum,

Und keiner gafft sich stumm und dumm,
Und keiner macht zu seiner Qual
Denselben Weg zehntausend Mal!


E. F.

[112]

Monumente.
Dem Erfinder der Polka.


Der Tanz ist das Pedal bei dem großen Orgelwerke der Liebe. – Nimm der Orgel das Pedal – den Baß: so bleibt eine Drehorgelei; nimm der Liebe die Füsse – resp. den Tanz: so geht und steht, hüpft und tanzt und schwebt nichts mehr in der Liebe. Und Flügel hat eben auch nicht jeder! ……

Den Werth des Tanzes hier genügend zu preisen, liegt ausser dem Bereiche des gegebenen Raumes; aber den bis jetzt ungekannten Erfinder des herrlichsten der Tänze, „der Polka,“ an’s Licht zu bringen, sei hiemit unsre schöne Aufgabe – sei uns Pflicht!

Wie die Dramatiker historische Personen verunstalten, ist hinlänglich bekannt; man denke an Don Carlos, Faust, Tell, Rumelpuff und andere. So erging es auch unserem Helden, den Nestroy in einer seiner Possen benützte, und auf Kosten der Wahrheit und unsterblichen Verdienstes, ein paar schöne Seiten desselben als Hauptsache hervorhob.

Wie viele berühmte Männer aller Zeiten, war auch er dem unteren Stande entsprossen; Familienverhältnisse verbieten uns aber bis jetzt, um Niemanden zu compromittiren, nähere Aufschlüsse über seine Herkunft u. s. f. zu geben; (wir deuten in der Beziehung nur auf das neuerdings in England geschehene Verbot der Polka auf Hofbällen, was allerdings mit wichtigen diplomatischen Fragen der Jetztzeit zusammenhängt) es genüge daher vor der Hand folgende Notiz:

Franz Zwirn, zu Anfang dieses Jahrhunderts nahe bei Waldsassen geboren, und zufällig zu demselben Fache bestimmt, das uns etliche Jahrzehente zuvor den Erfinder des Frackes schenkte, war schon in zartester Jugend ein Liebling Terpsichorens, und mußte im 16. Jahre wegen einer Ehrensache, die er mit einem Schusterlehrling hatte, über die Grenze flüchten. Wir treffen ihn ein paar Jahre später auf dem Prager Nationaltheater als Statistiker und Partner unter dem angenommenen Namen: Tresak, mehr ausser, als auf der Bühne bekannt, als so eine Art Don Juan. Man erinnere sich an die damaligen eleganten Bälle im Convikt-Saale auf der Altstadt. In diese Zeit fällt auch die eigentliche Erfindung der Polka. Wieder ein paar Jahre später finden wir ihn in Warschau mit der Frau einen Kaufmannes durchgehend; jetzt ist er – wenigstens bürgerlich – todt, und tanzt in Amerika oder sonst wo – Polka. –

Die Galoppade ist ein türkisch-jäher Angriff auf das Mädchenherz – viel Geschrei und Lärm aber auch mit dem ersten Sturme abgeschlagen: der Polka hingegen, der schmachtend fordernden, widersteht kein Mädchenherz – dieses glückliche Milieu zwischen Tanz und festem Sturmschritt, diesen süsse Schwanken zwischen Walzer und Polnisch, das gemüthliche Deutsche und pikante slavische Element so reizend – so herrlich verschmolzen – ach! ……

Und was du liebst, wovon dir das Herz voll – davon geht dir der Mund über; – unsre deutsche Sprache ist wieder um ein paar schöne Worte reicher geworden: „ich polke, polk du, gepolkt, polken,“ wird indeß nicht nur vom Tanzen gebraucht, sondern auch als Schmeichellaut, als Liebes- Diminutivchen, Kosewort, und kann überhaupt alles bedeuten, aber immer nur Freudiges, Angenehmes, so z. B. „warum polkst du mich so an?“ (statt, schaust du mich so schmachtend an) oder „sie hat so etwas Polkendes in ihrem Blick“ (statt, Reizendes) sodann „Polkine“ (als Mädchenname) „Herzens-Polkerl“ u. s. f. –

Was schlüßlich die Ausstattung des Monumentes betrifft, so sind die jetztleeren Herzen an der Säule eben so viele Rahmen für die Namen ausgezeichneter Polkisten und Polkistinnen, oder solcher, die bei der Polka ihre Herzen verloren, und die der Comité in frankirten Briefen gefälligst überpolkt werden mögen.




München, Verlag von Braun & Schneider.Papier und Druck von Fr. Pustet in Regensburg.