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Neues vorging, und so blieb’s ihm ein Geheimniß, daß daselbst ein neuer Gewalthaber angekommen war. Die Menschen haben oft die wunderlichsten Passionen; was andere nicht um schweren Lohn thun, treibt der Eine aus purem Vergnügen, und in eben dieser Weise kannte der neue Zöllner keine größere Seligkeit, als die Schwärzerjagd. Vom Ranggelbuben vernahm er alsbald die verlockendsten Schilderungen, und da er einmal Wind hatte, verhalf er sich auch schnellstens auf die rechte Spur. Im lieben Mondenscheine wandelte der Schwärzer einmal über’s Grenzjoch, da sprang der Zöllner hinter einem Heustadel hervor, und ehe sich’s der Ranggel-Pauli versah, war er gepackt und sicher verbändelt.



Darauf ward der Pauli nach Innsbruck in’s Zuchthaus verschickt, und konnte zwei Jahre lang beim Wollhächeln darüber nachdenken, ob er oder der Kaiser bei diesen Streitigkeiten im Rechte sei. Es scheint, er entschied sich für’s erstere, denn da er frei ward und heimkehrte, brachte er durchaus keine größere Achtung für die Zollgesetze mit sich, und machte, schwarz, was ihm in die Hand kam. –

Sein böser Feind, sein strenger Grenzhüter, stund wohl noch auf seinem Posten, und seine Lust, Defraudanten einzufangen, war nicht geringer geworden, wohl aber seine Kraft, denn ein Gebreste hatte ihn heimgesucht, dem kein Arzt gewachsen war, weil der Patient leider an der Krankheit Gefallen fand. In der einöden Wüstenei seiner frühern Station, im Böhmerwald, hatte der grimmige Wächter bereits seinen einzigen Freund und Tröster im Kruge gefunden, und hier im wilden Tyrolergestein floß ihm nun zufällig der Labetrunk doppelt aus dem Bierfasse im bayerischen Mittenwald und aus der Weinkandel im Scharnitzer Dörflein. Es kam dahin, daß der Zöllner tagtäglich betrübter ward und eben so tagtäglich sich reichlicheren Trost bald im Gersten-, bald im Rebensaft erholen mußte, dabei aber nicht immer den hellen Blick und die sichere Faust sich bewahrte, mit welchen er früher amtirt hatte. Solche Leibesschwachheit seines Widersachers gab dem Ranggelbuben seine ganze vorige Verwegenheit wieder, und auch ohnehin schien er, seit er aus dem gelben Vogelhaus in Sanct Niklas entlassen war, weit weniger Gründe zu haben, sich zu scheuen vor Gericht und Kerker. Dem Mautner hatte er aber dennoch durch sichere Hand melden lassen, er möge ihm aus dem Wege gehen, da er sonst ob der versessenen zwei Jahre mit ihm „raiten[1]“ würde. Der drohte hinwieder, der Pauli verlachte ihn, und als der Beamte Miene machte, ihm ernstlich zu Leibe zu treten, erklärte der Schwärzer, er werde seine Büchse nicht mehr mit Hasenschrot für die Beine des Zachäus, sondern mit einer Kugel für dessen Kopf laden.

In einer unwirschen Aprilnacht hatte sich der Ranggelbube zu Mittenwald bei seinem Helfershelfer die Kraxe vollgepackt mit Kontrebande, seinen breiten Rücken damit beschwert, seinen geladenen Stutzen unter die Juppe gewickelt, zum Schluß einen tüchtigen Spritzer Weihbrunnen und ein flinkes Kreuz darüber zu sich genommen, und war also reisefertig in Gottes Namen hinausgewandelt vor den Flecken. Es gehwindete abscheulich, und das Wetter machte den Buben alsbald so fuchsteufelswild, daß er mit dem lieben Herrgotte im Himmel zu zanken anfing, um so weniger also gesonnen war, irgend Einem auszuweichen. Mitten in das dichte Schneegestöber, das seinen rothen Bart in kürzester Frist in den eines Greises verwandelte, sang er zwischen ergiebigen Flüchen laut und den Sturm überschreiend alle Schnadahaggen gegen Mautner und Gensd’armen, die ihm beifielen. So kam er hinaus, wo auf der freiern Weitung über die junge Isar her, der Wind so recht mit aller Macht zu streifen vermag; vor ihm flimmerte im grauen Nebelbrodem der fahle Lichtring irgend einer verspäteten Lampe aus den Zollgebäuden, – links ab mußte nun bald sein Pfad bergauf geben nach dem Grenzgebirge. Hier hallte seine Stimme recht mächtig über die Haide, und nach einem kecken Jauchzer sang er:

„Und kummat der Teufel
„Heunt selbst auf mi an,
„Ich schießet’n z’samm’
„Wie ’n’an alt’n Fasan!“


  1. raiten – rechnen

Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/110&oldid=- (Version vom 29.1.2017)