Textdaten
<<< >>>
Autor: Heinrich Steinitz
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Feuerländer in Berlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 732–735
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[732]

Feuerländer in Berlin.

In dem Augenblicke, wo die nachstehende Culturskizze in die Presse gelangt, hat voraussichtlich der prächtige zoologische Garten in der Hauptstadt des deutschen Reiches die wilden Gäste bereits aufgenommen, welche unser Bild darstellt, jene Bewohner der ewig feuchten, gleichmäßig kühlen Magellansstraße, welche nach Oscar Peschel von allen Seefahrern als „Schreckbilder der Menschheit“ beschrieben werden. Auf Fürsprache des Gouverneurs von Punta Arenas, des Herrn Wood, hat die chilenische Regierung dem Capitain G. Schweers gestattet, auf dem Hamburger Dampfer „Theben“ elf Feuerländer, die von einer der Inseln der südlichsten Inselgruppe von Südamerika (Hermite) stammen, nach Europa überzuführen, und zwar unter der Garantieleistung, daß dieselben nach einer gewissen Zeit in ihre Heimath zurückgebracht werden. Am 18. August dieses Jahres landeten die Pescherähs, wie sie noch Bougainville nennt, ehe sie Charles Darwin „Feuerländer“ getauft, in Havre und wurden im Acclimatisationsgarten zu Paris untergebracht. Dort erregten sie – vier Männer, vier Frauen und drei Kinder, von denen leider dasjenige, das sich durch ein besonders intelligentes Gesicht und Wesen auszeichnete, plötzlich starb – das lebhafteste Interesse der Pariser Bevölkerung.

Auch ihre primitiven Canoes, Waffen und andere Utensilien haben die Feuerländer aus ihrer feuchten Heimath mitgebracht. Die Berichte, welche über sie in französischen Zeitungen veröffentlicht wurden und durch Correspondenten nach Deutschland gelangten, weichen nicht wesentlich ab von den Mittheilungen der Reisenden, welche die Wilden in ihrem Lande beobachteten und schildern sie übereinstimmend als widerliche Geschöpfe, die noch im Uranfange menschlicher Cultur stehen, wenn von solcher überhaupt bei ihnen die Rede sein kann. Sie sind etwa fünf Fuß groß, von dunkler, schmutziger Kupferfarbe, während ihr Haupt mit schwarzen struppigen Haaren bedeckt ist, die zum Theil auf das Gesicht herabfallen. Sie kennen anscheinend nicht einmal die reinigende Eigenschaft des Wassers, also noch weniger den Gebrauch der Seife; sie gehen – Männer, Frauen und Kinder – völlig nackt. Nur als Schutzmittel gegen die rauhe Witterung benutzen sie ein Seehundsfell, welches sie mittelst einer Sehne am Halse befestigen und, je nach der Richtung des Windes, entweder auf der Brust oder auf dem Rücken tragen. Muschelthiere und Seehundsfleisch dienen ihnen als Nahrung, aber gekochte Speisen deren Genuß sie krank macht, verschmähen sie durchaus. Dagegen soll es ein Fest für die Feuerländer sein, wenn die Fluth den Leichnam eines Walfisches an ihre Küsten treibt, dessen Körpertheile sie in rohem Zustande verschlingen.

Die Feuerländer sind die einzigen Südamerikaner vom Aequator bis zum Cap Horn und vom Cap Horn bis weit über den La Plata, die das Meer in hohlen Baumstämmen befahren. Von dem beständigen Feuer, welches sie auf diesen Kähnen unterhalten, haben Land und Leute den Namen erhalten.

Die Bewohner der Magellan'schen Inselwelt, denen es bei der hohen Dampfsättigung der Luft schwer werden würde, Holz in Brand zu stecken gehören zu den wenigen Menschenstämmen, welche Funken aus Felsenkiesen schlagen und sie in Zunder auffangen.

[733]

Feuerländer-Typen.
Originalzeichnung von J. Bungartz.

[734] Neben dieser Erfindung erwähnt Peschel als einen Beweis dafür, daß auch diesen geringsten aller Menschen nicht gänzlich der Scharfsinn fehlt, noch die von Darwin gemachte Beobachtung, daß die Feuerländer bei der Vermehrung ihrer Jagdhunde die Regeln der Rassezüchtung befolgen. Peschel hebt außerdem die Thatsache hervor, daß es, vom La Plata angefangen, bis zum Cap Horn und vom Cap Horn längs der Westküste Südamerikas bis fast zur Landenge von Panama zur Zeit der Entdeckung keinen Volksstamm gegeben hat, der auf den Einfall gerathen wäre, andere Fahrzeuge zu verfertigen als Flöße; folglich mußte die Erbauung von Kähnen in den Magellan’schen Gewässern von Neuem erfunden werden, und die Erfinder waren eben die Feuerländer, bei denen die eigenartige Küstengestaltung gewisse Lebensgewohnheiten und Fertigkeiten hervorgerufen hat.

Ursprünglich besaßen sie, wie Capitain Wilkes erzählst freilich auch nur Kähne aus Baumrinden, die über ein Gestell gespannt und zusammengenäht waren, des Ausschöpfens aber fortwährend bedurften. Später sind jedoch bei ihnen bessere Fahrzeuge gesehen worden, und es wird sogar ihre Kalfaterung gerühmt. Immerhin sind die Feuerländer nur als Anfänger im Seemannshandwerk zu betrachten, und Peschel schließt aus ihren schwachen Versuchen, so wie aus der in ihren Händen befindlichen Waffe, der Schleuder, welche sonst selten bei maritimen Stämmen angetroffen wird, daß sie früher auf dem Festland, wie die ihnen verwandten Araucaner oder Patagonier, von der Jagd gelebt haben, und schließlich, von stärkeren Nachbarn aus ihren Revieren verdrängt, zu dem Wagniß einer Ueberfahrt nach dem nächsten Küstenland und zur Jagd auf Seethiere genötigt worden sind.

Nach der allmählichen Ausrottung der Seehunde, an denen das Feuerland sehr reich war, müssen sich jetzt die Feuerländer meist mit Schalthieren und Fischen begnügen.

Darwin, der, als Begleiter des Capitain Fitzroy auf seiner großen Reise um die Erde im Jahre 1832, auch das Feuerland besucht und in seinen am Bord des Kriegsschiffes „Beagle“ verfaßten Tagebüchern die scharfsinnigsten und wertvollsten Beobachtungen niedergelegt hat, schildert das Feuerland als ein Bergland, welches zum Theil in das Meer versunken ist, sodaß tiefe Buchten die Stellen einnehmen, wo früher Thäler sich ausdehnten Die bergigen Strecken sind, mit Ausnahme der exponirten westlichen Küste, vom Wasserrande aufwärts mit einem großen Walde bedeckt. Die Bäume wachsen auf den Bergen bis zu einer Höhe von 800 bis 450 Meter über dem Meeresspiegel; auf diese Zone folgt dann ein Streifen Land mit kleinen niedrigen Alpenpflanzen und diesem wieder die Linie des ewigen Schnees, welche in der Magellans-Straße bis zur Höhe von circa 1000 Meter herabsteigt.

Man findet nur äußerst selten einen Acker ebenen Bodens in irgend einem Theile des Feuerlandes. Ueberall aber ist die Oberfläche desselben von einer dicken Schicht morastiger Torfes bedeckt. Selbst innerhalb des Waldes wird der Boden durch eine Masse langsam faulender vegetabilischer Substanzen verborgen, welche, weil sie vom Wasser durchleuchtet sind, dem Fuße nachgeben. Ein anderes Mal schildert Darwin beim Besteigen des etwa 600 Meter hohen Mont Taru die düstern Waldungen, deren jedes Markzeichens entbehrende Dichtigkeit den Wanderer zwingt zum Compaß seine Zuflucht zu nehmen.

„In den tiefen Schluchten,“ sagt unser Gewährsmann, „ging die todtenartige Scenerie der ödesten Stille über alle Beschreibung; draußen blies ein heftiger Sturm, aber in diesen Hohlwegen bewegte nicht einmal ein Windhauch die Blätter der höchsten Bäume. Alles war so düster, kalt und naß, daß selbst nicht die Pilze und Moose gedeihen konnten. In den Thälern war es kaum möglich fortzukriechen, so vollständig waren sie von großen modernden, nach allen Richtungen hin umgestürzten Baumstämmen verbarricadirt. Ging man über diese natürlichen Brücken, so wurde man oft dadurch aufgehalten, daß man knietief in das verfaulte Holz einsank; wenn man ein andermal versuchte, sich an einen festen Stamm anzulehnen, so erschrak man, eine Masse zerfallener Substanz zu finden, bereit, bei der geringsten Berührung umzustürzen. Endlich befanden wir uns zwischen den verkümmerten Bäumen und erreichten dann bald den kahlen Rücken, der uns auf den Gipfel führte. Hier hatten wir eine für das Feuerland charakteristische Aussicht: unregelmäßige Bergketten, gefleckt durch Haufen von Schnee, tiefe gelblich-grüne Thäler und Meeresarme, welche das Land in vielen Richtungen durchschnitten. Der starke Wind war durchdringend kalt und die Atmosphäre etwas dunstig, sodaß wir nicht lange auf dem Gipfel blieben. Das Herabsteigen war nicht ganz so mühsam wie das Hinaufsteigen; denn das Gewicht des Körpers erzwang sich einen Weg, und alles Ausrutschen und Fallen geschah in der gewünschten Richtung.“

In diesen düsteren, immergrünen Wäldern wächst an den Buchenstämmen in ungeheurer Menge ein kugliger hellgelber Pilz von schleimigem, ein wenig süßem Geschmack, der ein Hauptnahrungsmittel der Feuerländer bildet.

Von Säugethieren erwähnt Darwin außer Walfischen und Robben eine Fledermausart, einige Maus- und Fuchsarten, dann die Seeotter, das Guanaco oder das wilde Llama und eine Hirschart, die sich indeß meist in den trockenen östlichen Theilen des Landes aufhält.

Die düsteren Wälder sind nur von wenig Vögeln bewohnt; am häufigsten begegnet man dem Baumläufer, der überall in den Buchenwäldern, hoch oben und tief unten, in den allerdüstersten, nassen und unzugänglichsten Schluchten zu finden ist. Eigentümlich ist die Abwesenheit fast aller Reptilien; selbst der Frosch kommt dort nicht vor.

Das Klima des Feuerlands schildert Darwin als gleichmäßig feucht und windig. Aus einer kleinen vergleichenden Tabelle über die Temperaturverhältnisse, die er mitteilt, geht hervor, daß die Durchschnittstemperatur des centralen Theils des Feuerlandes im Winter kälter und im Sommer um nicht weniger als 91/2 Grad kühler ist als in Dublin.

Dieses unwirthliche Land wird nun von einem sehr elenden Menschenschlage bewohnt. Nach Darwin's Schilderung, die auch von anderen Reisenden bestätigt wird, scheinen die Feuerländer den benachbarten Patagonier der Magellansstraße nahe verwandt zu sein. Die Wilden, die ihm bei der Landung zuerst begegneten, bestanden aus Leuten, auf welche die oben von uns angedeuteten Merkmale zutreffen. Der Hauptsprecher war ein alter Mann, der ein Stirnband aus weißen Federn rund um den Kopf gebunden hatte, welches zum Theil sein schwarzes, verwildertes Haar zusammenhielt. Quer über sein Gesicht zogen sich zwei breite Streifen; der eine, hellroth gemalt, reichte von einem Ohr zum andern und schloß die Oberlippe mit ein; der andere, weiß wie Kreide, lief parallel mit dem ersten, sodaß selbst die Augenbrauen des Mannes weiß gefärbt waren.

„Die Gesellschaft war,“ fügt Darwin hinzu, „durchaus den Teufeln ähnlich, welche in Stücken, wie der ‚Freischütz‘, auf die Bühne kommen.“ Diese Wilden begrüßten die Landenden in eigenthümlicher Weise. Durch das Geschenk eines rothen Tuches, welches die Feuerländer sofort um ihren Hals banden, ward zunächst die gegenseitige Freundschaft begründet. Dies drückten die Wilden so aus, daß der schon erwähnte alte Mann den Ankömmlingen die Brust beklopfte und eine Art glucksendes Geräusch machte, wie die Leute thun, welche Hühnchen füttern. Diese wiederholten Beweise der Freundschaft wurden mit drei Schlägen beschlossen, welche gleichzeitig auf die Brust und auf den Rücken gegeben wurden.

Die Sprache der Feuerländer verdient nach europäischen Begriffen kaum articulirt genannt zu werden. Capitain Cook hat sie mit den Lauten verglichen, die ein Mensch beim Reinigen seiner Kehle macht – aber, bemerkt dazu Darwin, sicher hat kein Europäer jemals seine Kehle mit soviel Gutturalen und glucksenden Geräuschen gereinigt. Darwin schildert an weiteren Stellen seines Tagebuches andere Gruppen der Eingebornen noch weit abschreckender. So bezeichnet er einmal sechs Feuerländer, die in einem Canoe neben ihm und seinen in der Nähe der Wollaston-Insel an’s Land gehenden Gefährten sich befanden, als die elendsten Geschöpfe, die er irgend wo gesehen. Während die Eingebornen an der Ostküste Guanaco-Mäntel und die auf der Westküste Robbenfelle, bei der centralen Stämmen die Männer meist eine Otternhaut oder doch irgend einen ähnlichen, freilich zur Bedeckung nicht hinreichenden schmalen Streifen als Bekleidung tragen, waren die Feuerländer in dem Canoe völlig nackt, und selbst eine ganz erwachsene Frau in Eva’s Costüm. Diese armen elenden Geschöpfe waren in ihrem Wachsthum verkümmert; ihre häßlichen Gesichter hatten sie mit weißer Farbe beschmiert; ihre Haut war schmutzig und fettig, ihr Haupthaar verwirrt, ihre Stimme mißtönend.

„Erblickt man solche Menschen,“ sagt Darwin, „so kann man sich kaum zu dem Glauben bekehren, daß sie unsere Mitgeschöpfe und Bewohner einer und derselben Welt sind.“ Und doch geht aus den persönlichen Beobachtungen des berühmten Forschers hervor, [735] daß auch in diesen elenden Geschöpfen das Licht der Vernunft stammt, wenn das Flämmchen auch noch so schwach und unentwickelt ist. Darwin schildert die Neugierde und Ueberraschung der Eingebornen recht drastisch; in einer Gesellschaft von achtundzwanzig Mann, die unter dem Commando des Capitain Fitzroy nach der östlichen Mündung des Canals aufgebrochen war, landete er eines Tages – es war um die Mittagszeit unter einer Gruppe von Feuerländern.

„Anfangs,“ berichtet er, „waren sie nicht geneigt, freundlich zu sein; denn bis der Capitain an der Spitze der anderen Boote heranruderte, hielten sie ihre Schleudern in der Hand. Wir entzückten sie aber bald durch unbedeutende Geschenke, z. B. durch ein rothes Band, das sie um ihre Köpfe banden. – Es war ebenso leicht, diese Wilden zu amüsiren, wie es schwer war, sie zufrieden zu stellen. Junge und Alte, Männer und Kinder hörten nicht auf, das Wort „Yammerschooner“, was ‚gieb mir‘ bedeutet, zu wiederholen. Nachdem sie fast jeden Gegenstand, einen nach dem andern, selbst die Knöpfe an unsern Röcken bezeichnet und ihr Lieblingswort in soviel Ausdrucksweisen wie nur möglich gesagt hatten, sprachen sie es dann in einem neutralen Sinne aus und wiederholen tonlos: ‚Yammerschooner‘. Nachdem sie für jeden einzelnen Gegenstand sehr eifrig geyammerschoonert hatten, wiesen sie, einen sehr einfachen Kunstgriff gebrauchend, auf ihre jungen Frauen und kleinen Kinder, was soviel heißen sollte als: ‚wenn ihr’s mir nicht geben wollt, dann werdet ihr’s doch denen geben‘.“

Darwin macht auch auf die außerordentliche Fähigkeit dieser Wilden, alle Bewegungen, Geberden und selbst die Sprache der fremden Ankömmlinge nachzuahmen, aufmerksam. Sobald diese husteten und gähnten, ahmten es die Feuerländer augenblicklich nach. Sie wiederholten auch mit vollständiger Correctheit jedes Wort in irgend einem Satze, der an sie gerichtet wurde, und erinnerten sich sogar eine Zeit lang solcher Worte, spanischer und auch deutscher und englischer. Sie baten nur Messer, die sie mit dem spanischen Worte cuchilla bezeichneten. Vom Tausch hatten sie deutliche Begriffe. Darwin gab einem Manne einen großen Nagel, ohne irgend ein Zeichen zu machen, daß er eine Gegengabe erwarte. Der Feuerländer suchte sofort zwei Fische aus und überreichte sie ihm auf der Spitze seines Speeres.

Der einem Heuschober in Größe und Gestalt ähnliche Wigwam der Feuerländer besteht nur aus einigen wenigen abgebrochenen in die Erde gesteckten Aesten und ist in der Regel an der einen Seite sehr unvollkommen mit ein paar Gras- und Binsenschichten bedeckt. An der Westküste sind indeß, wie Darwin berichtet, die Wigwams im Ganzen besser; denn sie sind dort mit Robbenfellen ausgekleidet. Des Nachts schlafen in diesen Räumen fünf oder sechs nackte und kaum vor dem Winde und Regen dieses stürmischen Klimas geschützte Wesen auf der Erde, wie Thiere zusammengekauert. So oft Ebbe ist, müssen sie – sei es Winter oder Sommer, Tag oder Nacht – aufstehen, um Muscheln von den Felsen zu sammeln. Wird eine Robbe getödtet oder das treibende Aas eines Walfisches entdeckt, so giebt es ein Fest, und solche elende Nahrung wird nur durch einige wenige geschmacklose Beeren und Pilze gewürzt. Geistige Getränke verschmähen die Feuerländer; dagegen ist ihr eifriges Bestreben auf die Erwerbung von Tabak gerichtet, für den sie alle ihre Geräthe bereitwillig hingeben.

Leider kann nach den Berichten aller Reisenden kaum noch gezweifelt werben, daß die Feuerländer Menschenfresser sind, wenn sie auch vielleicht nur durch die bei ihnen allerdings sehr häufige Hungersnot zu dieser entsetzlichen Entwürdigung des Menschengeschlechts veranlaßt werden. Darwin erwähnt die Mittheilungen von Eingeborenen, nach welchen diese, wenn sie im Winter vom Hunger geplagt werden, eher ihre alten Weiber tödten und verzehren, als ihre Hunde schlachten, da die letzteren Ottern fangen.

Die Waffen der Feuerländer bestehen zumeist aus Bogen und Pfeilen, von denen der Marine-Stabsarzt Dr. Essendorfer im vorigen Jahre in der „Berliner anthropologischen Gesellschaft“ einige Exemplare vorgezeigt hat. Der Schaft des Bogens ist von sehr hartem Holz, die Sehne ein gedrehter Robbendarm. Die Pfeile, aus leichtem Holz angefertigt, sind an einem Ende gefiedert, am anderen stumpf und mit einer kleinen Spalte versehen, in welche die Pfeilspitzen erst beim Gebrauch eingesetzt werden. Die Pfeilspitzen bestehen aus einer grünen glasartigen Masse und stehen bei den Eingeborenen in hohem Werthe; sie geben dieselben nur ungern und für verhältnißmäßig hohe Tauschobjecte her. Auch eines primitiven messerartigen Instruments, dessen Griff aus einem etwa spannelangen Stück Holz besteht, an welches ein mandelförmiges grünes, an den Rändern geschärftes Stück einer glasartigen Masse befestigt war, erwähnt Dr. Essendorfer. Im Uebrigen stimmt seine Schilderung der Feuerländer, denen er im Sommer des Jahres 1878 begegnet ist, mit derjenigen Darwin’s dem Wesen nach überein. Ueber die Religion der Feuerländer konnte Darwin nichts Bestimmtes ermitteln. Sie begraben ihre Todten zuweilen in Höhlen, doch kennt man die Ceremonie nicht, die sie dabei beobachten. Daß sie, wie alle Wilden, abergläubische Gebräuche haben, geht indeß aus der Thatsache hervor, daß jede Familie oder jeder Stamm einen Zauberer oder Beschwörungsmeister besitzt.

Eine eigentliche Regierungsform kennen die Feuerländer nicht. Sie leben in anarchischer Gleichberechtigung der Eine neben dem Andern. Die gegenwärtig in Berlin weilenden Feuerländer sind indeß nicht die ersten, welche mit europäischer Cultur in Berührung kommen. Dasselbe Kriegsschiff „Beagle“, auf dem Darwin sich befand, als er das Feuerland besuchte, hatte drei Bewohner jenes Landes an Bord, welche wenige Jahre vorher durch den Capitain Fitzroy nach England gebracht und dort auf Kosten der englischen Regierung erzogen und unterhalten worden waren. Einer dieser Feuerländer, Jenning Button getauft, war sogar eine Zeitlang in vornehmen Gesellschaften als Schooßkind verhätschelt worden, hatte in Europa stets Handschuhe und blankgeputzte Stiefeln getragen und sprach sogar englisch. In seine Heimath zurückgebracht und mit seinen Verwandten vereinigt, wurde er aber bald wieder der frühere nackte, ungewaschene und ungekämmte Feuerländer.

Wir dürfen übrigens hoffen, daß der diesmalige Aufenthalt der Feuerländer in Europa, und insbesondere in Deutschland, dazu beitragen wird, unsere bisherigen Kenntnisse über diesen uncivilisirtesten Menschenstamm richtig zu stellen und zu erweitern.

Heinrich Steinitz.