Das Leuchten lebender Wesen
Das Leuchten lebender Wesen.
In dunkler Nacht, wenn Stern und Mond nicht glänzen
Umquillt phosphorisch Licht den morschen Baum;
Traun, ihn umwallt von seinen todten Lenzen
Ein leuchtender und schöner Grabestraum.
Anastasius Grün.
Zu den die bewegliche Phantasie des Menschen am stärksten erregenden Naturerscheinungen gehört sicherlich auch die Lichtausstrahlung zahlreicher lebender Wesen, deren Erklärung bis vor wenigen Monaten aller Bemühungen der Naturforscher gespottet hat. Man hat früher wohl angenommen, daß die Lichtentwickelung an todtem Fleisch, gesalzenen Seefischen, faulem Holz u. dergl. m. nicht zu derselben Classe von Erscheinungen gehöre, und durch die Verwesung dieser Stoffe, die ja ein langsamer Verbrennungsproceß ist, bedingt werde, ja daß selbst das Meerwasser nur in Folge der Anhäufung verwesender organischer Materie in ihm leuchte. Allein seit längerer Zeit bereits weiß man, daß auch in diesen Fällen stets lebende Organismen, oft der allerniedersten Organisation, die sich bei der Zersetzung einfinden und sie befördern, die unmittelbaren Ursachen der Lichtentwickelung bilden.
Einen der interessantesten Fälle dieser Art beobachtete Dr. Rüësch in Bern vor vier Jahren. Im April 1877 wurde er nämlich durch einen Schreckensruf, der ihm aus der Vorrathskammer entgegentönte, veranlaßt, nachzusehen, was es gäbe, und er fand sein Dienstmädchen erschrocken vor einer Schüssel stehen, in welcher etwa ein Dutzend durchaus nicht übel riechender, frischer Schweinscotelettes so lebhaft in grünlichem Lichte leuchteten, daß die Gesichter der Umstehenden zu erkennen waren, ja daß er die Bewegung des Secundenzeigers an seiner Taschenuhr verfolgen konnte. Das Mikroskop zeigte als Ursache dieser leuchtenden Erscheinung eine Menge kugelförmiger Bakterien die sich leicht auf anderes rohes Fleisch übertragen ließen und daselbst sich ausbreitende Leuchtflecken bildeten, bis nach einigen Tagen mit eintretender Fäulniß das Licht erlosch.
Der Metzger, aus dessen Laden die Cotelettes geholt worden waren, theilte mit, daß seit mehreren Wochen alle Sorten rohen Fleisches in seinen Verkaufsräumen leuchtend würden, und dieser Spuk dauerte, trotz aller Reinlichkeitsmaßregeln und Desinfectionen, von Ostern bis Pfingsten fort. Aehnliche Erscheinungen sind schon in älterer Zeit öfter beobachtet und zum Grunde abergläubischer Meinungen gemacht, worden; aus der Anatomie in Heidelberg sah man auch einmal die menschlichen Leichen leuchten. Auch hatte schon früher Florian Heller bemerkt, daß es sich um einen kleinen lebenden Organismus handele, der mit der Fäulniß selbst nichts zu thun habe und den er Sacrinoma noctiluca nannte. In allen diesen Fällen sah man, daß mit der beginnenden Fäulniß das Leuchten aufhörte, und schon vor mehreren Jahrhunderten hatte Boyle erkannt, daß Flüssigkeiten, welche lebende Organismen tödten, wie z. B. Weingeist, das Leuchten von todtem Fleische oder todten Seefischen sofort auslöschen. Man sieht also, daß das Leuchten hier mit dem Lebensproceß eines mikroskopischen Wesens zusammenhängt, welches so winzig und so einfach organisiert ist, daß die modernen Forscher es als sogenanntes Urwesen (Protist) betrachten weil sie es weder zu den echten Pflanzen, noch auch zu den niedern Thieren zu stellen wagen.
Sehr viel häufiger beobachtet man gewöhnlich dieselbe Erscheinung an dem morschen Holze abgestorbener Bäume, und der hohe entrindete Stumpf eines solchen mag gar häufig, wie es in einem bekannten Gedichte geschildert wird, furchtsamen Personen als leuchtendes Gespenst erschienen sein und sie in’s Bockshorn gejagt haben. Wie mikroskopische Untersuchungen gezeigt haben, handelt es sich hier ebenfalls nicht um das verwesende Holz, sondern um die Fäden eines Pilzes, des sogenannten Byssus phosphoreus, welcher gleich dem in der Unterlage aller Pilze schmarotzenden Nährgewebe (Mycelium) schimmelartig das morsche und feuchte Zellgewebe des Holzes durchwuchert und ihm seinen Nahrungsstoff entzieht. Die Pilze neigen überhaupt in sehr verschiedenen Formen dazu, ein phosphorisches Licht zu verbreiten und in dumpfigen Brunnen und feuchten Bergwerken sieht man das alte morsche Holz der Zimmerung nicht selten von einem Netz ziemlich derber und fester Pilzstränge bedeckt, die auch, einem Wurzelgeflecht vergleichbar, frei von den Stollen herabhängen und über und über, oder wenigstens an den jüngern Trieben leuchtend, phantastische Vorhänge weben die dieser unterirdischen Räumen das Aussehen verzauberter Gnomenpaläste geben. In manchen Gegenden, wo dieses Leuchten seltener vorkommt, sah der zu allerlei Aberglauben neigende Bergmann, und diesmal nicht ganz ohne Grund, in diesen Lichterscheinungen geheimnißvolle Warnungszeichen des nahenden Einsturzes der Zimmerung, aber an andern Orten sind sie eine alltägliche Erscheinung, und in einigen feuchtwarmen Gruben bei Pilsen soll der Lichtschimmer zuweilen so stark geworden sein, daß man die Grubenlichter auslöschen und dabei arbeiten, ja sogar grobe Druckschrift lesen konnte. Ueber die Eigenart dieses Rhizomorpha subterrana genannten Pilzes ist man noch nicht völlig im Klaren, und es ist behauptet worden, daß sie nur eine Art unfruchtbarer Wucherungen der sonst zu Feuerschwamm verarbeiteten Baumschwämme seien, wie sie in ähnlicher Weise auch unter der loser Rinde absterbender Bäume vorkommen.
Aber nicht blos in der Unterwelt giebt es derartige, dem bloßen Auge sichtbare Glühpilze, sondern auch, wenigstens in wärmeren Ländern, auf der Oberwelt. Im südlichen Frankreich und in den übrigen Mittelmeerländern findet man im Frühjahr und Spätherbst einen auf den Wurzeln der Oliven und anderer Bäume schmarotzenden, meist Gruppen bildenden, rothgelben Hutpilz (Agaricus olearius), dessen blattreiche Unterseite des Nachts, ohne übrigens einen besonderen Geruch zu verbreiten lebhaft phosphorescirt und auch die Finger beim Anfassen leuchtend macht.
Solche phosphorescirende Hutpilze scheinen in den meisten warmen Ländern vorzukommen, und mehrere derselben, wie Agaricus ignarius auf Amboina, A. noctilucens auf Manila, A. limpidus auf Java und A. Gardneri in Brasilien, strahlen [699] ein ganz intensives Licht aus. Natürlich haben diese pflanzlichen Kobolde einen lebhaften Sagenkreis um sich hervorgerufen, und auf sie bezieht sich augenscheinlich, was der alte Aelianus von der Pflanze Aglaophotis erzählt, „die sich am Tage unter den andern verbirgt und durchaus nicht in die Augen fällt, zur Nachtzeit aber sich auszeichnet und wie ein Gestirn strahlt; denn sie ist leuchtend und gleicht dem Feuer. Die Leute stecken deshalb ein Zeichen an der Wurzel ein und entfernen sich; denn wenn sie dies nicht thun würden, könnten sie sich am Tage weder der Farbe erinnern, noch der Gestalt.“
Die Einsammlung dieser Pflanze, der man die wunderbarsten Eigenschaften zuschrieb, mußte nach Aelian mit derselben Vorsicht wie bei der berühmten Mandragorawurzel geschehen: man ließ sie durch einen schwarzen Hund, den man mit Fleisch lockte, herausziehen; der Hund starb augenblicklich. Noch abenteuerlicher beschreibt der jüdische Historiker Josephus die Einsammlung derselben Pflanze, die er Baaras nennt und als von Dämonen besessen schildert.
„Sie hat eine flammendrothe Farbe,“ sagt er, „und schießt des Nachts Strahlen von sich; will man sie nehmen, so ist sie sehr schwer mit der Hand zu fassen, indem sie gleichsam entschlüpft,“ was Alles nur auf diese schlüpfrigen Leuchtpilze zu passen scheint. In neuerer Zeit wurde dem Orientreisenden Seetzen von einem Augenzeugen über eine ähnliche, „des Nachts im Feuer stehende Pflanze“ berichtet, die im Frühjahre bei den alten Libanoncedern wachse und nur eine kurze Dauer haben sollte, da sie alsbald von den Ameisen und Ziegen, deren Zähne sie mit einem goldglänzenden Firniß überziehe, gefressen würde. Die Bewohner der Umgegend trachteten eifrig nach dem Besitze dieser Wunderpflanze, die in dem Rufe steht, auch unechte Metalle, wie die Zähne der Ziegen, in Gold zu verwandeln, und wenn man auch, um der Neugierde Seetzen’s zu genügen, ihm ein getrocknetes Exemplar eines andern Gewächses gezeigt zu haben scheint, so dürfte es sich hier doch ebenfalls um einen der aus den Wurzeln der Cedern schmarotzenden, leuchtendenen Hutpilz handeln. Man wird an diese kleinen, ebenso schnell abschießenden wie verschwindenden Gestalten auch durch die Sagen von den brennenden Schätzen und dem leuchtenden Golde erinnert, welches sich für Den, der das rechte Wort nicht weiß, in Koth oder ein Häufchen schwarzer Kohlen verwandeln sollte; denn bekanntlich lösen sich die Pilze nach wenigen Tagen in Schleim auf, der sich in eine schwarze Masse umwandelt.
Auch unter den mikroskopischen Brandpilzen scheint es einige leuchtende Arten zu geben, wenigstens wurde der Reisende und Naturforscher Richard Schomburgk auf diese Vermuthung geführt, als er aus seinen Reisen in Britisch Guyana in einer Nacht sein ganzes, aus welken Blättern bereitetes Lager in einem schönen bläulichgrünen Lichte strahlen sah. Unter den Algen giebt es ebenfalls phosphorescirende Arten, und zwar sowohl unter den im Wasser als unter den auf feuchtem Laude vorkommenden Gallertalgen. Die ersteren können wir übergehen, zumal sie bei dem prächtigen Phänomen des Meeresleuchtens den Thieren gegenüber doch nur eine untergeordnete Rolle spielen, die letzteren aber haben eine gewisse Berühmtheit erlangt, da man sie theils für leuchtend herabgefallene Sternschnuppen, theils für das Substrat der Irrlichter gehalten hat.
Der deutsche Naturforscher Chladni, welcher nicht nur die Klangfiguren entdeckt, sondern auch zuerst und unter dem Spotte seiner Zeitgenosse die Natur und den Ursprung der Meteorsteine richtig erklärt hatte, sah im Jahre 1781 während der Dämmerung eines Sommerabends in einem Dresdener Garten viele leuchtende Pünktchen im nassen Grase hüpfen, die sich mit dem Winde bewegten und an den Wagenrädern festklebten, aber schließlich als kleine gallertartige Massen, dem Froschlaich oder gekochtem Sago ähnlich, sich auswiesen, sodaß man versucht wird, dabei an eine bekannte Gallertalge, den sogenannten Nostoc, zu denken.
Diese Beobachtung, der eine ähnliche des englischen Theosophen Robertson Fludd († 1637) zur Seite steht, hatte Goethe im Auge, als er im Faust die Verse schrieb:
„Irrlichter fort! Du leuchte noch so stark,
Du bist gehascht, ein ekler Gallertquark.
Was flatterst du, willst du mich packen?
Es klebt wie Pech und Schwefel mir im Nacken.“
Unter den grünen und beblätterten Pflanzen giebt es nur wenige, bei denen ein nächtliches Leuchte wirklich festgestellt worden ist, obwohl nicht wenige von ihnen in dem Rufe Leuchtpflanzen zu sein gestanden haben. So ist z. B. die grüne Keimpflanze eines kleinen zierlichen Mooses, welches hier und da in Deutschland z. B. an Felsen der sächsischen Schweiz und des Thüringer Waldes vorkommt, des Wedelmooses (Schistostega osmundacea), unschuldig in den Ruf gekommen, zu phosphoresciren. Und es ist wahr, wenn man diese zarten grünen Fäden in der Dämmerung oder im Halbdunkel einer Felsenhöhlung betrachtet, so scheinen sie ein prächtiges smaragdgrünes Licht auszustrahlen, deutlich handelt es sich dabei nur um eine Reflexerscheinung, wie bei dem bekannten Leuchten der Thieraugen.
Die Rückwände der Zellen, aus denen diese Fäden bestehen, wirken nämlich wie kleine Hohlspiegel, die das spärliche Licht der Steinklüfte sammeln, und darum meinte der erste Erforscher dieses reizenden Schimmers der Felsspalten, der Botaniker Plaubel, die Pflanze habe sozusagen ihre eigenen Spiegelvorrichtungen, die das Sonnenlicht sammelten und wie Monde der Pflanze zuwürfen, damit sie noch im Halbdunkel gedeihe könne. Er nannte die junge, dem erwachsenen Moose sehr unähnliche Keimpflanze, die er für ein besonderes Gewächs hielt, deshalb auch den Smaragdspiegel (Catoptridium smaragdinum).
Aehnliche Reflexerscheinungen sieht man auch bei anderen Moosen, und eine bekannte Gartenblume, die Mondviole, läßt nach dem Verblühen und Fruchtreifen in den stehenbleibenden Scheidewänden ihrer Schötchen silberglänzende Spiegelchen zurück, die im Mondschein lebhaft schimmern, und in einem Schriftchen des deutschen Naturforschers Conrad Gesner „über die seltenen und bewunderungswürdigen Pflanzen, welche entweder, weil sie bei Nacht leuchte, oder aus anderen Ursachen Mondpflanzen (Lunariae) genannt werden“, die Hauptrolle spielen.
Ebenso wenig Anspruch auf den Name der Phosphorescenz hat eine andere, sehr viel besprochene Erscheinung, welche zuerst voll der Tochter des großen Linné, Elisabeth Christine, an einem Juli-Abende 1762 in Upsala beobachtet worden ist. Linné berichtete in den „Schwedischen Jahrbüchern der Wissenschaften“, daß seine Tochter und darauf auch er selbst an den Blüthen der Kapuzinerkresse (Tropaeolum), jener in den gewöhnlichsten Bauergärten verbreiteten Zierpflanze, eine eigentümliche Lichterscheinung wahrgenommen habe, die er nicht zu erklären wage und die vielleicht von dem Widerschein eines unsichtbaren Nordlichtes an der feuerfarbenen Blume herrühre möchte. „Das Leuchten,“ sagt er, „besteht in einem so schnellen Aufblitzen eines Scheines, daß er nicht flüchtiger gedacht werden könnte.“ Denselben bläuliche Schein haben zahlreiche andere Beobachter später in der Dämmerung auch an den Blumen der Feuerlilie, Sonnenblume, Ringel- und Studentenblume, sowie des orientalischen Mohnes bemerkt, kurz all lauter Blumen von lebhaft gelber, orange- und feuerrother Farbe. Die botanische Verschiedenheit der hier in Betracht kommenden Blumen genügt schon, um die von Goethe und anderen Naturbeobachtern ausgesprochen Vermuthung zu unterstützen, daß es sich hier nur um das bläuliche Nachbild dieser Blumen handeln möchte, welches in der Nähe derselben auftaucht, sobald man das Auge wendet, ebenso wie man überall grüne und violette Nachbilder der untergehenden Sonne erblickt, wenn man dieselbe einen Augenblick betrachtet hat. Der Umstand, daß man jenes Leuchten nur in der Dämmerung (und nicht bei Nacht) und nur bei Blumen von der bekanntlich sehr energisch auf die Netzhaut wirkenden orangegelben Farbe erblickt, unterstützt obige Vermuthung in jeder Beziehung.
Im Uebrigen ist zu wiederholte Male auch zweifellose Phosphorescenz bei höheren Pflanzen beobachtet worden, so von K. von Szyts, der die Blätter der Kermespflanze (Phytolacca) des Nachts beobachtete, wie sie bald in gelblich, bald in bläulich grünem Lichte schimmerten, und durch den berühmte Reisende von Martius, der in Brasilien eines Abends den Milchsaft einer darnach Eupornia phosphorea) getauften Wolfsmilchart in dem Augenblicke leuchten sah, wo er beim Abbrechen eines Zweiges aus der Wunde trat. Die Luft war gewitterhaft und das Thermometer zeigte 20 Grad Réaumur, nachher, als es auf 16 Grad gesunken war, hörte das Leuchten auf, und wurde auch in der Folge nicht wieder beobachtet.
[700] Ueber die Ursache des Leuchtens der niederen Gewächse sind eine große Anzahl von Untersuchungen angestellt worden, die den verschiedensten Forschern ziemlich übereinstimmende Resultate ergeben haben. Das Leuchten aller dieser Lebewesen wird von Feuchtigkeit und Wärme begünstigt und erfordert vor Allem den Zutritt von Sauerstoff oder atmosphärischer Luft. Im stark luftverdünnten Raume leuchten alle diese Pflanzen schwach, dagegen stärker in reinem Sauerstoff oder in verdichteter Luft. In Wasserstoff-, Stickstoff- oder Kohlensäuregas hört das Leuchten auf. Besonders interessant sind die Versuche, die Bischof mit den Rhizomorphen und Fabre mit dem südeuropäischen leuchtenden Hutpilz angestellt haben. Sie schlossen lebende und mit genügender Feuchtigkeit versehene Exemplare luftdicht in Glasgefäßen ein und beobachteten ihr Verhalten und ihre Ausscheidungen. Bischof sah hierbei die weißen Triebspitzen der Rhizomorphen neun Tage lang weiterleuchten, und als er nach dem Aufhören des Leuchtens die Luft des Gefäßes untersuchte, fand er den gesammten Sauerstoff derselben verzehrt und in Kohlensäure verwandelt. Fabre beobachtete obendrein, daß der leuchtende Hutpilz der Oelbäume während des Leuchtens bei weitem mehr Kohlensäure erzeugt, als wenn er zu leuchten aufgehört hat.
Da leuchtendes Holz, leuchtendes Fleisch etc. sich ganz ähnlich verhalten, so kam man zu dem sehr einfachen Schlusse, daß allen diesen verschiedenartigen Leuchtprocessen ein dem Leuchten des Phosphors entsprechender Vorgang zu Grunde liegen müßte, nämlich die langsame Verbindung eines bestimmten organischen Körpers mit dem Sauerstoff der Luft. Daß diese Substanz nicht mit dem Phosphor einerlei ist, ergaben die in beiden Fällen verschiedenartigen Oxydationsproducte, die beim Phosphor aus phosphoriger Säure, bei den leuchtenden Pflanzen aus Kohlensäure bestehen. Es ist also klar, daß durch den Lebensproceß der Pflanze unter Umständen eine kohlenstoffhaltige Substanz gebildet wird, die sich unter Lichtentwickelung langsam mit dem Sauerstoff verbindet und darum ebenso wie der leuchtende Phosphor keine fühlbare Wärme spüren läßt. Im Gesammtverhältniß mag jedoch bei dieser langsamen Verbrennung ebenso viel Wärme frei werden, wie bei der mit Flamme verbundenen stürmischen Verbrennung, aber dasselbe Stückchen Phosphor, welches entzündet unter bedeutender Wärmeentwickelung in wenigen Secunden verbrennt, würde Wochen und Monate gebrauchen, um sich unter bloßer Phosphorescenz zu oxydiren; die in jedem Augenblick bei dieser langsamen Verbrennung frei werdende Wärme ist daher zu gering, um empfunden zu werden, und gleicht sich im Entstehen schon wieder mit der Temperatur der umgebenden Körper aus.
Wie wir im folgenden Artikel genauer sehen werden, bestehen noch andere bedeutsame Aehnlichkeiten zwischen dem Leuchten des Phosphors und dem der organischen Körper, aber die sich früh aus diesem Vergleich der beiden Vorgänge aufdrängende Erkenntniß der wahren Ursachen der Phosphorescenz lebender Wesen wurde durch das von vorgefaßten Meinungen ausgehende Studium der Leuchtthiere eher gehemmt als gefördert.
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„Welch' leuchtendes Wunder verkläret die Wellen
Die gegen einander sich funkelnd zerschellen?
So leuchtet's und schwanket und hellet hinan:
Die Körper sie glühen auf nächtlicher Bahn,
Und rings ist Alles vom Feuer umronnen -
So herrsche denn Eros, der alles begonnen!
Faust.“
Während die Zahl der leuchtenden Pflanzen eine leicht übersehbare bleibt,
ist diejenige der Leuchtthiere Legion, und sämtliche
Classen des Thierreichs sind unter ihnen vertreten. Namentlich
gilt dies von den im Meere lebenden Thiere, unter denen
Infusorien, Seefedern, Quallen, Würmer, Seesterne, Krebse, Sackthierchen,
Muscheln, Schnecken und Fische, jegliches in seiner Art,
zu jenem prachtvollsten aller Feuerwerke beitragen, welches man
das Meeresleuchten nennt. Ueberall, von den Polen bis zum
Aequator leuchtet das Meer in günstigen Nächten, wenn auch in
den warmen Zonen am stärksten, und Dr. Noll in Frankfurt am
Main sah im vorletzte Frühjahr sogar sein Seewasser-Aquarium im
Zimmer von kleinen Leuchtwesen durchfunkelt, die bei einem hastigen
Stoße aufblitzten. Denn eine gewisse Erregung, wie sie sonst der
Wellenschlag hervorbringt, befördert das Aufleuchten, und da, wo
der Kiel des Schiffes die Meeresfläche durchfurcht, oder eine
Schaar Delphine sie im luftigen Getümmel aufwühlt, dort scheint
das Wasser zum sprühenden Feuer geworden, und der fliegende
Fisch zieht, wie eine Rakete, einen Funkenregen glühender Tropfen
nach sich. Inmitten der kleineren Lichtpunkte, die das Wasser bei
genauerem Hinschauen allwärts durchfunkeln, ziehen große Leuchtquallen
oder Seewalzen und Leuchtfische, wie aus glühendem Metall
geformt, daher, und Züge kettenförmig an einander gereihter Salpen
bilden an der Oberfläche feuerige Schlangen von ungeheurer Ausdehnung.
Schleiden und andere Autoren haben in neuerer Zeit behauptet, im Alterthum müsse das Mittelmeer, welches jetzt so herrlich leuchtet, diese Fähigkeit nicht besessen haben; denn sonst ließe sich nicht erklären, weshalb weder Homer, noch Virgil, noch selbst Plinius dieser herrlichen Naturerscheinung gedenken. Allein schon im fünften Jahrhundert v. Chr. hat der karthaginiensische Seefahrer Hanno in seinem Periplus berichtet, daß er das Meer an der einen Stelle wie mit Feuerstrahlen brennend gefunden habe, und Plinius wie auch Aelian erwähnen ausdrücklich leuchtender Seethiere. Vom Mittelalter an beginnen dann die Versuche, das Meeresleuchten nach physikalischen Grundsätzen zu erklären. Baco von Berulam und Cartesius meinten, daß das Licht durch die Reibung der Meereswellen entstünde; Papin und Andere dachten an einen chemischen Proceß, der dann bald darauf als mit der Fäulniß abgestorbener organischer Substanz in Verbindung stehend aufgefaßt wurde. Inzwischen hatte man um die Mitte des vorigen Jahrhunderts durch Filtration leuchtenden Seewassers mikroskopische Leuchtwesen entdeckt, und 1760 beschrieb Rigaud bereits das verbreitetste aller Leuchtwesen, die Noctiluca ein Gallertbläschen von weniger als Stecknadelkopfgröße, welches man jetzt zu den Urwesen oder Protisten rechnet und welches wegen seiner großen Häufigkeit den Hauptantheil am gleichmäßigen Leuchten des Meereswassers hat. Unter dem Mikroskope sieht man die Oberfläche dieses kleine Wesens, welches von äußeren Organen nur eine Schwimmgeißel aufweist, ganz mit leuchtenden Pünktchen übersäet, eine Anordnung der Leuchtkörperchen, die man unter Anderem auch bei einer kleinen kiemenlosen Nacktschnecke des Mittelmeeres. (Phyllirhoë bucephala) findet, welche, im Dunklen und unter einer starken Lupe betrachtet, auf ihrer gesammten Hautfläche mit unzähligen kleineren und größeren Leuchtpunkten überstreut erscheint. Bei anderen Leuchtthieren fand man, ähnlich wie bei den Leuchtwürmern und Insecten des Landes, die Leuchtorgane an besonderer Körperstellen localisirt und mit bestimmten Absonderungsorganen in Verbindung stehend; man entdeckte die Reizbarkeit dieser Organe durch mechanische, elektrische und Wärme-Einflüsse; sie wird sichtbar, wenn man das Wasser aufwühlt, aber auch wenn man das betreffende Thier im Dunklen direct einem dieser Reize aussetzt, und es knüpfte sich daran die Theorie einer elektrischen Natur dieser Leuchterscheinungen, die besonders durch Humboldt und andere Forscher über thierische Elektricität angebahnt wurde, aber inzwischen gänzlich wieder aufgegeben werden mußte, da sich die Electricität hierbei nur als ein Reizmittel wie jedes andere erwies.
Im Jahre 1834 stellte Ehrenberg in einer besonderen Schrift alles bisher Bekannte über die schon zu einer ziemlichen Zahl herangewachsenen Leuchtthiere des Meeres zusammen, ohne daß man sagen könnte, daß die Erscheinung dadurch an Verständlichkeit gewonnen hätte. Erst in neuerer Zeit, und zwar namentlich durch die unermüdlichen Forschungen des Professor Panceri in Neapel, des Franzosen A. de Quatrefages und der deutschen Physiologen Max Schultze und Pflüger ist in die Erscheinungen hinsichtlich des anatomischen und physiologischen Vorganges einige Klarheit gekommen. Es stellte sich dabei vor Allem Dreierlei heraus, nämlich daß das Leuchten erstens an einen besonderen, meist fettartigen und in Aether löslichen Stoff gebunden ist, der in besonderen Zellen abgelagert wird, zweitens, daß das Leuchten, respective das Hervortreten dieses Stoffes mit der thierischen Reizbarkeit zusammenhängt, und drittens, daß Lufterneuerungsvorgänge dabei im Spiele sind. Betrachten wir diese drei Grundbedingungen nach einander!
Daß es sich um eine besondere Leuchtsubstanz handelt, die von dem thierischen Körper ausgesondert wird und auch nach der Trennung von demselben noch fortleuchtet, wußten schon die Alten: Plinius beschreibt uns, wie der leuchtende Saft der eßbaren Dattelmuschel (Pholas dactylus), den die Flimmerzellen des oberen Mantelrandes absondern, nicht nur im Munde Derer leuchtet, welche das Thier essen, sodaß sie im Dunkeln wie Feuerfresser erscheinen, sondern auch die Finger leuchtend macht, während die herabfallenden Tropfen des Leuchtsaftes selbst noch am Boden und an den Kleidern leuchten, „sodaß,“ wie er wörtlich hinzusetzt, „klar zu Tage liegt, daß ihr Saft dieselbe Eigenschaft besitzt, die wir an ihrem Körper bewundern müssen“.
Der Leuchtstoff selbst ist namentlich bei dem Johanniswürmchen schon früh durch Macaire, Schnetzler und viele andere Chemiker untersucht worden; der Letztere stellte schon vor mehreren Jahrzehnten fest, daß das Leuchten des vom Körper getrennten Stoffes in Luft und Sauerstoffgas in erhöhtem Grade fortdauert, dagegen ganz wie dasjenige der Leuchtpilze in reinem Wasserstoff-, Stickstoff- und Kohlensäuregase alsbald erlischt. Dieselben Beobachtungen sind in späterer Zeit von Matteucci und anderen Forschern bestätigt worden, und es knüpfte sich früh die Meinung daran, daß das Leuchten durch lebendiges Eiweiß bewirkt werde, welches Phosphor, Phosphorwasserstoffgas oder eine andere phosphorhaltige Verbindung ausscheide, die sich in Berührung mit dem Sauerstoff der Luft oxydire. Diese, wie gesagt, ziemlich alte, aber unhaltbare Ansicht ist noch im vorigen Jahre durch den französischen Naturforscher Jousset de Bellesme in einer Arbeit aufrecht erhalten worden, die er der Pariser Akademie der Wissenschaften vor einigen Monaten vorgelegt hat.
Die Annahme, daß nur die lebende Materie leuchte, wird schon durch das Beispiel der Dattelmuschel widerlegt, deren Saft sich aus dem abgeschnittenen Manteltheil sogar eintrocknen läßt und beim Befeuchten mit Süßwasser mehrmals hinter einander zum Wiederaufleuchten gebracht werben kann, aber unzweifelhaft steht das Leuchten mit dem Lebensproceß in directem Verhältniß, ja scheint sogar, wie Kölliker und Panceri, sowie andere Beobachter gefunden zu haben glauben, unter dem Einflusse des Willens zu stehen. Jouffet de Bellesme hat in dieser Beziehung ein interessantes Experiment gemacht, indem er Johanniswürmchen mittelst eines flachen Schnittes der Kopfganglien, das heißt also der Centralorgane des Willens beraubte. Die noch lebenden Thiere leuchteten dann nicht mehr von selbst, sondern nur in Folge äußerer Reize, und zwar sowohl mechanischer, wie der besonders bequem anwendbaren elektrischen Reize. Auch hierbei leuchtete das elektrisch erregte Organ lebhaft auf, aber nur wenn es sich in atmosphärischer Luft oder Sauerstoff befand, nicht aber in Stickstoff, Kohlensäure oder Wasserstoff. Daß aber der Reiz auch in anderer Weise, als durch den Nerv fortgepflanzt werden kann, beweisen diejenigen Leuchtthiere, welche, wie die Noctiluken und niederen Pflanzenthiere, kaum Andeutungen eines Nervensystems besitzen.
[731] Sehr lehrreich in dieser Beziehung sind Experimente, welche Panceri an der leuchtenden Seefeder (Pennatula phosphorea) des mittelländischen und atlantischen Oceans gemacht hast. Dieses zusammengesetzte Thier gleicht einer Vogelfeder mit dickem, schöngeschwungenem Schaft, welches auf beiden Seiten statt der Federbacken Fiedern mit leuchtenden Polypen trägt. Hierbei läuft nun das Aufleuchten der einzelnen Thiere, wenn die Colonie an einem Ende gereizt wird, so langsam von Nachbar zu Nachbar, daß zwei Secunden vergehen, ehe sämmtliche Thiere ihr Licht leuchten lassen. Da sich der Reiz in den Nerven der Wirbeltiere im Durchschnitt sechshundert mal so schnell fortpflanzt und bei diesen wie vielen anderen Leuchtthieren überhaupt noch keine Nerven entdeckt worden sind, so darf man die Nerventhätigkeit durchaus nicht als einen notwendigen Factor bei dem Leuchten ansehen ebenso wenig wie man in diesen niederen Regionen des Thierreiches auf eine bewußte Willensthätigkeit beim Leuchten rechnen darf. Dieses erfolgt eben als Antwort auf irgend welchen äußeren oder inneren Reiz, und möglicher Weise besteht die ganze Wirkung dieses Reizes darin, daß das Leuchtorgan in Folge desselben eine kleine Menge der Leuchtsubstanz mit dem Sauerstoff der Luft in Berührung treten läßt.
Auf diesen Punkt deutet auch die nicht selten vorkommende unmittelbare Verbindung der Leuchtorgane mit den Athmungswerkzeugen hin. Beim Johanniswürmchen treten die letzten Endungen der Luftröhrenäste (Tracheen) mit in den Leuchtorganen liegenden sternförmigen Zellen in Verbindung, die dadurch gestielt erscheinen. Das leuchtende Fett dieser Zellen, welches nach Panceri's Untersuchungen durchaus keine Eiweißstoffe enthält, wird dadurch gleichsam wie die glühenden Kohlen eines Rostes von einem Sauerstoffstrome angeblasen, und man kann sich denken, daß in Folge der großen Menge eintretender Tracheenäste die mit Leuchten verbundene langsame Verbrennung dieser Fettkörper jene Intensität erreicht, die uns den unvergleichlichen Anblick der fliegenden Sterne bei den Männchen einer unserer Arten verschafft. Möglichenfalls besteht also die Folge dieser Erregung des Leuchtorgans hier nicht in der Befreiung des Leuchtstoffs, sondern in der gesteigerter Sauerstoffzufuhr. Zu ähnlichen Betrachtungen führt die vorhin erwähnte Nacktschnecke, deren ganze Oberhaut, wie der gestirnte Himmel, mit Leuchtzellen bedeckt ist. Diese Schnecke ist ausnahmsweise kiemenlos, und ihre gesammte Oberhaut dient hier als Athmungsorgan , sodaß die Leuchtszenen sich auch hier an dem Orte des energischesten Gasaustausches befinden.
Nach alledem muß die ältere Meinung, daß es sich hier gerade wie beim Leuchten des Phosphors und der im vorigen Artikel erwähnten Pilze um die Oxydation und langsame Verbrennung eines vom Körper ausgeschiedenen Stoffes handle, von Neuem betont werden, und es ist dabei gleichgültig, ob der durch äußere Reize und innere Wirkungen angefachte psychologische Vorgang im gegebenen Falle darin bestehst daß die Leuchtsubstanz aus den Vorrathsorganen herausgedrückt und dadurch in Berührung mit dem in der Luft oder im Wasser enthaltenen freien Sauerstoffe gebracht wird, oder ob dem aufgespeicherten Stoffe in seinen durchsichtigen Behältern durch den Athmungsproceß selbst Sauerstoff zugeführt wird. Es tritt nun an uns die Frage heran: ist wirklich ein phosphorhaltiger Stoff als Grundlage des Leuchtprocesses anzunehmen? Schon vor mehreren Jahrzehnten wies Gmelin in seinem großen Handbuche der Chemie wiederholt darauf hin, daß die Leuchtstoffe der Pflanzen keinen unoxydirten Phosphor enthalten und daß man annehmen müsse, es handle sich hier um organische Kohlenstoffverbindungen die sich bei der langsamen Verbindung mit Sauerstoff gerade wie Phosphor verhalten.
In der That hat man mit der Zeit eine Menge phosphorfreier organischer Verbindungen entdeckt, die bei höheren Temperaturen (über 150 Grad C.) im Dunklen leuchten. Dazu fügte im Jahre 1877 der Lemberger Professor Dr. Radziszewski die Beobachtung, daß das Lophin und einige andere organische Verbindungen schon bei 10 Grad C. sehr stark und anhaltend leuchten, wenn sie in Berührung mit Alkalien der Einwirkung der Luft ausgesetzt werden. Derselbe hat diese interessanten Studien fortgesetzt und, wie er vor einigen Monaten in Liebig’s „Annalen der Chemie“ mittheilte, eine große Menge organischer Substanzen entdeckt, die sich in alkalischer Auflösung schon bei niedrigen Temperaturen unter lebhafter und andauernder Lichtentwickelung mit dem Sauerstoffe verbinden. Dahin gehört die Mehrzahl unserer ätherischen und fetten Oele, und alle höheren Glieder der sogenannten Alkoholreihe, zu denen Wachs, Walrath, Cholesterin (Gallenfett) und andere im Pflanzen- und Thierkörper häufig auftretende Stoffe gehören. Dasselbe gilt auch von einigen Körpern deren chemische Natur noch nicht so genau erkannt ist, um sie einer bestimmten chemischen Gruppe zuzutheilen, die aber im Thierkörper häufig vorkommen, wie die Gallensäuren (Glycochol-Taurochol-Cholsäure) und die im thierischen Gehirn, Eiweiß, in den Nerven, Blutkörperchen etc. vorkommenden Protagonstoffe (Lecithin und Cerebrin). Wenn man ein wenig Leberthran oder einen Körper der höheren Alkoholreihe, oder einen der letztgenannten Stoffe in Benzol, Toluol, Ligroin oder Chloroform auflöst und ein Stückchen Aetzkali oder Aetznatron hinzusetzt, so leuchtet die Mischung bei gewöhnlicher Temperatur tage- und wochenlang, so oft man sie umschüttelt, und noch stärker, wenn man sie ein wenig erwärmt.
Obwohl nun alle die letztgenannten Stoffe im lebenden Körper vorkommen, so würde doch die zum Leuchten gehörige Gegenwart von Alkalien der Erklärung Schwierigkeiten bereiten; denn freies Kali, Natron oder ein anderes unorganisches Alkali kann nicht leicht als in den Leuchtorganen gebildet gedacht werden. Hier hat nun Professor Radziszewski seine Theorie der Phosphorescenz organischer Körpern vollendet, indem er zeigte, daß die Gegenwart in organischer Körpern vorhandener zusammengesetzter Alkalien das Leuchten ebenso gut hervorrufen kann, so z. B. das in der Galle, im Gehirn und Eidotter fertig gebildet vorkommende Cholin oder das durch Zersetzung der Gehirn- und Nervensubstanz entstehende Neurin. Löst man ein wenig Lophin, Leberthran, Protagon, Walrath etc. in Alkohol oder Toluol und setzt einige Tropfen Cholin- oder Neurinlösung hinzu, so leuchtet die Mischung schon bei 10 Grad Celsius und noch stärker bei gelindem Erwärmen. Da es sich in vielen dieser Fälle um im tierischen und pflanzlichen Organismus allgemein verbreitete Stoffe handelt, so wäre damit das Leuchten dieser lebenden Wesen ohne alle Schwierigkeit erklärt.
Die Identität dieses durch einfache chemische Processe hervorgerufenen Leuchtens mit demjenigen lebender Körper wird noch durch viele andere Uebereinstimmungen wahrscheinlich gemacht. So hat die spectroskopische Untersuchung ergeben daß die Lichtqualität der genannten Chemikalien bei ihrer langsamen Verbrennung völlig derjenigen der Leuchtpflanzen und -thiere gleich ist. Es ist in der weitaus größter Mehrzahl der Fälle ein weißgrünliches Licht, welches im Spectroskope einen Farbenstreifen zeigt, dem sowohl das rote als das violette Ende mehr oder weniger vollständig fehlen. Ferner muß man sich erinnern, daß die meisten Beobachter die Leuchtsubstanzen als Fettstoffe charakterisirt haben und daß gerade diese zu den am leichtesten und stärksten leuchtenden gehören. Auch ist aufmerksamen Beobachtern nicht entgangen, daß die Berührung der Leuchtorgane mit alkalischen Substanzen den Leuchtproceß zur höchsten Energie steigerte.
So beobachtete Professor Panceri an der mehrerwähnten Leuchtschnecke (Phyllirhoë), daß die Lichterscheinung am glänzendsten wurde, wenn er sie im Dunklen mit Ammoniak übergoß. Dann erglänzte der ganze Körper des Thieres, der rings mit Leuchtzellen bedeckt ist, im herrlichsten bläulichen Lichte, während elektrische Reize bei diesem Thiere ganz wirkungslos waren. Professor Radziszewski hat auch einen Versuch angestellt, um zu ermitteln, wie viel organische Substanz und wie viel Sauerstoff bei diesem Leuchten der langsam verbrennenden organischen Substanz verbraucht werden möchte. Er löste 1,82 Gramm Lophin in fünfundzwanzig Cubikcentimetern concentrirter alkoholischer Kalilösung auf, und es zeigte sich, daß dieselbe zwanzig volle Tage und Nächte in ihrer ganzen Masse leuchtete, ja daß noch am fünfundzwanzigsten Tage ein schwaches Leuchten vorhanden war.
Nimmt man an, daß die gesammte angewandte Lophinmenge in diesen zwanzig Tagen zersetzt worden sei, so folgt, daß für die Stunde 0,00379 Gramm Lophin und 0,000607 Gramm Sauerstoff (also ganz winzige Mengen) nöthig waren, um die fünfundzwanzig Cubikcentimeter Flüssigkeit leuchtend zu erhalten. Man kann darnach berechnen, wie verschwindend klein der Verbrauch eines Leuchtkäfers etc. in seiner kurzen Glanzzeit sein mag.
Die Betrachtung dieses Leuchtprocesses durch langsame Oxydation der Kohlenstoffverbindungen erweckt nun noch ein besonderes Interesse dadurch, daß sie eine fast vollständige Analogie mit dem Leuchten des Phosphors in anderer Beziehung darbietet. Wenn man Phosphorstangen mit feuchter Luft in ein Gefäß bringt, das mit einer Glasglocke zugedeckt ist, so bemerkt man, daß während [732] des Leuchtens dieser Stangen im Dunklen der unter der Glocke enthaltene Sauerstoff ozonisirt wird, um sich darnach um so lebhafter mit dem Phosphor zu verbinden. Es hängt das damit zusammen, daß der Phosphor bei seiner langsamen Verbrennung drei Atome Sauerstoff, also eine ungerade Zahl von Atomen, gebraucht, sodaß, da der gewöhnliche Sauerstoff aus paarigen Atomen besteht, immer unpaariger, dreiatomiger Sauerstoff (Ozon) oder auch oxydirtes Wasser entstehen müssen, Körper, welche die langsame Verbrennung steigern und eben dadurch wahrscheinlich das Leuchten erzeugen, das sonst nur schneller Verbrennung eigen ist.
Nun ist es gewiß kein Zufall, daß gerade die vorerwähnten ätherischen und fetten Oele und Fettstoffe sich in diesem Punkt genau ebenso verhalten wie Phosphor, nämlich den Sauerstoff der Lust ozonisiren und oxydirtes Wasser bilden. Und hier tritt noch die lehrreiche Thatsache hinzu, daß diese Substanzen in Berührung mit Alkalien und Sauerstoff nur so lange leuchten, wie Ozon zugegen ist; die Mischung ätherischer und fetter Oele mit Alkali hört alsbald auf zu leuchten, sobald das gewöhnlich in diesen Oelen aufgelöste Ozon verbraucht ist, und wird erst wieder leuchtend, wenn diese Substanzen einige Zeit in nicht vollgefüllten Gefäßen (namentlich im Sonnenschein) mit der Luft in Berührung gestanden haben. Ferner besitzen aber auch die Blutkörperchen die Fähigkeit, den Sauerstoff der Athemluft zu ozonisiren, und möglicher Weise besitzen die höchst energisch leuchtenden Insecten, bei denen sich zahlreiche Luftröhrenäste in die Leuchtorgane erstrecken, die Fähigkeit, den Leuchtstoff mit ozonisirter Luft anzublasen.
Zum Schlusse haben wir noch zu fragen, wozu die Leuchtorgane den lebenden Wesen nützen? Denn nach der neueren Weltanschauung kann man sich nur die Ausbildung solcher Organe und Fähigkeiten vorstellen, die den Inhabern von irgend einem Nutzen sind. Bei dem Johanniswürmchen hat man seit langer Zeit angenommen, es handle sich für das bei einigen Arten dieser Käfer allein leuchtende ungeflügelte Weibchen darum, dem geflügelten Männchen seinen Aufenthalt in der Ferne zu verrathen, und in der That genügt es, nach den Beobachtungen einiger Naturforscher, ein leuchtendes Weibchen an einem warmen Frühsommerabend auf der offenen Hand zum Fenster hinauszuhalten, um sogleich einige Männchen anzulocken. Auch bei einigen anderen Thieren scheint das Leuchten nur zur Zeit der Geschlechtsreife stattzufinden, allein bei den Johanniswürmchen leuchten auch die Larven, und die Pilze nebst unzähligen Seethieren leuchten immerfort. Die Naturforscher der englischen Tiefsee-Expeditionen, welche eine Menge neuer Leuchtthiere aus Regionen emporgezogen haben, in welche kaum noch ein Sonnenstrahl dringt, haben wiederholt die Meinung ausgesprochen, daß dort unten die meisten Thiere ihr Grubenlicht am Kopfe trügen, und daß es vielleicht dieser allgemeinen Selbstbeleuchtung zu danken sei, daß sich drunten in der ewigen Nacht auch schöne Farben entwickelten. Ich glaube aber, daß man nach einem viel allgemeineren Vortheil des Leuchtens für die Pflanzen und Thiere selbst suchen muß, der wahrscheinlich darin besteht, daß mit dieser Fähigkeit begabte Thiere und Pflanzen dadurch andere Thiere abhalten sie zu verzehren, gewiß der größte Vortheil, den es für sie geben kann. Dadurch würde sich erklären, daß flügellose Insecten, die weniger leicht ihren Verfolgern entwischen können, wie z. B. Johanniswürmchen und Skolopender, am häufigsten leuchten, und namentlich, daß bei allen Leuchtthieren jede Berührung, jeder Angriff das Leuchten hervorruft oder vermehrt. Es ist, als sollte durch das plötzliche Aufleuchten jeder Angreifer erschreckt werden. Natürlich wird dieser wahrscheinlich ebenso, wie das sogenannte „Sichtodtstellen der Käfer“, unbewußte Kunstgriff nicht immer helfen; denn wenn der Insectenliebhaber z. B. erst dahinter gekommen ist, daß das Leuchten der Johanniswürmchen ein unschuldiges Feuer ist, so wird er nur desto bequemer seinen Fang machen. So soll man in Amerika den auf Feuerfliegen lüsternen Ochsenfrosch mit hingeworfenen glühenden Kohlen fangen. Daher wird das Leuchten, ebenso. wie die auffallende sogenannte Trutzfarbe vieler Thiere, nur solchen Leuchtthieren nützlich sein, die zugleich einen ekelhaften Geruch oder Geschmack haben, indem sie irgend einen auf Beute lauernden Feind schon von fern warnt, sie nicht mit wohlschmeckenden Thieren zu verwechseln und gleichsam aus Versehen zu verschlucken. In der That sind die Johanniswürmchen und viele der hierhergehörigen leuchtenden Seethiere von Geruch und Geschmack widerlich, wenn nicht gar giftig. Und so mögen die mikroskopischen Leuchtwesen in ihrer mikroskopischen Welt ebenso gemieden werden, wie die leuchtenden Quallen, Salpen und Fische in unserer Sehsphäre, und dieser bedeutsame Vortheil würde leicht die ungemeine Häufigkeit leuchtender Pflanzen und Thiere erklären. Diese Nützlichkeit würde es ferner erklären, daß bei einigen kleinen Knochenfischen der Tiefsee, die man erst in neuester Zeit studirt hat, die Leuchtapparate eine so große Vollkommenheit erreicht haben, daß ein solcher Fisch, der bei der Challenger-Expedition gefangen wurde, so hell wie ein Stern im Netze funkelte. Es scheint, daß die Leuchtorgane dieser Fische wie die Apparate der Leuchttürme und physikalischen Cabinete mit Hohlspiegel und Linsen versehen sind, durch welche das phosphorische Licht mit höchstem Glanze nach außen geworfen wird.