Für Gartenfreunde/2. Die alten Bäume

Textdaten
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Autor: Hermann Sigismund Neumann
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Titel: Die alten Bäume
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 516–517
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Für Gartenfreunde.
II. Die alten Bäume.

Eisenbahnen, viele großartige gewerbliche Etablissements und in ihrem Gefolge die Menge, gleich über Nacht aufgeschossenen Pilzen entstandener Häuser und Stadttheile in allen Orten haben in unseren Tagen zwar den Sinn für Anlagen und Verschönerungen neu geweckt, leider aber auch den poetischen Hauch mancher idyllischen Landschaft hinweggenommen, den stillen Reiz kleiner Landstädte und Dörfer zerstört und die Anhänglichkeit an alte von den Voreltern ererbte Häuser und Grundstücke beeinträchtigt und vernichtet. Mit den alten Gebäuden, die uns durch tausendfältige Erinnerungen und Erzählungen lieb geworden waren, in denen wir uns heimisch fühlten, weil wir sie durch und durch kannten und von ihnen gekannt zu sein meinten, sind auch die vielen alten Bäume verschwunden, die unsere Spielplätze der Knabenzeit beschatteten, unter denen wir nach vollbrachter Arbeit Abends mit Freunden und Freundinnen plaudernd saßen, die aufmerksam dem ernsteren Gespräch der älteren Nachbarn auf den Bänken vor ihren Häusern zuhörten und heimliche Lauscher und Zeugen waren, wenn der Bursch in schöner Sommernacht verstohlen Abschied nahm von der Meisterstochter, Treue gelobte auf der anzutretenden Wanderschaft, oder wiederkehrend nach langjähriger Trennung in’s alte, liebe, heißersehnte Heimathhaus singend und jubelnd einzog.

Die poetische Seite ist es jedoch nicht allein, die hier in Betrachtung kommt. Es ist erwiesen, daß Baumanlagen, namentlich in größeren Städten, der Gesundheit dienlich sind, und es ist daher wünschenswerth, daß die Pietät für alte Bäume lebhafter würde und bei neuen Anlagen und Bauten auf deren Schonung mehr gebührende Rücksicht genommen werde, als jetzt geschieht, wo so oft die herrlichsten Exemplare von Bäumen aufgeopfert werden, lediglich um den einmal entworfenen Bauplan eines untergeordneten Gebäudes eigensinnig festzuhalten, anstatt den gebotenen Bedingungen anzupassen. Ja, es ist bedauerlich zu sagen, daß selbst mitunter Architekten den landschaftlichen Werth, den die Bäume für die Gebäulichkeiten haben, nicht zu würdigen verstehen und nicht bedenken, daß die architektonischen Formen erst den höchsten Reiz durch den Contrast erhalten, den die Contouren von Gehölzgruppen mit ihnen bilden.

Erscheint es vielleicht auch als übertriebene Rücksicht, daß König Friedrich Wilhelm II. von Preußen das Marmorpalais im neuen Garten bei Potsdam weit in den heiligen See hinausbauen ließ, um einige, freilich von ihm selbst gepflanzte Pappeln zu erhalten; und erlaubte es auch nur die besondere Großartigkeit des Krystallpalastes bei London, die großen Ulmen im Innern des Gebäudes stehen zu lassen, so sollte doch wenigstens an allen Orten, wo ein Ausweichen möglich ist, wie auf Promenaden, Plätzen und Vorstädten, bei den Bauten auf die bereits vorhandenen Bäume, als legitime Inhaber des Platzes, Bedacht genommen werden; und man bedenke, daß mit den gehörigen Mitteln eine Mauer sich in kurzer Zeit herstellen läßt, für einen großen Baum aber achtzig Jahre gehören.

Oft ist es jedoch der Fall, daß solche Bäume geschont werden könnten, wenn man sie um einige Schritte aus dem Wege rückte, oder einer Allee eine etwas andere Richtung gäbe. Hier nun muß die Technik des Gärtners helfen und die Bäume verpflanzen. Es ist dies eine Arbeit, die, wenn man bedenkt, daß es oft darauf ankommt, einer Stadt eine Allee hundertjähriger Linden oder Kastanien zu erhalten, verhältnißmäßig nur gering ist und keine bedeutenden Kosten veranlaßt. Wir lassen hier die Beschreibung eines Verfahrens folgen, nach welchem es nun mit dem besten Erfolge gelungen ist, Bäume, bis zu einer Höhe von siebzig Fuß und über zwei Fuß Stammstärke, auf hundert und mehrere Schritt fortzurücken.

Das Verpflanzen größerer Bäume geschieht am besten im Winter mit sogenannten Frostballen, denn die Anwendung der Pflanzmaschinen, um die Bäume ohne den zwischen den Wurzeln haftenden Boden aus der Erde zu heben und zu transportiren, ist durch Anschaffung der Maschinen eine theure, im Erfolge weniger sichere und mehr auf den weiten Transport berechnete. Wir haben es hier mit alten hohen Stämmen zu thun, die aufrecht stehend fortgeschafft werden müssen. Man umzieht zu diesem Zweck den zu versetzenden Baum vor Eintritt des Frostes mit einem Graben, dessen Entfernung vom Stamm sich nach der Größe des Baumes und dessen Wurzelvermögen richtet. In der Regel sind bei zwei Fuß starken Stämmen zehn bis zwölf Fuß genügend. Der Graben wird so breit gemacht, um bequem darin arbeiten zu können, und circa 11/2 Fuß tiefer, als die Hauptmasse der Faserwurzeln in den Boden geht, was nach Beschaffenheit des Letzteren sehr verschieden ist, häufig aber drei Fuß nicht übersteigt. Durch dieses Aufgraben rings um den Stamm entsteht ein Erdballen, der von den Wurzeln durchwachsen ist. Beim Eintritt des Frostes thut man gut, besonders bei sandigem Boden, diesen ganzen Erdballen anzufeuchten, damit er zu einer festen Masse zusammenfriere. Ist dies geschehen, so kann die Fortschaffung beginnen. Man untergräbt zuerst ein Drittel des Ballens, legt in die Höhlung auf den Boden einige Bretter, kurze Walzen von hartem Holze darauf und auf diese einen oder zwei Balken, je nach dem Umfang des Ballens. Reichen die Balken noch nicht bis an den Ballen hinan, so treibt man einige Keile und Holzklötze dazwischen, damit die Ballen die Last des Baumes zu tragen bekommen. In derselben Weise wird nun von der andern Seite her verfahren und zuletzt in der Mitte unter dem Stamme das letzte Drittel des Ballens unterminirt und mit Brettern, Walzen und Balken unterbaut. Finden sich hierbei noch Wurzeln, die etwa noch tiefer als die Hauptmasse des Ballens in die Erde gehen, so werden sie weggeschnitten.

Sämmtliche Walzen und Balken müssen unter sich genau parallel gelegt werden und dabei zugleich auf die Richtung, in der der Baum fortgewalzt werden soll, Bedacht genommen werden. Auch sind die Balken gut unter sich zu verklammern, damit sie ein unverschiebbares Gerüst bilden. Das Pflanzloch am neuen Standorte des Baumes ist schon zuvor bei frostfreiem Wetter zu machen und zwar mindestens zwei Fuß tiefer und anderthalb mal weiter, als der Ballen auszugraben. Hierauf wird es mit nahrhaftem Boden wieder angefüllt, und mit Laub zum Schutze gegen den Frost bedeckt. Es wird dann, wenn die Arbeiten zum Transport des Baumes fertig sind, wieder aufgenommen und zwar so tief, daß der Baum genau so hoch zu stehen kommt, wie er gestanden hat.

[517] Ist die Entfernung vom alten Standort des Baumes bis zum neuen nicht groß, so thut man am besten, die an beiden Orten gemachten Löcher durch einen Graben zu verbinden, damit der Baum horizontal fortbewegt werden kann, und die Last von 800 und mehr Centner nicht gehoben zu werden braucht. Ist die Entfernung aber größer, so erweitert man die Aufgrabung beim Baume nach einer Seite in der Art, daß die Bahn für denselben rampenartig eine sanft ansteigende Ebene bildet, und verfährt ähnlich beim Pflanzloche, wo die Bahn sich wieder abwärts neigen muß; oder der Baum wird an seinem Standorte senkrecht gehoben, indem man vermittelst mehrerer starken Wagenwinden, wie Maurer und Steinmetzen sie brauchen, die Balken zuerst an einem Ende einige Zolle anhebt, und die darunter entstandene Lücke mit Erde, Holzklötzen etc. ausfüllt, dann am andern Ende hebt und in dieser Art behutsam fortfährt, bis der Ballen über der Erde steht und nun horizontal fortgewälzt werden kann. Aehnlich wird beim Niederlassen verfahren. Zum Fortbewegen bedient man sich entweder eines sogenannten Tummelbaums oder Erdwinde, wobei der Baum durch das sich aufwindende Seil fortgezogen wird. Weniger Menschenkräfte, obwohl mehr Zeit, gebraucht man aber, wenn man den Baum mit Wagenwinden (wie die Zeichnung weist) fortschiebt, die beim Fortrücken durch dahinter eingeschlagene Pfähle und dazwischen gelegte Hölzer unterstützt werden. Es sind dann nur sechs Mann zu dieser Arbeit erforderlich. Steht endlich der Baum an seinem neuen Standorte, so wird zuerst eine Reihe Balken, Walzen und Bretter entfernt, und die Lücken gut und fest mit Boden ausgestopft, dann dasselbe nach und nach mit den andern Hölzern gethan, bis das Pflanzloch unter reichlichem Zugießen von Wasser mit Boden vollständig ausgefüllt ist. Gegen den Wechsel der Temperatur sind endlich die Wurzeln des verpflanzten Baumes durch eine dichte Decke von Laub zu schützen.

Das Versetzen alter Bäume.

Zur Erhaltung alter, schadhaft gewordener Bäume ist schließlich anzurathen, alle Höhlungen sorgfältig von allen fauligen Substanzen, als Spähnen, Wurmmehl, daraus entstandener Erde u. s. w. zu reinigen, also das Gegentheil von dem zu thun, was wir in einem viel gelesenen illustrirten Blatte in einem unwissenschaftlichen Aufsatze über sogenannte Baumerde zu lesen Gelegenheit hatten, diese Höhlungen dann mit einer Mengung von Lehm und flüssigem Kuhdünger luftdicht auszufüllen. Schnitt- und andere Wunden der Rinde werden am besten mit Steinkohlentheer überstrichen, worunter sie leichter vernarben. Dem Fortschreiten des rothen Brandes, einer Pilzbildung auf der äußeren Rinde, beugt man dadurch vor, daß man die angegriffene Stelle mit einem bis auf das Holz geführten Schnitt umzieht, und mit Theer bestreicht. Bäume, die aus Nahrungslosigkeit kränkeln, werden am schnellsten durch eine Düngung von verdünntem Blute geheilt.
H. N.