Fünfhundert Jahre der deutschen Hochschule Heidelberg

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Titel: Fünfhundert Jahre der deutschen Hochschule Heidelberg
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aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 530–532
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Fünfhundert Jahre der deutschen Hochschule Heidelberg.

Es war ein wohlwollender und kluger Herr, der Kurfürst Ruprecht I. von der Pfalz, der an die vierzig Jahre lang sein schönes Land regiert und stattlich vergrößert hatte. Macht und Ansehen seines Hauses Wittelsbach, welches die Hohenstaufen als ihnen treu ergeben über die rheinische Pfalz gesetzt, lag ihm ebenso so sehr am Herzen, wie unter seines Gleichen sich durch seine Bildung und Weisheit in Achtung zu erhalten. Darum war er auch mit dem gelehrten Kaiser Karl IV., dem Luxemburger, der in Prag zu hausen liebte, aufs Innigste befreundet und regierte manchmal als dessen Stellvertreter das ganze deutsche Reich. Beneidete der Kurfürst seinen Oberherrn um etwas, so war dies die Universität, die derselbe im Jahre 1348 in seiner böhmischen Hauptstadt gegründet und die nach Jahrzehnte langem Bestehen zu einer herrlichen Blüthe sich entfaltet hatte. Als eine Bildungsstätte, wo das ganze geistige Leben des Reiches damals einen glänzenden Mittelpunkt gefunden, konnte sie sich den älteren hohen Schulen von Paris, Bologna, Padua und Wien wohl stolz zur Seite stellen. Oft, wenn der nun schon alt und grau gewordene Ruprecht auf seiner festen Burg auf dem Jettenbühel saß und sinnend hinabschaute ins lachende Neckarthal und auf die kleine Klosterstadt Heidelberg, beschäftigte ihn der Gedanke, daß er es seinem kaiserlichen Freunde gleichthun und hier für Westdeutschland eine Hochschule errichten sollte, die seiner kleinen Residenz dann ebenfalls ein reiches geistiges Leben und eine glänzende Zukunft sicherte, sowie ihm selbst einen schönen Friedensruhm.

Da traf es sich einmal, daß er auf Besuch beim Erzbischof von Mainz mit gelehrten Herren bekannt wurde, die der Pariser Universität angehört und eben wegen theologischer Händel dieselbe verlassen hatten. Es befanden sich darunter Heinrich von Langenstein, der dann nach Wien ging, und Magister Marsilius von Inghen. Mit ihnen kam er auf seine Idee zu sprechen und begeisterte zumal den Letzteren so dafür, daß dieser es übernehmen wollte, sie im Sinne des ehrgeizigen Kurfürsten zu verwirklichen. Nun drängte Ruprecht mit Feuereifer auch zur Ausführung. Er bat den Papst um Zustimmung und die nothwendige Bulle zur Gründung seiner Universität. Denn anders ging’s damals nicht. Der Papst stand ja über Kaisern und Königen und ebenso über aller Wissenschaft, die zumeist noch von Männern priesterlichen Standes gelehrt wurde und die der Kirche unbedingt dienen und ihr fördersam sein sollte.

Am 23. Oktober 1385 erließ Papst Urban II. gnädiglich die erbetene Bulle, welche die Errichtung eines „Generalstudium“, wie man damals für Universität sagte, in der Stadt Heidelberg genehmigte, „die wegen ihrer gesunden Lage und Luft,“ hieß es darin, „und wegen ihrer fruchtbaren Umgebung zu einer solchen allgemeinen Quelle der Wissenschaften vorzüglich geeignet sei.“ Die Bulle brauchte beinahe ein Jahr, ehe sie in die Hände des Kurfürsten gelangte, der jedoch inzwischen opferfreudig Alles zur würdigen Ausführung seines Planes vorbereitet hatte und in sechs Urkunden die genauen Bestimmungen über die Einrichtung der Hochschule, ihre Rechte, ihre Freiheiten und ihre Einkünfte aus ihr überwiesenen Zöllen und Pfründen erließ. Wie die Prager wurde auch die Heidelberger Universität getreu nach dem Vorbilde von Paris eingerichtet und ihr volle Selbstverwaltung und Selbstherrlichkeit ertheilt.

Die eigentliche Stiftungsurkunde war vom 1. Oktober 1386; am 18. wurde die Anstalt mit einer feierlichen Messe in der alten Heiligengeistkirche Heidelbergs eröffnet. Der erste der Pedellen trug dabei vor dem Altar das Scepter, dessen Spitze ein offenes, vierseitiges Tabernakel bildete mit dem sitzenden Christuskind innen, das von den Sinnbildern der vier Fakultäten umgeben war; die Buckel des Tabernakel zierten das pfalz-bayerische, das päpstliche, das Rektorats-Wappen und das des Bisthums Worms; am Stabe des Scepters war eine Gedenkschrift. In seinem faltenreichen Talar und mit dem Barett stand der erste der Rektoren, Marsilius von Inghen, an der Spitze der in ihre Talare gekleideten Magister und Doktores, Reginaldy von Alva, des Theologen, und Heilmann Wunnenberg’s, des Philosophen, während die Fakultät der Rechtswissenschaft und die der sieben freien Künste, auch die artistische genannt, noch keine Vertreter hatten. Schon [531] eine ansehnliche Schar von Jünglingen, die dem Ruf des Pfalzgrafen gefolgt waren, und theilweis auch von sehr alten Knaben, die noch oder nochmals in die Studien gehen wollten, wohnte der Feierlichkeit der Eröffnung bei und saß am nächsten Tage in den ersten Kollegien, die gehalten wurden. Wie vielversprechend das Unternehmen war, beweist die Thatsache, daß im ersten Jahre 579 Personen ihre Namen in das Matrikelbuch von Heidelberg eintragen ließen.

In dem kleinen Ort war es natürlich sehr schwierig, sogleich passende Unterkunft für soviel junge Leute zu finden, die noch der Zucht unterstehen mußten; denn es kamen nicht, wie heute, tüchtig vorbereitete und ausschließlich gereiftere Jünglinge auf diese Schulen, sondern zum großen Theil nur mittelmäßig in den Klöstern ausgebildete Knaben, selbst noch unter vierzehn Jahren. Dazu Junker und Adlige, die das Studiren nur als neuen Modesport, anstatt der Turnierspiele, ansahen und zum Deckmantel übermüthiger Streiche, Zechgelage und Raufboldereien nahmen. Der Kurfürst gründete deßhalb im Jahre 1390 das Jakobsstift zur Wohnung und Verpflegung einer Anzahl von Schülern; für die Meister der freien Künste wies er ein altes Kloster an, das „große Kontubernium“ oder die „Realisten-Bürsch“, wo dann nach zahlreichen Stiftungen auch mehr und mehr Studirende unentgeltlich Unterkunft erhielten. Gewisse Bürgerhäuser erhielten Begünstigungen, wenn in ihnen Quartiere für die Studenten hergegeben wurden. Diese Häuser hießen dann Bursen oder Kontubernien, die dort wohnenden Studenten Bursarii, woraus Burschen entstand; sie wurden von „Regenten“, welche meist dem Magister- oder doch Baccalariusstande angehörten, überwacht. Jedes neu ankommende, noch erst in die höheren Studien einzuweihende Menschenkind galt als pecus campi, d. h. Rindvieh, wurde dann nach der Einschreibung ein becanus und einem bursarius überwiesen, dem es als Leibfuchs ein Jahr in aller Weise, auch in demüthigenden Verrichtungen, zu dienen hatte.

Nachdem der Zögling der Hochschule diese Prüfung überstanden, mußte er seinen Umgang bei den einzelnen Mitgliedern der Landsmannschaft halten und sich die Absolution erbitten. Beim Absolutionsschmaus wurde darüber entschieden und im günstigen Falle ihm im Namen der heiligen Dreieinigkeit sein Wunsch erfüllt und das jus gladii ertheilt, das Recht, den Schläger zu führen. Damit war er zum Schoristen befördert, wurde Cursarius und Patron, nach dem entsprechenden Examen dann Baccalarius (gemeinhin irrig Baccalaureus), Licentiat, Magister, Doktor gar. Die aus den Klosterschulen Gekommenen trugen eine halbmönchische Kleidung; die Vornehmen Puffenwams, Hut mit wallender Feder, Pludderhosen und Stulpenstiefel, den gewaltigen Hieber zur Seite. Bei der kecken und herausfordernden Haltung der Letzteren konnte es nicht ausbleiben, daß sie die Bürger oft beleidigten und es dadurch zu bösen Raufereien mit ihnen, oft in größerem Umfang, kam. Im Jahre 1406 fand eine förmliche Schlacht zwischen den übermüthigen Studenten und gereizten Zunftbürgern statt, ganz Heidelberg war in Kriegsaufstand, die Sturmglocken läuteten, und es floß Blut in Menge. Das Rektorat beschloß in Folge davon, die Vorlesungen einzustellen. Der Landesherr, damals Ruprecht III., der auch deutscher König war, zauderte ob dieser schlimmen Wendung nicht, sich auf Seite seiner „geliebten Tochter“, der alma mater Ruperta, zu schlagen, und nöthigte in einer einberufenen Versammlung aller Heidelberger Bürger im Augustinerkloster ihnen den Schwur ab, nie die Studiosen zu beleidigen, sondern zu beschirmen; auch ward ihnen bei Todesstrafe verboten, je wieder die Sturmglocke gegen die Musensöhne zu läuten. So kam es zum Frieden, und die Vorlesungen wurden wieder aufgenommen.

Unter den drei Ruprechts, die einander bis 1410 folgten, wurde Heidelbergs Ruhm als Universitätsstadt wie auch als einer der lieblichsten Fürstensitze in Deutschland begründet. Außer der alten Burg auf dem Jettenbühel, jetzt die Molkerei, schaute weiter unten das neue Schloß in seinen ersten prächtigen Theilen auf die reizende Neckarlandschaft hernieder. Die Stadt vergrößerte sich; an fünf-, sechshundert Studenten und Lehrer unterhielten in ihr ein reges, buntes, vielgestaltiges Leben und Treiben. Die Hochschule, wie sie der Augapfel der pfälzischen Wittelsbacher blieb, bewahrte sich auch das besondere Wohlgefallen des heiligen Stuhls in Rom in einer Zeit, die schon offen drohende Ketzereien aufwies. Johann Huß, das Koncil von Konstanz, die Hussitenkriege begannen die bisher unfehlbare Macht des Papstthums zu erschüttern. Ein Vertreter der Universität Heidelberg auf dem Konstanzer Koncil, der theologische Doktor Jauer, hatte energisch die Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern gefordert; aber die Universität selbst war für dergleichen noch nicht empfänglich und gut papistisch allweg. Nach und nach freilich klopfte auch da der neue Geist an und brachte Wirrniß und Zweifel in die Köpfe der gelahrten Herren. Es sollte nicht mehr ausschließlich nach dem Kirchenglauben und gleichsam unter päpstlicher Censur die Wissenschaft behandelt werden, sondern nach den Urquellen des Alterthums und im freien forschenden Geist. Darüber kam es zu Hader und Kampf unter den Heidelberger Theologen und Philosophen. Zwei Parteien entstanden, und zunächst gab auch dies nur dem geistigen Leben der Universität Schärfe und Schwung. Die Artisten, welche der vierten Fakultät angehörten, wurden durchweg Fortschrittler; die Mitglieder der drei anderen Fakultäten, die der theologischen vollends, wurden desto eigensinnigere Reaktionäre. Im Jahre 1518 kam Luther, dieser neue Kämpfer gegen Rom, auch nach Heidelberg, um dort im Augustinerkloster eine Disputation über seine reformatorischen Forderungen zu halten. Der Pfalzgraf lud ihn auf sein Schloß zu Gaste, und die Studenten brachten deßhalb dort in vollem Wichs ihrem erlauchten Oberrektor eine Huldigung.

Aber die Reformation faßte darum doch noch keinen Fuß in Heidelberg. Die Scholastiker und Papisten behielten im Lehrerkollegium das Uebergewicht, die freidenkenderen Humanisten schieden deßhalb aus, und dadurch verringerte sich der Besuch der Hochschule merklich von Jahr zu Jahr. Die Pest und der Bauernkrieg thaten das Uebrige zum höchsten Schaden der Universität, so daß die Studentenzahl schließlich bis auf 42 sank.

Anders wurde es wieder, als nach überstandener Landesnoth Otto Heinrich 1556 zur Regierung gelangte. Während seiner nur dreijährigen ruhmreichen Regierung führte er die Reformation ein, gab der Hochschule ein humanistisches, freiwissenschaftliches Gepräge, zu dem Melanchthon ihm seine Unterstützung lieh, und schuf in der Liebe für die neubeseelte Kunst den nach ihm benannten herrlichen Anbau an dem stolz über Heidelberg ragenden Schlosse. Das glücklichste Zeitalter für die Ruperta eröffnete er durch die wissenschaftliche Freiheit, die er ihr sicherte. Doch blieb der lutherische Charakter der Universität nicht haften, sondern sie wurde nach Otto Heinrich’s Tode durch dessen Nachfolger Friedrich III. eine Hochburg des strengeren calvinischen Bekenntnisses, was zu ihrer nun wachsenden weltbürgerlichen Bedeutung indessen unstreitig sehr viel beitrug.

Um so jäher und tiefer war der Sturz, den sie im nächsten Jahrhundert erfuhr. Der dreißigjährige Krieg machte aus der Pfalz eine Wüstenei, Tilly suchte 1622 die Stadt Heidelberg schwer heim, die kostbare Bibliothek wurde nach Rom als Kriegsbeute abgeliefert, die Universität fristete darnach ein fast erstorbenes, elendes Dasein. Als sie endlich sich von diesen Schlägen wieder erholt, brach die Räuberbande Ludwig’s XIV. unter Melac ins Land mit der Parole: brûlez 1e Palatinat! Das Heidelberger Schloß wurde damals zu der Ruine, die noch heute so wehmüthig und empörend an jene Schreckenszeit mahnt. Vernichtet war freilich weder Heidelberg noch seine versprengt gewesene Hochschule durch diese französischen Mordbrenner, aber die Kraft und der Glanz von vorher waren dahin, und während des ganzen 18. Jahrhunderts, unter der Regierung der katholischen Seitenlinie Pfalz-Neuburg, ging die Universität mehr und mehr in ihrer hohen Bedeutung als nährende Mutter für das deutsche Geistesleben zurück und ihrem Verfalle entgegen. Die französischen Kriege zu Ende des Jahrhunderts, der Umsturz der alten Ordnung im deutschen Reich durch Napoleon stellten die Fortexistenz der pfälzischen Souveränetät und damit der Hochschule Heidelberg vollends in Frage.

In der That, Bayern und die Wittelsbacher verloren 1803 den größten Theil der rheinischen Pfalz und damit Heidelberg. Der neue Herr darüber wurde Baden, dessen Markgraf Karl Friedrich zur Kurfürstenwürde aufstieg. Er war nicht nur bereit, die Universität zu erhalten, sondern ging auch sogleich daran, sie aus ihrem Elend zu heben, neu im Sinne der Zeit und durchaus als Freistätte der Wissenschaft einzurichten. Was einst der [532] Wittelsbacher Ruprecht gepflanzt, wollte der Zähringer Karl in gleichem Ehrgeiz zur Verjüngung pflegen. Den Namen Ruperto-Carola, den nun die Universität erhielt, sollte denn auch die nächste Zukunft schon vollauf rechtfertigen.

Aus dem alten Professorenstamm wurden ausgezeichnete Kräfte, wie der protestantische Theologe Karl Daub, dem umgestalteten Institut erhalten, neue mit großer Sorgfalt und besonderem Glück berufen, wie der große Rechtslehrer Thibaut und der große Philologe Creuzer. Dazu kam dann der streitfertige Alterthumsforscher und Homer-Uebersetzer Joh. Heinrich Voß, der denkgläubige Theologe Paulus, der freisinnige Historiker Schlosser. Während Napoleon die Welt durcheinander rüttelte, erstarkte an Heidelbergs Hochschule ein Kreis der ausgezeichnetsten Männer, der ihr einen weithin leuchtenden Glanz verlieh. Im Jahre 1808 wurden die „Heidelberger Jahrbücher“ begründet, die aus diesem gelehrten Kreise zur gebildeten Welt sprachen und einen anregenden wie bestimmenden Einfluß auf Wissenschaften und Forschungen jahrzehntelang ausübten. Die neue deutsche Geistesrichtung der Romantik baute sich dazu ihr warmes Nest unter den romantischen Ruinen des Heidelberger Schlosses und hierbei, wie auch bei den Jahrbüchern, spielte Creuzer mit seiner romantisch-idealen Weltanschauung die Hauptrolle. Die junge Dichterschule, wie sie Schlegel, Arnim, Brentano, Eichendorff, Jean Paul vertreten, machte Heidelberg zu dem, was vorher Weimar gewesen. Die Strebenden und geistig Schaffenden in Deutschland machten eine Pilgerfahrt nach dieser von neuem Ruhm umwobenen Neckarstadt und ließen sich da kürzere oder längere Zeit nieder. Auch Goethe badete sein olympisches Haupt 1814 und 1815 im Morgenroth, das diese Sonne ausstrahlte, und fand in Marianne Willemer seine Suleika, der er im „Westöstlichen Divan“ ein poetisches Denkmal setzte.

Universität Heidelberg.
Nach einer Photographie von Edm. von König in Heidelberg.

Niemals bedeutete Heidelberg so viel wie damals in der Welt der Bildung. Es kamen Studirende aus Frankreich, aus England, aus allen Ländern dahin; neue Bauten entstanden in der Stadt, zahlreiche Landhäuser mit Gärten um ihren sich vergrößernden Kern. Treffliche Pensionen und Erziehungsanstalten lockten außerdem viele Fremde herbei, welche dazu beitrugen, das gesellige Leben in der bergumkränzten Musenstadt aufs Reizvollste zu gestalten. Immer zahlreicher wurden die landsmannschaftlichen Vereine oder Korps, die sich gebildet hatten und denen nach den Befreiungskriegen die Burschenschaften zutraten, deren nationale Tendenzen der Romantik einen scharf ausgeprägten, auf Deutschlands politische Einheit hinweisenden Zug verliehen.

Und auch immer neue Sterne der Wissenschaft tauchten am wolkenlosen Himmel der Heidelberger Hochschule auf. Ein Mittermaier und Vangerow, ein Mohl und Bluntschli in der juristischen Plejade, ein Schenkel in der theologischen, ein Chelius in der medicinischen; ein Gervinus, ein Häusser, ein Rau, ein Bunsen, ein Kuno Fischer in den verschiedenen Abtheilungen der philosophischen – ehemals artistischen. Wer nennt die Namen alle und auch derer, die sie angezogen, die ihr Wissen gebildet und die in „goldbekränzter Jugend“ von Heidelberg seit achtzig Jahren auszogen in die Welt, um dann tausendfältig das Evangelium der Bildung, in glorreich sich entfaltender Thätigkeit oder in bescheidenem Wirken, zu lehren!

Heidelberg war auch die Zufluchtsstätte des vorkämpfenden liberalen Deutschland seit den vierziger Jahren, in denen die Wehen der neuen Zeit sich immer fühlbarer machten. Was da an ausgezeichneten Männern zusammenströmte, erzeugte frische politische Lebenslust, die dann in die stickige Atmosphäre des bundestägigen Jammerdeutschlands abströmte. Gervinus und Häusser hoben durch ihre Schriften die Hoffnungen der deutschen Jugend; eine wirkliche Professorenzeitung, „Deutsche Zeitung“ genannt, wurde in Heidelberg gegründet und versuchte muthvoll und überzeugungstüchtig gegen den Polizeistaat und das verknöcherte Schreiberthum anzukämpfen. Und aus demselben Kreise ging 1848 am 5. März die Versammlung der 51 liberalen Männer hervor, welche über die Maßregeln zur Erreichung politischer Reformen berieth und deren Aufruf das Frankfurter Vorparlament zur Folge hatte. Die Stürme von 1848 und 1849, die Eingriffe der heranwachsenden Reaktion ließen auch Heidelberg, das liberale, nicht unberührt; aber ohne dauernden Nachtheil ging doch die Universität daraus hervor. Sie behauptete ihren hohen Rang, sie arbeitete rührig weiter in der wieder ruhig gewordenen Zeit. Scheffel’s unpolitische Zech- und Preislieder verliehen dann ihrer alten Romantik und ihrem Ruhm eine neue, lebensfrische Volksthümlichkeit, und diese wird sicherlich nicht zum Wenigsten dazu beitragen, ihr fünfhundertjähriges Jubelfest, welches in den ersten Tagen des Monats August stattfinden wird, zu einem solchen zu gestalten, an dem ganz Deutschland mit Stolz und Freude Theil nimmt.