Textdaten
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Autor: Claire von Glümer
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Titel: Erinnerungen an Wilhelmine Schröder-Devrient
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 342–344
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Wilhelmine Schröder-Devrient.

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Erinnerungen an Wilhelmine Schröder-Devrient.

Von Claire von Glümer.
VI.
(Mit Portrait.)

Am 14. Juni 1831 begann die deutsche Operngesellschaft ihr zweites Gastspiel in Paris. In der Nacht desselben Tages brachen Unruhen aus, die durch Einschreiten der bewaffneten Macht unterdrückt werden mußten und zu weitverzweigten Untersuchungen Anlaß gaben, sodaß wieder die politischen Interessen alles Andere in den Hintergrund drängten.

Trotz dieser Ungunst der Verhältnisse fand Wilhelmine Schröder-Devrient noch wärmere Aufnahme als das erste Mal. Einige der tonangebenden Blätter dankten der Künstlerin, der es gelungen war, „ihre Zuhörer über das unheimliche Treiben des öffentlichen Lebens zu erheben und für Augenblicke durch ihre Melodien alle Sorgen einzuschläfern.“ Die deutsche Sängerin wurde Mode in [343] demselben Grade, wie es kurz zuvor Paganini gewesen war, und als die Sonnenhitze den Vorstellungen der deutschen Oper ein Ende machte, war die Rede davon, Wilhelmine für die große Pariser Oper zu engagiren. Die Musikverständigen sahen in ihr eine würdige Nachfolgerin jener Sterne erster Größe, Marthe Le Rochois, Sophie Arnould, Henriette Branchu, die seit zwei Jahrhunderten der Stolz der französischen Oper waren. Die Zeitungen gaben der Direction wiederholt den Rath: „die Möglichkeit eines solchen Gewinnes sich nicht zum zweiten Mal entgehen zu lassen;“ das Publicum sprach seine Wünsche ganz unverkennbar durch die enthusiastischsten Huldigungen aus, die es der Künstlerin darbrachte, – aber es war umsonst! die kleinen Talente, die durch Wilhelmine Schröder-Devrient verdunkelt zu werden fürchteten, intriguirten gegen sie, und in diesem Kampfe, – zu dem ihr immer die Waffen fehlten – mußte sie unterliegen. Die Direction zog sich mit nichtssagenden Redensarten zurück. Sie erklärte, daß sie vor Allem einheimische Talente berücksichtigen müsse und daß das Pariser Publicum die deutsche Sängerin nur als Gast wohlwollend aufgenommen hätte, daß es sie aber nicht als wirkliches Mitglied der französischen Academie royale de musique dulden würde.

Wilhelmine war im Begriff Paris zu verlassen, als der Director der italienischen Oper, Edouard Robert, Unterhandlungen mit ihr anknüpfte, und am 9. Juli wurde ein Contract unterzeichnet, der die deutsche Sängerin auf fünftehalb Monate – vom 15. November 1831 bis 31. März 1832 – bei der italienischen Oper engagirte.

Mit diesem Engagement trat Wilhelmine in ganz neue, sehr schwierige Verhältnisse. Ihre Widersacher, d. h. vor allem ihre Neider, hatten die Zeit bis zu ihrem Wiederauftreten geschickt zu benutzen gewußt, sodaß sie im Publicum eine ganz veränderte Stimmung fand; selbst ihren treuesten Freunden und Bewunderern erschien es gewagt, daß sie mit italienischen Sängern concurriren wollte. Die Deutschen könnten nun einmal nicht singen, hieß es allgemein; ihre Sprache, die Rauhheit des Klimas, in dem sie lebten, die falsche Methode ihrer Gesanglehrer würde sie immer an einer vollkommenen Ausbildung hindern – und nun sollte sich eine deutsche Sängerin neben Rubini, Lablache, der Pasta und der Malibran behaupten!

Daß ihr die Italiener in Betreff der technischen Fertigkeiten überlegen waren, hat Wilhelmine Schröder-Devrient selbst erkannt und hat es in ihrer einfach bescheidenen Weise oft genug ausgesprochen. Ihre poetische Gestaltungskraft dagegen, die Gewalt ihrer Leidenschaft hat keiner derselben erreicht.

Rubini war Meister im Gesang und er wollte eben nichts Anderes sein. Die Wahrheit der dramatischen Darstellung war ihm Nebensache. In jeder Rolle blieb er der schöne, edle, gefühlvolle Rubini, dessen unvergleichliche Stimme jedes Herz bis in die tiefste Tiefe erschütterte. Wilhelmine erzählte oft, daß sie ihn nie ohne Thränen hören konnte.

Noch weniger als er hat Giuditta Pasta – die als Sängerin selbst von der Malibran nicht erreicht wurde, als dramatische Künstlerin geleistet. Die berühmte Frau war nicht schön; ihre Gesichtszüge waren scharf markirt, beinah männlich; die mittelgroße Gestalt war starkknochig, ohne Grazie; der gewöhnliche Gesichtsausdruck beinah finster. In höchster Nonchalance pflegte sie die Bühne zu betreten, wo sie sich ruhig im Hintergrunde verhielt, theilnahmlos für Alles, was um sie her geschah, bis an sie selbst die Reihe des Singens kam. Nun trat sie vor, mit nachlässig wiegendem Gang; ihr Gesicht erheiterte sich, und sie begann zu singen – zu singen freilich, wie es nach ihr keine Andere gethan hat. Dem wunderbaren Wohllaut ihrer mächtigen, umfangreichen Stimme kam die vollendetste Tecknik zu Hülfe. Die größten Schwierigkeiten waren ihr ein Spiel; je mehr sie sich häuften, um so mehr verklärte sich das Antlitz der Sängerin. Ob sie vor Liebeslust oder Verzweiflung sang, war ihr ganz gleichgültig. Sie war glückselig, wenn sie sang; ihre Seele wiegte sich voll üppigen Behagens auf den weichen, glockenreinen Tönen, und Alle, die sie hörten, ließen sich mit fortziehen wie in einen wonnevollen Traum. Daß die Künstlerin den dramatischen Theil ihrer Aufgabe ganz außer Acht ließ, fiel Niemand ein – wer hätte denken, kritisiren mögen, wenn die Pasta sang? So oft sie, das Ende ihrer Pièce anzeigend, mit zurückgebogenem Kopfe dicht an die Lampen trat, die Hand wie zum Gruß nach dem Parterre ausstreckte und die dichten schwarzen Brauen in die Höhe zog – was sie in jeder Rolle that, als Semiramide sowohl, wie als Sonnambula, als Vestalin wie als Armida – brach das Entzücken der Zuhörer in donnernden Beifall aus.

Auch in Betreff des Costüms hatte die Pasta ihr Publicum nicht verwöhnt. Da es herkömmlich war, daß sich die Primadonna anders anzog, wenn sie eine Königin darstellte, als wenn sie die Rolle eines Landmädchens sang, so fügte sie sich dem Gebrauch. Aber daß sie in ihrem Costüm eine gewisse historische Wahrheit erstreben und durch dasselbe die dramatische Illusion verstärken müsse, fiel ihr nicht im Traum ein. Sie ging in ihrer Rücksichtslosigkeit und Bequemlichkeit so weit, daß sie als Sonnambula, wenn sie im Nachtgewand erscheinen mußte, nur eine weite, weiße Blouse über die vollständige Kleidung zog und sich so niederlegte. Zuweilen war diese Blouse zu kurz, sodaß die bunten Röcke darunter hervorkamen. Auch das war ihr gleichgültig – sie sang ihre Partie mit gewohnter Meisterschaft, und das sonst gegen jeden äußeren Verstoß so empfindliche Pariser Publicum vergaß alles Häßliche, Widersinnige in ihrer Erscheinung.

Maria Felicitas Malibran dagegen war nicht allein eine große Sängerin, sie war auch als dramatische Künstlerin bedeutend, und während sie die eigene Rolle in lebendiger Wahrheit, mit tiefer hinreißender Leidenschaft darstellte, erwärmte sie auch die Mitspielenden und zog sie mit fort, sodaß Leben und Zusammenhang in die ganze Vorstellung kam. Ihre Amina, ihre Rosine, ihre Desdemona waren Wesen voll Geist und Leben, an deren Existenz man glauben mußte, deren Glück oder Schmerz sie Allen verständlich machte. Als dramatische Sängerin überragte die Malibran alle ihre Vorgängerinnen und Zeitgenossen, bei der italienischen sowohl, wie bei der französischen Oper.

Aber nun erschien Wilhelmine Schröder-Devrient, und Maria Malibran mußte erkennen, daß ihr die deutsche Künstlerin nicht allein ebenbürtig, sondern in mehr als einer Hinsicht überlegen war. Wilhelmine debütirte als Doña Anna. Bei ihrem ersten Auftreten, als sie mit Don Juan ringend erscheint, war sie befangen. Die Kälte des Publicums, das ihr, wie schon gesagt, mit Vorurtheilen entgegen sah, wirkte lähmend auf sie zurück. Die fremde Sprache machte sie unsicher – schon sahen ihre Freunde Alles, was sie gefürchtet hatten, in Erfüllung gehen! Aber als nun Doña Anna mit Octavio zurückkehrend die Leiche des Vaters fand, sich mit dem herzzerreißenden Schrei: „Ma qual s’offre, o dei, spettacolo funesto agli occhi miei!“ neben ihn niederwarf und ihre Klage um den Todten, ihren Racheschrei gegen den Mörder erschallen ließ, ging ein Schauer durch die ganze Versammlung. Eine solche Doña Anna war auf dieser Bühne nie gesehen worden. Nicht nur die beleidigte Frauenwürde, nicht nur der Schmerz um den ermordeten Vater, nicht nur das glühende Verlangen, sich zu rächen, sprach aus diesen Tönen. Es war das Verzweifeln einer stolzen, reinen Seele, die sich umsonst gegen die Macht der Leidenschaft sträubt. Wie sah man sie ringen gegen diese immer wieder aufflammende Liebe zu dem Verräther, den sie, gerade um dieser Liebe willen, mit um so unversöhnlicherem Haß verfolgt! Wie sah man sie sich anklammern an die Aufgabe, den Vater zu rächen, und wie sprach sich – als Don Juan endlich dem ewigen Verderben anheimgefallen ist – das Zusammenbrechen dieser gewaltigen Frauennatur in Haltung und Mienen, und vor allem in der wie aus gebrochenem Herzen hervortönenden Bitte aus: „Lascia, o caro, un anno ancora allo sfogo del mio cor.“ – Ein maßloser Jubel dankte der Künstlerin für ihre tiefpoetische Schöpfung, von allen Seiten flogen ihr Blumen zu, und das da capo-Rufen wollte kein Ende nehmen, während Zerline-Malibran vor Zorn und Eifersucht weinend hinter der Coulisse stand, mit zuckenden Händen ihren Busenstrauß zerriß und sich im Stillen gelobte, Alles daran zu setzen, um Wilhelmine Schröder-Devrient zu vernichten.

Schon den Winter zuvor, als Henriette Sontag die Pariser entzückte, hatte die ehrgeizige Frau, die Niemand neben sich dulden wollte, in ähnlicher Weise gelitten. Damals hatte sie ihrem Zorn durch allerlei spöttische, geringschätzige Bemerkungen Luft gemacht. Die Malibran war’s, die von der Sontag sagte: „Sie ist groß in ihrem Genre, aber ihr Genre ist klein,“ eine Aeußerung, die so allgemeine Zustimmung fand, daß sich die eifersüchtige Künstlerin beinahe getröstet fühlte. Schlimmer erging es ihr mit Paganini, dessen Erfolge – obwohl sie nicht auf ihrem Gebiete errungen waren – sie abermals zur Verzweiflung brachten. Sie hatte von ihm gesagt: „Signor Paganini besäße zwar eine staunenswürdige [344] Fingerfertigkeit, durch die sich die Menge verblenden ließe; aber es fehle ihm an aller Wärme, und zu singen verstände seine Violine nicht.“ Paganini erfuhr diese Aeußerung und ließ die Sängerin fragen: „ob sie es auf einen öffentlichen Wettstreit ankommen lassen wolle; er wäre jeden Augenblick dazu bereit.“ Marie Malibran hatte darauf eine hochmüthig abweisende Antwort gegeben, konnte sich aber nicht verbergen, daß sie durch ihre unvorsichtige Aeußerung nur sich selber geschadet hatte.

Eingeschüchtert durch diese Erfahrung, beschloß die Malibran, Wilhelmine Schröder-Devrient mit andern Waffen zu bekämpfen, als mit Worten. Als die erste Aufregung vorüber war, sagte sie sich zum Trost, oder ließ sich von ihren Freunden einreden, daß Wilhelmine ihren Triumph nur der hervorragenden Rolle zu verdanken hätte, daß sie aber nicht im Stande sein würde, sich neben der berühmten italienischen Sängerin zu behaupten. Auf diese Ueberzeugung baute die Eifersüchtige ihren Racheplan.

Ihr Benefiz sollte in den nächsten Tagen stattfinden. Sie wählte dazu Rossini’s Othello und behielt sich selbst die Titelrolle vor, während die Partie der Desdemona Wilhelmine Schröder-Devrient übertragen wurde. Auf diese Weise wollte sie zugleich die Unerschöpflichkeit des eigenen Talentes durch eine ganz neue Kunstschöpfung in’s hellste Licht stellen und die ungetreuen Pariser überzeugen, daß die Desdemona der Malibran von keiner anderen Sängerin erreicht werden könnte.

Sie hatte sich verrechnet! Wilhelminens Desdemona war allerdings eine ganz andere, als die der spanisch-italienischen Künstlerin, aber sie war nicht minder wahr und schön, und das träumerisch Innige, das die deutsche Frau der Shakespeare’schen Desdemona abgelauscht hatte und das sie, trotz aller Leidenschaft des Ausdrucks, immer wieder anklingen ließ, verlieh ihrer Schöpfung einen unwiderstehlichen Reiz. Die Malibran dagegen erschien als Othello so unvortheilhaft als möglich; ihre zarte Gestalt, die im Männerkleide und neben Wilhelminens üppiger Schönheit fast dürftig erschien, paßte schlecht zu der gewaltigen Leidenschaft des Mohren, und die wunderbare Grazie, die der Künstlerin sonst eigen war, ging in den Uebertreibungen verloren, durch welche sie in dieser Rolle die Manneskraft zu ersetzen suchte. Ihr Augenrollen, Stampfen, Kopfschütteln, das Verzerren der feinen Lippen, das Ballen der kleinen Hände machte einen beinah komischen Eindruck, und sie hatte es nur der entschiedenen Vorliebe des Publicums, der Erinnerung an ihre anderen Leistungen zu verdanken, daß man sie nicht für ihren Mißgriff strafte. Ihre Freunde bemühten sich sogar, dem Beifall, den Wilhelme Schröder-Devrient erntete, das Gegengewicht zu halten – aber Marie Malibran war eine viel zu geistreiche Frau, um nicht zu verstehen, daß sie trotz dieses scheinbaren Erfolges eine Niederlage erlitt. Ihre Verzweiflung, ihre Wuth stieg von Scene zu Scene und beraubte sie endlich so ganz der Besinnung, daß sie zuletzt die todte Desdemona zu dicht an die vordere Lampenreihe schleppte und ihren Kopf so niederlegte, daß ihr der niedersinkende Vorhang unbedingt das Gesicht zerschlagen mußte. Glücklicherweise sah der Maschinist die Gefahr und ließ den Vorhang nicht nieder. Das Publicum, das erst applaudirt und herausgerufen hatte, stutzte, wunderte sich, wurde ungeduldig und rief, des Anblicks der Leiche müde: „à bas le rideau!“ Wilhelmine lag in Todesangst, unverwandt zwischen den vorsichtig geöffneten Lidern zu dem drohenden Vorhang emporstarrend. Plötzlich war es ihr, als sänke er tiefer und tiefer – sie ertrug die Angst nicht mehr und schob den Kopf so vorsichtig als möglich zur Seite. Aber das Publicum hatte die Bewegung gesehen und mißverstanden – man glaubte allgemein, Desdemona wolle sich überzeugen, ob Othello, bei dieser hartnäckigen Unbeweglichkeit des Vorhangs, seine Rolle als Todter noch immer fortspiele. Ein schallendes Gelächter brach los, während der Vorhang nun wirklich niedersank. Hatte Frau Malibran – wie Viele behaupten – ihren Fehler absichtlich begangen, so hatte sie erreicht, was sie bezweckte. Der Effect der Vorstellung war vollständig gestört. Sich in einen Wettstreit mit Wilhelmine Schröder-Devrient einzulassen, hat die Künstlerin aber nicht mehr unternommen. Ueberhaupt trat sie damals nur noch ein paar Mal in der Pariser italienischen Oper auf und ging im Januar 1832 nach Italien, wo sie sich mit dem Violinspieler Beriot vermählte.

Wilhelmine hat der Malibran trotz dieser Feindseligkeiten allezeit die begeistertste Anerkennung gezollt, und ihren frühen Tod – Marie Malibran starb in Manchester am 26. Septbr. 1836 – hat vielleicht keine ihrer Kunstgenossinnen so aufrichtig beweint, wie die von ihr gehaßte und verfolgte Schröder-Devrient.

In Paris blieb Wilhelmine, auch nach der Entfernung ihrer Hauptrivalin, von feindseligen Elementen umgeben. Spontini kam an die italienische Oper und benutzte hier, wie in Berlin, seinen ganzen Einfluß gegen die Künstlerin. Er vermochte die Pasta zurückzukehren und setzte es durch, daß ihr fast alle bedeutenderen Rollen übertragen wurden. Wilhelmine sah sich zu einer Unthätigkeit verurtheilt, die dieser strebsamen Natur im höchsten Grade peinlich war. So oft sie sang, erntete sie enthusiastischen Beifall, aber ihr Repertoir blieb auf wenige Stücke beschränkt, und so kam die Vielseitigkeit ihres Talentes nicht zur Geltung.

Obwohl sich Wilhelmine in diesen Verhältnissen sehr unbehaglich fühlte und mit sehnsüchtiger Ungeduld dem Ende ihres Engagements entgegensah, verkannte sie nicht, von welcher Bedeutung dies Zusammenwirken mit den besten Sängern der Zeit für ihre künstlerische Entwickelung war. Wie sie immer bereit war, das Gute anzuerkennen, war sie es auch, zu lernen und an sich selbst zu arbeiten. Rubini, die Pasta, die Malibran waren ihr Vorbilder im Gesang, denen zu folgen sie sich eifrig bestrebte – ein Streben, das der beste Erfolg belohnt hat.

Aber auch nach außen hin, für die Verbreitung ihres Ruhmes, war ihr das Engagement bei den Italienern von Nutzen. Monk-Mason, Director der deutsch-italienischen Oper in London, trat mit ihr in Unterhandlungen, und am 3. März 1832 wurde der Contract geschlossen, der sie für die Saison desselben Jahres (Mai und Juni) engagirte. Monk-Mason versprach ihr für die zwei Monate die Summe von 20,000 Francs und bewilligte ihr außerdem eine Benefizvorstellung, die im Mai oder Juni stattfinden sollte. Sie mußte sich dagegen verpflichten, monatlich wenigstens zehn Mal zu singen und während der Dauer ihres Engagements auf keiner andern englischen Bühne aufzutreten. In Concerten und Privatgesellschaften zu singen, stand ihr frei.

Als Imogene in Bellini’s Oper „il pirato“ nahm sie Abschied von Paris – sie hat seitdem keine französische Bühne wieder betreten. Das Haus war überfüllt bei dieser Vorstellung – obwohl es die achte Wiederholung des Piraten war – der Applaus überstieg alle Grenzen. Mit Blumen und Lorbeeren beladen kam Wilhelmine in ihre Wohnung zurück.

Am folgenden Tage war in vielen Zeitungen ein Nachruf an die Scheidende zu lesen. In einem dieser Blätter heißt es: „Frau Schröder-Devrient hat in einer Weise von uns Abschied genommen, die sie uns ewig unvergeßlich machen wird. Wie hat sie die Angst der Mutter dargestellt, als Gualtiero droht, ihr Kind zu tödten; wie leidenschaftlich und doch wie maßvoll ist ihr Entzücken, als ihr der Pirat den Sohn zurückgibt! In dem großen Duett mit Rubini hat sie Alles übertroffen, was wir je gehört haben. – Gewiß, diese Frau steht als Künstlerin neben den größten Sängerinnen aller Zeiten – ihre Bescheidenheit aber hebt sie über alle Andern empor.“