Englische Scharfschützen
[736] Englische Scharfschützen. Es ist merkwürdig, wie die Scharfschützenbewegung in England in’s Fleisch und Blut des Volks übergegangen ist. Statt, wie bestimmt vorhergesagt worden, nach wenigen Monden selig zu entschlafen, nimmt sie stetig und energisch zu. Es ist den Leuten Ernst. Sie wollen nicht länger vor ihrem treuen Alliirten zittern. Sie sind so weit gegangen, den Unterschied zwischen dem Gentleman und dem andern Sterblichen de facto zu zerstören. Eine sich eben bildende Freiwilligenversorgungscasse umfaßt gleichmäßig alle Mitglieder. Sie haben den halben Sonnabend geopfert. Werkstätten, Fabriken, Läden, Comptoirs, selbst Regierungsbureaux schließen – in überwiegender Mehrzahl – an diesem Tage, wenn nicht Mittag, so doch zu sehr früher Nachmittagsstunde, auf daß Herr und Diener, Meister und Gesell die Büchse zur Hand nehmen und zur Uebung marschiren möge. Und die Leute schießen gut. Ob auch die Invasion, wenn sie je gewagt würde, mit der Landung ein fait accompli wäre – und diese läßt sich durch Freiwillige zu Lande nicht hindern – so dürfte doch manche Rothhose einen brühwarmen Willkommengruß bekommen, den sie fortan nicht wieder vergessen würde.
Aber wie imposant auch immer das Schauspiel einer sich zu ernstem Spiele rüstenden Nation sei, wie bewundernswerth die begeisterte Opferfreudigkeit der Gesammtheit wie des Individuums, so hat doch hier zu Lande der Humbug so rasch sein Spiel mit allem noch so Würdevollen und Ernsten, daß es eine Lust ist. Wenn bei uns zu Lande der Stutzer, wie er sein soll, mit goldenem Stöckchen, märchenschönem Frack und wunderbar gebauten Stiefelchen über die Straße wandelt, so schreitet nunmehr Jones, Brown und Robinson am hellen Tage mit Büchse, Uniform, Commißstiefeln und Gamaschen gleich einem geharnischten Recken umher – blos der Schönheit wegen, raucht außerdem „Scharfschützentabak“ aus „Scharfschützenpfeifen“, trinkt „Scharfschützengetränk“ aus „Scharfschützenflaschen“, liest nur „Scharfschützenzeitungen“, „Scharfschützenmagazine“, „Scharfschützenbücher“, betet Sonntags aus einem „Scharfschützengebetbuche“, erbaut sich in einer „Scharfschützenbibel“ und singt aus einem „Scharfschützengesangbuche“. Außerdem fährt er mit „Scharfschützenextrazügen“ zu „Scharfschützenfesten“ auf „Scharfschützengründe“, tanzt auf „Scharfschützenbällen“ „Scharfschützenpolka’s“ und „Scharfschützenquadrillen“. Jede Zeitung hat ihre Scharfschützenspalte, Punch gibt keine Nummer ohne eine oder die andere Scharfschützencaricatur aus, und daß die Schuster, Schneider und andere löbliche Patrioten sich und ihr Geschäft der Bewegung angeschlossen und nunmehr als „Ihrer Majestät Scharfschützen-Schuster und -Schneider“ figuriren, versteht sich am Ende von selbst. Und es fehlt nicht an allseitiger Aufmerksamkeit. Die Kinder schreien Hurrah, wenn die Recken, Trommel und Pfeife vorauf, stramm und schmuck durch die Straßen marschiren, aus dem Küchengeschoß stürzen berußte Mägde, aus dem Obergeschoß lehnt die Frau und Tochter des Hauses, die Wärterin, das Baby im Arme, lächelt aus der Höhe der Ammenstube, und Heil dem Mägdlein, das hinter dem Perambulator wandelt – sie kann eine lange Strecke mitwandeln!