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Autor: J. Hartmann
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Titel: Emilie Uhland
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 318–321
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Emilie Uhland.

Ein Gedenkblatt zu ihrem hundertsten Geburtstag, 15. Mai 1899.

Am 13. November 1862 ist Ludwig Uhland in Tübingen, wo er geboren war und seit 1830 wieder gelebt hatte, im sechsundsiebzigsten Lebensjahre gestorben. Seine Witwe zog 1871 nach Stuttgart, der Stätte ihrer Jugend, und folgte dem Gatten, 82 Jahre alt, am 5. Juni 1881 im Tode nach.

Emilie Vischer war in dem gewerbsamen Schwarzwaldstädtchen Calw am 15. Mai 1799 geboren als die Tochter des wohlhabenden Vorstehers der dortigen Floßhandelsgesellschaft, Johann Martin Vischer, und der Emilie, geborenen Feuerlein, die einer angesehenen württembergischen Beamtenfamilie angehörte. Der Vater starb frühe und die Mutter schloß einen zweiten Ehebund mit dem Hofrat Pistorius in Stuttgart, in dessen Haus „Emma“ – wie für die Familie, hernach auch für Uhland, Emilie stets geheißen hat – mit zahlreichen Geschwistern eine glückliche Kindheit verlebte. Schon 1816 schied auch die vortreffliche Mutter, deren Gedächtnis Friedrich Rückert (damals Redakteur des Cottaschen Morgenblattes in Stuttgart) seinen schönen Sonettenkranz „Rosen auf das Grab einer edlen Frau“ gewidmet hat. Bereits war durch den Juristen Roser, der Emmas ältere Schwester 1814 geheiratet, der junge Advokat Ludwig Uhland in das Pistorius’sche Haus eingeführt und hatte die lieblich aufblühende jüngere Tochter ins Herz geschlossen; er glaubte aber, in den politischen Kämpfen der unruhigen Zeit und dem lange erfolglosen Ringen um eine befriedigende Stellung im Leben, seine tiefe Neigung in sich verschließen zu müssen, das geliebte Wesen erst an ihrem zwanzigsten Geburtstag, 15. Mai 1819, von ihrer „schwebenden Pein“ befreien zu dürfen durch jenes Lied mit den seitdem viel tausendmal von Unzähligen wiederholten Worten:

„Auf eines Berges Gipfel,
Da möcht’ ich mit dir stehn,
Auf Thäler, Waldeswipfel
Mit dir herniedersehn;
Da möcht’ ich rings dir zeigen
Die Welt im Frühlingsschein,
Und sprechen: wär’s mein eigen,
So wär’ es mein und dein!“

Endlich am 16. Januar 1820 wurde der stille Bund der Herzen öffentlich ausgesprochen und am 29. Mai desselben Jahres in Stuttgart Hochzeit gehalten, der Beginn einer vollkommen glücklichen, durch nichts als das Fehlen eigener Kinder getrübten Ehe von 42jährigem Bestand. Es sind wenige mehr, die noch aus der guten Zeit der edlen Frau, den Tübinger Jahren – denn die Stuttgarter waren bald durch Abnahme der Kräfte getrübt –, deutliche Erinnerungen an sie haben. Das Bild, das sie in sich tragen, ist das der ernsten, würdevollen Hausherrin, die man zu den wenig nahbaren Verstandesnaturen zu zählen geneigt sein mochte, die man aber mit ihrer tiefgründigen Bildung und ersichtlichen aufopfernden Hingebung an den Gatten als die des allverehrten Mannes vollkommen würdige Frau hochschätzen mußte.

Als wenige Jahre nach des Dichters Tod die Schrift „Ludwig Uhland. Eine Gabe für Freunde. Zum 26. April 1865. Als Handschrift gedruckt (Stuttgart, Cotta)“ verteilt wurde und dann im Buchhandel als „Ludwig Uhlands Leben. Aus dessen Nachlaß und aus eigener Erinnerung zusammengestellt von seiner Witwe [319] (Stuttgart, Cotta 1874)“ erschien, hat mancher gefragt, ob denn die Frau dieses vortrefflich geschriebene, nach Inhalt, Anordnung und Form ausgezeichnete Buch allein, ohne die Beihilfe eines im Bücherschreiben Geübten, verfaßt habe. Die ihre Briefe kannten, hatten keinen Grund es zu bezweifeln. Heute können wir es öffentlich beweisen, da uns vergönnt ist, aus einem von Emilie Uhland durch dreißig Jahre geführten Tagebuch Mitteilungen zu machen, die gleich sehr die verehrungswürdige Schreiberin, wie ihren Gatten und eine mit ihm durchlebte, von ihr beschriebene bedeutsame Zeit, die Jahre 1848 und 1849, zu kennzeichnen geeignet sind. –

1848. März 6. Welche Zeit der Aufregung! Wenn mein Uhland in der Adresse, zu der er aufgefordert wurde, sagt: ein Sturm ist in unsere Zeit gefahren, so ist dies wahr bis in das Innerste unseres stillen Hauswesens. Wie ist er, der sonst so gerne sich in seine Studien vertieft, nun hingenommen durch die gewaltigen Zeitverhältnisse! Menschen und Dinge dringen auf ihn ein und ziehen ihn aufs neue in die Kreise des öffentlichen Lebens. Geht es doch auch mir kaum anders, freilich leisten kann ich nichts, aber erregt und hingenommen durch die sich stündlich drängenden Ereignisse bin auch ich.

8. Freund Pfizer (Paul Pfizer, 1801–67) war heute bei uns, um sich mit Uhland darüber zu berathen, ob sie in die Kammer treten müssen. Staffette, daß er mit Duvernoy (1802 bis 1890) ins Ministerium treten soll. (Märzministerium: Römer, Duvernoy, Goppelt etc. – abgetreten 28. Oktober 1849.)

19. Der König hat meinen Mann zu sich beschieden und ihn beauftragt, in Frankfurt beim Bundestage mit zu berathen. Das hätte er sich nicht gedacht, als er ihn vor 15 Jahren in Ungnade entlassen hat, daß er ihm einst noch danken werde, daß er eine Sendung von ihm übernehmen wolle. Mein guter Mann, der sich so gern in seine Studien vertieft hat, wird nun so ganz gegen seine Neigung wieder in die politische Laufbahn gezogen. Er dauert mich, ich bin aber auch überzeugt, daß er sich nicht entziehen darf …

1. April. Trotz der jungen Gäste, die mir die Trennung von Uhland (der am 27. März nach Frankfurt abgereist ist) erleichtern, ist mir doch oft recht schwer zu Muthe. Kann es ihnen gelingen, den vereinten Männern in Frankfurt, ein freies einiges Deutschland aufzubauen … ? Ich fürchte mehr als ich hoffe.

19. Seit 8 Tagen bin auch ich in Frankfurt. Ich war recht innig froh, als Uhland mich zu sich beschied, denn so schwer wie diesmal wurde mir die Trennung von ihm noch nie. Wenn er sonst allein auf Reisen war, wußte ich ihn zufrieden im Verfolgen seiner friedlichen litterarischen Zwecke, und das tröstete mich; dießmal aber wußte ich ihn im Streit und Drang des öffentlichen Lebens, da verlangte mich bei ihm zu sein. Nachdem wir hier in Frankfurt noch einige Tage bei Frau Mappes gewohnt hatten, haben wir eine kleine Mietswohnung (Kleine Hochstraße 6) bezogen. Es ist dabei nicht ganz ohne Selbstüberwindung von meiner Seite abgegangen. Ich hätte eine in einer lebhafteren Straße und mit etwas eleganterer Einrichtung vorgezogen, Uhland dagegen wünschte mehr die jetzt bezogene, da er sich nach Stille sehnte; auch ist ihm der Mangel aller Eleganz nicht fühlbar, da er für den äußeren Schein gar keinen Sinn hat. So geht es auch mit dem Mittagstisch. In der Regel essen wir bei einem Restaurateur, nun ist es wahr, alles ist gut und auch anständig dort, doch regt sich immer wieder der Hochmuthsgeist in mir, ob auch der Ort für mich passe? Im Gasthof essen mag Uhland nicht, zu Hause allein essen mag ich nicht, so gehe ich denn eben mit ihm in die Restauration und dämpfe die Menschenfurcht in mir, die immer fragen will: Qu’en dira-t-on? Den Verhandlungen der Fünfziger anzuwohnen ist mir sehr interessant. Ich sähe meinen Mann lieber unter ihnen sitzen, als im Bundespalais, obgleich Uhland immer mehr den Muth gewinnt, daß sein Dortsein nicht ohne Einfluß sei. Wie sich alles noch gestalten wird? Die neue Zeit will mir immer noch wie ein Traum erscheinen. Daß Männer aus dem Volk und nicht die alten Machthaber die Staatszügel führen sollen, ist für uns lenksame Deutsche eine so neue Erscheinung!

28. April. Badische Revolution. Ich habe dießmal den Geburtstag meines Mannes mit banger Seele gefeiert, wie wird das nächste Jahr uns finden? In den letzten Tagen waren die Parlamentswahlen, ist wohl Uhland gewählt? (Er war es, für Tübingen und die Nachbarbezirke, fast einstimmig.) Welche ernste Aufgabe liegt vor ihm, und doch darf er sich ihr nicht entziehen, das weiß ich wohl.

19. Mai. Gestern war die Eröffnung des Parlaments. Es war mir recht feierlich zu Muthe, als ich die Männer unter dem Geläute der Glocken vom Römer in die Paulskirche ziehen sah, meinen Uhland unter ihnen. Dann aber gleich das kleinliche Gezänke um Geschäftsformen. Tief sank da mein Muth. Arme Männer, denen es ein heiliger Ernst ist, wie viele Geduld werdet ihr üben müssen all dem vorlauten Geschwätze gegenüber!

3. Juni. Unser Freund Pfizer ist in schweren Tiefsinn versunken. (Mußte aus dem Parlament und Ministerium austreten.)

22. Juni. Ich werde durch die verschiedenen Reden – Wahl eines Reichsverwesers – hin und her gezogen in meinem Sinn und kann mir keine feste Ansicht bilden. Oft möchte ich Uhland und mich hinwegwünschen in unseren friedlichen Garten, in anderen Augenblicken bin ich wieder freudig und stolz, daß er in der Versammlung sitzt, ja ich bin zufrieden, daß er dort nicht mehr an der Spitze der Berathung steht, daß sein bescheidener Sinn sich zurückzieht und keinen Einfluß auf andere sucht.

29. Erzherzog Johann gewählt. Es war mir schmerzlich, daß Uhland nicht für ihn gestimmt hat. Doch weiß ich ja, daß die redlichste Ueberzeugung ihn bei seiner Abstimmung geleitet hat. –

4. September. Schmählicher Waffenstillstand mit Dänemark.… Armes Deutschland, deine Einheit war nur ein schöner Traum, von allen Seiten und aus deinem eigenen Innern steigen die Feinde auf! Werden die Beschlüsse, die das Parlament faßt, anerkannt werden und wenn nicht, was wird dann geschehen? Wie viel muthiger sind doch die Männer als ich!

Septemberunruhen.… Lichnowsky und Auerswald.… Wie wird dieser Tag ausgebeutet werden von der Majorität der Versammlung! Und welch Unglück für Männer wie Uhland, der Ueberzeugung zuliebe mit dieser äußersten Linken oft zusammenstehen und stimmen zu müssen!

…. Um Goethes Denkmal stehen die Pferde unseres württembergischen Reiterregiments geschart, die Reiter werden das Bildniß für einen alten König halten. Was würde Er zu allem denken?

29. Oktober. Seit 3 Tagen Berathung, ob Oesterreich Theil des Deutschen Bundes bleiben soll. …. Bei dieser Berathung habe ich auch zum ersten Male meinen Uhland im Parlament sprechen hören; seine Worte haben als Ausdruck seiner Ueberzeugung auch Eindruck auf die Gemüter gemacht.

1849. Januar 16. Immer noch in Frankfurt! Und die Hoffnung, daß all das Mühen und Ringen einen glücklichen Erfolg haben werde, wird immer geringer. …. Oesterreich nun doch ausgeschlossen. …. So wird nun wohl auch das erbliche Oberhaupt angenommen werden. Armer Uhland, wie hast du vergeblich zu kämpfen und dabei die Unlust, daß so viele deiner Mitstreiter deiner nicht werth sind! Es betrübt mich oft ganz, daß er und die äußerste Linke, die mir ihrem Wesen nach so ganz mißfällt, weil sie mir so oft roh und knabenhaft, ohne Wahrhaftigkeit und ohne echte Vaterlandsliebe erscheint, zusammen genannt werden. Wohl sind auch viele wohlmeinende und brave Männer unter dieser Partei, da sie sich aber eben deshalb nicht so breit machen wie die Herren …., so werden sie nicht genannt. Doch auch dieses Zusammensein mit manchem Unkraut, manchem weniger lauteren Charakter, ist ein Opfer, das nun einmal Uhlands politische Ueberzeugung von ihm fordert. Wäre er auf der rechten Seite, so würden mir ja auch vieler Namen nicht gefallen, mit denen er gehen müßte. Sein lieber Name wird doch nicht befleckt, er folgt ja nicht der Partei, er folgt dem Panier, dem er sein Leben lang gedient. „Der Dienst der Freiheit ist ein strenger Dienst“ ist immer noch wahr!

19. Jan. Beschluß, daß einer der regierenden Fürsten zum Oberhaupt gewählt werden soll. Am 22. begann der Kampf aufs neue, über die Erblichkeit. Auch Uhland sprach dießmal, was mir erwünscht war, nicht sowohl, weil ich eine Hoffnung gehegt, er werde jemand für seine Ansicht gewinnen, das ist kaum mehr zu erwarten, aber es war mir von Werth, daß er in einer so hochwichtigen, folgeschweren Sache die Gründe seines Abstimmens öffentlich aussprechen könne um der Freunde und um der Zukunft willen.. Während der Abstimmungen wurde es mir oft auch bange, ob Uhland wohl auch die richtige Ansicht habe, ob nicht die Erwählung des Königs von Preußen doch der einzige Weg zum Heile für Deutschland sei? Uhland aber ist [320] getrost und fest in seiner Ansicht. Ach, ich wäre ein schlechter Abgeordneter, hin und her geweht von jedem Winde der Meinung! ..

In der ersten Hälfte des Februars war ich auf Besuch in der Heimath. Wie hat es mich geschmerzt zu sehen, daß Uhlands politische Ansicht und Thätigkeit so wenig Billigung bei Verwandten und Freunden findet! Das ist ein bitteres Erkennen für mich, ungeachtet ich von früher her daran gewöhnt sein könnte. Das zwar kann ich mir nicht verbergen, daß die Zeitereignisse, die so manchen Mann zur Rechten hinübergeführt, meinen Uhland einen Schritt weiter links gebracht haben; er hat den Glauben an die constitutionelle Regierungsform verloren und steht damit den Republikanern näher als früher. Dadurch wird er auch in seinen Abstimmungen geleitet; ob die Erweiterung der Volksfreiheit, die er und seine Genossen anstreben, ob das allgemeine Wahlrecht besonders, zum Heile Deutschlands gereichen wird, wer kann es sagen? Daß Uhland es auf das Beste meint, das allein weiß ich. Gäbe es viele Männer wie er, rein und ohne Selbstsucht, unbestechlich und wahrhaftig, dann könnte auch ich an ein Gedeihen einer Republik glauben.

20. März. Ich bin den Debatten mit Aufmerksamkeit gefolgt, oft wollte mich die Aengstlichkeit befallen über Uhlands Standpunkt, aber immer wieder tröstet mich die ruhige Bestimmtheit seines Wesens. Als ich gestern meiner Bedenklichkeit, ob er nicht der Richtigkeit der Idee doch gegenüber der Wirklichkeit zu viel Recht einräume, Ausdruck gab, da sagte er mir: Ich glaube, ich könnte nicht ruhig sterben, wenn ich anders stimmen würde! So will ich denn jetzt auch getrost sein, was auch kommen mag!

27. März. Der Erbkaiser hat gesiegt.. Uhland sagte mir gestern, so peinlich sei ihm noch keine Sitzung gewesen, als die gestrige, wo die Rechte völlig gegen ihre Principien in das Suspensivvotum gewilligt, so sehr habe für ihn die Würde der Versammlung noch nie Abbruch gelitten, als dadurch. Armer Uhland! Heute ist es ein Jahr, daß er hier sich abmüht! ..

3. April. Die Kaiserdeputation ist Freitag von hier abgegangen .. Ach, daß Uhland hier bleiben muß, weil er keinen Ersatzmann hat! Es wird nun wohl ein klägliches Ende mit der Reichsversammlung nehmen .. Was Uhland bei der Württembergischen Kammer immer an dem Ende des Landtags zu beklagen hatte, das Rücknehmen aller energischen Beschlüsse, das wird er wohl hier aufs neue erfahren müssen. Die Oberpostamtszeitung bereitet uns schon darauf vor.

Wie kann X. die Partei, der Römer und Uhland und andere Ehrenmänner angehören, so mit Schimpf und Schmach überschütten? Ist denn alle Erinnerung an die alte Freundschaft und Achtung um seiner Parteileidenschaft untergegangen? Es wäre schon an der Trauer, daß Paul Pfizer und Uhland in verschiedenen Feldlagern kämpfen, genug gewesen .. Ebenso lauten die Zuschriften von Heidelberg und Braunschweig. Wie wechselt doch die Menschengunst!

Emilie Uhland.

8. April. Der König hat die Deputation kalt, fast schnöde empfangen. ..

18. Immer noch die gleiche Ungewißheit. Am Ende muß man sich noch freuen über den Kaiser, den man nicht gewollt, nur daß einmal eine Entscheidung eingetroffen. Sonntag waren wir in Aschaffenburg mit Römer und Sternenfels (Gesandter Württembergs in Frankfurt). Als wir am Morgen zum Frühstück hinabgingen, war Römer schon abgereist, von einem Expressen nach Stuttgart gerufen in den Ministerrath, der über die württembergische Antwort an das Parlament zu berathen hatte .. Nun muß Römer trotz seiner Abneigung gegen das Preußenthum doch dem König (Wilhelm I von Württemberg) zureden .. Ein großer Theil der Linken hat nun auch beigestimmt ohne Clausel wegen der Oberhauptsfrage. Uhland steht fest wie ein Fels, nächstens aber in wunderlicher Gesellschaft mit der extremen Rechten und mit der äußersten Linken. Armer, guter Mann, deine Geduld und Ausdauer wird hier auf harte Probe gestellt!

22. April. Unser König will sich der Reichsverfassung nicht unterordnen… Das Herz ist nun getheilt in mir: ich fürchte die Auflehnung und den Aufruhr im Lande und doch wünsche ich der deutschen Sache den Sieg. Aber ach! der Erbkaiser ist ja auch nicht die deutsche Sache.

28. Der König hat sich gefügt und in Bezug auf Württemberg atmet meine Brust leichter. Dagegen trübt sich der Himmel sonst nach allen Seiten .. Ich bin keine Heldin, das fühle ich wohl, ich zage, wenn die Versammlung energische Beschlüsse fassen sollte, aus Angst für das Allgemeine, aus Angst für meinen Uhland. Auf der anderen Seite fühle ich auch, daß die Versammlung bei ihrem Werke stehen bleiben muß...

3. Mai. Revolution in Dresden etc.

8. Mai. Ich gebe nun die Hoffnung auf, daß die Nationalversammlung ihr Werk zu Ende führen kann.

15. Mai. Heute bin ich 50 Jahre alt! Wie viel Güte und Barmherzigkeit hat mir Gott in diesem langen Leben erzeigt! Ich stehe beschämt und weiß mich nicht werth … Durch treue Liebe beglückt, im Besitz einer noch frischen Seelen- und Körperkraft, durch äußere Umstände nicht gedrückt, mit den Mitteln, mir und Andern Freude zu machen, gesegnet, fühle ich mich meines Looses so unwürdig .. Um mich her ist es desto sorgenvoller und trüber und oft will mir bange werden für das geliebte Haupt, in dem mein Glück beruht. Gott schütze den besten Mann und zeige ihm den richtigen Weg in den schweren Entscheidungen, die er mit zu beschließen hat!

18. Badische Revolution. .. Ein Bestehen und Gedeihen der Republik kann ich nicht glauben, mir fehlen die Bürger derselben. Welch schwerer Stand für Männer wie Uhland! Wohin sollen sie sich wenden? .. Den Aristokraten gegenüber muß Uhland mit den Republikanern stimmen, deren Bestrebungen er doch auch nicht traut. Wie soll dieser Kampf noch enden?

21. Austritt Gagerns, Dahlmanns etc. .. Die dennoch bleiben, werden freilich auch nichts mehr vermögen, und doch hält sie die Ehre fest.

24. Mein Mann ist aufgefordert worden, die Ansprache an das deutsche Volk zu machen, ungeachtet er nicht in dem Ausschusse ist, dem sie aufgegeben wurde. Wie gerne hätte ich gesagt: thue es nicht, Uhland, als Neuwerk kam, ihn darum zu bitten. Ich schwieg, denn ich hätte doch nur aus Feigheit abgerathen. Hätte er abgelehnt, so wäre es Neuwerk zugefallen und da wäre sie aufregender ausgefallen. Uhland wird aber gewiß von beiden Seiten Tadel erfahren.

27. Mai. Pfingstfest. Heute haben wir in der freien Natur wieder einmal frei aufgeathmet. Wir waren mit Mappes in Kronenberg und auf dem Altkönig. Wie ist es schön und friedlich in Gottes Schöpfung und wie zerstört der Menschen Selbstsucht und Schlechtheit, was Gott schön gemacht!

29. Nun sind auch die Hannoveraner abgerufen. Immer kleiner wird die Schaar und wie mißlich wird dadurch die Stellung der Gemäßigten unter ihnen! Ach, könnte ich meinen Mann daraus erlösen! Gestern wurden im Württembergischen Unruhen befürchtet. Auch hier hat Uhland beruhigend zu wirken gesucht. Ob seiner Warnung wohl Gehör gegeben wurde?

30. Beschluß, nach Stuttgart überzusiedeln. Uhland hat gethan, was er konnte, um dieses Resultat abzuwenden. Es könnte leicht der Funken zum Ausbruch eines verheerenden Brandes werden. Den 1. Juni sind wir von Frankfurt abgereist mit schwerem Herzen, wenn wir auf die Erfolglosigkeit so mühsamer Beratungen, so vieler gebrachter Opfer blicken; mit schwerem Herzen, wenn wir daran dachten, was die Uebersiedelung nach Stuttgart dem Heimatlande bringen könnte… Erst am 6. kamen wir in Stuttgart an, in das ich mit Schmerz einzog. Erste Sitzung, Beschluß, eine Regentschaft einzusetzen. Uhland bemühte sich vergebens, ein weniger gefährliches Amendement durchzubringen. Heute Abend nun soll gewählt werden. Gott schütze [321] mein Heimatland, er erleuchte auch meines lieben Mannes Geist, daß sein reiner Wille den besten Weg trifft! Wie gerne hätte ich ihm zugeredet, daß er aus der Sitzung bleiben und diese vielleicht dadurch unvollzählig machen solle! Aber ich durfte es mir nicht erlauben, ich habe so oft erfahren, daß er richtig geurtheilt, wenn die Mehrzahl gegen ihn sprach.

8. Regentschaft. Und mein Mann ist immer noch in dieser Versammlung, die diese Beschlüsse faßt! .. In der Nationalversammlung sind wenige Stimmen zur Beschlußfassung entscheidend. Ach! da nicht sagen zu dürfen: Uhland, gehe nicht hin! Gott, wie schwer!

15… Mein armer Mann unter diesen Männern, die er nicht achtet, die seiner engeren Heimat verderblich sind und die er doch nicht lassen kann, weil er das Parlament nicht lassen will!

18. Heute wurde nun doch der Schlag auf die Nationalversammlung geführt. Mein Uhland wollte diesem letzten tragischen Act sich nicht entziehen. .. So endete die erste Nationalversammlung der Deutschen. Sie fiel durch eigene und fremde Schuld, durch Mangel an Muth der einen Hälfte, durch Leichtsinn und Uebermuth der andern.

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Hier endet das handschriftliche Tagebuch der treuen Lebensgefährtin Uhlands. Er selbst hat, wie sie in der gedruckten Biographie berichtet, über seine Teilnahme am politischen Leben später einmal die den ganzen Mann kennzeichnenden Worte geäußert: „Es lag nie in meinem Wunsche, eine Stellung als Leiter einer Partei einzunehmen, überhaupt beteiligte ich mich an politischen Verhandlungen nur, weil ich es für Pflicht hielt, mich nicht zu entziehen, wenn ich dazu berufen wurde. Ich wollte aber immer nur als gemeiner Soldat dienen und ließ die hervorragenden Stellen gern den anderen, die sich dazu drängten. Ohne Rückhalt mich aussprechen, wie meine Ueberzeugung gebot, das wollte ich in der Ständeversammlung wie im Parlament. In letzterem hat es leider an den Offizieren gefehlt.“ J. Hartmann.