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Autor: Joachim Teichmüller
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Titel: Die technischen Wissenschaften / Elektrotechnik
Untertitel:
aus: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band, Zehntes Buch, S. 364–375
Herausgeber: Siegfried Körte, Friedrich Wilhelm von Loebell, Georg von Rheinbaben, Hans von Schwerin-Löwitz, Adolph Wagner
Auflage:
Entstehungsdatum: 1913
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Reimar Hobbing
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Erscheinungsort: Berlin
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[1508]
V. Elektrotechnik
Von Dr. J. Teichmüller, Professor an der Technischen Hochschule Karlsruhe


Von keiner unter allen technischen Wissenschaften kann man mit gleicher Berechtigung sagen, daß ihre Entwicklung so ganz in die Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. fällt, wie von der Wissenschaft der Elektrotechnik. Zwar hat es schon vor dem Jahre 1888 eine Elektrotechnik gegeben, etwa seit Ende der siebziger Jahre, wo man anfing, im technisch-industriellen Sinne Dynamomaschinen zu bauen und elektrische Beleuchtungsanlagen zu errichten – aber von einer elektrotechnischen Wissenschaft kann man doch erst seit der Zeit sprechen, wo an den Technischen Hochschulen elektrotechnische Vorlesungen gehalten und Institute errichtet wurden; das geschah wenige Jahre vor 1888. Berlin-Charlottenburg unter Slaby und Darmstadt unter Kittler gingen im Wintersemester 1883/84 voran; Hannover unter Kohlrausch folgte im Herbst 1885.

Von da ab entwickelte sich dann die neue Disziplin an den Technischen Hochschulen schnell; im Jahre 1888 finden wir sie an allen in teilweise schon recht zahlreichen Vorlesungen und durch mehrere Dozenten vertreten.

Der wissenschaftlichen Pflege harrte nun ein weites Feld, das bis dahin hauptsächlich nur die Früchte empirischer Bearbeitung getragen hatte.

Gleichstrommaschinen.

Die Erfolge zeigten sich sehr bald an den Dynamomaschinen. Man sehe einmal die älteren Gleichstrommaschinen an: monströse Gebilde mit langen dünnen Eisenschenkeln, die mit einer großen Menge Kupferdraht bewickelt sind! Der lange, ebenfalls dick bewickelte Anker wird zwischen massigen Polschuhen gedreht. Viel vom teuren Kupfer und wenig vom billigen Eisen wurde verwendet, um eine Maschine bestimmter Leistung zu erhalten. – Entschieden änderte sich dieses Bild erst um 1887; die Maschinen erhielten nun kurze und dicke Eisenschenkel mit verhältnismäßig wenigen Windungen Kupferdraht; in ihrer gedrungenen Gestalt bildet die neue Maschine ein Gegenstück zu ihrer Vorgängerin. Diese Umwälzung ist ein Ergebnis strenger wissenschaftlicher Forschungen, immer gepaart mit dem Streben, die elektrischen Maschinen möglichst billig zu machen.

Die wissenschaftlichen Untersuchungen, die diese Umwälzung hervorgebracht haben, erstrecken sich hauptsächlich auf das, was man später den magnetischen Kreis genannt hat.

Die Grundlage zu der mit diesem Namen verbundenen Anschauung eines magnetischen Induktions- oder Kraftflusses, der auf geschlossenen Bahnen in sich zurücklaufe, wurde schon von Faraday gelegt und von der englischen Schule darauf weitergebaut, bis im Jahre 1884 Werner Siemens die Beziehung zwischen magnetomotorischer Kraft, magnetischem Widerstand und Induktionsfluß als Ohmsches Gesetz des magnetischen Kreises klar aussprach. Dieses anschauliche Gesetz und die Hopkinsonsche Formulierung der physikalischen Tatsachen führte zu der oben geschilderten Umwälzung, die der elektrische Maschinenbau in Deutschland in den Jahren 1887 und 1888 durchmachte (in England [1509] etwas früher); Lahmeyer war bei uns der erste, der Maschinen nach der neuen Erkenntnis baute.

Nun folgte eine Erforschung des magnetischen Kreises und der magnetischen Eigenschaften des Eisens mit dem Ziele, die Maschinen sicherer vorausberechnen und verbessern zu können. Methoden zur Eisenuntersuchung waren bekannt; ihre nun gesteigerte Bedeutung führte aber zu wichtigen Verbesserungen. Für die Prüfungen des Eisens auf die Verluste, die bei seiner Ummagnetisierung durch Hysterese und Wirbelströme auftreten, wurden Apparate von Epstein, Möllinger und von Rudolf Richter angegeben und, damit die mit ihnen gewonnenen Ergebnisse ohne weiteres miteinander verglichen werden könnten, für ihre Anwendung vom Verbande Deutscher Elektrotechniker im Jahre 1903 eine Norm aufgestellt. Eine natürliche Folge war nun, daß man das Eisen so zu verbessern strebte, daß die Verluste geringer würden; das gelang hauptsächlich durch Legierung mit Silizium.

Aus der Kenntnis des magnetischen Kreises heraus wurde dann Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre die Form der elektrischen Maschine zu dem bis heute festgehaltenen Typus entwickelt, für den außer der oben erwähnten Gedrungenheit für größere Maschinen die Vielpoligkeit charakteristisch wurde.

Die durch die vielpolige Ausbildung des Feldmagnetsystems an den Anker gestellte Forderung zu befriedigen wurde leicht, nachdem Arnold im Jahre 1891 die Ankerwicklungen in ein System gebracht hatte. Mit dem zunehmenden Verlangen der Industrie nach größeren Maschinen wurde auch das Bestreben dringlicher, aus Maschinen bestimmten Gewichts eine möglichst große Leistung herauszuholen. Ihrer Ausnutzung bis zur natürlichen, durch die Erwärmung gezogenen Grenze stand aber noch ein großes Hindernis entgegen: die Funkenbildung am Stromabnehmer, dem sogenannten Kommutator. Diese hielt zwar der Laie für die selbstverständliche Äußerung einer stark beanspruchten Maschine, etwa wie bei einer Lokomotive das heftige Auspuffen. Der Fachmann aber sah sie mit Kummer; und seinen theoretischen Forschungen gelang es, das Funken in seinen Ursachen zu ergründen und durch geschickt angewandte Mittel zu beseitigen. Das erfolgreichste Mittel fand in den von Menges erfundenen Wendepolen nach Ablauf des Patentes 1899 allgemeine Verbreitung.

Nun war es auch möglich, solche Gleichstrommaschinen zu bauen, deren Entwicklung bisher durch die Funkenbildung in besonderem Maße gehemmt war: Maschinen mit sehr großen Geschwindigkeiten, wie sie für Antrieb durch Dampfturbinen gefordert wurden, Motoren mit schnell und stark veränderlicher Belastung, wie sie hauptsächlich in hüttenmännischen Betrieben gebraucht wurden, und Motoren, deren Geschwindigkeit in weiten Grenzen geregelt werden sollte.

Wechselstromtechnik.

Von Wechselstrom war im Jahre 1888 noch kaum die Rede, die erste praktische Anlage mit parallelgeschalteten Transformatoren zur Umwandlung hochgespannten in niedergespannten (d. h. unmittelbar gebrauchsfähigen) Wechselstrom, also nach einem heute allgemein verbreiteten Systeme, war von der Ofen-Pester Firma Ganz & Cie. 1887 für den Wiener Westbahnhof erbaut [1510] worden; in Deutschland wurde die erste Anlage 1891 zur Versorgung der Stadt Köln errichtet. Heute beherrscht der Wechselstrom einen gewaltigen Teil der Elektrotechnik. Seine gegen heftigsten Widerstand errungenen Erfolge verdankt er jener Umsetzbarkeit der Spannungen in Transformatoren, einer Eigenschaft, der sich auf der Seite des Gleichstroms nichts von annähernd gleichem Werte gegenüberstellen läßt, heute auch nicht mehr, wie man es früher wohl tun konnte, die Akkumulierbarkeit.

Den Erfolg der Wechselstromtechnik in den letzten 25 Jahren muß man um so mehr bewundern, je mehr man erkennt, welche außerordentlichen Schwierigkeiten sich ihm entgegenstellten. Die Theorie mußte zuerst auf der von den Physikern, Helmholtz u. a., gelegten Grundlage aufgebaut werden, eine mühsame Arbeit, die mit den von der praktischen Technik gestellten Forderungen oft nicht Schritt halten konnte. Die Entdeckungen und Erfindungen überstürzten sich fast. Zum gewöhnlichen Wechselstrom, dem Einphasenstrom, trat der Mehrphasenstrom hinzu. Dieser aus zwei oder drei in ihren Phasen verschobenen Einphasenströmen bestehende Strom hatte seine wertvollste Eigenschaft, nämlich die, bei passender Anordnung der von ihm erregten Feldmagnete ohne weiteres ein rotierendes Magnetfeld zu erzeugen, schon im Jahre 1883 offenbart. Zu praktischer Bedeutung gelangte er erst durch die Erfindung des asynchronen Induktionsmotors, die wieder gerade in das Jahr 1888 zu verlegen ist, wo Ferraris und Tesla ihre Arbeiten und Konstruktionen bekanntmachten. Dieser Motor, dessen Anker nach Dobrowolsky in nichts weiter als einer Anzahl von an ihren Enden durch Kupferringe leitend verbundenen Kupferstäben zu bestehen braucht – wegen seiner Ähnlichkeit mit dem drehbaren Käfig des Eichhörnchens Käfiganker genannt – beseitigte mit einem Schlage den größten Nachteil des Wechselstroms, den nämlich, daß es keine praktisch befriedigenden Wechselstrommotoren gab; ja er verwandelte den Nachteil in einen Vorteil, denn an Einfachheit kann sich mit ihm kein anderer Motor messen.

In der Ausbildung und Verwendung des neuen Motors und des Mehrphasenstromes in Gestalt des reinen Drehstroms übernahm die deutsche Wissenschaft und Technik die Führung. Dies zeigte sich glänzend auf der Frankfurter internationalen elektrotechnischen Ausstellung im Jahre 1891, wo, in Verbindung mit der Schweizer Maschinenfabrik Örlikon, die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft unter ihrem hervorragenden Ingenieur Dobrowolsky die Motorstation einer nach diesem System betriebenen Energieübertragung von 70 PS auf 175 km Entfernung von Lauffen am Neckar aus vorführte. Der Kaiser hatte das Unternehmen durch Bewilligung eines Reichszuschusses von 10 000 M. gefördert. Hinter diesem glanzvollen Ausstellungobjekte trat ein von Görges erfundener Drehstrommotor von Siemens & Halske, ein Kommutatormotor, zurück, obwohl er gegenüber dem erstgenannten den Vorteil hatte, seine Geschwindigkeit in weiten Grenzen regulieren zu lassen. Erst mehrere Jahre später, als mehr Gewicht auf Regulierbarkeit gelegt wurde, gelangten die Kommutatormotoren auf der Grundlage des Görgesschen Motors zu praktischer Bedeutung. Ganz erheblich wurde ihre Einführung erleichtert, ja eigentlich erst ermöglicht durch die bei der Gleichstrommaschine zur Funkenunterdrückung so erfolgreich angewendeten Wendepole. Die Bewältigung der [1511] schwierigen, dem Erfolge auf diesem Gebiete vorgelagerten Probleme theoretischer und technischer Art ist hauptsächlich deutschen Elektroingenieuren zu danken.

Bahnen.

Daß man sich zunächst der Ausbildung des Einphasen-Kommutatormotors zuwandte, ist aus dem Bedürfnis nach einem Wechselstrommotor mit großer Regulierbarkeit und großem Anzugsmoment für elektrische Bahnen zu erklären.

Die elektrischen Bahnen waren, nachdem im Jahre 1879 Werner Siemens zum ersten Male eine solche gebaut hatte, durchweg mit Gleichstrom betrieben. Vom Jahre 1889 an verdrängten sie mehr und mehr die Pferdebahnen in den Städten. Für Fernbahnen genügte der Gleichstrom mit der bei ihm früher möglichen Spannung von nur 500 Volt nicht; man mußte zu Wechselstrom übergehen. Die ersten Bahnen dieser Art verwendeten den besser durchgebildeten Drehstrommotor. Die sehr großen Umständlichkeiten, die aus den für ihn nötigen zwei Fahrdrähten entstanden, bildeten die Haupttriebkraft zur Entwicklung des Einphasenmotors. Heute wird dieser Motor für Bahnen fast ausschließlich verwendet. Auch an der Ausbildung der Wechselstrombahnen hat die deutsche Technik hervorragenden Anteil genommen, insbesondere durch die von 1899 an im großen Maßstabe unternommenen Versuche der Studiengesellschaft für elektrische Schnellbahnen, welcher die führenden Firmen der deutschen Technik unter Beteiligung des preußischen Fiskus angehörten.

Lampen.

Die elektrische Beleuchtung stand im Jahre 1888 noch in ihren Anfängen. Die erste praktische Bogenlampe, die sogenannte Kerze von Jablochkoff, stammt aus dem Jahre 1876, die den Urtyp der modernen Bogenlampe darstellende Differenziallampe von Hefner von Alteneck aus dem Jahre 1879. Die elektrische Glühlampe wurde im Jahre 1878 von Sawyer und Man erfunden und die erste elektrische Beleuchtungszentrale mit parallelgeschalteten Glühlampen im Jahre 1882 von Edison in Neuyork in Betrieb gesetzt. Im Jahre 1884 folgte dann die erste derartige Anlage in Deutschland, eine Blockzentrale in Berlin.

Auf dem Gebiete der Bogenlampen wurde bis gegen 1893 aller Fleiß nur auf die Verbesserung des Regulierwerks verwandt. Etwas grundsätzlich Neues schuf erst 1893 der Amerikaner Jandus, indem er den Lichtbogen luftdicht abschloß, wodurch die Brenndauer der Kohlen auf das 10- bis 20fache gesteigert wurde, leider unter starker Vergrößerung des Energieverbrauchs. Einen großen Schritt zum bessern machte der Deutsche Bremer im Jahre 1900 durch eine Lampe mit Kohlen von starkem Gehalte an Metallsalzen, deren spezifischer Verbrauch bei Gleichstrom und Wechselstrom gleichmäßig 0,2 Watt für eine Hefnerkerze und darunter betrug, gegenüber 0,5 Watt bei den bisherigen Gleichstromlampen und gegen 1 Watt bei den Wechselstromlampen. Später gelang es der deutschen Technik, solche stark metallsalzhaltigen Kohlen in luftabgeschlossener Glocke brennen zu lassen und so einen verhältnismäßig geringen Verbrauch mit langer Brenndauer zu vereinigen. Eine vorübergehende Bedeutung erlangten um 1893 die sogenannten Dreischaltungslampen von Körting & Mathiesen. Die von Aron in Berlin erfundene Quecksilberdampflampe hat wegen ihrer Armut an roten Lichtstrahlen noch nicht die erwartete Verbreitung zu gewinnen vermocht, auch nicht [1512] in ihrer Vervollkommnung durch den Amerikaner Cooper Hewitt und fast ebensowenig in der Gestalt der Heräusschen Quarzlampe.

Die Glühlampe ist lange Zeit unverändert geblieben. Das Problem war, Lampen zu bauen, die bei möglichst hoher Spannung einen möglichst geringen spezifischen Verbrauch, dabei aber eine lange Brenndauer und eine große mechanische Festigkeit des Fadens hätten. Der Preis der Lampe sollte natürlich gering sein. Die Lösung war schwierig, denn die Bedingungen widersprechen einander; besonders schwierig war es, den Bedingungen bei Lampen geringer Lichtstärke zu genügen. Deshalb erscheinen bei jeder erreichten Spannungserhöhung erst Lampen verhältnismäßig hoher Lichtstärke und hohen spezifischen Verbrauchs; erst allmählich gelingt es, den letzteren zu verbessern und auch Lampen geringerer Lichtstärke herzustellen. Die Kohlenfadenlampen der gebräuchlichsten Spannung und Lichtstärke hatten 1888 einen spezifischen Verbrauch von 3,5 bis 4 Watt pro Hefnerkerze bei 600 bis 800 Stunden Brenndauer, und viel weiter ist man mit ihnen überhaupt nicht gekommen.

Der spätere Fortschritt in der Glühlampentechnik stützte sich auf die hauptsächlich durch Lummer geförderte Kenntnis von dem Wesen der sogenannten Temperaturstrahler. Das durch sie geleitete Bestreben, Glühfäden aus Körpern herzustellen, die eine möglichst hohe Temperatur aushalten, zeitigte zuerst, und zwar im Jahre 1901, die von Nernst erfundene und nach ihm benannte Glühlampe mit Glühkörpern aus sogenannten Leitern zweiter Klasse, die bei gewöhnlicher Temperatur Isolatoren, bei hoher aber Leiter sind. Die außerordentlichen Schwierigkeiten, die sich der praktischen Lampe entgegenstellten, wurden von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in bewunderungswürdigem Maße überwunden. Der spezifische Verbrauch der Lampe war etwa 1,6 Watt pro Kerze, ihre Brenndauer leider freilich nur 300 Stunden. Ihre Konstruktion war allerdings sehr verwickelt, und so mußte sie denn nach einigen Jahren wieder einfacheren Lampen weichen. Darunter sind anzuführen die Osmiumlampe der Deutschen Gasglühlichtgesellschaft von Auer von Welsbach 1901, die Tantallampe der Firma Siemens & Halske 1905 nach den Erfindungen ihres Ingenieurs Dr. von Bolton. Im Jahre 1906 wurde mit einer aus dem noch schwerer schmelzbaren Wolfram hergestellten Glühlampe bei einem spezifischen Verbrauche von 1,1 Watt und etwa 1500 Stunden Brenndauer die Grenze des bis heute Möglichen erreicht. Nur für ganz große Lampen ist es gelungen, den spezifischen Verbrauch noch weiter, bis auf etwa 0,8 Watt, und in allerjüngster Zeit sogar auf 0,5 Watt herabzudrücken. Ein wichtiger Schritt der letzten Zeit bestand darin, daß man – während die Fäden bis dahin „gespritzt“ werden mußten – durch eine in Deutschland und in Amerika gleichzeitig gemachte Erfindung Wolfram zu widerstandsfähigen Drähten ziehen lernte. Die neueren Glühlampen haben die elektrische Beleuchtung außerordentlich verbreiten helfen, und die Glühlampe hat auch die Bogenlampe vielfach verdrängt.

Leitungen.

Auch die technisch-wissenschaftliche Behandlung der Leitungen zwischen den Erzeugern und den Empfängern der elektrischen Energie beginnt Ende der 80er Jahre. Vorher war man schon zu der Erkenntnis gekommen, daß die Energieempfänger, [1513] insbesondere die Glühlampen, nebeneinander zwischen die Leitungen geschaltet werden müßten. Wie man solche Leitungen aber so berechnen sollte, daß die angeschlossenen Lampen trotz der in den Leitungen eintretenden, mit der Zahl der eingeschalteten Glühlampen schwankenden Verluste gut funktionierten, darüber herrschte noch eine heute kaum verständliche Unklarheit. Ende der achtziger Jahre erschienen die ersten Arbeiten deutscher Ingenieure; kleine Vernachlässigungen, wie sie auch sonst dem Ingenieur geläufig sind, nahmen dem Probleme seine vorherigen Schwierigkeiten. Selbst verwickelte Gebilde, Netze mit förmlichen Maschen, lernte man bald behandeln, nachdem Hochenegg, Herzog, Feldmann und andere die ersten Schwierigkeiten zu überwinden verstanden hatten.

Die Frage, in welcher Stärke man Ströme durch Leitungen bestimmten Querschnitts schicken dürfe, ohne sie übermäßig zu erwärmen, wurde lange Zeit unrichtig beantwortet, weil die älteren, von deutschen Physikern angestellten Untersuchungen vergessen waren. Erst auf dem Umwege über Amerika wandte man sich 1889 auch bei uns wieder einer besseren Erkenntnis zu, und der Verband Deutscher Elektrotechniker ersetzte im Jahre 1895 die alten Faustregeln durch eine für Hausinstallationsleitungen gültige Belastungstabelle. Neue Tabellen wurden von demselben Verbande 1907 angenommen, und zwar auch für unterirdische Kabel, nachdem Teichmüller die Frage durch theoretische Untersuchungen geklärt und diese später im Laboratorium von Felten & Guilleaume mit deren Ingenieur Humann durch praktisch-experimentelle Untersuchungen bestätigt hatte. Dem von den Gebrüdern Hopkinson in England schon 1883 erfundenen Dreileitersystem, durch das der Vorteil der Spannungsverdopplung ohne Erhöhung der Lampenspannung erreicht wurde, reihten um 1890 Siemens & Halske unter Vervierfachung der Leitungsspannung das Fünfleitersystem an. Die Erhöhung der Spannung wurde aber immer dringlicher, je mehr das Bedürfnis wuchs, die Energie auf größere Entfernungen zu übertragen. Das Fünfleitersystem konnte sich wegen seiner Kompliziertheit nicht behaupten, sobald die Wechselstromtechnik den oben geschilderten Aufschwung nahm und es durch ihre wundervolle Fähigkeit, die Spannung in fast beliebigen Grenzen hinauf- und herabzusetzen, ermöglichte, für die Leitungen hohe Spannungen zu verwenden, während die Spannung der Stromempfänger beliebig klein gehalten werden konnte. Die für die Leitungen dabei entstehenden Aufgaben: die theoretische Beherrschung der Drehstromleitungen, die wirtschaftliche Frage nach der Bedeutung des dauernden Energieverlustes in den Transformatoren und ihre Folge: die Anwendung von Gruppentransformatoren mit einem Sekundärverteilungsnetz, die Berücksichtigung von Kapazität und Selbstinduktion der Leitungen, schließlich die Konstruktion der Leitungen – alle diese Aufgaben wuchsen mit der Ausdehnung der Leitungsnetze ins Ungemessene und beschäftigen die Elektrotechnik bis in die jüngste Zeit auf das eifrigste. Und gerade auch auf diesem Gebiete steht die deutsche Elektrotechnik neben der amerikanischen, die in mancher Richtung kühner und rücksichtsloser vorgegangen ist, an der Spitze. Welche Fortschritte hier gezeitigt sind, mag durch die Mitteilung belegt werden, daß sich die Firmen im Jahre 1891 noch scheuten, ein Kabelnetz für eine Spannung von 3000 Volt zu bauen, heute werden von denselben Firmen Mehrleiterkabel für 30 000 Volt [1514] und Einleiterkabel sogar für 60 000 Volt gebaut; solche Kabel sind z. B. für die Wechselstrom-Vollbahn Dessau-Bitterfeld verlegt worden. Hochspannungs-Freileitungen sind von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft und den Siemens-Schuckert-Werken schon für 110 000 Volt gebaut worden, und zwar für die Energieübertragung zwischen Lauchhammer und Gröba in Sachsen, die erste Anlage, die in Europa mit so hoher Spannung betrieben wird.

Messungen.

So große Fortschritte wie die geschilderten hätten nicht gemacht werden können, wenn nicht die Möglichkeit geschaffen worden wäre, genauer zu messen als früher, sowie Erscheinungen und Vorgänge zu beobachten, an deren Verfolgung früher niemand hätte denken können. Auch an der Entwicklung der hierzu gehörigen neuen Meßverfahren und Meßgeräte hat die deutsche Elektrotechnik hervorragenden Anteil.

Die Neuerungen beziehen sich zum großen Teile auf die Beobachtung von Wechselstromerscheinungen. Am augenfälligsten stellt sich hier die von Amerika angeregte, und bei uns Ende der 90er Jahre vollzogene Umwandlung der alten Torsionsdynamometer zu direktzeigenden Zeigerinstrumenten dar. Etwa gleichzeitig erschienen die Hitzdrahtinstrumente in England und wurden in Deutschland von Hartmann & Braun erheblich vervollkommnet. Das Drehfeld wurde hauptsächlich von Siemens & Halske in den sogenannten Ferrarisinstrumenten zur Konstruktion sehr guter Wechselstrominstrumente benützt. Der in Frankreich und England angegebene Oszillograph, ein Apparat zur Aufzeichnung der Kurven von Wechselströmen, wurde von Siemens & Halske ausgearbeitet. Dieses wunderbare Instrument, das es ermöglicht, Schwingungen zu beobachten und zu photographieren, deren Periodendauer nur etwa 1/3000 Sekunde beträgt, zählt heute zu den wichtigsten Instrumenten eines Laboratoriums.

Auf dem Gebiete der Gleichstrommessungen gehört zu den wichtigsten Ereignissen die durch die Auffindung eines zuverlässigen Normalelementes ermöglichte Einführung des ursprünglich von Poggendorf angegebenen Kompensationsapparates in die Praxis, der dann 1890 von Feußner und später von Hausrath erheblich verbessert wurde. Es ist ferner die Schaffung von Normalien, insbesondere der Widerstandsnormalien unter Führung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt und schließlich die hauptsächlich von Raps geförderte Einführung und Ausbildung der von d’Arsonval und als Zeigerinstrument von Weston angegebenen Drehspulengalvanometer anzuführen.

Einen sehr großen Raum im Gebiete der Meßtechnik nimmt der gewöhnlich als Elektrizitätszähler bezeichnete Arbeitsmesser ein; er wird in ungezählten Mengen verwendet, und diese Tatsache in Verbindung mit der Notwendigkeit, seine Zuverlässigkeit aufs höchste zu steigern, reizte zahlreiche Erfinder und Konstrukteure im Laufe der von uns betrachteten Zeit, sich der Ausbildung dieses Instrumentes zu widmen, nachdem im Jahre 1884 als einer der ersten und erfolgreichsten Pioniere der deutsche Physiker Aron vorangegangen war. Die inzwischen zu hoher Blüte gelangte deutsche Präzisionsmechanik baut heute Elektrizitätszähler von großer Vollendung in Massenfabrikation.

Die Anführung der Drehspuleninstrumente gibt Anlaß, an einen feindseligen Gegensatz [1515] zu denken, der in den 90er Jahren zwischen elektrotechnischer Wissenschaft und wirtschaftlicher Elektrotechnik entbrannte. Die Galvanometer der älteren Art benützten als beweglichen Teil eine durch das magnetische Feld der Erde gerichtete Magnetnadel. Die von den modernen Starkströmen, insbesondere den Strömen elektrischer Bahnen hervorgerufenen magnetischen Felder waren nun so stark, daß sie auf weite Entfernungen hin das erdmagnetische Feld beeinflußten; eine Messung mit empfindlichen Nadelgalvanometern war dabei überhaupt nicht mehr möglich. Bei den Drehspuleninstrumenten ist aber das von feststehenden Stahlmagneten geschaffene Magnetfeld so stark, daß die Beeinflussungen durch Bahnströme nicht bemerkbar sind. Durch sie sind die wissenschaftlichen Laboratorien davor bewahrt worden, aus den Städten gedrängt zu werden und schließlich – wie es Kohlrausch in jener Zeit einmal in humoristischer Übertreibung ankündigte – in die Lüneburger Heide auszuwandern.

Eine andere Gefahr der Bahnströme besteht in den sogenannten vagabundierenden Strömen, welche, während sie als Rückströme der elektrischen Straßenbahnwagen eigentlich in den Schienen zum Kraftwerk zurückfliehen sollten, die Schienen verlassen und an irgendwelchen Stellen in Gas- oder Wasserleitungen oder in die Bleimäntel elektrischer Leitungen eindringen, um aus diesen in der Nähe des Kraftwerks wieder aus- und in die Schienen zurückzufließen. An diesen Austrittsstellen zerstören sie die von ihnen vorher durchflossenen Metalleiter durch elektrolytische Wirkung. Es ist ein großes Verdienst des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern unter Lindley und Bunte, diese Gefahr gründlich geprüft und in Verbindung mit dem Verbande Deutscher Elektrotechniker und dem Verein Deutscher Straßenbahn- und Kleinbahnverwaltungen Maßnahmen zu ihrer Beseitigung vorgeschlagen zu haben. Die Gefahr kann als beseitigt gelten, viel haben hierzu die neuen Meßverfahren von Haber beigetragen.

Anlagen.

Im Jahre 1888 und noch mehrere Jahre später gehörten zur elektrischen Ausrüstung eines Elektrizitätswerks nur die Generatoren, einige von Hand einstellbare Regulierwiderstände, die fast nie fehlenden Akkumulatoren mit ihren Zellenschaltern und die Meßinstrumente, alles zusammengestellt nach einem der von der Akkumulatorenfabrik in Hagen ausgearbeiteten Schemata, die Licht in das damals noch sehr dunkle Gebiet der Schaltungsschemata gebracht hatten. Die Apparate und Instrumente wurden auf einem sogenannten Schaltbrett untergebracht. Gegenwärtig ist ein Elektrizitätswerk erheblich mannigfaltiger ausgerüstet mit einer großen Zahl von Hilfsmaschinen und Hilfsapparaten, welche den Betrieb wirtschaftlicher und genauer gestalten. Dazu gehören die Ausgleichmaschinen zum Ausgleichen der Spannungen im Dreileitersystem, die Zusatzmaschinen zum Laden von Akkumulatoren, die Puffermaschinen zur Regelung des Parallelarbeitens von Generatoren und Akkumulatoren, ferner die Induktionsregler, Regulierapparate für Wechselstrom, um die Spannung zu vermindern oder zu erhöhen, Reguliertransformatoren und Ausgleichtransformatoren, welche in Wechselstromanlagen eine ähnliche Aufgabe wie die Ausgleichmaschinen in Gleichstromanlagen erfüllen. Bei diesen Regulierapparaten ist auch der Schnellregler zu gedenken, die 1903 von dem Amerikaner Tirrill ersonnen, von der deutschen Wissenschaft, [1516] unter andern von Schwaiger einer gründlichen theoretischen Behandlung und praktischen Ausbildung unterzogen wurden; die ersten deutschen Schnellregler gaben 1908 die Siemens-Schuckert-Werke heraus. Schließlich ist noch der zur Umwandlung des Wechselstromes in Gleichstrom bestimmte Umformer zu nennen, anfangs eine aus Wechselstrommotor und Gleichstromgenerator bestehende Doppelmaschine, später durch den amerikanischen sogenannten Einankerumformer ersetzt. In Deutschland wurde der Umformer u. a. durch die Erfindung des Kaskadenumformers von Bragstad und La Cour im Jahre 1904 weiter ausgebildet.

Sehr viel mannigfaltiger wurden die elektrischen Anlagen auch durch die außerordentlich gesteigerte Vielseitigkeit der Anwendung elektrischer Betriebskraft. Von solchen Betrieben sollen hier wenigstens die im Berg- und Hüttenwesen, in der Fördertechnik und in den Walzwerken erwähnt werden, weil die Befriedigung ihrer Bedürfnisse eine besonders umfangreiche wissenschaftliche Ingenieurtätigkeit erforderte und auch auf die Gestaltung der Erzeugeranlagen einen starken Einfluß ausübte.

Betrachten wir nun die Entwicklung der elektrischen Anlagen als Ganzes, so sehen wir die der Gleichstromanlagen um die Jahrhundertwende ziemlich abgeschlossen. Von da an wandte sich der ganze Fleiß der Ingenieure den Wechselstromanlagen zu und führte zu dem, was wir heute Wechselstrom-Hochspannungstechnik nennen. Von Hochspannung kann im Jahr 1888 überhaupt noch nicht die Rede sein, weil es noch keine Wechselstromtechnik gab. Nicht lange vorher war eine Energieübertragung mit Gleichstrom von 2000 Volt in der Schweiz in Betrieb gesetzt worden, und 1888 stritt man sich noch in der Literatur, ob sie einen Erfolg oder einen Mißerfolg bedeute. Hochspannungsanlagen im modernen Sinne des Wortes waren eben – trotz der unleugbaren Erfolge, die die zähe Energie des Schweizers Thury mit hochgespanntem Gleichstrom erzielt hat – nur mit Wechselstrom, insbesondere Drehstrom möglich. Und solche konnten sich auch nach der Frankfurter Ausstellung nur langsam entwickeln; der mit jener Übertragung von 70 PS auf 175 km Entfernung bei 27 000 Volt getane Schritt war zu groß gewesen. Es mußten erst noch gründliche Forschungen und Fortschritte in der Hochspannungstechnik gemacht werden. Als besonders wichtig seien die Erfindung des Ölschalters, die Verbesserung der Porzellanisolatoren und die Auffindung von Mitteln erwähnt, durch die man die Anlagen vor Überspannungen, wie sie beim Unterbrechen von Stromkreisen und durch atmosphärische Einflüsse entstehen können, zu schützen gelernt hat.

Derartige Neuerungen änderten die Einrichtung der Kraftstationen von Grund aus, insbesondere in den Schaltanlagen. Diese entwickelten sich von jenen bescheidenen „Schaltbrettern“ des Jahres 1888 aus zu großen Schalthäusern, die das Maschinenhaus an Größe oft noch erheblich überragen. Die Generatoren steigerten ihre Größe gewaltig: während im Jahre 1888 Maschinen von einigen hundert Kilowatt Leistung für ungewöhnlich groß angesehen und die Generatoren des Frankfurter Elektrizitätswerks mit 500 Kilowatt Leistung noch im Jahre 1894 allgemein angestaunt wurden, sind heute Generatoren für 12 000 und 15 000 Kilowatt in Betrieb, und einer für sogar 25 000 Kilowatt wird gegenwärtig von Brown, Boveri & Cie. in Mannheim gebaut. Draußen, [1517] außerhalb des Kraftwerks, änderte sich das Bild ebenfalls durchaus: die Länder werden heute von Leitungen durchzogen, wie man sie im Jahre 1888 überhaupt nicht, und auch noch lange Zeit darauf nur in bescheidensten Abbildern in den Freileitungsnetzen kleiner Ortschaften kannte. Eiserne Leitungsmaste von 16, ja 20 und 30 m Höhe sind nichts ungewöhnliches; bei Flußüberkreuzungen kann man – an der Ems und der Trave – Türme von 73 m Höhe bewundern. Der Mastabstand wurde von rund 40 m auf 120 bis 180 m vergrößert. Solchen Leistungen mußte eine gründliche Durchbildung der Berechnungsmethoden auf Durchhang und über die Standsicherheit der Mäste vorausgehen. In oder in der Nähe der Ortschaften begegnet man Unterstationen, in denen der Wechselstrom in Gleichstrom umgeformt wird, oder Transformatorenhäusern, welche die hohe Spannung auf die niedrigere Gebrauchsspannung umsetzen oder auf eine Mittelspannung, in der die Energie auf einen beschränkten Bezirk verteilt wird, um dann erst durch Transformatoren zweiter Ordnung auf die Gebrauchsspannung gebracht zu werden.

Deutschland ist in dieser Entwicklung der Überlandwerke allen anderen europäischen Ländern weit voraus. Es wird nicht lange dauern, bis alle deutschen Länder von Hochspannungsnetzen überzogen und auch die kleinsten Ortschaften mit elektrischer Energie versorgt sind.

Eine natürliche Folge der ungeheuren Fortschritte auf dem Gebiete der elektrischen Energieübertragung war, daß man mehr und mehr dazu überging, die Kraftwerke am Orte der natürlichen Energiequellen zu errichten, in Flußläufen und später auch an Kohlengruben. Wurde es doch bald viel billiger die Energie in elektrischer Form als an die Kohle gebunden zu transportieren, so viel billiger, daß auch minderwertige Brennstoffe, wie Braunkohle und in den letzten Jahren sogar Torf wieder erheblich an Wert gewannen. Für den Torf schien lange Zeit überhaupt keine Verwendung in größerem Umfange mehr möglich zu sein. Das war um so schmerzlicher, als damit die Hoffnung fallen mußte, die Torfmoore kultivieren zu können. Heute wird eins der größten preußischen Moore, das Wiesmoor in Ostfriesland, durch ein mitten im Moore arbeitendes von den Siemens-Schuckert-Werken erbautes Elektrizitätswerk ausgebeutet und mit der aus dem Torf gewonnenen elektrischen Energie kultiviert; andere Moore sollen folgen. Dieses große Kulturwerk des preußischen Staates wäre sicherlich nicht so bald in Angriff genommen worden, wenn nicht Kaiser Wilhelm persönlich dafür eingetreten wäre.

Die ungeheure Entwicklung der elektrischen Anlagen hat erheblich dazu beigetragen, daß heute technisch-wirtschaftliche Probleme gründlich behandelt werden und dem technischen Nachwuchs mehr und mehr eine daraufhin gerichtete Ausbildung zuteil wird.

Schwachstromtechnik.

Es bleibt noch übrig, einen Blick auf dasjenige Gebiet der Elektrotechnik zu werfen, das die elektrische Zeichen- und Nachrichtenübertragung umfaßt und seit 1891 gewöhnlich mit dem Namen Schwachstromtechnik bezeichnet wird. Für die Telegraphie sind die auf die bessere Ausnutzung der Leitungen gerichteten Bestrebungen, insbesondere die Erfindung von Apparaten, die die Telegraphiergeschwindigkeit vergrößert haben, bemerkenswert. Am [1518] schnellsten arbeitet der Schnelltelegraph von Wilhelm von Siemens, welcher die Geschwindigkeit auf 2000 Buchstaben in der Minute zu steigern gestattet, gegenüber einer Geschwindigkeit von etwa 30 Buchstaben, die mit der gewöhnlichen Morseschrift bei Handbetrieb zu erreichen sind. Diese das Bedürfnis weit überschreitende Leistung ist der praktischen Einführung des Apparates ein Hindernis gewesen.

Durch sorgfältig erwogene Abmessungen unserer deutschen Unterseekabel ist auch die Telegraphiergeschwindigkeit auf diesen Leitungen erheblich gesteigert. Es kann hier der außerordentliche Aufschwung nicht übergangen werden, den die Teilnahme Deutschlands an der Erweiterung des Unterseekabelnetzes der Welt genommen hat. Von höchster Bedeutung für das Deutsche Reich in Krieg und Frieden ist dabei, daß wir mit unserm Netze das frühere Monopol Englands beseitigt haben. Ein großes Verdienst an diesem Erfolge hat die eifrige Pionierarbeit Emil Guilleaumes. Auch bei diesen großen und schwierigen Unternehmungen hat in entscheidenden Momenten der Kaiser mit klarem Blick das Ziel ins Auge gefaßt und den Weg gewiesen.

In der Telephonie, die mit der Eröffnung des Berliner Fernsprechamts im Jahre 1881 ihren Einzug gehalten hatte, ist in wissenschaftlicher Hinsicht seit dem Jahre 1888 die Einführung der Polarisationszellen, der Kondensatoren und der Drosselspulen, mit Hilfe deren man Stromzweige für gewisse Stromarten zugänglich machen, für andere verriegeln kann, und die Ausbildung der Telephonkabel am bemerkenswertesten. Mehr in technischer und praktischer Hinsicht sind die Ersetzung der Einzelbatterien in den Teilnehmerstationen durch eine Zentralbatterie im Amte, der Glühlampenanruf, der Ausbau der alten Klappenschränke zu den jetzigen Wunderwerken der Präzisionstechnik: den Vielfachumschaltern, von Bedeutung geworden. In den letzten Jahren sind die Selbstanschluß-Fernsprechämter hinzugekommen, durch die es ermöglicht ist, daß der eine Teilnehmer sich mit dem anderen, mit dem er sprechen will, selbst, ohne Vermittlung durch einen Beamten im Vermittlungsamt, verbindet. Die meisten Anregungen zu der großartigen Entwicklung der Telephontechnik sind aus Amerika, teilweise auch aus Schweden gekommen, in Deutschland aber auf den fruchtbaren Boden einer weit vorgeschrittenen, sorgfältig arbeitenden Technik gefallen. Auf deutschem Boden selbst entstand der Fernphotograph von Korn, durch den man in den Stand gesetzt ist, unter Benutzung der lichtempfindlichen Selenzellen Bilder telegraphisch in die Ferne zu übertragen.

Als gewichtiger Erfolg der wissenschaftlich arbeitenden Technik ist zu verzeichnen, daß die schweren Kämpfe, in denen sich anfangs der 90er Jahre der Schwachstrom gegen den Starkstrom verteidigte, und die der Entwicklung beider verhängnisvoll zu werden drohten, heute so gut wie beendigt sind.

Wir betreten zum Schlusse ein Gebiet, dessen Erschließung und Bearbeitung wie kein zweites ganz die Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. ausfüllt und dieser Zeit in der Geschichte der Kultur einen ganz besonderen Glanz verleiht: das Gebiet der drahtlosen Telegraphie. Nach einigen vorbereitenden Aufsätzen im Jahre 1887 veröffentlichte 1888 Heinrich Hertz in Karlsruhe ausführliche Mitteilungen über seine experimentellen Entdeckungen und Studien der elektrischen Wellen; diese Versuche haben die Grundlage [1519] für die drahtlose Telegraphie gelegt. Als dann im Jahre 1890 von Branly im sogenannten Kohärer oder Fritter ein einfacher und empfindlicher Apparat zum Nachweise elektrischer Schwingungen gefunden war und dieser auch die Möglichkeit gewährte, die durch stoßweise Aussendung von solchen Wellen gegebenen Zeichen mit Hilfe eines Morseschreibers aufzuzeichnen, konnte der Italiener Marconi im Jahre 1896 die Hertzschen Wellen zum Telegraphieren ohne Leitung benützen. Die beiden nächsten, für die praktische Ausbildung der drahtlosen Telegraphie außerordentlich wichtigen Schritte machten wieder zwei Deutsche: Braun in Straßburg gelang es, Erzeugung und Aussendung der elektrischen Schwingungen so voneinander zu trennen, daß die Schwingungen viel reiner und mit viel größerer Energie in den Raum hinausgingen, und Max Wien in Danzig fand in der sogenannten Löschfunkenstrecke ein Mittel, daß immer nur ein einziger störungsfreier Wellenzug von ganz bestimmter Art ausgesandt wurde und nun in den auf Resonanz eingestellten Empfangsapparaten mit großer Intensität und störungsfrei wirken konnte. Welch regen Anteil der Kaiser an diesem wesentlich deutschem Geiste entsprungenen Kulturfortschritt nahm, wissen wir aus Slabys Veröffentlichungen.

Es kann dieser Abschnitt nicht geschlossen werden, ohne daß der Verband Deutscher Elektrotechniker erwähnt würde, dessen bedeutende Leistungen nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland dankbar anerkannt werden.