Textdaten
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Autor: Friedrich Gerstäcker
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Titel: Eine verlorene Mutter
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 567–568
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen. Erinnerungen vom Kriegsschauplatze.
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[567] Eine verlorene Mutter. Der Krieg würfelt die Schicksale der Menschen gar wunderlich durcheinander, und ein merkwürdiges Beispiel davon haben wir jetzt hier in Dresden.

Bei dem Ausrücken der preußischen Truppen, als ein Bahnzug mit Garde-Artillerie in Breslau hielt, stieg der fünfzehnjährige Sohn einer Marketenderin, der sie begleiten sollte, mit den übrigen Soldaten aus, konnte aber beim Signal zum Wiedereinsteigen den Wagen nicht wiederfinden, in welchem seine Mutter saß, und suchte nun in Todesangst auf und ab, um sie zu treffen. Vergebens. Der Zug setzt sich endlich in Bewegung und er muß zurückbleiben. Aber er wartet nur den nächsten ab, der das dritte Garde-Regiment der Königin Elisabeth bringt, und fährt mit diesem nach, weiß aber unglücklicher Weise nicht die Batterie, welcher sich der Marketenderkarren angeschlossen, und treibt sich jetzt zwischen den Soldaten herum, bis sich ein junger Bursche der fünften Compagnie, Heinrich Friedrich, den der arme Junge dauerte, seiner annahm und ihn bei sich behielt.

Nun ging es weiter; durch ganz Böhmen und Mähren durch, wohin [568] das Regiment marschirte, folgte der Knabe und machte alle Schlachten – barfuß mit. Der Soldat versichert, er sei überall mit im Kugelregen gewesen und bei Königgrätz sogar manchmal weiter voraus, als er selber. Aber sein Schutzengel wachte, er erhielt selbst nicht die leichteste Verwundung und ist jetzt mit der siegreichen Armee von Prag zurückgekehrt, ohne bis jetzt aber noch eine Spur von seiner Mutter gefunden zu haben, von deren Schicksal er nicht das Geringste weiß. Die Frau hieß Henriette Martin Zierold und war als Hülfsmarketenderin bei der Garde-Artillerie. Er selber heißt Friedrich Wilhelm Zierold, ist fünfzehn Jahre alt, aus Merseburg gebürtig und jetzt in Guben daheim.

Das Einzige, was uns hier zu thun übrig blieb, war, an seinen Vormund nach Guben zu schreiben und diesen zu benachrichtigen, damit er wenigstens Kunde geben kann, ob man etwas von der verlorengegangenen Mutter erfahren hat. Nachher werden sich auch Mittel und Wege finden, um den jungen Menschen in seine Heimath zurückzusenden.

Der Knabe ist übrigens frisch und gesund und hat die ungeheuren Strapazen jener anstrengenden Märsche vortrefflich ertragen, scheint auch ungemeine Lust am Soldatenleben zu haben und trägt ganz stolz, trotz seiner bloßen Füße, eine preußische Soldatenmütze. Es ist ein echtes „Kind des Regiments“.

Fr. Gerstäcker.