Eine Universal- oder Weltsprache

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Titel: Eine Universal- oder Weltsprache
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aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 544
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[544] Eine Universal- oder Weltsprache. Da in der Gegenwart die Bestrebungen des Menschen ununterbrochen darauf gerichtet sind, räumliche Entfernungen zu kürzen, die Völker einander näher zu bringen und einen allgemeinen Weltverkehr anzubahnen, so ist es nur als eine natürliche Folge zu betrachten, wenn in Millionen denkenden Köpfen vielleicht hin und wieder der Wunsch auftauchte, es möchte auch die letzte Schranke fallen, welche die Menschen hindert, sich an allen Punkten der Erde als Brüder zu begrüßen, die Schranke der Sprachen. Aber wunderbar muß es erscheinen, daß, während in Süddeutschland, wie die illustrirte Zeitung vermuthet,[WS 1] ein Mann auftritt, welcher die großartige Idee, eine Weltsprache zu schaffen, bearbeitet, zu gleicher Zeit auch ein Norddeutscher seit sieben Jahren thätig gewesen ist, demselben Ziele zuzusteuern, und daß beide Männer in so gänzlich von einander abweichender Weise ihren Zweck zu erreichen suchten, daß an eine Verschmelzung beider Systeme vielleicht kaum gedacht werden kann. Denn während der Süddeutsche auf dem philosophischen Wege tiefsinniger Sprachforschung bemüht gewesen ist, seine Idee in’s Leben zu rufen, war der Sinn des Norddeutschen darauf gerichtet, auf rein praktischem und naturgemäßem Wege eine Sprache zu schaffen, welche durch die außerordentlichste Vereinfachung des grammatischen Baues, durch den angenehmsten Wohlklang der Wörter und durch die größte Leichtigkeit, sie zu erlernen, vollkommen geeignet ist, sich zum allgemeinen Lieblinge der gebildeten Welt zu machen. In seiner Unternehmung haben ihm Zeit und Geschichte den bedeutungsvollsten Wink gegeben, denn so wie das Auf- und Abfluthen siegreicher und unterdrückter Nationen nach Jahrhunderten in England eine Sprache schufen, welche, von Orthographie und Aussprache abgesehen, mit jeder andern europäischen Sprache in ihrer Einfachheit wetteifern kann, so hat auch der norddeutsche Forscher auf dem Wege wissenschaftlicher Vergleichung eine Sprache zu Stande gebracht, die, ohne den Nationalstolz eines Volkes im Mindesten zu verletzen, jeden Europäer durch die ihm bekannten Heimathsklänge ansprechen und durch eine in jeder Beziehung bemerkbare Vervollkommnung fesseln wird. Um die Aufmerksamkeit von mehr als einem Volke auf diese große Idee zu lenken, wird seine Grammatik zur Universal- oder Weltsprache in deutscher, französischer und englischer Sprache erscheinen, und er selbst wird noch vor Verlauf eines Jahres persönlich auftreten, um vor dem Richterstuhle der Wissenschaft von seinem Unternehmen Rechenschaft abzulegen. Wie schon angedeutet worden, hat der Verfasser sich blos die Regeln der Schönheit und Anmuth, der Leichtigkeit und Kürze, der Einfachheit und Biegsamkeit bei seiner Schöpfung zur Richtschnur genommen.

Alle Unregelmäßigkeiten und Ausnahmen, wodurch das Erlernen einer Sprache so außerordentlich erschwert wird, sind gänzlich beseitigt. Es giebt nur ein einziges Hülfszeitwort, und dieses ist in seiner vervollkommneten Form zugleich das Schema für die Conjugation aller übrigen Zeitwörter. Da alle weiblichen Hauptwörter durch die einfache Endform a oder issa von den männlichen Substantiven abgeleitet werten, so hat der Lernende mit einem Schlage die Kenntniß dieser Tausende von Wörtern erlangt, ohne sein Gedächtniß nur im Mindesten anzustrengen. Der bestimmte Artikel, dessen Anwendung durch so viele Regeln in fast jeder europäischen Sprache mit nicht wenig Schwierigkeiten verknüpft ist, fällt in dieser Universalsprache gänzlich weg, und der Einheitsartikel ist nur eingeführt, um die Sprache womöglich noch mehr zu erleichtern. Auch für das Beiwort hat der Verfasser eine so einfache Regel aufgestellt, daß seine Sprache selbst in dieser Beziehung nicht von der englischen übertreffen wird, und durch seine einfache Regel, das Geschlecht der Hauptwörter zu unterscheiden, übertrifft er sogar die Einfachheit der englischen Sprache. Aus eine gleichgroße Einfachheit und Schönheit stößt der Leser beim Prüfen der Zahl- und Fürwörter, und überall berühren hin und wieder die wunderschönen Klänge der altgriechischen oder italienischen Sprache sein Ohr. Was ferner die Verbindung der Wörter und Sätze anlangt, so wird auch hierin nicht eine einzige Nation nur die mindeste Schwierigkeit finden. Ueberall ist der Verfasser von der objectivsten Anschauung ausgegangen, und trotzdem ist die Willkür keines Volkes in der Wahl so beschränkt, daß es ihm durch schwerfällige Regeln unmöglich gemacht wäre, seinen, eigenen Geschmacke in Form und Ausdruck zu huldigen. Was endlich die Aussprache anlangt, so ist das Alphabet so verständlich und einfach, und doch so umfassend und bedeutungsvoll aufgestellt, daß die Wörter und Eigennamen aller europäischen Sprachen vollkommen richtig durch dasselbe ausgesprochen werden können, ohne daß der Lernende dazu eines Lehrers bedarf, ein Vorzug, dessen sich wohl noch keine einzige Grammatik rühmen kann; so wie überhaupt diese Universalsprache fähig ist, jede Schönheit der Form, der Verbindung, des Ausdrucks und der Stellung in sich aufzunehmen; ebenso ist sie im Stande, auf die Vereinfachung und Vervollkommnung jeder andern europäischen Sprache zurückzuwirken, und trotzdem wird ein wissenschaftlich gebildeter Mann sich kaum ein Vierteljahr mit derselben zu beschäftigen brauchen, um sie mit ziemlicher Geläufigkeit zu sprechen. Wenn überhaupt die Idee einer Universalsprache praktisch zur Ausführung kommen soll, so glauben wir, daß der norddeutsche Forscher den richtigen und vielleicht einzig möglichen Weg eingeschlagen hat, um sie mit Zustimmung aller Nationen in’s Leben zu rufen.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. E. L. Rochholz: Wörterbuch einer neuen Universalsprache. In: Illustrirte Zeitung, Jg. 1861, Nr. 942 (20. Juli), S. 47 und Nr. 943 (27. Juli), S. 67. Später erschien in Jg. 1864 noch: Wörterbuch einer Universalsprache (Nr. 1083, S. 223–224; Nr. 1084, S. 239; Nr. 1085, S. 259–262).