Eine Scene aus Gutzkow’s Zauberer von Rom

Textdaten
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Titel: Eine Scene aus Gutzkow’s Zauberer von Rom
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 485–487
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Der zurückkehrende Kronsyndicus. Originalzeichnung von W. Wegener.

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Eine Scene aus Gutzkow’s Zauberer von Rom.
(Mit einer Originalzeichnung von W. Wegener in Dresden.)

Ein Reiter sprengt aus einem Waldgrunde daher! Eine lange, markige, wenn auch schon greise Gestalt! Krampfhaft hält die Linke den Zügel, die Sporen drücken in des Pferdes Flanken, um den raschen Lauf desselben noch mehr anzustacheln. Offenbar will der Reiter den düsteren Schatten des Waldgrundes entrinnen und das Schloß erreichen, das ihm so still ernst durch die Bäume entgegenschimmert.

Dennoch scheint er nicht festzusitzen im Sattel. Die Schwenkungen des Rosses drohen ihn herabzuschleudern. Das zusammengezogene, weiß umbuschte Auge auf das Schloß gerichtet, achtet er nicht auf Roß und Weg. Seiner ganzen Haltung sieht man an, daß er trefflich zu reiten versteht; er würde der Kraft und Wildheit des Pferdes spotten, wenn nicht seine Gedanken auf einen andern Gegenstand gerichtet wären, und eine gewaltige innere Aufregung seinen Körper lähmte.

Dieser Reiter ist der Kronsyndicus des ehemaligen Königreichs Westphalen, Freiherr von Wittekind-Neuhof, eine Nachkomme jenes edlen und tapfern Wittekind, der lange Jahre Karl dem Großen die Spitze geboten. Stammhalter eines mächtigen, reichbegüterten Geschlechts, vereint er in sich die letzten Nachklänge seines ersten Hünenstammvaters. Kräftig in seinen Entschlüssen und Handlungen, wild, wenn seine Leidenschaften erregt werden, das Leben in seinen rauschenden Freuden und Genüssen erfassend, nur gewöhnt zu herrschen und seine Befehle ohne Widerspruch ausgeführt zu sehen, ist er Despot, Tyrann in seinem Wirkungskreise. Dennoch liegt in der Kraft und dem Stolze seines Charakters etwas Imponirendes, das selbst seinem Gegner Achtung abgewinnt.

In diesem Augenblicke sitzt die Furie an seinen Fersen. Schon der Blick seines Auges verräth, daß etwas Entsetzliches vorgefallen. Tief unten im Waldgrunde, von woher er kommt, liegt der Deichgraf Klingsohr, des Kronsyndicus früherer langjähriger Freund, der Pächter des größten Theiles seiner Besitzungen, den er in der letzten Zeit haßte, weil er sich durch die von ihm übernommenen Grundablösungsvermessungen in seinem Rechte und seinen Rechtsprincipien gekränkt glaubte, todt in seinem Blute. Den Hirschfänger, [487] der an seiner Seite hängt, hat ihm der Kronsyndicus, hingerissen von seiner unbezähmbaren Leidenschaftlichkeit, in der Heftigkeit des Wortwechsels und des Streites um eine Grenzmarke in den Hals gestoßen. Wohl hat keines Menschen Auge gesehen, wessen Hand den Stahl geführt – wer kann als Zeuge gegen ihn auftreten, gegen ihn, den Kronsyndicus, dessen Arm schon Manchen niedergehalten und niedergeworfen hat? – und dennoch tritt schon ein Zeuge gegen ihn in seinem eigenen Herzen und Gewissen auf.

Gewissermaßen bildet dieser von des Künstlers Hand entworfene Ritt den Mittelpunkt alles dessen, was in den vier bis jetzt erschienenen Bänden des neuen Gutzkow’schen Romans: „der Zauberer von Rom“ erzählt wird, der, wie die „Ritter vom Geiste“ desselben Verfassers, über die gewöhnlichen Grenzen einer Erzählung hinausgeht und mit dem Zwecke der Dichtung den verbindet, Denkwürdigkeiten der Zeit zu geben.

Es ist des Dichters Streben, in diesem neuen Romane das katholische Leben, das Streben der Kirche, die Zaubermacht auf dem Capitole Roms darzustellen, den noch unbeendeten Streit zwischen den „Welfen und Ghibellinen“, und wir staunen über die Tiefe und Klarheit, mit welcher er uns in das Leben und den Geist der katholischen Kirche einführt, wie er ihre Größe und ihre Schwäche schildert und letztere gerade aus dem Poetischen in ihren Erscheinungen entwickelt. – Die noch nicht zur Hälfte beendete Dichtung gestattet uns noch kein vollständiges Urtheil, wir können nur auf das uns bereits Gegebene schauen, aber das berechtigt uns in jeder Weise anzunehmen, daß wir in dem „Zauberer von Rom“ ein Werk erhalten werden, das, wie die „Ritter vom Geiste“, noch eine Zierde unserer Literatur werden wird, wenn auch der erste Band nicht mit der gewohnten Gutzkow’schen Präcision geschrieben ist.