Eine Nordamerikanische Schenkstube

Textdaten
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Autor: N.
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Titel: Eine Nordamerikanische Schenkstube
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 269, 276
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[269]

Nordamerikanische Schenkstube.
Nach einer Originalzeichnung von E. Limmer.

[276] Eine nordamerikanische Schenkstube. (Zu dem Bilde S. 269.) Es ist wenig mehr als ein Jahrzehnt her, daß in Berlin und anderen großen Städten Deutschlands die sogenannten „Stehbierhallen“ aufkamen. Die Idee dazu brachte irgend ein findiger Geschäftsmann von „drüben“, aus Amerika oder aus England, dem klassischen Lande dieser Schankbüffette, die man im Englischen „bars“ nennt. Jedenfalls dauerte es nicht lange, und die Stehbierhallen waren Kneipen wie andere Kneipen auch. Daß man in ihnen Bier für zehn Pfennig und desgleichen für zehn Pfennig appetitlich zubereitete Frühstücksbrötchen bekam, die man sich direkt vom Büffetttisch holte, war nichts eigentlich Neues: der Arbeiter und der Droschkenkutscher bekam in den „Destillen“ sein Glas Bier, seine Stulle, seine Wurst, seinen Klops, Hering oder Käse längst „for’n Groschen“. Die Stehbierhalle war nichts weiter als die „Destille“ für die wohlhabenderen Gesellschaftsschichten, für Bürger und Studenten. Im übrigen ging’s in ihnen zu wie sonst in deutschen Kneipen. Deutschem Gemüte gemäß ist es ja, beim Biere behäbig zu sitzen, dabei zu politisieren, Skat zu spielen, gemächlich seinen Frühstücks- oder Abendimbiß herunterzugabeln.

Wie ganz anders die amerikanische Bar. Da ist der Gast wirklich genötigt, seine Erfrischung stehend einzunehmen. In der Art des englischen Geschäftslebens, der Einteilung des Arbeitstages liegt ihre Notwendigkeit begründet. Der Angestellte, der Kaufmann und sonstige Geschäftstreibende tritt morgens seinen Dienst an und bis zum „dinner“ das er um sechs Uhr einnimmt, geht er seinem Berufe nach. Unterwegs, während er irgend einen Geschäftsgang macht, tritt er in eine solche „Bar“ ein und nimmt so im Vorübergehen sein „lunch“ ein, da es eine richtige Frühstückspause für ihn kaum giebt. So prägt sich das „time is money“, das als Wahl- und Wahrspruch des Amerikanertums gilt, auch in dem Wesen einer „Bar“ aus. Schweigend, allenfalls mit einem stummen Kopfnicken, das einen Gruß bedeuten soll, jedenfalls aber mit allen Zeichen der Geschäftseile, betritt der Besucher die Bar. Die Hände in den Hosentaschen, den Hut auf dem Kopfe, tritt er an den Schanktisch. Der Büffetier errät schon aus der Ellbogenbewegung, was der Gast wünscht, aus welchem Hahn das Bier gezapft oder ob ein Whisky gereicht werden soll. In manchen Bars giebt’s ein sogenanntes „free lunch“: belegte Brötchen, Käse, kaltes Fleisch, Shrimps (Crevetten) etc. stehen auf dem Büffett umher zur beliebigen Verfügung der Barbesucher, die für diesen Imbiß nichts zu bezahlen haben. Desto teurer sind dafür die „drinks“. Ein kleines Gläschen Bier bezahlt man mit zehn Cents, vierzig Pfennig nach unserem Gelde, ein Glas Whisky oft mit einer Mark. Während der Yankee so seinen Durst stehend stillt und dazu ein paar Gratisbrötchen hastig verzehrt, sieht er noch schnell und ebenfalls stehend die neuesten Börsenkurse ein, dann greift er wieder in die Hosentasche, holt ein paar Geldstücke heraus, die er mit gleichgültiger Handbewegung dem Büffetier, dem „Barkeeper“ zuwirft, und hinaus ist er, schweigend, wie er gekommen. Daß es in einer solchen amerikanischen Bar bunt genug zugeht, sieht der Leser auf unserem Bilde, auf dem ein Nigger lebhaft mit den charakteristischen Yankeeköpfen hinter ihm kontrastiert. N.