Ein verfassungstreuer Kriegsminister

Textdaten
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Autor: Eduard Schmidt-Weißenfels
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Titel: Ein verfassungstreuer Kriegsminister
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 762–765
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[762]
Ein verfassungstreuer Kriegsminister.
Von Schmidt-Weißenfels.

Im September des Jahres 1848 war die politische Stimmung in Berlin eine äußerst erregte. Das Hoffen hatte den Befürchtungen Platz gemacht, ein tiefes Mißtrauen beherrschte die Gemüther, die Masse des Volks hielt sich für betrogen und ließ den Unmuth, den die Furcht gebiert, bereits an der Nationalversammlung aus, welcher alle moralische Souverainetät überlassen [763] worden war, ohne daß sie jedoch irgend welche physische Macht in Händen besaß. Sie selbst, von welcher das Volk Alles erwartete, fühlte sich gelähmt und war unfähig, einer peinlichen Situation zu entgehen. Der Hof und seine große Partei standen ihr in feindseliger Kälte gegenüber und belehrten sie, daß ihre Arbeit eine nutzlose sein werde; die Armee haßte die Nationalversammlung, weil diese den Stein’schen Antrag angenommen, wonach den Officieren die reactionäre Agitation verboten wurde; die Zeichen gaben sich kund, daß diese feindlichen Elemente einen Schlag gegen sie vorbereiteten und daß ein Gewitter langsam drohend heraufziehe. Andererseits waren die Berliner nur zu sehr geneigt, die Nationalversammlung dafür verantwortlich zu machen, daß die Verfassung noch nicht proclamirt, Preußen noch kein fertiger constitutioneller Staat, die Reaction nicht ohnmächtig gemacht worden sei.

Da äußerte sich auch plötzich eine Thatkraft des bisher förmlich resignirten Hofes. Das Ministerium Kühlwetter-Auerswald-Rodbertus hatte seine Entlassung genommen – man ließ es fallen ohne Bedauern, weil es im Sturm der Sommerzeit wie ein Rohr hin- und hergeschwankt. Aber desto gespannter wartete man auf die Ernennung des neuen Ministeriums. Hoffen und Fürchten hielten sich acht Tage lang die Wage. Man wußte, daß Beckerath mit dem Könige unterhandle; man hörte, daß sein Programm verworfen sei. Was nun? Das Mißtrauen wuchs; man fühlte das Nahen einer Krisis. Und nun vernahm man gleichzeitig die Ernennung Wrangel’s zum Obercommandanten in den Marken, eine Stellung, die nach militärischen Maßnahmen gegen Berlin aussah; die drohende Ansprache des Generals an die Berliner Bürgerwehr mit der Hinweisung auf die Kugeln im Lauf der Gewehre und die haarscharf geschliffenen Säbel seiner um die Hauptstadt gelagerten Truppen; die ganz ähnliche drohende Proclamation des Grafen Brandenburg an die schlesischen Truppen, und endlich die Ernennung eines Generals, des Herrn von Pfuel, zum Ministerpräsidenten und Kriegsminister. Es war klar, daß eine Militärregierung ihren Anfang genommen hatte und ein System in Wirksamkeit treten sollte, welches die Reaction während ihrer Zurückgezogenheit seit Monaten klug ersonnen. Bestürzung war denn auch der erste Eindruck dieser Nachrichten und Niemand ahnte Gutes, als am 21. September der General von Pfuel in das Ministerhôtel einzog. Lag es nicht allzu nahe, daß er der ausgesuchte Mann sei, den Proclamationen Wrangel’s und Brandenburg’s den rechten Inhalt zu geben? Mußte man nicht glauben, daß mit der unverkennbar eingesetzten Militärregierung Herr von Pfuel die Mission übernommen habe, die Reaction mit Thaten zu beginnen?

Je größer Furcht und Mißtrauen waren, welche das neue Ministerium begrüßten, in dem auch der verhaßte Name Eichmann figurirte, desto beeiferter zeigte man sich, den Charakter des Ministerpräsidenten, Generals von Pfuel, festzustellen, seine Thaten sich in Erinnerung zu rufen, aus seiner Vergangenheit auf die Politik zu schließen, die von ihm zu erwarten war. Freilich, der General war nichts weniger als unpopulär; er war sogar als ein leutseliger, redlicher, schlichter Soldat beim Volke beliebt und durch seine vorzügliche und von den Berlinern vielbesuchte Schwimmschule in einen volksthümlichen Ruf gekommen; ebenso hatte er als Gouverneur von Berlin am 18. März durch seine Humanität und seinen Widerwillen gegen Gewaltmaßregeln sich ein gutes Andenken hinterlassen. Aber dies Alles galt unter den obwaltenden Umständen nicht viel und wurde nicht in Anschlag gebracht, da man den volksthümlichen Charakter Pfuel’s nicht mit den militärischen Maßnahmen des Hofes, Wrangel’s und Graf Brandenburg’s in Einklang zu bringen vermochte. War doch auch „Vater Wrangel“ bis dahin und als Generalissimus in Schleswig-Holstein für einen echt volksthümlichen Soldaten gehalten worden, der nicht zu den Vertretern des absolutistischen, reactionären Militärstaates gezählt wurde – bis die Proclamation den Berlinern die Augen öffnete und sie sich nun mit einem Male von „Vater Wrangel“ nichts Gutes mehr versprachen, trotzdem er ihnen versichert hatte, daß er „keine Reaction“ machen wolle. So fiel denn auch von dem General von Pfuel die Hülle des Volksthümlichen in den Augen der Berliner plötzlich ab und sie sahen in dem neuernannten Ministerpräsidenten nichts als den energischen und bewährten Soldaten, dem, gleich Wrangel, nicht viel zu trauen sei. Anfänglich setzte man wohl bei ihm Milde und Humanität voraus; aber desto sicherer erwartete man jetzt eine feste Politik der Reaction von ihm, die dem Hofe über alle bisherigen Zugeständnisse und constitutionelle Versprechungen hinweghelfen solle. Suaviter in modo, fortiter in re – mild in der Form, aber energisch im Handeln, so, dachte man, sei es von oben herab Pfuel und Wrangel anbefohlen worden, die Beide eine Allianz abgeschlossen hätten, dem Treiben in Berlin und in der Nationalversammlung, kurz und gut dem ganzen constitutionellen, allen Militärs zum Gräuel gemachten Kram, allen verwünschten Märzerrungenschaften ein Ende, allenfalls mit Blut und Eisen, zu bereiten.

Und wie nun unter solchen Erwartungen das Bild des Generals Pfuel schnell gemalt wurde, repräsentirte es allerdings nichts als den bloßen Soldaten, bei dem die sonst populären Züge nur sehr dunkel gehalten waren. Ernst von Pfuel, aus einer altadeligen Familie, die mit den Ascaniern in’s Land gekommen und so reich begütert war, daß man ihren Gütercomplex das Pfuelen-Land nannte, wurde von Hause aus zum Soldaten bestimmt, trat nach seiner Ausbildung in der damaligen école militaire zu Berlin mit siebenzehn Jahren in das Regiment des Königs ein, welches zu Potsdam in Garnison stand und machte den Feldzug von 1806 als Adjutant des Generalstabes von Blücher mit. Durch die Capitulation Blücher’s bei Rattkau kam auch er in französische Kriegsgefangenschaft, wurde indeß auf sein Ehrenwort, nicht mehr gegen Frankreich zu fechten, entlassen.

Pfuel nährte aber einen solchen Haß gegen Napoleon, daß er sich nach dem beendigten Kriege mit Preußen seines Wortes für entbunden hielt und in die Verbindung jener Patrioten trat, welche freiwillig einen erbitterten Krieg gegen die Herrschaft des Cäsarismus mit Wort und Schrift und mit Thaten unterhielten. Als Deutschland zum ersten Male seit der Zertrümmerung Preußens wieder mit Hoffnungen auf Erlösung erfüllt wurde in Folge des Krieges, den Oesterreich von Neuem gegen Napoleon begonnen, da war auch Pfuel einer von denen, die der Haß gegen den Cäsar in die Reihen der österreichischen Armee trieb. Als Hauptmann im General-Quartiermeisterstabe machte er den Feldzug mit; seine Thätigkeit, namentlich in Tirol, lenkte die Aufmerksamkeit der Franzosen besonders auf ihn und sie konnten es nicht lassen, ihn in effigie an den Galgen zu hängen, woraus sich der junge Officier bei seinem Phlegma freilich äußerst wenig machte.

Nach dem Frieden und unter der Zeit der tiefsten Erniedrigung Deutschlands hing Pfuel keineswegs die Flügel. Auch er war sicher, daß es mit der Unterdrückung Deutschlands nicht mehr allzu lange dauern und die Volkskraft unter dem Druck endlich so weit erstarken werde, um das Joch abzuschütteln. Als Mitglied des Tugendbundes agitirte er mit für die Kräftigung des nationalen Geistes, und wie Vater Jahn später in der körperlichen Ausbildung der Jugend durch Turnen ein Mittel erkannte, den Geist des Volkes frisch und frei zu machen, so hat auch Pfuel das Verdienst sich erworben, durch seine Einrichtung der Schwimmschulen, speciell für die Soldaten, die vernachlässigte Sorge körperlicher Erziehung und Geschicklichkeit der Jugend an’s Herz gelegt zu haben. Während der lethargischen Zeit bis zu dem Ausbruch des russischen Krieges richtete er in Oesterreich Militär-Schwimmschulen nach seinem Muster ein; erst ein Jahrzehnt später gründete er eine solche in Berlin, welcher er noch als Greis vorsteht. Bis in den November hinein sieht man hier den Alten sich baden und schwimmen nach der Methode des Frosches.

Selbstverständlich gehörte auch Pfuel zu denjenigen verabschiedeten preußischen Officieren, die 1812 in russische Dienste traten, um gegen Napoleon zu fechten. Diesmal wurde die Hoffnung auf die Nemesis für den Unterdrücker nicht getäuscht. Als Chef des Generalstabes von Tettenborn rückte er mit der russischdeutschen Legion im Beginn des Jahres 1813 in sein Vaterland, dem die Stunde der Befreiung schlagen sollte. Bis 1815 blieb Pfuel in russischen Diensten und machte den Feldzug mit; erst nach der Rückkehr Napoleon’s von Elba trat er wieder in die preußische Armee und zwar als Oberst im Generalstabe von Blücher’s, seines alten und verehrten Generals, Hauptquartier. Seiner speciellen Energie gelang es, den Aufstand des sächsischen Truppencorps in Lüttich, am 2. Mai 1815, zu unterdrücken und die beabsichtigte Decimirung der Aufständischen mit seinem humanen Geiste zu verhindern.

Nach dem glorreichen Feldzug von Waterloo, an dessen Ehren auch er vollen Antheil genommen, ward er zum Commandanten von Paris ernannt, während General Müffling Gouverneur der preußischen Hauptstadt wurde. Er hatte in dieser Stellung einmal [764] Gelegenheit, sich persönlich bei den Herren Franzosen in Respect zu setzen. Ein französischer Capitain hatte sich über irgend Etwas bei Pfuel beschwert und war deshalb höflichst zur Thür gewiesen worden. In Folge dessen forderte er den Commandanten zum Duell. Mit größter Liebenswürdigkeit fragte ihn Pfuel nach den Waffen und als der Franzose Degen verlangte, ließ er zwei solcher Dinger nach dem Vorzimmer bringen und der Kampf begann. Nach einigen Ausfällen des Franzosen sah derselbe mit dem verdutztesten aller Gesichter plötzlich seinen Degen wegfliegen, Herrn von Pfuel ihn höflich grüßen und sich in sein Zimmer zurückbegeben. Der preußische Officier hatte dem französischen so glatt den Degen aus der Hand geschlagen, wie Erde aus einem Blumentopf.

Nach dem Frieden kam Pfuel nach Berlin zum Generalstabe. Hier hielt er u. A. vor größeren Officierkreisen Vorträge, die, später vom General Decker unter dem Titel: „Ansichten der Kriegführung im Geiste der Zeit“, herausgegeben, zu den geschätztesten Büchern der militärischen Literatur gehören. Später Brigadier in Magdeburg, darauf Divisionär geworden, erhielt er 1831 die Sendung nach Neuchâtel, wo eine Empörung gegen die preußische Oberhoheit ausgebrochen war. Als Sieger in Neuchâtel wurde er zunächst Gouverneur dieses Ländchens, welches vornehmlich von lauter gesetzlich erlaubten Republikanern, nämlich Schweizern, bevölkert ist und sich 1848 bekanntlich auch wirklich von Preußen losriß; dann stieg er zum Generallieutenant und 1837 an Müffling’s Stelle, dem er gewissermaßen immer auf die Hacken trat, zum commandirenden General des siebenten Armeecorps. Sechs Jahr später ward er General der Infanterie, dann Chef des dreizehnten Infanterieregiments. Und da die Orden für die Leute noch immer so viel werth sind, daß sie das Verdienst, wenigstens eines Soldaten, darnach bemessen, so diene zur Notiz, daß Pfuel, wie alle preußischen Generale, nicht genug Tuch auf der Brust besaß, um alle die blitzenden Sterne mit Anstand unterbringen zu können. Er konnte auch mit dem Orden pour le mérite, mit dem eisernen Kreuz, sogar mit dem schwarzen Adler- und dem schwedischen Seraphinenorden aufwarten, der einer anderen als fürstlichen Brust nur höchst selten zur Zierde gereichen darf.

Da im Herbst der alte Müffling aus seiner Stellung als Gouverneur von Berlin schied, wer anders hätte ihm darin folgen sollen, als der alte Pfuel? Am 18. März, als in Berlin die Revolution ihre Gewaltschläge entlud, setzte es die militärische Partei durch, daß noch vor dem Kampf gegen die Barricaden Pfuel durch eine Mission nach St. Petersburg von seinem Gouverneurposten entfernt wurde. Der General mußte den Thatlustigen kein rechtes Vertrauen einflößen; er war während der unruhigen Tage vorher ihnen zu nachsichtig gewesen und hatte nicht die Energie militärischer Maßnahmen entwickelt, die nach den ominösen zwei Schüssen des 18. März als Parole ausgegeben wurde. Aber schon zwanzig Stunden später mußte der Gouverneur von Berlin das Schloß räumen lassen.

General Pfuel.

Wie bereits gesagt, die Ernennung Pfuel’s am 21. September zum Ministerpräsidenten wurde unter den gleichzeitig auftretenden Anzeichen einer reactionslustigen Militärregierung mit dem größten Mißtrauen aufgenommen. Um so größer war das Erstaunen, als der neue Minister am Tage nach seiner Ernennung der Nationalversammlung beiwohnte und durch seine Ansprache die Gemüther zu beschwichtigen suchte. Man konnte es unter den Umständen von einem zum Minister ernannten General gewiß nicht erwarten, daß er förmlich eine Lobrede auf die constitutionelle Verfassung hielt und sein Interesse dafür äußerte, es möge bald das Werk der Nationalversammlung, die constitutionelle Verfassung Preußens, zu Stande kommen. Ja, noch mehr, General Pfuel erklärte sich im Sinne des angenommenen Stein’schen Antrags, vor dem Rodbertus und Auerswald die Segel gestrichen, gegen die reactionären Tendenzen und Agitationen in der Armee und theilte mit, daß den Officieren diese seine Ansicht kund gethan sei. Er beruhigte wegen der Proclamation Wrangel’s und dessen Ernennung zum Cominandirenden in den Marken und erklärte, daß erst auf Verlangen der Bürgerwehr an ein Einschreiten des Militärs zu denken sei. Und aus dem Munde Pfuel’s hatte diese Sprache besonderen Werth. Offenheit und Ehrlichkeit war so recht das Gepräge seines Charakters, wie es schon aus seiner ganzen Erscheinung ersichtlich war. Wenn man ihn in’s Auge faßte, diesen General mit dem gebleichten Haar, groß und dürr, eckig und eher von bürgerlichem Habitus, dies verwetterte schmale Gesicht mit den tief eingefallenen Wangen, den scharfen Zügen und Furchen und den offenen hellen Augen – dann gewann die Ueberzeugung Raum, daß er es gut und ehrlich meine und von ihm nie ein Staatsstreich zu erwarten sei.

Mit dem Gewinn des Vertrauens bei den Bürgern büßte es der General von Pfuel aber bei den militärischen Reactionären ein, die ihre Zeit gekommen glaubten. Seine Verordnung an die Officiere hatte böses Blut unter denselben gemacht; die bald darauf stattfindenden Debatten der Nationalversammlung gegen den Adel und die Orden und die Beschlüsse gegen dieselben wurden zum guten Theil dem Minister angeschrieben, weil er sich dagegen still verhalten. Die Stellung des Herrn von Pfuel mußte denn wohl bald sich als unhaltbar erweisen. Angesichts einer sich rüstenden und mit Militärmacht versehenen Reaction verlangte das Volk eine Thatkraft des Ministeriums in seinem Sinne, die dem General Pfuel erstlich nicht innewohnte und die zweitens an dem entschiedensten Widerstand des Königs auch gescheitert wäre. Andererseits genügte Herr von Pfuel am allerwenigsten der Partei, die auf [765] Wrangel und Brandenburg blickte und die ungeduldig auf den Losbruch harrte. In diesen Kreisen ließ man ihn auch sofort fallen, und wenn ihn, wie vorauszusetzen, die Hoffnung auf seinen Platz gestellt, er werde geschickt einige entscheidende Schläge gegen die Nationalversammlung und die Berliner Demokratie führen, worin Vater Wrangel ihn auf’s Kräftigste unterstützt hätte, so kann man sich die Enttäuschung denken. Als nun gar in der Armee mit geflissentlichem Eifer erzählt wurde, der Minister, General Pfuel, habe, um dem tumultirenden Pöbel vor den Thüren der Nationalversammlung zu entgehen, das Anerbieten des „rothen“ Assessors Jung angenommen, sich unter dem Schutze desselben aus der Versammlung zu begeben; er habe ferner in der Wohnung dieses Demokraten eine Tasse Thee zu sich genommen, während sein Adjutant, im Gefühl der „echten“ militärischen Ehre, lieber vor der Thür die Rückkehr seines Chefs abwartete, als daß er sich durch das Betreten der Wohnung eines demokratischen preußischen Abgeordneten erniedrigt hätte – da war General von Pfuel mit allen seinen Würden und Orden ein abgethaner Mann, den man für alt und kraftlos ausgab, um nicht das Entsetzliche zu constatiren, daß ein preußischer General, einer im besten Sinne des Worts, auch im steten Bewußtsein eines redlichen constitutionellen Ministers, im Gefühl des Patriotismus und in Erinnerung an die Zeit der Befreiungskriege als ein braver deutscher Mann gehandelt hatte und handeln wollte.

Anfangs November des Jahres 1848 nahm Pfuel seinen Abschied; statt seiner kamen Brandenburg und Manteuffel, um die Reaction durchzuführen. Der letzte constitutionelle Minister Preußens aus dem Jahre 1848, der alte General von Pfuel, hatte seine Laufbahn geschlossen. Als er in der ersten Blüthe der Reaction einmal nach Charlottenburg zum König geladen war, fragte ihn im Vorzimmer ein Officier höhnisch:

„Und Excellenz haben noch nicht den Abschied genommen?“

„Noch keine Veranlassung, mein Verehrtester,“ antwortete er in seiner phlegmatischen Weise.

Als verabschiedeter General lebt er seitdem sehr zurückgezogen vom öffentlichen Leben in Berlin, fünfundachtzig Jahr alt, aber noch immer ein rüstiger Schwimmer. Beim großen Gedenkfeste der Leipziger Schlacht gehörte er zu den gefeiertsten Veteranen.