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Titel: Ein neuer Märtyrerstein
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 359, 362
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[359]

Denkmal für die Volkskämpfer von 1849 auf dem Friedhof zu Mannheim.
Nach einer Skizze auf Holz übertragen von W. Reiche.

[362] Ein neuer Märtyrerstein. (Mit Abbildung S. 359.) Daß die großen Ereignisse unsrer Zeit auch auf die Anschauung und Beurtheilung unserer näheren Vergangenheit klärend und versöhnend wirken, hat schon vor zwei Jahren die Gartenlaube anzuerkennen gehabt, als sie (1872, Nr. 37) in Bild und Wort das Denkmal brachte, welches zu Kirchheimbolanden in der Rheinpfalz den Volkskämpfern errichtet worden ist, welche in der Vertheidigung der auf dem gesetzlichsten Wege zu Stande gekommenen deutschen Reichsgrundgesetze von 1849 den Tod fanden.

Heute schon können wir unsere Leser vor ein zweites Erinnerungsmal jener Zeit führen. Diesmal hat es jedoch nicht den Tod mit den Waffen in der Hand zu preisen, sondern es trauert jenen Opfern nach, welchen der Spruch eines Kriegsgerichts das rasche Ende bereitete.

Die Namen auf der Denkmalplatte nennen die Fünfe, welche auf dem Mannheimer Friedhofe jenseits des Neckar erschossen und begraben worden sind. An ihrer Spitze steht – Trützschler, – einer der edelsten und hochsinnigsten Männer der That, welcher der nationalen Bewegung des Jahres Achtundvierzig mit allem Feuer idealer Begeisterung sich anschloß, in der festen Ueberzeugung der Reinheit seines auf Deutschlands Größe und Einheit gerichteten Strebens. Standen vielleicht auch die andern Vier, die sein Schicksal theilten, nicht ganz auf seiner Bildungshöhe, so waren sie ihm doch gleich im tapferen Streben nach dem Ziele, das erst unsere Zeit, wohl auf viel blutigerem Wege, aber auch mit größerem Triumphe und Heimführung altverlorener Länder- und Städte-Perlen, endlich erreicht hat.

Wer an einem so errungenen Ziele steht, errungen nicht durch einen siegreichen Feldzug allein, sondern auch durch das vorhergegangene fünfzigjährige Bekämpfen des bösen Geistes der Undeutschheit, des Freiheitshasses und der Machteifersucht in den Kreisen, die den sogenannten deutschen Bund beherrschten – wer an dem Ziele steht, wo der deutsche Kaiser und der deutsche Reichstag gemeinsam für die Geistesfreiheit der Nation eintreten und die Einigkeit durch die Einheit der Macht gesichert ist – der darf sich wohl umsehen auf der langen Kampfbahn und gerecht und treu die Leiber der zerstreut gefallenen Helden desselben Kampfes zusammensuchen und unter einem Denkstein bestatten.

Dieser Gedanke ist’s, der in Mannheim zur Ausführung vorbereitet wird. Die im Mannheimer Friedhofe zerstreut begrabenen Opfer jener Zeit sollen in einer Gruft beisammen ruhen und über ihnen sich das Denkmal erheben, das unsere Abbildung mittheilt. Die dazu gewählte Stätte findet sich gleich am Anfang der zweiten Abtheilung des Friedhofs auf einem durch Wege abgegrenzten und nach der Eingangseite der Abtheilung abgestumpften Vierecke und umgeben von reich durch die Kunst geschmückten Familiengrüften.

Möge der gute Gedanke recht bald verwirklicht werden! Solche Märtyrersteine sind in unseren Tagen nicht Merkmale nachträglichen Vorwurfs und kleinlicher Genugthuung, sondern Zeugnisse der Versöhnung und der Gerechtigkeit, denen selbst der ehemalige Gegner jener Todten nunmehr, nachdem viel Vorurtheil und Wahn mit der alten Zwietracht versunken ist, die verdiente Ehre und Theilnahme nicht mehr versagt.