Ein neuer Bewohner des Dresdner Thiergartens

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Titel: Ein neuer Bewohner des Dresdner Thiergartens
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aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 460–462
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Der Yak
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Ein neuer Bewohner des Dresdener Thiergartens.
Der Büffel mit dem Roßschweif.

Das Schönste, dessen wir Leipziger uns rühmen können, ist, wie alle Welt weiß – Dresden, und in Dresden, wo im Sommer Reiz und Schönheit zu allen Thoren hereinschauen und hereinwinken – wenn es noch Thore gäbe – gehören für mich zu dem Schönsten die Baumgänge und Wiesenflächen des sogenannten „großen Gartens“, welcher in neuerer Zeit noch um einen Hauptanziehungspunkt reicher geworden ist, den sich an seinem Saume hinstreckenden Zoologischen Garten, in welchen die Leser der Gartenlaube schon verschiedene Male hineingeblickt haben.

Ich bin oft in Dresden und selten verabsäume ich einen Gang hinaus in diesen so anmuthig gelegenen und umgebenen Thiergarten, gewiß, darin immer irgend eine neue Erscheinung aus der Thierwelt, mindestens ein neues Exemplar schon vorhandener Thiergeschlechter zu finden. So wanderte ich auch vor wenigen Tagen

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Der Jak im Dresdener zoologischen Garten.
Nach der Natur gezeichnet von H. Leutemann.

[462] wieder hinaus in jene Gehege, wo man nach und nach Kinder aus allen Zonen, Geschöpfe, die in ihrer heimathlichen Freiheit durch Tausende von Meilen von einander geschieden sind, als Nachbarn und Gartengenossen, wenn auch durch Schloß und Zaun vor zu engen Beziehungen geschützt, auf den Raum weniger Acker Landes zusammengesiedelt hat. Es war noch früh und der Morgen kühl, wie fast durchgängig in diesem schönen Sommer von 1865; das Raubgethier dehnte sich noch schlaftrunken in seinem Sommerpalais, ich wandte mich an einigen Schlangenbehausungen vorüber der Mitte des Gartens zu, als mir ein ganz eigenthümliches Grunzen, ein kurzes, abgestoßenes Grunzen, das mit dem Murren eines übellaunigen Hypochondristen eine frappante Aehnlichkeit hatte, in’s Ohr klang. Nach der Richtung dieses sonderbaren Gegrunzes mich umsehend, gewahrte ich zunächst aus einer noch eine Strecke von mir entfernt liegenden Einfriedigung heraus das zornsprühende Auge eines merkwürdigen Geschöpfes auf mich gerichtet, als wollte es mir allerhöchstseine Mißbilligung zu erkennen geben, daß ich mich erdreistet, die Ruhe des Thiergartens zu so früher Stunde zu stören. Von Weitem glich das Thier einem großen dicken Ziegenbocke mit langherabhängendem Haar, hinter welchem die Füße fast verschwanden. Ich ging näher, das Grunzen wurde lauter und wiederholte sich in immer kürzeren Pausen, je mehr ich an die Umzäunung herankam. Jetzt konnte ich die Gestalt des Unwirschen genau unterscheiden, und nun sah ich, daß ich jene merkwürdige Büffelart vor mir hatte, die in den Gebirgen Tibets auf einer Meereshöhe von 16–18,000 Fuß heimisch, nach Dresden aber aus dem Pariser Acclimatisationsgarten erworben worden ist, den Jak oder Grunzochsen (Bos grunniens). Der gefällige Inspector des Gartens, Herr Schöpf, theilte mir nachher über diesen wunderlichen Grunzer gar interessante Einzelheiten mit, deren hauptsächlichste der Leser im Nachstehenden finden wird.

Zwar halten die Mongolen das Thier, welches der berühmte Naturforscher Pallas sehr richtig als den „Büffel mit dem Pferdeschweif“ bezeichnet, gezähmt – das heißt, wenn sie das Thier jung eingefangen haben, denn ein alter Jak wird nie zahm – allein immer bleibt es ein schlimmer Gesell. Die Jagd auf denselben mit hetzenden Hunden oder mit Pfeil und Bogen verläuft darum oft genug nicht ganz harmlos. Sobald er verwundet ist, greift der Jak seinen Verfolger mit furchtbarem Ungestüm an, und schon mancher edle Mongole mit gelbem Teint und schiefgeschlitzten Aeuglein hat dabei den Kürzern ziehen und sein theueres Leben unter des Grunzochsen Gehörn aushauchen müssen.

Das Charakteristische des Thieres ist sein langes, feines, seidenglänzendes Haar, welches an das Fell der Angoraziege erinnert, und vor Allem der erwähnte dicht behaarte Schweif. Dieser Schweif ist es, welcher den Jak den eifrigsten Verfolgungen und Nachstellungen aussetzt und das Thier gewissermaßen zu einer politischen Person macht – denn der Schwanz des Grunzochsen liefert die bekannten Abzeichen der türkischen Großwürdenträger, der Paschas mit einem, zwei, drei oder X carmoisingefärbten Roß- oder also vielmehr Ochsenschweifen. Ein solcher Schweif des weißen Jaks – denn es giebt auch schwarze und gefleckte – wird oft mit vier, fünf und mehr Ducaten bezahlt. Ungefärbt muß der Schwanz des weißen Grunzochsen sich zum Schmuckbehang der Hofelephanten und Staatspferde, desgleichen zum Fliegenwedel hergeben.

Wie flink und kräftig der Jak auch in der Gefangenschaft ist, sollte der Wärter des Dresdener Thiergartens vor Kurzem und beinahe zu seinem ernstlichen Unheile erfahren. Das Thier sollte in eine andere Gitterabtheilung gebracht werden, und um es zu diesem Umzüge zu vermögen, applicirte der Wärter ihm einige Peitschenhiebe. Der Jak scheint jedoch durchaus kein mecklenburgisches Unterthanenbewußtsein zu besitzen, er empfand vielmehr die patriarchalische Berührung äußerst übel, faßte den Mann mit den Hörnern, die zum Glück mit eisernen Kugeln unschädlicher gemacht sind, und schleuderte den Erschrockenen zwei, drei Male hoch in die Luft, fast so hoch wie den leeren Korb, welchen man dem Thiere, um seine volle Lebhaftigkeit zur Anschauung zu bringen, zum Spielzeuge gegeben hatte, als der Künstler es für unsere Abbildung portraitirte. Erst mehreren Arbeitern, die das Geschrei des Ballgeschlagenen herbeirief, gelang es durch vorgehaltene Stangen den Ochsen von seinem Opfer abzulenken; der Wärter aber hatte mehrere Tage an seiner Jakberührung zu leiden.

Zum Schlusse sei noch erwähnt, daß der männliche Jak eine Länge von etwa sechs Fuß, sein Schwanz ohne die denselben bedeckenden Haare von anderthalb Fuß besitzt und daß mitunter auch hörnerlose Exemplare vorkommen. Die Kuh wirft immer nur ein Junges, welches der Mutter alsbald auf Schritt und Tritt bis in die unzugänglichsten Felshöhen der tibetanischen Hochgebirge nachfolgt. In Indien ist es gelungen, den Jak mit gewöhnlichen Hauskühen zu kreuzen, in England hingegen sind alle derartigen Versuche bis jetzt noch vergeblich gewesen.