Textdaten
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Titel: Ein mechanischer Maurer
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aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 188
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[188] Ein mechanischer Maurer. Für die am Webstuhle der Zeit sitzenden Dampf-Titanen hat es beinahe etwas Unheimliches, immer noch gewisse Arbeitszweige sehen zu müssen, denen sie mit ihren Maschinen nicht nachhelfen können, z. B. das Baugewerk. Ein englischer Ingenieur, Dr. Lardner, berechnete vor einigen Jahren, daß man, um jeden Stein der großen Pyramide von Gizeh an seine Stelle zu bringen, das heißt zur Aufthürmung einer Last von circa 255,200,000,000 Centner Gestein, mit 480 Tonnen Kohle und einer Handvoll Leute zur Bedienung der Dampfhebezeuge ausgereicht haben würde. Aber wenn wir bedenken, daß Lardner, seine Rechnung als richtig angenommen, mit seinen Dampfhebezeugen den größten Theil jener 100,000 Arbeiter, welche nach Herodot zwanzig Jahre lang am Bau dieser Pyramide beschäftigt waren, brodlos gemacht haben würde, so erkennen wir, daß es eine wahre Wohlthat ist, wenn die Maschinen noch hier und da der Menschenhand etwas Arbeit übrig lassen. Denn ohne Zweifel trägt das Überhandnehmen der Maschinen-Arbeit seinen reichlichen Antheil an der Ueberproduction und Krisis unsrer Tage.

Der „mechanische Maurer“ des Herrn C. Franke in New-York kann daher nicht auf unsre besondern Sympathien rechnen; er ist um mehr als sechs Jahre zu spät zur Welt gekommen. Diese Maschine, welche über die Mauer hinläuft, fein säuberlich einen Ziegelstein nach dem andern in seine richtige Lage bringt, mittelst eines Mörtelrandes kunstgemäß verkittet, und wenn sie eine Lage gelegt hat, wieder denselben Weg zurückgeht, um eine neue Schicht zu legen, dieses Muster eines gleichmäßig fortarbeitenden, mit Frühstücken, Vespern, Prisenehmen und Pfeifeanstecken keine Zeit verlierenden, niemals ausruhenden oder gar streikenden Gesellen mag in der Zeit der Milliarden und Bauspeculationen manchem Bauherrn, dem seine strikenden Arbeiter das Messer an die Kehle legten, in seinen Träumen erschienen sein – heute läßt sie uns ziemlich kalt. Ja, wir wünschen vielmehr, daß man sie nicht so weit vervollkommnen möge, daß der Baumeister sich nur, wie weiland Amphion, an eine Claviatur zu setzen braucht, um die Werkstücke in schönster Ordnung antanzen zu lassen; mögen die Dampfmaschinen Ziegel pressen und wie auf dem Kölner Dom die Werkstücke aufwinden, aber die übrige Arbeit den bewährten Kräften überlassen, wenn sie auch etwas mehr Ueberlegung, Pfeifenqualm etc., als zur Festigkeit des Baues unbedingt nöthig erscheint, einmauern sollten!