Reuter und die Reuter-Propaganda

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Reuter und die Reuter-Propaganda
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 188
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[184]

Wirkungen in Fritz Reuter-Vorlesungen.
Nr. 1. „Unkel Bräsig“ schlägt durch.

Nr. 2. Auch der Herr Professor und seine Pensionäre werden heiter.

Nr. 3. Durch Thränen lachend.

[185]

Nr. 4. Sowohl das Büffet wird angesteckt –

Nr. 5. – wie der Ulan und seine Köchin.

Nr. 6. Nur bei ihm keine Wirkung.

[188] Reuter und die Reuter-Propaganda. (Mit Abbildungen S. 184 und 185.) Die Erfolge Reuter’s sind, um in der Sprache pickelhaubentragender Junker zu reden, wahrhaft „pyramidal“. Der Verfasser der „Stromtid“ ist wohl der populärste Autor der Gegenwart. Nicht nur Buchhandel und Presse haben den Namen und die Werke des mecklenburgischen Jean Paul’s in aller Herren Länder getragen, die Propaganda für diesen Dichter aus dem Lande der Obotriten hat sich das seit den letzten Jahrzehnten bei uns so modern gewordene literarische Wanderapostelthum in durchschlagender Weise dienstbar gemacht und damit Erfolge erzielt, wie sich deren kaum ein anderer Schriftsteller von heute rühmen kann. Schon ein Blick in unsere großen und kleinen Zeitungen vom letzten Winter, in Berliner und Hamburger, Dresdener und Leipziger Tageblätter, genügt, um uns zu zeigen, daß Kräpelin, Glöde und andere plattdeutsche Vorleser den Reuter’schen Humor und die Reuter’sche Gemüthsinnigkeit auf das Glücklichste in die weitesten Kreise zu colportiren wissen. Nicht nur auf dem mütterlichen Boden der niederdeutschen Literatur, in Norddeutschland, auch im Süden und den äußersten Grenzmarken des deutschen Reiches nach Osten und Westen – was sagen wir? – weit darüber hinaus, überall, wo die deutsche Zunge klingt, wirbt die Reuter-Gemeinde von Jahr zu Jahr neue Mitglieder. Die gelehrte Forschung selbst hilft mit dazu. Lexika und Commentare sind geschrieben worden, um dem nicht plattdeutschen Publicum das Verständniß des genialen Humoristen näher zu rücken, und wie man früher englische Sprachstudien trieb, um Shakespeare’s „Hamlet“ und „Romeo und Julia“ zu verstehen, so befleißigen sich heute unsere süddeutschen Landsleute und außerdeutschen Sprachgenossen, ja die Angehörigen fremder Nationen des Plattdeutschen, um die Bekanntschaft Onkel Bräsig’s zu machen, dieses freundlich schmunzelnden Alten mit dem heiter-traurigen Blicke des Humors, und um mit dem gemüthstiefen Havermann niederzusitzen an der Bahre seines zu früh dahingegangenen Weibes.

Aber das lebendige Wort ist mächtiger als der todte Buchstabe, zumal bei Dialektdichtungen, welche so sehr auf den charakteristischen und localgetreuen Vortrag angewiesen sind, wie die Reuter’schen Prosadichtungen. Wie sehr dieselben durch entsprechenden Vortrag gehoben werden, mit einer wie packenden Wirkung sie aus dem Munde eines dem Dichter gemüthsverwandten Vorlesers den Hörern in Ohr und Herz greifen, das beweisen vor Allem die Vorträge des schon erwähnten Kräpelin. Wir sind Zeuge solcher von Genanntem veranstalteter Reuter-Abende gewesen. Das Publicum – Repräsentanten aller Stände – war geradezu elektrisirt. Humor und Ernst, bei Reuter so wunderbar gemischt, zeigten sich in ihren ausgesprochensten Wirkungen, und oft war das Auge noch naß, wenn der Mund sich schon eines ausbrechenden Gelächters nicht mehr enthalten konnte. Man hatte ein Schauspiel im Schauspiel; denn nicht nur der eigentliche Acteur, der in Mienen und Gesten sehr bewegliche Vorleser, spielte, es spielten alle Anwesenden mit. Eine Fülle von charakteristischen Aeußerungen innerer Theilnahme an den Gegenständen des Vortrags in Gesichtern und Körperhaltungen – das Auditorium bildete eine wahre Fundgrube für Charakterstudien. Wir mußten lebhaft an Hogarth’s „Lachendes Parterre“ denken. „Wer da zeichnen könnte!“ war mehr als einmal unser Gedanke, unser Wunsch.

Wir haben ihn nicht allein gehegt, diesen Wunsch. Ein Anderer hat ihn auch genährt, und der war glücklicher als wir – er hatte die Fähigkeit ihn auszuführen; der Maler Erdmann Wagner in München, dem wir unsere heutigen trefflichen Zeichnungen, „Charakterköpfe aus einer Vorlesung Fritz Reuter’schen Dichtungen“, verdanken. Die Bilder sind, wie die dichterischen Schöpfungen selbst, denen sie indirect ihre Entstehung zuzuschreiben haben, dem Leben nachgezeichnet, und darum legen wir, ohne den Versuch zu machen, ihnen ein Wort weiterer Erklärung beizugeben, die Feder fort – denn was lebt, erklärt sich selbst.