Ein deutscher Club im fernen Norden

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Ein deutscher Club im fernen Norden
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 568–570
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Deutsche Clubs in Moskau und St. Petersburg
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Ein deutscher Club im fernen Norden.


Wir haben seit mehr als einem Menschenalter nicht umsonst gesungen: „Sein Vaterland muß größer sein“. Es ist erstaunlich, wie weit „die deutsche Zunge klingt und Gott im Himmel Lieder singt“, wo der deutsche Händedruck Eide schwört, „die Treue hell vom Auge blitzt und Liebe warm im Herzen sitzt“.“

Dieses rund um die Erde herum erklingende deutsche Lied hat nicht nur Flügel, sondern auch Hand und Fuß. Deutscher Kopf und Arm mit heiteren Kräften, überall sind sie zu Haus. Mit dem deutschen Liede und dem kräftigen Turnerarme verbindet sich als unbesiegbarer Eroberer das deutsche Bier, welches freilich von den deutschen Brüdern nicht selten in zu großen Massen vertilgt wird, als daß sie anderen Völkern darin immer zum Muster dienen könnten. Aber es vertreibt wenigstens überall, wo es sich einbürgert, die viel verderblicheren Alkohol-, Opium- und Haschisch-Teufel, und das erste deutsche Wort, welches der Sultan und sein Gefolge in Wien kennen und lieben lernten, hieß: Bier. Es tritt fast überall mit dem deutschen Liede, mit der Sprache Mozart’s und Beethoven’s auf und reinigt und veredelt dadurch seine etwas zu materielle Schwerfälligkeit. Außerdem sind diese deutschen Sänger und Trinker überall auf der Erde im Alltagsleben als die fleißigsten und geschicktesten Arbeiter willkommen und werden sogar in vielen Fällen den einheimischen vorgezogen. Zwischen den Fingern des Deutschen wird die Aachener Nähnadel zum einäugigen Erzengel der Weltcultur. Bekanntlich erklärte Gerstäcker, daß er überall auf seinen Weltreisen in allen Gegenden der Erde mindestens deutsche Schneidergesellen gefunden habe. Neben der Nähnadel macht sich der Faberbleistift als immer wichtigerer deutscher Kosmopolit in aller Welt geltend, und die erzgebirgischen und die thüringischen Spielwaaren sind schon längst die Freude aller Kinder der Erde, mächtigere Eroberer, als die für alle Welt bestellten Krupp’schen Kanonen. Auch Berliner Stickmuster und in fünf, sechs Sprachen übersetzte deutsche Modezeitungen bilden ein siegreicheres Heer, als alle Soldaten Europas zusammen genommen, und erobern die schöne Welt aller Farben und Racen ohne Blutvergießen, höchstens daß sich dabei eine Anfängerin einmal in den Finger sticht. Auch das schwere, solide deutsche Contobuch hat bereits in allen Häfen und Handelsstädten der Welt Armeen von Zahlen, von Truppen des Soll und Haben geschaffen, denen Niemand widersteht und welchen sich jeder solide Kauf- und Geschäftsmann frei und freudig unterwirft, da sie die sicherste Bürgschaft für seinen Gewinn und Wohlstand bilden.

Unter diesen stets siegreichen kosmopolitischen Truppen Deutschlands spielen Bücher und Zeitschriften als wahrhafte Leipziger Lerchen mit unermüdlichen Schwingen eine bedeutendere Rolle, als wir im engeren Vaterlande glauben, und vielleicht haben die Mitarbeiter dieser Blätter selbst keine Ahnung davon, wie weit manche derselben reichen und daß sie selbst auf Inseln des großen Oceans und in China und Japan umherfliegen. Kurz, wir finden überall auf der Erde, wo nur die ersten Strahlen der Bildung hingedrungen sind, Deutsche mit ihren heiteren Köpfen und Armen und Schätze des Fleißes und Geistes aus dem engeren Vaterlande. Wir können uns deshalb auch nicht wundern, daß selbst mitten in Asien und durch ganz Rußland hindurch von Memel bis zu den Amurmündungen deutsche Gemeinden und Vereine blühen. Es wird uns aber doch überraschen, daß mitten in der altrussischen Czarenstadt Moskau der deutsche Club zu den glänzendsten Institutionen dieses an Wundern reichen Mittelpunktes des alten Russenthums gerechnet wird. Obgleich es weit bis dahin ist, soll es uns doch leicht werden, uns einmal als Gast einführen zu lassen.

Die dahinführende Eisenbahn ist, sowie sie auf russisches Gebiet kommt, viel eleganter und bequemer, wenigstens in den Waggons erster und zweiter Classe, als irgendwo in Deutschland. Auch könnten wir zur Noth die ganze Reise zu Fuß machen, ohne aus dem Gebiete Deutschlands herauszukommen. Die lebendige Culturkette deutscher Ansiedelungen und Gemeinden, welche bereits um die ganze Erde herum reicht, wird auch bis Moskau selten unterbrochen, so daß wir mit einigen geschickten Umwegen fast überall unterwegs bei einem Landsmanne einkehren könnten. Giebt es doch nach einer Schilderung in der St. Petersburger Zeitung in einem nicht zu weiten Umkreise um Petersburg herum allein nicht weniger als vierhundert und dreiundachtzig deutsche Gemeinden. Wir wollen aber auf unserem Wege nur auf ein paar Minuten in der deutschen „Palme“ zu St. Petersburg einkehren und uns des gemüthlichen frischen Lebens der verschiedensten Classen Deutschlands darin freuen. Erst vor etwa sechs Jahren von deutschen Geistlichen als Gesellenherberge gegründet, hat sie sich durch ihre Mitglieder, Arbeiter im Verein mit Kaufleuten, Künstlern, Gelehrten etc., sehr rasch zu einem der schönsten Mittelpunkte des deutschen Lebens in Petersburg entwickelt. Der Verein, jetzt etwa aus sechshundert Mitgliedern bestehend, hat sich bereits ein eigenes Haus erworben und bietet den Mitgliedern außer substantieller Belehrung durch wissenschaftliche Vorträge auch ein Lesecabinet und ein eigenes „Palmblatt“, ferner viele heitere, gesellige Abende, von welchem alle spirituösen Getränke streng ausgeschlossen sind. Das sonst so beliebte Kartenspiel zählt hier wenig Freunde, dafür werden Domino, Schach, gesellige Spiele, besonders aber die Kegelbahn desto eifriger benutzt. Aber der Segen dieser Vereinigung beschränkt sich nicht auf das Clubhaus, sondern dehnt sich auf das ganze häusliche, geschäftliche und sociale Leben der Mitglieder und auf Fürsorge für ankommende Landsleute aus. Eine Kranken-, Spar- und Vorschußcasse und sogar eine Lebensversicherung schützt alle Mitglieder und deren Familien vor Verlegenheiten und Sorgen in der Gegenwart und für die Zukunft. Mit einem Worte, unsere deutschen Landsleute erfreuen sich unter dem Schutze dieser heiteren „Palme“, trotz des ungünstigen Klimas, so vieler segensreicher Institutionen wie nur wenige Vereine im engeren Vaterlande.

Doch nun im Fluge zu unserem deutschen Club in Moskau, der neben allen geschlossenen Gesellschaften, dem adeligen, dem englischen, dem Kaufmanns- und Künstlerclub, dem Vereine der Handels-Commis, dem Casino und der Liedertafel, in welchen beiden letzteren deutsche Elemente ebenfalls die Hauptmacht bilden, unbestritten die hervorragendste Stellung einnimmt. An Großartigkeit, Mitgliederzahl, mit seinen Einrichtungen, seiner geselligen Unterhaltung, seinen Mitteln und seinem Glanze übertrifft er sie alle. Der deutsche Club gründet sich auf ein Privilegium vom 30. August 1819, welches sich einige deutsche Gewerbtreibende in der alten Czarenhauptstadt durch die Achtung, die sie genossen, zu erwerben wußten. Der Plan war, Deutsche und Ausländer für Zwecke geselliger Unterhaltung, der Wohlthätigkeit und des gegenseitigen Schutzes zu vereinigen. Wir werden sehen, bis zu [569] welchem Glanze und zu welcher fruchtbaren Ausdehnung sich dieser kleine Kern entwickelt hat.

Zunächst ein Wort über die Verwaltung. Diese ist sieben gleichberechtigten Vorstehern anvertraut, denen fünf „Repräsentanten“ berathend zur Seite stehen, welche als „Revidenten“ alle Angelegenheiten der Gesellschaft den Vorstehern gegenüber vertreten. Erstere bilden sonach eine Art Oberhaus, letztere die zweite Kammer. Sie gemeinschaftlich appelliren in streitigen Fällen an einen „Ehrenvorsteher“. Diese Regierung zählt jetzt nicht weniger als achtzehnhundert freie Unterthanen, von denen nur vierhundertfünfzig wirkliche Mitglieder sind. Die Uebrigen betheiligen sich als Jahresgäste (Russen), Candidaten, sonstige Ausländer und Ehrenmitglieder, zu welchen die höchsten Beamten und Persönlichkeiten der Stadt gehören. Das Clubhaus, eines der geräumigsten Locale der Stadt ist noch nicht Eigenthum der Gesellschaft, sondern wird mit einer Miethe von jährlich siebentausend Silberrubel bezahlt. Das ist viel Geld; aber in den glänzendsten deutschen Städten würde auch für viel höhere Preise kein ähnliches Local erworben werden können, einfach deshalb, weil sie nicht da sind. Die Mitglieder begnügen sich nicht einmal mit diesen von sechshundert Gasflammen erleuchteten Sälen und Zimmern, in denen außer den achtzehnhundert Theilnehmern bei Concerten, Bällen und Maskeraden oft noch die doppelte Anzahl von Gästen bequem Platz finden, da fast jeder Theilnehmer von seinem Rechte Gebrauch macht, zwei Damen und männliche Gäste gegen Entree einzuführen. Während der drei Sommermonate bezieht der Club seine reizend gelegene Villa in dem prächtigen Parke vor der Stadt und bezahlt dafür monatlich tausend Rubel.

Das Clubhaus in der Stadt enthält außer Tanz-, Speise- und Gesellschaftssälen viele geräumige Zimmer zum leider sehr vorherrschenden Kartenspiel, drei Billards, eine prachtvolle, im Winter geheizte Kegelbahn, einen Lesesalon mit Zeit- und Flugschriften und Depeschen in allen möglichen Sprachen und eine Bibliothek von zwanzigtausend Bänden. Möbel, Tafelservice und Wäsche sind äußerst elegant und haben, auch nachdem fünfundzwanzig Procent amortisirt worden sind, noch einen Werth von mehr als fünfundvierzigtausend Silberrubel. Dabei sind natürlich die dunkelblaugrauen Leibröcke mit weißen Metallknöpfen, die schwarzen Tuchbeinkleider, rothen Westen, weißen Halstücher und Handschuhe der zahlreichen Dienerschaft nicht mitgerechnet.

Der Club bietet seinen Mitgliedern für einen geringen Beitrag vielfache Vergnügungen und Unterhaltung, und man findet jeden Abend gute Gesellschaft darin. An Sonn- und Feiertagen, den sogenannten Familienabenden, giebt es Unterhaltungsmusik, Gesangsvorträge, durchreisende Tänzer, sonstige Künstler und Künstlerinnen, sogar Escamoteurs, Akrobaten und andere Virtuosen zu bewundern. Jeden Winter finden zehn Masken- und mehrere unmaskirte Bälle statt, an denen oft dreitausend Personen Theil nehmen; außerdem während der Fastenzeit acht bis zehn Concerte. Die Ausgaben dafür betrugen im vorigen Jahre fünfundzwanzigtausend Silberrubel. Dazu kamen zehntausend Rubel Abgaben an die Stadt, die Theaterdirection, das Findelhaus und andere Institutionen und Behörden, die gern Geld nehmen.

Besuchen wir im Geiste einen Ball dieses deutschen Clubs. Welch ein leuchtendes, farbiges Gewimmel von Gewändern und Völkern! Die helle, leichte Poesie der Damenroben bildet einen grellen Gegensatz zu der nüchternen, schwarzen Allgemeinheit der Herrenleibröcke, aber zwischen ihnen leuchten die glänzenden Uniformen der Officiere, der malerische Anzug des Tscherkessen, der lange Talar des Armeniers, das seidene Gewand des Persers und des Tataren. Der weibliche Ballanzug wird auch hier leider schon durch die geschmacklosen Vorschriften der Pariser Modistinnen verallgemeinert, so daß sich die Damen verschiedener Nationalitäten meist nur noch durch den Gesichtsausdruck unterscheiden. Der langwallende Schleier aus dem dunklen Haar und der melancholische Blick verräth die Armenierin; diese sanften Augen und das blonde Haar darüber können nur einer Tochter Deutschlands gehören; an dem ruhigen Gange und Gesicht bei lebhafter Unterhaltung erkennen wir die Russin, und diese edlen Züge mit schönem Profil, dunklem Teint und feurigem Blick erinnern uns mitten in Rußland an den lachenden, warmen Himmel Italiens.

In einem Nebenzimmer endlich machen unsere Augen eine interessante Entdeckung. In phantastischer Toilette schwebt eine elastische Gestalt in geschmeidiger Ueppigkeit der Formen an uns vorüber, während sie mit Grazie die weiße Papier-Cigarre zum Munde führt und den Rauch kokett in kreisenden Ringen aus ihrem üppigen Munde bläst; dabei glühen die Augen, als könnte man sich die Cigarre daran anzünden, aus dem dunklen, aber olivenfarbig feurigen Teint hervor, der durch die Fülle blauschwarzen Haares noch reizender wird. Wer ist sie und welcher Nation gehört sie an? Der Laie wird schwer errathen, daß sie als eine der schönsten Perlen aus dem ewig wandernden, geheimnißvollen Stamme der Zigeuner von einem russischen Officier entdeckt, gereinigt, geschliffen und in Gold gefaßt, für ein höheres, eheliches und sociales Leben gewonnen und hier mit Stolz in den deutschen Club eingeführt ward. Der Ball und die vorzügliche Musik unterscheidet sich durch keine wesentlichen Merkmale von den Vergnügungen gleichen Namens in unserer civilisirten Welt. Auch an den verschiedenen Büffets und im Speisesaale ißt und trinkt man, wie es jetzt überhaupt Mode ist, nur daß man jedenfalls dem Weine mehr zuspricht, als anderswo. Wenigstens wurde im vorigen Jahre für dreißigtausend Rubel Rebensaft getrunken, obgleich er hier billiger ist, als außerhalb des Clubs. Man hat überhaupt durch die ganze ökonomische Abtheilung hindurch das praktische Princip der englischen Clubs eingeführt und dafür gesorgt, daß alle Speisen und Getränke besser und billiger geliefert werden, als in öffentlichen Anstalten.

Durch eine endlose Reihe von Zimmern und Sälen kommen wir endlich in die Treppe zur zweiten Etage, die fast durchweg mit Spieltischen und dem buntesten Gemisch von Spielern aller Nationen gefüllt ist. Allerdings sind Hazardspiele nicht erlaubt, aber man drischt jedenfalls zu viel Karte, was daraus hervorgeht, daß der Gewinn an verkauften Spielkarten im vorigen Jahre nicht weniger als fünfzehntausend Rubel betrug. Vor diesen leidenschaftlichen Dreschern habe ich eine große Abneigung, und auch die Billardzimmer und die Kegelbahn haben für uns wenig Anziehungskraft, so daß wir hiermit den Ball verlassen und nur noch mit der interessanten statistischen Notiz aufwarten, daß die Spieler um drei Uhr Morgens aufhören und für jede spätere halbe Stunde Strafe zahlen müssen, welche im vorigen Jahre bis auf die Summe von achtzehntausend fünfhundert Rubel stieg.

Jetzt, mitten in unserem besten Sommermonate sind wir, wie alle anständigen Familien, weit hinausgezogen in unseren herrlichen Petrowski-Park, um dessen willen allein die alten Moskowiter mit ihrer giftvollen Presse gegen die Deutschen uns unsre Vorzüge (den hauptsächlichsten Grund ihres Hasses) verzeihen sollten, denn diese Schöpfung voll üppiger Waldung und grüner Augenweiden, schönen Sommerwohnungen und Kaffeehäusern auf ehemals dürrem Sande ist das Werk eines deutschen Gärtners, des unlängst verstorbenen Fintelmann. In diesem Parke logiren wir deutschen Clubmitglieder auf einem aus unsern eigenen Mitteln erworbenen und eingerichteten Grundstück mit Blumengarten, Fontainen, Aquarien, Vogelhäusern, Kegelbahn, Billardzimmern, Spielsälen, Ziel-Schießstand, Plätzen für Seiltänzer, Akrobaten, Kunstreiter und Spielplätzen für uns selbst und unsere Kinder. Hier amüsiren wir uns alle Tage und oft spät bis in die Nacht hinein im Lichte von vierhundert Laternen und Tausenden von farbigen Glasbechern und Kugeln, und essen Sonntags table d’hôte mit rauschender Militärmusik.

Es wird jedoch für solidere und nachhaltigere Zwecke gesorgt. Unser baares Vermögen von mehr als zweihunderttausend Silberrubeln verzinst sich mit beinahe neuntausend, welche nur für Zwecke der Wohlthätigkeit verwendet werden. Verarmte Mitglieder oder deren Waisen erhalten beträchtliche Unterstützungen. Außerdem hat jede Wittwe eines verstorbenen Mitgliedes schon nach fünf Jahren regelmäßig gezahlter Beiträge Anspruch auf eine lebenslängliche Pension von jährlich fünfzig und nach zehn Jahren von hundert Rubeln. Auch erhalten alte, invalid gewordene Beamte nach zwanzigjähriger Dienstzeit ihren ganzen Gehalt als lebenslängliche Pension. Mehrere Kinder genießen aus den Mitteln des Clubs freien Schulunterricht, und nach dem Attentate auf Kaiser Alexander in Paris beschloß der Vorstand als Denkmal ewiger Dankbarkeit für dessen Rettung den beiden hiesigen lutherischen Kirchen ein Capital zu übergeben und von den Zinsen desselben zwei Knaben und zwei Mädchen armer Eltern frei erziehen und unterrichten zu lassen. Bei Spendung aller dieser Wohlthaten wird keine Rücksicht auf Glauben oder Nationalität genommen. Und auch hierin offenbart sich wieder das kosmopolitische Talent der Deutschen. Nur sie sind im Stande und beweisen es in aller [570] Welt durch rasch aufblühende und fruchttragende Schöpfungen und Institutionen einer vorurtheilsfreien Weltcultur, daß sie, ohne ihre Nationalität aufzugeben, Herz und Kopf frei genug haben, um sich in die Anschauungen, Sitten und Gebräuche anderer Völker hinein zu leben, sich mit ihnen zu befreunden und in ihrer eignen Anschauungs- und Lebensweise arbeitend, schaffend und gestaltend, singend und trinkend in allen Völkern zugänglichen Vereinen sie für sich zu gewinnen.

In diesem Leben und Treiben der Deutschen unter allen Längen- und Breitengraden und allen möglichen Nationen vollzieht sich unsere kosmopolitische Mission, schlingt in stiller, aber ununterbrochener Thätigkeit das heitere Band der Verbrüderung und Verschmelzung aller Nationen und schafft immer festere Bürgschaften für den ewigen Frieden und die Freiheit auf Erden, so sehr diese Träume auch noch im engeren Vaterlande selbst und von anderen Nationen verlacht werden.

Von der kosmopolitischen Macht unseres deutschen Clubs in Moskau über die Russen und andere Nationen können wir durch nüchterne Zahlen einen Beweis geben: die Theilnehmer zahlten im vorigen Jahre einen Beitrag von vierundzwanzigtausend Rubel, während die Gäste, bestehend aus allen möglichen Racen und Völkern, nicht weniger als dreißigtausend Rubel bezahlten, um sich dafür die anziehende Freude zu erkaufen, durch unsere geselligen Unterhaltungen ihren eigenen Lebensgenuß zu erhöhen und dadurch unseren jährlichen Umsatz auf beinahe vierhunderttausend Rubel zu steigern.

Es giebt nicht überall solche glänzende Clubs zur Verbreitung deutscher Gemüthlichkeit und Fähigkeit des Lebensgenusses, aber überall auf der Erde finden sich deutsche Pioniere der Weltcultur, die sich immer früher oder später mit ihrem Kneiptalent in Turn- und Gesangvereinen zusammenthun und dem deutschen Kopfe und Arme mit heiteren Kräften, der hell aus den Augen blitzenden Treue und Zuverlässigkeit neue, willkommene Heimstätten gründen. So kann es uns am Ende nicht fehlen, daß wir mit den überall siegreichen Waffen unserer friedlich schaffenden Thätigkeit und Offenherzigkeit für alle Völker noch die ganze Welt erobern, befreien und vereinigen.