Ein beharrlicher Druckfehler
[416] Ein beharrlicher Druckfehler. Es ist gewiß wünschenswerth, daß die neuen Classikerausgaben, die wir nach dem Erlöschen des Cotta’schen Privilegiums zu erwarten haben, uns die Werke unserer großen Dichter in möglichst fehlerfreier und vollkommener Gestalt bieten. Um dies zu erreichen, sollte Niemand, der im Stande ist, zu Beseitigung der schon früh eingedrungenen und beharrlich von einer Ausgabe in die andere fortgeschleppten zahlreichen Druckfehler beizutragen, mit seinem Scherflein zurückhalten, und vielgelesene Blätter, wie die Gartenlaube, können sich ein wahrhaftes Verdienst erwerben, wenn sie derartigen Berichtigungen ihre Spalten öffnen. In der Hoffnung, daß sein Beispiel Nachahmung finde, will der Einsender dieses hiermit einen sinnverwirrenden Druckfehler in Platen’s Werken berichtigen.
In der „verhängnißvollen Gabel“ (Ausgabe von Platen’s Werken in fünf Bänden, Stuttgart und Tübingen, Cotta, 1854. – Vierter Band Seite 12) erzählt der Jude Schmuhl seinem Universitätsfreund, dem Schultheiß Damon:
„Noch in Leipzig ergab ich mich ganz, wie Du weißt, Schwarzkünsten und chemischen Studien,
Und die Chiromantie und die Pyromantie und die Nekromantie des Agrippa, Drauf las ich für mich Pfaff’s Astrologie und in Göttingen trieb ich Punktirkunst.“
und fährt dann fort:
„Als einst bei Nacht ich im Mondschein saß auf der Pleiße romantischen Trümmern,
Und ein Zephyr strich durch’s Buchengezweig, weit über die Felder der Eb’ne,
Da erschien ein Gespenst mir …“
Platen’s Leipziger Leser werden in Verlegenheit sein, wo sie an ihrem heimischen Flusse die romantischen Trümmer und die Buchenwaldungen zu suchen haben, und ihre Rathlosigkeit wird steigen, wenn sie bald darauf lesen:
„Sie (die Erscheinung) verschwand und es theilte der Nachtflor sich, tief sanken zu Thale die Nebel,
Ich selbst ließ drauf nach Arkadien mich einschreiben im Göttinger Posthaus.“
Die Lösung des Räthsels liegt einfach darin, daß statt „Pleiße“ zu lesen ist: „Plesse“. So heißt nämlich eine von Studenten zu Platen’s Zeit und auch jetzt noch vielbesuchte Burgruine in der Nähe von Göttingen.
Dresden. M. K.