Ein Probe-Arbeiten der Schuster im Jahre 1579

Die Demolition der Dresdner Festungswerke Ein Probe-Arbeiten der Schuster im Jahre 1579 (1898) von Robert Bruck
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900)
Blitzschlag ins Schloß 1513
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[119]
Ein Probe-Arbeiten der Schuster im Jahre 1579
Von Robert Bruck.

Am 5. Juni 1578 erließ Kurfürst August einen Befehl an den Rath zu Dresden, er solle mit Zuziehung der Aeltesten der Handwerker die Preise der Handwerksprodukte, die Tagelöhne, sowie die Fuhrlöhne feststellen, da die Handwerksprodukte außerordentlich hoch im Preise gestiegen seien, obwohl die derzeitige Wohlfeilheit des Getreides keine Ursache dazu gebe. Es sollte alles aufs Papier gebracht und ihm, dem Kurfürsten, unverzüglich übergeben werden, damit er eine Taxe für die Handwerkserzeugnisse und für die Eß- und anderen Waaren, die die Bauern in die Stadt brächten, aufstellen und für das ganze Land verordnen könne. Fortgesetzte Klagen und Beschwerdeschriften des Hofgesindes und der Einwohnerschaft Dresdens über zu hohe Preise hatten den Kurfürsten zu dieser Maßregel veranlaßt. Die Bauern entschuldigten die fortwährende Steigerung der Preise der von ihnen zu Markte gebrachten Waaren mit dem Aufschlag der Handwerkserzeugnisse. Der Kurfürst mag zu dieser Zeit sehr erzürnt auf die Handwerker gewesen sein, denn in seinem Schreiben an den Rath bemerkt er, die eingerissene Hoffart der Handwerker müsse abgewendet werden, und sollte der Rath der Handwerker nicht mächtig sein, so sei er entschlossen, alle Innungen aufzuheben, wie er sich dieses Recht in den Innungs-Bestätigungen vorbehalten habe.

Der Rath forderte darauf sämmtliche Handwerke auf, genaue Berichte über die Preiserhöhung ihrer Produkte einzuliefern, was auch geschah; es liegen uns in den Akten des Rathsarchivs C. XVIII. 194h von 84 Gewerben Antworten vor.

In allen Antwortschreiben der Innungen wird darüber geklagt, daß die gute alte Zeit vorüber sei, daß sie vor 30 Jahren nur 5, 6 und 7 Gulden[1] Hauszins gegeben hätten, während sie jetzt 10, 12, ja 17 und 20 Gulden zahlen müßten. Die Abgaben, die Zölle, das Holz, alle Zuthaten und Rohprodukte zu ihrem Handwerk, die Nahrungsmittel, die Gesellenlöhne, kurz alles sei bedeutend im Preise gestiegen, und sie selbst verdienten kaum den Unterhalt für ihre Familien, so daß viele Meister ihre Ersparnisse zusetzten oder bereits zugesetzt hätten.

Diesen Klagen der Handwerke scheint der Rath nur bedingt Glauben geschenkt zu haben, und um sich selbst in einem Falle genau zu unterrichten, ließ er am 10.  Januar 1579 die Schuster „Probe arbeiten“. Darnach glaubte er feststellen zu können, ob die Schuhmacher ihre Waaren zu theuer verkauften und was die Herstellungskosten für Schuhe genau betragen würden. – Eine ähnliche Maßregel war bereits fünf Jahre früher angeordnet [120] worden, nämlich eine Backprobe aus Anlaß von Klagen über den willkürlichen Brotaufschlag der Bäcker. (Vgl. Richter, Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden I, 239.)

Das erwähnte Aktenstück giebt den Vorgang des Probe-Arbeitens der Schuster auf Bl. 349 flg. auf folgende Weise an. Am 10. Januar 1579 kauften die beiden „zu Hof geschworenen Schuster“ mit dem Aeltesten des Handwerks 1 große Rindshaut für 3 Gld. und 2 Kuhleder, das eine für 2 Gld. 6 Gr., das andere für 1 Gld. 17 Gr. Diese Leder wurden in den Rath gebracht und von zwei vereidigten Lohgerbern nach feierlicher Erinnerung an ihren „zu Hofe gethanen Eid“ um 13 Gr. geringer, als eingekauft, abgeschätzt. Nach dieser Schätzung betrug die Werthsumme der 3 Häute 6 Gld. 14 Gr.

Weiter wurden bei einem Gerbermeister für Futter- und Stemmleder 1 Kalbfell für 8 Gr. und 2 Schaffelle für 9 Gr. gekauft.

Zum Zurichten der Rindshäute wurde auf der Stadtwaage verwogen und verausgabt für 1/2 Stein Schmer 20 Gr., für 1/4 Stein Unschlitt 10 Gr., desgleichen zum Ausarbeiten der Schuhe für 2 Pfund Pech 1 Gr., 3 Pfund Hanf 6 Gr., Zwirn 1 Gr. 3 Pf. Für das Zurichten erhielten die beiden Meister an den zwei Arbeitstagen des 12. und 13. Januar: für die großen 3 Rindshäute 6 Gr. und für das Kalbfell 1 Gr.

Am 15. Januar wurden die zugerichteten Häute in die Werkstatt des Aeltesten des Schuhmacherhandwerks gebracht und daselbst von den beiden vereidigten Meistern in Gegenwart von zwei Rathsmitgliedern und fünf Innungsmeistern 26 Paar Schuhe daraus geschnitten: 15 Paar Männerschuhe, 8 Paar Frauenschuhe, 2 Paar Knabenschuhe und 1 Paar Mädchenschuhe. Vom Leder war übrig geblieben 4 Paar Sohlenleder und ein Stück Kalbfell.

Am 17. Januar stellten 5 Schuhknechte (Gesellen) in der Werkstätte des Innungsältesten die 26 Paar Schuhe fertig. Ein Geselle erhielt als Wochenlohn „ohne das Flickleder“ 4 Gr. außer der Kost, macht für den Tag 8 Pf., so daß die 5 Gesellen 3 Gr. 4 Pf. Lohn erhielten. –

„Zum Morgen und zur Mittags-Mahlzeit hat man an Essen und Trinken bezahlt den 2 Meistern und 5 Gesellen

4 Gr. 9 Pf. für einen Karpfen,
2 Gr. Pf. für Brot,
3 Gr. Pf. für Bier,
1 Gr. Pf. für Kraut,
4 Gr. Pf. für 6 Pfd. Rindfleisch.
Zur Vesperzeit
1 Gr. Pf. zu Brot,
Gr. 6 Pf. zu Käse,
1 Gr. Pf. zu Bier.
Zur Abend-Mahlzeit
1 Gr. Pf. zu Brot,
2 Gr. 11 Pf. für Kalbfleisch,
Gr. 3 Pf. zu Rüben,
2 Gr. Pf. zu Bier,
1 Gr. Pf. zu Lichte,
Summa      01 Gld. 03 Gr. 5 Pf.
Summa Summarum      10 Gld. 20 Gr.“

Davon mußte nach Schätzung der Meister 9 Gr. für das übrig gebliebene Leder und 3 Gr. für übrig gebliebenen Schmer und Unschlitt abgezogen werden, so daß sich die Summe von 10 Gld. 8 Gr. ergiebt. Bei diesen 10 Gld. 8 Gr. auf 26 Paar Schuhe würde sich der Preis für jedes Paar Schuhe auf 8 Gr. 4 Pf. stellen. Da aber die Preise für die einzelnen Schuharten verschieden sind, läßt der Rath am 19. Januar die vereidigten Innungsmeister mit dem Aeltesten des Handwerks die Schuhe schätzen, nachdem die Meister nochmals an ihren Eid erinnert waren. Die Schätzung war folgende: Von den 15 Paar Männerschuhen 8 Paar zu 7 Gr. 6 Pf., macht 2 Gld. 18 Gr., die anderen zu 7 Gr., macht 2 Gld. 7  Gr. Von den 8 Paar Frauenschuhen 5 Paar zu 5 Gr. 6 Pf., macht 1 Gld. 6 Gr. 6 Pf., die anderen zu 5 Gr., macht 15 Gr. Von den 2 Paar Knabenschuhen 1 Paar zu 5 Gr. 6 Pf., das andere zu 5 Gr. Das eine Paar Mädchenschuhe zu 3 Gr. 3 Pf., so daß nach der Schätzung für die 26 Paar Schuhe die Preissumme von 7 Gld. 14 Gr. 3 Pf. sich herausstellt.

Zieht man diese Summe von der für Material und Herstellungskosten gezahlten Summe von 10 Gld. 8 Gr. ab, so verbleibt eine Mehrausgabe von 2 Gld. 14 Gr. 9 Pf. Die 13 Gr. geringere Schätzung beim Lederkauf wurden nicht berücksichtigt.

Die Klagen über die übermäßig hohen Preise der Produkte des Schuhmacherhandwerks wurden durch diese Probearbeit als unbegründet widerlegt, und es ergiebt sich für die Innung das betrübende Resultat, daß die Schuster im Jahre 1579 „zugeschustert“ haben.


  1. Der Gulden zu 21 Groschen, der Groschen zu 12 Pfennigen.