Textdaten
<<< >>>
Autor: August Zapp
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein Hofer-Fest in Südtirol
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 604–606
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[604]
Ein Hofer-Fest in Südtirol.


Wenn der Frühling über die Berge steigt, wenn der Schnee von den Almen schwindet und bis auf die höchsten Gipfel zurückweicht, dann kommen auch die mit jedem Tage zahlreicher werdenden Alpenfahrer aus dem Norden zu uns in’s schöne Land Tirol. Doch bis auf die Berge und in die Thäler des eigentlichen Südtirol versteigen sich nur die wenigsten dieser Wanderer, obwohl es südlich vom Pusterthal, an der mittleren und unteren Etsch und südlich vom Vintschgau Alpenhöhen mit weit umfassenden Rundsichten giebt und Thäler mit Waldesfrische und allem romantischen Zauber, welche denen in Nordtirol sicherlich nicht nachstehen.

In einem dieser Thäler dürfte gerade zu der Zeit, wo diese anspruchslosen Zeilen in die Hände der Leser kommen, sich ein würdiges volksthümliches Fest vollziehen, ein Fest, an welchem nicht blos die Feiernden, sondern noch manche deutsche Herzen ihre Freude haben werden. Gilt es doch dem Andenken eines Mannes, dessen Name überall mit Ehre genannt wird, so weit die deutsche Zunge klingt!

Das Passeyer-Thal! Bei dem bloßen Klange des Namens steht die Gestalt Andreas Hofer's vor uns, des Tiroler Bauern und Helden, dessen Gedächtniß erst vor Kurzem durch Defregger’s, seines Landsmannes, schöpferischen Pinsel erneuert worden ist (vergl. unsere Abbildung in Nr. 40, 1879). Und der ehrliche und tapfere Hofer verdient es, daß seiner stets und zu allen Zeiten in Ehren gedacht wird. Mag man über seine Thaten, über die für sein Land nutzlose Erhebung denken, wie man will, das wenigstens muß man ihm nachrühmen: er hat es ehrlich gemeint; er kämpfte und duldete nur für das Wohl und die Freiheit seines Vaterlandes, so gut er eben Beides verstand. Diese Ansicht gilt allgemein auch bei denen, welche das „Trauerspiel in Tirol“ blos nach seiner Erfolglosigkeit für das Land selber beurtheilen. Ich nenne unter den Geschichtsschreibern unserer Zeit nur F. C. Schlosser, der in seiner „Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts“ etc. von dem Tiroler Aufstand sagt: „Wir sind weit entfernt, die Art religiöser Begeisterung für Vaterland und Cultus zu theilen oder auch nur zu billigen, welche der Kapuziner Haspinger und seine Genossen in Tyrol auf dieselbe Weise, wie die Jesuiten den Schweizer Sonderbund fanatisirten, im Tyroler Volke erweckten, aber wir ehren eine Begeisterung, welche Bauern zu Helden macht und Prediger des Fanatismus so begeistert, daß sie den Tod nicht scheuen.“

Wohl manchem Wanderer, der zum ersten Male die Berge und Thäler Tirols durchzieht, mag es auffallen, daß er nirgends auf ein Zeichen der Erinnerung an den beliebtesten vaterländischen Helden stößt. In der Franziskaner-Kirche zu Innsbruck hat freilich Kaiser Franz dem auf Mantuas Wällen von fränkischen Kugeln durchbohrten treuesten Sohne seines Volkes und Vorkämpfer seines Herrscherhauses ein marmornes Standbild errichten lassen, aber vergebens sucht der Fremde an der Geburtsstätte Hofer’s, im Sandhofe in Passeyer, oder auf den Wahlstätten, wo er mit seinen Getreuen in heißem Kampfe gestanden, auf dem Iselberg, „von dem er manchesmal den Tod herabgeschickt in’s Thal“, nach einem Denkzeichen, und wäre es auch nur ein Stein mit seinem Namen; nichts Derartiges findet sich; nur im Sandhofe zeigt man noch die Kleidung Hofer’s und einen von ihm in Mantua kurz vor seinem Tode geschriebenen Brief, der Kunde giebt von der wunderbaren Seelenruhe und männlichen Ergebung in sein Loos mit den Worten: „Ade, meine schnöde Welt! So leicht schwebt mir das Sterben vor, daß mir nit die Augen naß werden.“

Um diesem Fehlen aller Zeichen der öffentlichen Theilnahme für den tapferen Tiroler zunächst wenigstens an einem Punkte abzuhelfen, hat die Section des „Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins“ zu Meran, der unmittelbar am Eingange in’s Passeyer liegenden, als klimatischer Curort wohlbekannten Stadt, in welcher sich das Andenken an den Sandwirth noch lebendig erhalten hat, im Verein mit dem Officiercorps des dort in Garnison stehenden Landesschützen-Bataillons und einigen anderen patriotisch gesinnten Männern beschlossen, an der Hütte, in welcher Andreas Hofer gefangen genommen wurde und die bis heute unverändert erhalten ist, eine marmorne Gedenktafel anzubringen, welche [605] den Tag und das Jahr jenes traurigen Ereignisses dem Besucher in’s Gedächtniß rufen soll.

Der Sandhof im Passeyer-Thal.

Wenn wir Meran auf der Nordseite durch das Passeyer-Thor verlassen, so führt uns der Weg, dicht an den Ruinen der steil gelegenen Zenoburg vorüber, am rechten Ufer der Passer hin in das Passeyer-Thal; in zweieinhalber Stunde gelangen wir nach dem freundlichen Dorfe Saltaus und von dort weiter bald auf dem rechten, bald auf dem linken Ufer in noch nicht zwei Stunden nach St. Martin, über welchem das Schloß Steinhaus gelegen ist. Diesem gegenüber erblicken wir auf dem linken Ufer des Flusses den Pfandlerhof.

Die Hofer-Tafel an der Mahdhütte.

Hierhin flüchtete Andreas Hofer aus seinem weiter nach Norden gelegenen Sandhof, als gegen das Ende des Jahres 1809 auch der letzte Versuch eines Widerstandes gegen die über den Brenner und aus dem Puster-Thal unaufhaltsam in das südliche Tirol vordringenden Franzosen gescheitert und von Baraguay d’Hilliers für Denjenigen, der den Rebellenhäuptling tödten würde, eine Belohnung ausgesetzt worden war. Als die Gefahr immer höher stieg und Hofer sich auch auf dem Pfandlerhofe vor den ihm nachspürenden Feinden nicht mehr sicher hielt, rettete er sich in eine fast unzugängliche Hütte, in die oberhalb des Pfandlerhofes auf der Brantacher Alpe gelegene Mahdhütte. Aber auch hier konnten ihn weder die Unzugänglichkeit der Wege, noch die Eisberge und der sechs Fuß hohe Schnee vor seinen Verfolgern schützen; denn es fand sich, „was nur zu denken, geschweige zu erzählen, tief betrübend ist“ (Schlosser), einer seiner vertrauten Anhänger, dessen Namen man in Tirol noch wohl kennt, der aber hier besser verschwiegen bleiben mag, welcher den Zufluchtsort Hofer’s für dreihundert Ducaten verrieth.

Die Mahdhütte, Ort der Gefangennahme Andreas Hofer's.

Hier wurde dieser vom Bataillonschef Coutier am 28. Januar 1810 um vier Uhr Morgens gefangen genommen,[1] wobei die französischen Grenadiere an dem aus dem Schlaf geweckten, ruhig sich ihnen überliefernden Gegner arge Grausamkeiten verübten, ihn mit Kolbenschlägen empfingen und ihm die Haare des Bartes ausrissen. Wie im Triumph und um den Tirolern zu zeigen, daß jede Hoffnung auf Befreiung verloren sei, führten sie ihn gefangen das Passeyer hinab durch Meran und andere Städte und Dörfer seines Landes in’s feste Mantua, wo er vor ein Kriegsgericht gestellt und auf ausdrücklichen Befehl Napoleon’s erschossen wurde, doch erst nach Verlauf einiger Wochen, am 20. Februar (nicht, wie es Nr. 40, 1879 in „Blätter und Blüthen“ heißt: am 10. Februar). Demnach blieb dem Herren in Wien Zeit genug, wenn sie gewollt hätten, für die Begnadigung des Tiroler Volkshelden einzutreten, der ja im Einverständniß und anfangs mit der offenen Unterstützung des Wiener Hofes zu den Waffen gegriffen hatte. Doch es geschah nichts der Art; nicht einmal der Versuch dazu wurde gemacht – statt dessen hat aber Kaiser Franz den männlichen Nachkommen Hofer’s die erbliche Adelswürde verliehen!

Die Gedenktafel zum Andenken an die Gefangennehmung Andreas Hofer’s, welche von nun ab die Mahdhütte im Passeyer kennzeichnen wird, besteht aus weißem Tiroler Marmor, wie er in den Steinbrüchen bei Göflan im Vintschgau gebrochen wird. Sie zeigt außer der Inschrift das vom Professor J. Juß in Innsbruck trefflich modellirte und vom Steinmetzmeister Egger in Meran sauber ausgeführte Reliefbild Hofer’s in Medaillonform.

Die Worte am untern Rande der Tafel: „Errichtet im Juni 1880“ bezeichnen den für die Befestigung der letzteren ursprünglich in’s Auge gefaßten Termin; derselbe hat aus zwingenden Gründen hinausgeschoben werden müssen, und es ist statt dessen der September in Aussicht genommen. Da nun in Tirol keine Feierlichkeit ohne ein Freischießen gedacht werden kann, so hat man auch für diese patriotische Feier ein solches angeordnet, eine größere Summe zu Preisen bestimmt und die gesammten Schützen des Burggrafenamtes Meran dazu eingeladen. Dies Schießen soll zwei Tage, den 13. und 14. September, währen. An anderen volksthümlichen Belustigungen dürfte es außerdem bei diesem Anlaß

[606] nicht fehlen, das Hauptvergnügen wird aber sicherlich das Schießen und „Pöllern“ bleiben, das die Tiroler aus dem Grunde verstehen und mit seltener Ausdauer üben. Vielleicht, daß dieser oder jener Alpenfahrer und Freund wahrer Volksfeste aus Deutschland den Weg in’s Passeyer und auf die Brantacher Alpe nicht scheut, um an dem jedenfalls erhebenden, dem Andenken des beliebtesten Helden der Tiroler gewidmeten Feste theilzunehmen und Herz und Sinn zu erfrischen. Er wird willkommen sein.
August Zapp.


  1. In den meisten Geschichtswerken und Reisebüchern und falsche Daten der Gefangennahme Hofer’s angegeben, in einigen der 20., in andern der 23., in noch anderen der 27. Januar. Die obige Angabe ist, wie von noch lebenden Kampfgenossen aus 1809 und von Augenzeugen, welche den Gefangenen durch Meran führen sahen, bekundet wird, die allein richtige.