Ein Gast unserer Kinder in der Weihnachtszeit

Textdaten
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Titel: Ein Gast unserer Kinder in der Weihnachtszeit
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aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 809, 811
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[809]

„Seid ihr fromme Kinder gewesen? – Verdient ihr Nüsse oder den Besen?“
Originalzeichnung von Karl Kronberger nach seinem Oelgemälde.

[811] Ein Gast unserer Kinder in der Weihnachtszeit. (Mit Abbildung, S. 809). Nicht an allen deutschen Orten erscheint, wie in der Bauernfamilie auf unserm Bilde, vor Weihnachten der heilige Wunderthäter Nicolaus, um die Kinder beten zu lassen und die artigen mit Aepfeln und Nüssen zu beschenken, den ungehorsamen dagegen eine Strafpredigt zu halten. In den meisten Gegenden Deutschlands besucht vielmehr ein vermummter Gesell mit zottigem Pelz, mit einem Sack voll Nüsse und mit dem Schreckensgespenst der Ruthe in der Hand, die Kinder, welche sehnsüchtig auf den fröhlichen glänzenden Weihnachtsabend warten. Knecht Ruprecht ist es, der seit vielen vielen Jahren in Begleitung des bescheerenden Christkindes oder der Frau Berchta in Hütten und Paläste kommt und, während diese unter die artigen Kleinen ihre Gaben austheilen, den ungehorsamen droht, sie mit der Ruthe zu schlagen oder sie sogar in’s Wasser zu tragen. Ob er wirklich, wie sein altdeutscher Name Hruodperath, der Ruhmglänzende andeutet, den degradirten Sonnengott, Wuotan, darstellt, oder ob er der heilige Ruotbehrt ist, der mit dem lieben Gott vom Himmel zur Erde zu Weihnachten herabsteigt, oder auch, wie andere behaupten, einer jener traulichen und getreuen Hausgeister, welche nach dem Glauben unserer Vorfahren in den Wohnungen der Menschen pochten, polterten und spukten – darüber sind die Gelehrten noch nicht einig geworden. Das gefällt augenscheinlich dem schlauen Patron; denn er versteckt sich noch immer hinter Pelz und Maske und treibt Jahr aus Jahr ein zum Schrecken der Kinderwelt sein Spiel, bis das älter gewordene Töchterlein, welches bereits gelernt hat, die Stimmen der einzelnen Personen zu unterscheiden, mit den plötzlich hervorbrechenden Worten: „Das bist Du, Onkel Fritz!“ den Zauber der mythischen Erscheinung vernichtet. Aber für die jüngeren Geschwister wird der Brauch im nächsten Jahre von Neuem wiederholt und lebt im Volke fort und fort.

Freilich hat im Laufe der Alles verändernden Zeit auch unser Knecht Ruprecht seinen Namen oft gewechselt.

In Schwaben besucht er als der „Pelzmärte“ und in Oesterreich sogar als der „Wauwau“ die Kleinen, um ihnen je nach ihrem Betragen Angst oder Freude zu bereiten. Zu den schwäbischen und märkischen Kindern kommt er dagegen als „Schimmelreiter“, für dessen weißes Pferdchen die Kleinen in der Christnacht ihre Schuhe mit blankem Hafer füllen müssen.

Der weitverbreitetste Name aber, welcher diesem Weihnachtsmännchen beigelegt wird, ist der des Sanct Nicolaus oder Niclaus, Claus und Claas. Unter diesem Namen ist er im ganzen Norden bekannt und bescheert auch in Amerika. Die Kinder jenseits des Oceans hängen nämlich am Weihnachtsabend ihre Strümpfchen an den Ofen; in der Nacht kommt Sanct Nicolaus durch den Kamin hereingeflogen und füllt sie mit allerlei Geschenken.

So möge denn unser heutiges Bild, auf welchem der heilige Niclas in Begleitung einer als Knecht vermummten Magd den Bauernknaben beten läßt, die Erinnerung an den alten Brauch auffrischen und Veranlassung dazu geben, daß in diesem Jahre Knecht Ruprecht bei allen artigen Kindern mit recht vielen Nüssen und Aepfeln als Vorbote der Christfeier erscheine!