Ein Erinnerungsblatt an Theodor von Kobbe
[592] Ein Erinnerungsblatt an Theodor von Kobbe. In Oldenburg weiß man sich noch manchen schönen, originellen Zug aus dem leider zu kurzen Leben des im Jahre 1845 dort verstorbenen Dichters Theodor von Kobbe zu erzählen. So theilte mir ein Freund desselben nachstehende zwei Züge mit, die für Kobbe’s Wesen und Richtung sehr charakteristisch und dabei so anziehend sind, daß sie auch in den weitesten Kreisen interessiren werden.
Das weiche, edle Gemüth des Dichters, damaligen Landgerichtsassessors in Oldenburg, der zu Karl Immermann nahe freundschaftliche Beziehungen hatte, war so zart besaitet, daß jedes Ereigniß, welches einen Eindruck auf dasselbe zu üben geeignet war, ihn, wo er auch sein mochte, augenblicklich zu poetischen Ergüssen hinriß. Als er im Jahre 1842 in der Gerichtssitzung die Nachricht erhielt, der König von Preußen habe Ferdinand Freiligrath ein Jahrgehalt verliehen, gab er dem Eindruck, welchen die Nachricht auf ihn machte, augenblicklich in folgenden Versen Ausdruck, die er, nachdem sie als interessantes Intermezzo bei den Gerichtsmitgliedern circulirt, noch aus derselben Sitzung an Freiligrath zur Post befördern ließ:
Karl Immermann war freilich Rath,
Doch ohne Pension;
Traun! was der Vater noch nicht hat,
Das überkommt den Sohn.
Die Zeit, sie eilt, sie lohnt die That –
Wenn Deine was gewann,
So denke: Du bist Freiligrath –
Doch sei auch immer Mann!
Bei einer Gerichtsvisitation wurden von den Visitatoren recht viele Fragen gethan, die unverkennbar die vielleicht etwas geniale Geschäftsbehandlung des guten von Kobbe berührten und diesen sehr aufmerksam und ernst stimmten. Als sein benachbarter College ihm einen Papierstreifen hinschob, auf dem die Worte: „Machen Sie ein Impromptu!“ standen, schob Kobbe denselben wiederholt unwillig zurück. Endlich, als der College bei seinem Verlangen beharrte, nahm er hastig das Papier und schrieb schnell folgende Verse als Antwort nieder:
Ein Impromptu paßt für den Dichter,
In promptu sein paßt für den Richter,
Damit, wenn man ihn visitirt,
Man keine Poesie verspürt. –
D’rum, Muse, pack’ dich augenblicklich!
Was thust du überhaupt auf Erden?
Man kann durch dich zwar selig, glücklich,
Doch nie Geheimer Hofrath werden.