Ein Dichterdenkmal Stettins
[104] Ein Dichterdenkmal Stettins. (Mit Abbildung S. 93.) „Das Bild des Dichters, wie des Künstlers Meisterhand ihn geschaffen hat, in idealer Verklärung nach den höchsten Zielen schauend, gebe uns die Mahnung, muthig heranzutreten an die Aufgabe der neuen Zeit und unermüdlich nach dem Besten zu streben. Wie der verschiedene Dichter um der idealen Güter willen materielle Sorge für nichts geachtet hat, so lassen Sie in der Arbeit um das tägliche Leben, im Ringen nach Hab und Gut, im Wirken für den Reichthum und die Ausdehnung dieser Stadt uns niemals die Pflege der geistigen Güter versäumen. –
Robert Prutz war in dieser Stadt das Organ, durch welches bei jeder gemeinsamen Gelegenheit die Stimmung der ganzen Bevölkerung ihren Ausdruck gewann. Was Alle bewegte, dem gab er Leben und Form in jenen öffentlichen Reden, deren Wohlklang noch heute durch die Erinnerung Aller tönt. Gedenken Sie seiner machtvollen Worte am Erinnerungsfeste der Schlacht bei Leipzig, bei der Schiller-Feier, bei der Fichte- und bei der Humboldt-Feier! In all diesen Reden ist harmonisch erklungen der Ausdruck der Treue, der Vaterlandsliebe und des Geistes der Freiheit, die ihn, wie die Bürger seiner Vaterstadt, immer belebten. Er ist nicht müde geworden, auch in langer hoffnungsleerer Zeit das Banner der Freiheit hochzuhalten. – Diese Stätte sei darum fortan uns besonders geweiht. Dieses eherne Dichterbild leuchte fortan von der Höhe hernieder, ein Wahrzeichen, wie das Haupt der Pallas Athene dem Kommenden die Nähe einer Stadt der Bildung und Gesittung verkündigend.“
So lauten einige Sätze der Rede, mit welcher am achtzehnten October des vorigen Jahres Stadtrath Bock im Kreise der Hinterbliebenen und der zahllosen Verehrer des Dichters das Denkmal auf dem Friedhofe zu Stettin geweiht hat, dessen Abbildung wir heute unseren Lesern mittheilen.
Im Jahre 1870 im Frühling, einige Monate vor dem Ausbruche unseres „letzten Kriegs um den Rhein“, in dessen Triumphen auch sein Herz die Erfüllung alter patriotischer Wünsche freudig begrüßte, haben wir unseren Lesern Robert Prutz als „Wanderprofessor deutscher Literatur“ in Wort und Bild (Nr. 15) dargestellt. Schon damals konnten wir nicht verschweigen, daß sein körperliches Erscheinen auf den zu seinen Ehren geschmückten und von andächtigen und begeisterten Zuhörern umwogten Rednerbühnen die gebrochene Hülle eines noch so urkräftigen Geistes zeigte. Nicht viel über zwei Jahre trug er noch die immer schwerere Last des Lebens – er starb am 21. Juni 1872 als eines der vielen mit bitterem Ernste mahnenden Opfer jener in ihren Nachwehen noch heute nicht verwundenen Zeit, wo anmaßende Mittelmäßigkeit und hochgestellte Beschränktheit keine bessere Aufgabe kannte, als die Unterdrückung jedes höheren Strebens.