Textdaten
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Autor: Friedrich Brunold
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Titel: Ein Bild
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21 und 22, S. 321–324 und 337–340
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[321]
Ein Bild.
Novelle von F. Brunold.

Frau von Werner, als Präsidentin des Frauenclubs für hülfsbedürftige Kinder und verschämte Arme, hatte bereits vor Wochen ihren alljährlichen Aufruf zur Beisteuer milder Beiträge zum Besten eines Weihnachtsbaums ergehen lassen. Sie war zu diesem Behufe nicht allein selbst sehr thätig gewesen, viel in die Häuser reicher Bekannter gegangen, wo sie um milde Gaben gebeten, sondern sie hatte es selbst nicht an Theekränzchen, Lotterien und dergleichen fehlen lassen; so daß wirklich ein Bedeutendes zu genanntem Zwecke eingekommen war, von dem man sich eine reiche Weihnachtsfreude armer Kinder glaubte versprechen zu können – wenn die böse Welt auch meinte, daß die Frau Präsidentin keinen Deut zu dem Ganzen beigesteuert habe. – Mag dies auch der Fall gewesen sein, so mußte man doch den Eifer, die Ausdauer dankend anerkennen, mit der sie sich der Sache gewidmet hatte.

Heute am Tage vor dem heiligen Abend war nun endlich der Tag der Bescheerung, der Vertheilung der Geschenke und milden Gaben an die Kinder herangekommen. Es hatte eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft sich in dem Saal eingefunden, elegante Damen, wie auch eine Anzahl junger Männer. Erstere waren ungemein thätig, hie und da an dem Weihnachtsbaum, der mitten im Saale auf einem großen Tische stand, auf welchem zugleich die einzelnen Geschenke für die im Vorzimmer harrenden Kinder lagen, Dies und Jenes noch zu ordnen, hier ein Lichtlein gerade zu rücken oder dort einen abgefallenen Aepfel wieder anzubinden; während dessen dieser oder jener der jüngeren Herren sich die ausgelegten Geschenke besah, wobei er nicht unterließ, der nahestehenden Dame, um deren willen er vielleicht nur anwesend war, spöttische Bemerkungen in Bezug des Ausliegenden zuzuflüstern. Genug, man schien zusammengekommen zu sein, um ein Stündchen, statt durch Concert oder Schauspiel, auf andere Weise einmal hinzubringen, bis endlich Frau von Werner, als Präsidentin, dem allgemeinen Scherzen, dem Frohsein freundlich lächelnd ein Ende machte, indem sie sagte: „Bitte, meine werthen Damen, wir werden beginnen müssen. Die Kinderchen zügeln nicht länger ihre Ungeduld; die Freude, die Erwartung in ihnen ist zu groß. O mein Gott, wie schön ist doch solch ein Fest! Welche Freude liegt im Geben! Können wir anfangen?“

Und als nach diesen Worten die Anwesenden sich lächelnd und scherzend auf die eine Seite des Saales zurückzogen, wurden auf den Wink der Präsidentin rasch die Lichter des Baumes angezündet, worauf von einem der Herren die Thür geöffnet wurde und die Schaar der Kinder, Knaben und Mädchen, scheu, schüchtern eintrat. Kein froher, heiterer Kinderjubel machte sich bemerkbar; kein freudiges „Ach!“ ertönte von ihren Lippen; die Hände gefaltet, standen sie mit niedergeschlagenen Augen, eng gedrückt vor dem Tische.

Ein geistliches Lied wurde gesungen, dann hielt Frau Präsidentin Werner eine Rede, in der viel von Barmherzigkeit, Güte, Liebe und Milde die Rede war, während andererseits der kindlichen Dankbarkeit ein weites Feld eröffnet wurde.

Und nun endlich begann die eigentliche Vertheilung der Gaben an die betreffenden Kinder. Es wurden deren Namen nach und nach aufgerufen, worauf die zugehörige Bescheerung von einer der jüngeren Damen verabreicht wurde. Es ging hier zu, wie es bei den meisten Vertheilungen der Art zugeht: die Kinder traten vor, empfingen ihre Gaben, wobei sie mehr auf diejenigen sahen, die Andere erhalten hatten, als auf die eigenen – und traten, Dank stotternd, in den Kreis zurück.

So war es auch hier. Die Kinder empfanden, gegenseitig sich und die empfangenen Gaben anschauend, mehr Neid als Freude, und eine innige Zufriedenheit war bei den Wenigsten zu bemerken.

Jetzt aber wurde der Name eines Mädchens gerufen, ohne daß die Gerufene Miene machte vorzutreten; und als nach nochmaligem Aufruf die zunächststehenden Kinder die Betreffende hervor zu zerren und zu stoßen begannen, schrie das Mädchen, ein etwa fünfjähriges, hübsches, blondgelocktes Kind, hervorstürzend und sich die Hände, wie im tiefsten inneren beschämt und verletzt, vor das Gesicht haltend: „Ach Gott! ach Gott! so sind wir also doch so arm; nun werden wir auch noch in’s Armenhaus kommen!“ Und mit diesen Worten hub das Kind so recht jämmerlich zu weinen und zu schluchzen an, daß selbst die andern Kinder scheu und befangen auf das Mädchen blickten und nicht wagten, es noch weiter vor bis an den Tisch zu stoßen.

Frau Präsident Werner jedoch empfand diese unzeitige Störung sehr übel. Sie gab der zunächst stehenden jungen Dame einen Wink und sagte: „Bitte, Fräulein Waldow, geben Sie der kleinen Närrin ihre für sie bestimmte Jacke und dann lassen Sie den Trotzkopf laufen! Man muß solchen rohen, ungebildeten Kindern Manches zu Gute halten.“

Ehe dieser Befehl indeß zur Ausführung gebracht werden konnte, und ehe noch Fräulein Waldow oder eine der andern jungen Damen in unzeitigem Pflichteifer sich dem Kinde zu nähern vermochte, trat einer der anwesenden jüngeren Männer vor, hob das Mädchen rasch empor und legte sein Köpfchen sanft auf seine Schulter; rasch mit ihm zur Thüre hinauseilend sagte er. „Komm, Kind! komm, Marie! wir wollen zur Mutter gehen.“

Es geschah dies Alles so rasch und mit solcher Entschiedenheit, [322] daß an Einspruch von irgend einer Seite nicht zu denken war. Als die Thür hinter dem jungen Manne sich geschlossen, rümpfte Frau Präsident Werner freilich die Nase und sagte spöttisch, sich zu ihrer Nachbarin wendend. „Herr Assessor Nordheim ist immer etwas rasch und absonderlich in seinem Thun und Handeln! Aber lassen wir uns in unserm guten, Gott gefälligen Werke nicht stören. Fahren wir fort!“ Und den Namen des nächsten Kindes aufrufend, begann die Vertheilung der Christgaben auf’s Neue.

Der junge Mann war mit seinem kleinen Schützling auf die Straße getreten. Es war kalt, der Schnee knarrte unter seinem Tritt. Das Kind, dünn und leicht für die Jahreszeit gekleidet, zitterte und fror. Er wickelte es dichter in seinen Ueberzieher und schritt rasch dahin, es dabei zugleich nach seiner Mutter und deren Wohnung fragend.

Das Kind, das bald ruhiger und durch die Güte und Milde des Tragenden zutraulich geworden war, erzählte kindlich verständig, wie es daheim bei der Mutter sei und was die große Schwester mache.

So erfuhr der junge Mann mehr, als es der Mutter und Schwester vielleicht lieb sein mochte. Er ersah aus dem Geplauder des Kindes, daß die Eltern früher bessere Tage gesehen und seit dem Tode des Vaters zurückgekommen sein mußten. Er fühlte es aus den Worten des Mädchens heraus, daß die Mutter eine gebildete Frau sein müsse, daß die große Schwester zeichne, wohl gar male, und daß tiefes, plötzliches Unglück die Familie in Noth und Armuth gebracht habe. Sie wohnten seit Kurzem erst im Ort.

Dies Alles erkennend und erwägend, fühlte Nordheim um so mehr innere Genugthuung und Befriedigung, das Kind von der mehr beschämenden, als erfreuenden Schaustellung im Saale errettet zu haben; er fühlte aber auch zugleich, daß er das Kiud höchstens bis zum Hause, bis zur Thüre der Wohnung bringen dürfe, um Mutter und Schwester durch sein Kommen nicht noch mehr niederzubeugen, als dies durch die ganze Weihnachtsbescheerung schon geschehen sein mochte. Wie man Marie überhaupt zu derselben hatte senden können, blieb ihm ein Räthsel. Als er aber mit seiner kleinen Last so durch die belebten und erleuchteten Straßen der großen Stadt dahin schritt und Marie zuletzt freudig aufjauchzte, als sie an dem großen Schaufenster eines erleuchteten Ladens die kostbar schönen Puppen stehen sah, trat er rasch mit ihr in das Magazin, wo er den Kaufmann ersuchte, ihm eine Pnppe für das Kind herüber zu reichen.

Die Augen Marie’s strahlten vor innerer Glückseligkeit; aber dennoch erfaßte sie zugleich eine momentane Scheu; das Glück, die Puppe zu besitzen, erschien ihr doch gar zu groß – und nur mühsam brachte sie die Worte heraus: „Soll das meine sein?“

Und als der Assessor dies lächelnd bejahete, hinzusetzend, daß der Weihnachtsmann sie gebracht habe, hörte und sah das Kind nichts mehr, sondern nahm in Hast seine Puppe in den Arm, ergriff seine Hand und sagte, ihn zur Thüre ziehend: „Mama wartet!“

Er mußte schon folgen, wenn er anders seinen kleinen Schützling nicht verlieren wollte, der von nun ab für weiter nichts Sinn und Augen hatte, als für seine Puppe, Jetzt war alle Kälte, aller Schmerz vergessen, und nur mit Mühe vermochte er noch sie in einen Laden zu ziehen, um ihr einige Pfefferkuchen und anderes Naschwerk zu kaufen. Gleich darauf war die Wohnung der Kleinen erreicht. Und das Kind, hoch seine Puppe haltend, lief vorauf – und der Assessor hörte noch, wie es bereits schon im Flur rief und schrie: „Mutter, Mutter! eine Puppe!“

Mehr hörte und vernahm er nicht. Rasch, als fürchte er von einem der Angehörigen der kleinen Marie entdeckt zu werden, eilte er davon.

Andern Tages aber, als Kinder und Erwachsene in freudiger Erregtheit durch die Straßen liefen und sich im Stillen wunderten, daß die Stunden, trotz aller Hast und Eile, doch so langsam dahin schlichen, daß es nicht Abend werden wollte, saß Alexandrine, die einzige Tochter des verstorbenen Kreisgerichtsraths Waldow, wehmüthig, verstimmt am Tisch. Sie hatte ihre Weihnachtsarbeiten längst vollendet, sie lagen eingewickelt und geordnet in der Kommode und konnten in jeder Minute an die Betreffenden ausgetheilt werden, aber die Freude, die sie beim Arbeiten empfunden hatte, war seit gestern, seit der Christbescheerung der armen Kinder, wo sie auch thätig gewesen war und der Frau Präsident Werner hülfreiche Hand geleistet hatte, merklich gewichen. Die Handlungsweise des Assessor Nordheim, die sie im Grunde des Herzens nicht tadeln konnte, hatte doch ein zu großes Aufsehen erregt, als daß nicht mannigfache Anspielungen und Tadel hätten laut werden sollen, die auch sie verletzen mußten. Nordheim war schon bei Lebzeiten des Vaters vielfach in ihrem Hause gewesen; der Verstorbene hatte den talentvollen jungen Mann, der gleichsam unter seinen Augen, als der Sohn eines früh verstorbenen Freundes, aufgewachsen war, geschätzt und geliebt, und so war es auch natürlich, daß Alexandrine sich ihm nähern mußte, zumal auch die Mutter, nach dem Tode des Gatten, ihn nicht ungern in ihrer Nähe sah. Es hatte sich dadurch ein eigenthümliches, fast geschwisterhaftes Verhältniß zwischen ihnen gebildet, und wenn die Welt sie natürlich auch bereits als Verlobte und Versprochene betrachtete, so war doch von dem Assessor so wenig wie von Alexandrinen jemals ein Wort gefallen, das ein Verhältniß der Art bestätigen konnte.

Jetzt aber, heut zum ersten Male regte sich in der Brust des jungen Mädchens ein eigenthümliches Gefühl, das sie ehedem nicht gekannt, oder das ihr doch nicht so klar vor Augen gelegen hatte, als eben jetzt. Die Stichelreden der Damen hatten seit gestern doch einen eigenen Sturm in ihrer Brust hervorgebracht; es war ihr klar geworden, daß man sie als die Braut des Assessors bestimmt betrachtete – und sie, sie mußte es sich gestehen, daß derselbe ihr doch mehr sei, als sie bislang selbst geglaubt hatte; während sie doch auch wieder mit sich im Zwiespalt lag, ob sein gestriges Verhalten sie mehr erfreuen oder betrüben sollte. Er schien so herzenswarm, so nach dem Rechten gehandelt zu haben, und doch – –! Aber es war nicht Zeit, diesem Gedanken nachzuhängen; der Assessor trat soeben ein.

Alexandrine erschrak ein wenig. Sie vermochte nicht, ihm in gewohnter Unbefangenheit entgegen zu gehen, und Nordheim, dies bemerkend, lachte und rief: „Hat Frau Präsident von Werner mich so abgekanzelt, daß auch Sie an mir irre geworden sind?“

Und als er sah, daß sie erröthend schwieg, fuhr er, nicht ohne einige Bitterkeit, fort und sagte: „Daß die Welt in ihrem Egoismus sich doch niemals in die Lage Anderer versetzen kann! Glauben Sie es denn wirklich, daß die Kinder es nicht fühlen, daß sie blos zur Schaustellung für die Erwachsenen dorthin beordert sind, daß die Welt mit ihrer Barmherzigkeit sich brüsten will? Das reine Kindesgefühl wird durch solches Bloßstellen abgestumpft, der Neid der Kinder wird gegenseitig erregt, das Verschämtsein der Armen vernichtet, die bettelnde Frechheit der Liederlichen sanctionirt und permanent gemacht. – O Alexandrine, war der tiefschmerzliche Nothschrei des kleinen Mädchens nicht die einschneidendste Kritik der ganzen Bescheerung? Ich weiß nicht, wer die Eltern des Kindes sind, wenn ich auch den Namen der Mutter weiß, das aber hat mich sein Schrei gelehrt, daß sie einst bessere Tage gesehen und es ein Fehler war, dies Kind zur Weihnachtsbescheerung hinzuzuziehen!“

Er sprach nicht weiter, er fühlte, daß er in seiner Erregtheit zu weit gehen möchte, und so lachte er gezwungen und sagte, dem jungen Mädchen die Hand hinreichend: „Hier, Alexandrine, meine Hand! Mag die Art und Weise meines Einschreitens nicht die richtige gewesen sein, das aber weiß ich, daß die Freude, die ich dem Kinde bereitet habe, mir den Zorn der Frau Präsident von Werner tausendfach aufwiegt. Und nun kommen Sie, Alexandrine, nehmen Sie Hut und Mantel und lassen Sie uns einige Straßen und Weihnachtsausstellungen durchwandern. Es will Abend werden, und durch die Fenster in den Stuben angezündete Weihnachtsbäume brennen zu sehen, ist für mich ein eigener Genuß. Man wird mit den fröhlichen Kindern zum Kinde wieder. Kommen Sie! Ihre Frau Mutter, die ich bereits sprach, hat ihre Einwilligung gegeben!“

Wenige Augenblicke darauf schritten sie Arm in Arm durch die hell erleuchteten, buntbewegten Straßen dahin, und wer sie so gehen sah, Arm in Arm, fröhlich plaudernd, hier und dort das Schaufenster eines reichgeschmückten Ladens bewundernd, dort eintretend, Kleinigkeiten kaufend, der mochte dem pfiffig dreinschauenden Jungen nicht Unrecht geben, als er seinen Hampelmann Alexandrinen zum Kauf anbot und keck hinrief: „Kaufen Sie, schönes Fräulein, den besten Hampelmann für den gnädigen Bräutigam!“

Jetzt standen sie vor dem Local des Kunsthändlers, in dessen permanenter Ausstellung sich gerade einige der bedeutendsten Schöpfungen berühmter Maler vorfanden, und der Assessor, den Arm seiner Begleiterin fester anfassend, sagte: „Lassen Sie uns einen Augenblick eintreten. Ich meine, man kann den heutigen Abend nicht besser [323] beginnen, als wenn man die genialen Schöpfungen der Kunst betrachtet. Bitte, kommen Sie, Alexandrine!“

Und ohne eine Antwort oder Gegenrede abzuwarten, trat er in das Haus und öffnete die Thür zur Ausstellung. Dieselbe war besuchter, als man am heutigen Tage hätte erwarten sollen. Lessing hatte eine seiner prächtigen Landschaften ausgestellt, während J. Schrader seinen König Karl I. von England gesendet hatte.

Alexandrine fühlte mit dem Eintritt in die Ausstellung ihre Befangenheit, in die der Ausruf des Knaben sie versetzt hatte, mehr und mehr weichen. Nordheim, als tüchtiger Kunstkritiker dem Besitzer des Locals, wie auch den meisten Künstlern der Stadt bekannt, sprach so klar und gediegen, daß ihr Blick sich mehr und mehr erweiterte, sie ein innigeres, tieferes Verständniß der Bilder gewann und ihre Herzensfreude und Sicherheit bedeutend zunahm.

Die Anwesenden standen in einzelnen Gruppen bald vor diesem, bald vor jenem Bilde.

Nordheim, von einigen der Anwesenden erkannt und freundlich begrüßt, ließ seinen Blick durch den Saal schweifen, bis er plötzlich am Ende desselben den Kunsthändler traf, der prüfend ein kleines Gemälde betrachtete, während eine junge Dame an seiner Seite mit erwartungsvoll ängstlichem Auge seines Ausspruchs zu harren schien. Die Dame war sauber, aber nicht elegant gekleidet, ihr Anzug zeigte, daß derselbe hin und wieder nur mühsam einige durchbrechende Schäden zu verdecken vermocht hatte – und so vermuthete Nordheim gewiß nicht mit Unrecht in ihr die Verkäuferin, wo nicht gar die Malerin des Bildes. Von Neugier oder Theilnahme ergriffen, ging er den beiden sich unbemerkt Glaubenden zu. Alexandrine, mit einer Freundin plaudernd, die sie zufällig getroffen, war zurückgeblieben. Jetzt war er dem Kunsthändler nahe, und er hörte, wie derselbe sich zu dem jungen Mädchen wendend sagte: „Schon gut, ganz gut! Wäre das Bild nur acht, vierzehn Tage früher eingeliefert worden, hätte ich Hoffnung haben können, es in der Masse, die zum Fest gekauft wird, loszuschlagen. Wer aber kauft jetzt noch eine Copie und zumal von der Hand einer gänzlich Unbekannten?“

Nordheim, der mit einem Blick die Güte und Feinheit des Bildes erkannt hatte, aber auch zugleich den Schmerz, die Hoffnungslosigkeit auf dem Gesicht des jungen Mädchens bemerkte, sagte rasch, entschieden vortretend: „Sieh da, Herr Sohr, welch’ eine prächtige Copie des François Navez haben Sie hier?“

Der Kunsthändler, durch die Worte des Assessors sichtlich verlegen gemacht, entgegnete zögernd: „Halten Sie diese Copie wirklich für gelungen?“

„Nun wohl!“ lachte Nordheim sarkastisch, „ein Meisterwerk erster Classe ist sie nicht, man sieht derselben vielmehr einzelne kleine Fehler an, die eine Anfängerin als Verfertigerin vermuthen lassen; aber das ganze Gemälde bekundet auch zugleich ein so entschieden festes jugendliches Talent, daß ich mich wundere, daß Sie dem Bilde nicht bereits einen Platz in Ihrem Saale gegeben haben. Hier, dächte ich, wäre der Ort, jugendliche Talente zu ermuntern.“

Und ehe der Kunsthändler noch Einzelnes zu entgegnen vermochte, fuhr er fort, nicht ohne einen Anflug von Bitterkeit, indem sein Auge die Gestalt des jungen Mädchens gestreift, das mit gesenkem Blick erröthend stand und doch zugleich in fieberhafter Erregung seiner ferneren Worte zu lauschen und zu harren schien: „Ich weiß, was Sie sagen wollen: Copie! Maler unbekannt! Als ob, wie gesagt, nicht eben diese Ausstellung dazu angethan wäre, junge, strebsame Talente in die Oeffentlichkeit einzuführen. Oder sind Sie vielleicht auch der Ansicht, nur die Noth, die Hemmniß, die Zurücksetzung erzeuge den Künstler? Anerkennung, lieber Sohr, ist das Brod des Geistes. Sehen Sie hier, wie schön, wie treu, wie wahr betet die Mutter zur Madonna, vor deren Standbild sie ihr todtkrankes Kind niedergelegt hat, während sie selbst sich auf die blühend schöne, erwachsene Tochter zur Seite stützt! Hier, namentlich in der Tochter, ist mehr als bloße Copie. Erlauben Sie mir das Bild dort drüben aufhängen zu dürfen, wo noch bis vor Kurzem die schlechte Landschaft eines sonst nicht unberühmten Mannes hing.“

Mit diesen Worten ergriff Nordheim das Bild und trug es selbst nach der bezeichneten Stelle hin, während daß die junge Dame mit leuchtendem, verklärtem Blick seiner Rede gelauscht hatte. Der Kunsthändler jedoch, wie es schien wenig erbaut von den Worten des Assessors, aber als bekannten Kritiker ihn fürchtend, wandte sich zu der Künstlerin und sagte, rasch zur Nebentür hinausschreitend: „Bitte, folgen Sie mir, Fräulein! Wir werden unser Geschäft hier ruhiger abmachen konnen.“

Und ehe Nordheim, das Bild aufhängend, noch einen Blick rückwärts wenden konnte, waren Beide aus dem Saal verschwunden. In diesem Augenblicke trat auch Alexandrine zu ihm, der mehrere der Anwesenden folgten, so daß er das Verschwundensein des Kunsthändlers mit der jungen Dame nicht sogleich bemerkte. Ohne Auskunft über die Künstlerin erhalten zu haben, mußte er die Ausstellung verlassen. Nordheim that’s in sichtbarer Verstimmung und Zerstreutheit, die beide erst wichen, als er hie und da einen brennenden Weihnachtsbaum erblickte und, durch die erleuchteten Scheiben die Lust und Freude der Kinder schauend, selbst der Jugend gedenkend, froh und heiter wurde.

Alexandrine jedoch war stiller und ernster geworden; sie wußte selber nicht woher es kam, aber es wollte ihr bedünken, als habe eine unzeitige Hand den schönen bunten Schmetterlingsstaub von den Flügeln ihrer Freude, ihres Glücks gestreift. Mechanisch trat sie am Arm ihres Begleiters zur Mutter ein. Und als sie hier auf dem Tisch, von der sorgenden Hand der Mutter, ihre Weihnachtsgaben vorfand und unter diesen auch ein prächtiges Murillo-Album, von der Hand Nordheim’s dargebracht, war es ihr, als müsse sie, statt aufzujauchzen vor tiefer innerer Freude, gemischt mit namenlosem Schmerze, weinen und immer wieder weinen. Mit Mühe nur vermochte sie ein Wort des Dankes zu sagen und ihre Thränen zu verbergen. Was hatte sie nur so trüb gemacht?



Die Tage darauf war es rauh und kalt.

Die kleine Marie hatte in das mit Eisblumen überzogene Fenster sich ein Gucklöchelchen gehaucht, durch das sie glückselig zufrieden nach der Straße schaute. Sie lachte hell auf ob ihrer Kunst und Wagniß, während sie zugleich ihr Blauauge an die gehauchte Oeffnung brachte. Jeden Vorübergehenden rapportirte sie treulich der Mutter, die still gedrückt nicht fern vom Ofen saß. Erst ging ein Knabe vorbei, Nachbars Fritz, dann kam sein Pudel; auch die Köchin des gegenüberstehenden Hauses trat heraus und holte Wasser. Alles Gegenstände von Wichtigkeit.

Jetzt aber lugte sie wieder heraus, und es war, als ob sie mit ihrem kleinen Guckauge die Scheibe durchbrechen wollte, so legte sie es an die Oeffnung, die sie vorher noch rasch sich klar gehaucht; dann aber war sie auch mit einem Satz vom Stuhl herab und lief zur Thür hinaus, ehe noch die Mutter sie halten und erinnern konnte, indem sie laut jubelnd schrie: „Der Puppenmann kommt! Der Puppenmann kommt!“

Und sie hatte sich nicht geirrt. Nordheim ging vorüber. Er hatte wohl nicht daran gedacht, daß hier sein kleiner Schützling wohne, wenigstens fuhr er, wie aus tiefen Gedanken geweckt, auf, als die kleine Marie plötzlich an seiner Seite war und ihm jubelnd die Hände entgegenstreckte. Er hob sie auf, küßte sie auf den Mund und wollte seinen Fuß dann weiter setzen. Doch in diesem Augenblick trat auch die Mutter aus der Thür und bat ihn mit gewinnendem Anstande, näher zu treten.

„Sie haben,“ sprach sie, „meinem keinen Quälgeiste eine so innige Freude bereitet, daß Sie es der Mutter nicht verargen werden, wenn sie sich darnach sehnt, dem Geber des Geschenks auch ihren Dank abzustatten. Darf ich bitten?“

Nordheim, wenn er nicht als unhöflich erscheinen wollte, mußte der Einladung folgen; und was ein Blick auf die Frau ihm gezeigt, fand er im Innern der Wohnung bestätiget: die Dame gehörte den gebildeteren Ständen an und war, wie es schien, nur durch Unglücksfälle in eine Lage gekommen, die ihrer früheren entgegengesetzt war.

Wie sah es so traut, so heimisch, trotz aller Aermlichkeit in dem Stübchen aus! Die kleine Marie hatte ihm ihre Puppe und Spielsachen gebracht, und wurde nicht müde zu plappern und zu plaudern. Die Mutter aber, die einen Augenblick ernst und sinnend geworden war, gleichsam als kämpfe sie mit sich selbst, sagte endlich, wie zu einem Entschluß gekommen: „Ich freue mich, daß mir Gelegenheit wird Ihnen danken zu können; nicht so wohl für das, was Sie meinem Kinde gethan haben, sondern für das, was Sie verhindert haben.“ Und als sie sah, wie Nordheim bei diesen Worten aufschaute und sie einen Augenblick wie prüfend ansah, sprach sie: „Mein Kind, das seit wenigen Wochen erst nach der Schule ging, kam glückselig mit der Nachricht nach Hause, daß der [324] Lehrer und eine Dame, die nach der Schule gekommen sei, sie bestimmt habe, an jenem Abende auch zu erscheinen. Das Kind in seiner Unschuld hatte gemeint, es käme ihr diese Auszeichnung für ihren Fleiß zu, denn der Lehrer hatte sie einige Mal gelobt; und wir, die wir keine Ahnung von der eigentlichen Sachlage hatten, glaubten, es solle dem Kinde vielleicht ein gedrucktes Weihnachtssprüchlein gegeben werden, wie dies in einzelnen Schulen Sitte ist. Wie konnte ich ahnen, daß man mein Kind in Folge seines dünnen Röckchens oder wegen seines bleichen Gesichtchens herabzuwürdigen gedachte – ihr – – O, lassen Sie es mich nicht weiter aussprechen. Annette von Droste spricht in einem ihrer Gedichte von dem Mißgeschick, das der guten Freunde übergroßer Eifer zumeist anrichte. Hier könnte man von Aehnlichem reden, von den Wunden, die solch zur Schau gestelltes Wohlthun schlage, wenn man nicht eben wüßte, daß das Ganze zumeist nicht der Armen wegen gethan wird, sondern der Leute wegen, die sie ob ihres Wohlthuns preisen sollen! O über die Menschen, die nie fühlen und empfinden wollen, daß keine Gabe den Armen tiefer kränkt, als solche öffentlich zur Schau gestellte. Diese Bälle, diese Vergnügungen zum Besten der Armen, was sind sie Anderes, als schneidende Messer, die den Bettler in das Fleisch schneiden und Bitterkeit in seine Wunde träufeln, denn die Ballmusik erklingt ihm in seinem Schmerz und seiner Einsamkeit wie bitterer Spott und Hohn. Glauben Sie mir, diese prunkende Wohlthätigkeit ist ein Krebsschaden unserer Zeit!“

Mit einiger Bitterkeit fuhr sie fort: „Sie sehen mich an und meinen, woher diese Weisheit mir komme; aber wer, wie ich, ehedem selber vermögend war – und nun arm und gedrückt dasteht, der empfindet Manches tiefer, als er es vielleicht aussprechen sollte.“

„O, sagen Sie nicht: arm geworden,“ fiel Nordheim, der aufgestanden war, mit Wärme ein. „Ich will mich nicht in Ihre Verhältnisse drängen, der Zufall hat mich Ihnen näher gebracht; aber unmöglich können Sie von Armuth und Entbehrung sprechen, beim Anblick Ihres Kindes!“

Die Mutter lächelte schmerzlich und nahm ihren kleinen Liebling auf den Arm. „Sagen Sie Kinder!“ sprach sie ernst. „Ich habe zwei Töchter! – aber liegt nicht eben im Anblick der Kinder für mich der tiefste Schmerz? – Mein Gatte wurde in Folge seiner Betheiligung am Aufstand in Baden zu einer Zuchthausstrafe verurtheilt. Er entzog sich derselben durch die Flucht. Ich folgte ihm. Wir lebten als Verbannte in der Schweiz. Sagt das nicht genug? Mein Gatte, als früherer Fabrikbesitzer, der redlich nach Kräften für seine Arbeiter gesorgt hatte, der ihnen ein milder Herr, ein Freund, ein Helfer in der Noth gewesen war, glaubte, es würde ihm auch in der Fremde glücken. Es sollte nicht sein! Ein schleichendes Fieber erfaßte ihn; er blieb jahrelang krank. Wir würden gedarbt, gehungert haben, hätte meine älteste Tochter, meine Elise, nicht ihr Talent, das sie in der Jugend zum Vergnügen, zur Freude spielend geübt, verwertet. Sie war es, die das Brod im Exil uns schaffte, die es auch gegenwärtig hier gethan. Mein Mann starb, fern der Heimat, ich kehrte zurück um den letzten Rest meines Vermögens zu retten. Es gelang mir nicht. Ein falscher Freund, ein pflichtwidriger Kaufmann, betrog mich um das Letzte. Arm, gemieden von frühern Bekannten, zog ich hierher. Sie wissen, daß man in einer großen Stadt am leichtesten einsam und unbemerkt nach seiner Decke sich strecken kann. Ueberdies lag die einzige Hoffnung vor, daß Elise hier sich weiter ausbilden – und ihr Talent zur Anerkennung gelangen werde. – Aber auch hierin sollten wir bittere Erfahrungen machen. Auch dem Künstler muß ein Glücksstern leuchten, wenn er sich über die Menge hervor arbeiten soll. Auch hier ist die Armuth eine Fessel, die die schönsten Blüthen knickt. Doch ich bin wohl ungerecht und undankbar! war Marie doch so glücklich – sie ist im Exil geboren – und Elise – –“

Nordheim, der bis hierher die Redende durch keine störende, unzeitige Frage unterbrochen hatte, der den Schmerz ehrte, der aus und in den Worten sichtbar wurde, konnte sich nicht länger halten, eine bisher in seiner Brust schlummernde Ahnung schien in ihm nun zur Gewißheit geworden, freudig rief er. „Ihre Tochter ist Malerin. Ich habe vielleicht ihr Bild – –“

Er konnte nicht weiter sprechen. Die Thüre ging auf, und herein trat jenes junge Mädchen, das er im Saal des Kunsthändlers gesehen – und dessen Erscheinen einen so nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht hatte, und dessen Bild so bedeutende Spuren wirklichen Talents verrieth.

Die Mutter, in sichtbarer Freude und mit mütterlichem Stolz die Eintretende bemerkend, rief, sie vorstellend. „Meine Tochter Elise!“ während sie zugleich, zu Letzterer sich wendend, lächelnd sprach: „Unsere Marie hat den Herrn zu uns geführt. Es ist –“

Aber sie sprach nicht aus, was sie sagen wollte, denn die Tochter hatte bereits dem jungen Mann freundlich, unbefangen die Hand gereicht. „Von ganzem Herzen willkommen!“ rief sie freudig. „Ich sehe, Sie haben nicht meine Schwester allein zu Ihrem Schützling erkoren; auch ich bin Ihnen bereits zu Dank verpflichtet.“ Und sich zur Mutter wendend, sprach sie: „Herr Nordheim war es, der sich meiner bei Herrn Sohr annahm. Ihm verdanken wir es, daß mein Bild gekauft wurde!“ Und sich wieder zu dem Assessor wendend, rief sie, seinen Worten, die er entgegnen wollte, zuvorkommend. „Ich weiß, was Sie freundlich sagen wollen. Aber es war nicht das Geld, welches ich für meine Copie erhielt, was mich erfreute, obschon es trostlos gewesen wäre, wenn ich nichts erhalten hätte; Ihr Kommen befreite mich aus drückender Lage. Und dafür sei Ihnen herzlich gedankt. – Es ist trostlos, wenn man wegen eines Werks, das man mit Lust und Liebe geschaffen, feilschen und markten muß!“

Nordheim, der die Schönheit des jungen Mädchens erst jetzt zu bemerken Gelegenheit hatte, der aber zugleich auch den Schmerz gewahrte, der in den Worten lag, suchte dem Gespräch eine andere Wendung zu geben. Er ging rasch auf einige andere Kunstgegenstände über, betrachtete ihre angefangenen und ausgeführten Skizzen und Studien und brachte es auf diese Weise dahin, daß Elise ihres Schmerzes vergaß und ihre Ansichten, Ideen und Hoffnungen offen darlegte. Wie gediegen, klar durchgebildet fand er das junge Mädchen auch hier! – Der Augenblick, den er zu bleiben gedachte, dehnte sich auf diese Weise unbewußt zu einer Stunde aus. Die kleine Marie, die im Anfange an seinem Knie gelehnt gestanden und ihn mit ihren großen Augen angesehen hatte, war endlich zu ihren Spielsachen gegangen und hatte dort, unbekümmert um die Anwesenheit eines Fremden, eifrig, harmlos fort gespielt. Jetzt kam sie, und zu dem Assessor hinantretend, sagte sie, ihm ihr Weihnachtsgeschenk hinhaltend: „Es ist schon spät, meine Puppe will Dir Gute Nacht sagen; sie ist müde.“

Nordheim erröthete bei diesen kindlichen Worten unwillkürlich, sie mahnten ihn daran, daß es Zeit sei, sich zu verabschieden. Hastig stand er daher auf und sagte lächelnd, dem Kinde die dargereichte und angenommene Puppe wiedergebend: „Leg’ sie nur zur Ruh’!“ Und sich zu der Mutter und Elisen wendend, sagte er entschuldigend: „Verzeihen Sie mein ungebührlich langes Bleiben!“

Mit diesen Worten wandte er sich zur Thür, doch hier angekommen, wendete er sich nochmals. „Werden Sie mich für zudringlich erachten,“ sagte er, „wenn ich Sie bitte, mir den Namen des Banquier zu nennen, durch den Sie Ihr Geld verloren? Vielleicht gestatten Sie mir auch eine Einsicht in die betreffenden Papiere. Ich bin Jurist.“

Die Angeredete lächelte schmerzlich. „Sie wollen eine leise Hoffnung in meiner Brust aufkommen lassen!“ sagte sie. „Ich hoffe nichts! Banquier Wallbot hat fallirt – und Hamburg verlassen!“

„Wallbot! Wallbot!“ rief der Assessor hoch aufhorchend. „Und er hat früher in Hamburg gewohnt? – O bitte, zeigen Sie mir die Documente. Wallbot macht gegenwärtig hier eins der anständigsten, besten Häuser.“

Hastig ergriff er die ihm zitternd dargereichten Papiere, und dieselben ernst, rasch, aber umsichtig prüfend, gab er sie endlich zurück. „Lassen Sie uns hoffen!“ sagte er, der Mutter die Hand zum Abschiede reichend. „Vielleicht gelingt es mir. Ihnen schon nach einigen Tagen Gutes mittheilen zu können. Ich glaube mich nicht zu irren, Wallbot ist kein schlechter Charakter!“ Mit diesen Worten empfahl er sich und ließ Mutter und Tochter in nicht geringer Aufregung zurück.

[337] Nordheim durcheilte in Hast die Straßen der Stadt nach seiner Wohnung zurück, um seine Recension in Bezug der Copie von Elisens Hand zu sichten und im Einzelnen umzuändern. Er hatte nicht seine Ansichten, nachdem er die persönliche Bekanntschaft der Künstlerin gemacht, geändert, dieselben waren vielmehr noch fester in ihm geworden, als dies vordem der Fall; während aber vor Stunden mehr herablassendes Wohlwollen, mehr Güte und Nachsicht die Feder geführt, hatte jetzt die fester gewordene Ueberzeugung von dem wirklichen Vorhandensein künstlerischen Talents die Worte durchwärmt, die Kritik durchsichtet und geläutert.

Nachdem dies geschehen, wurden die Blätter zur Redaction befördert, um Tages darauf durch die Zeitung in alle Welt zu fliegen. Es ist ein eigenes Gefühl, sein Geschriebenes nach wenigen Stunden bereits gedruckt, von Tausenden gelesen zu wissen. Und wenn dies Gefühl bei dem Schriftsteller von Profession sich mit der Zeit auch mehr und mehr abstumpft, so taucht es dennoch immer wieder bei einzelnen Gelegenheiten mehr denn je hervor. Auch Nordheim empfand, nach schlafloser Nacht, dies Gefühl nach langer Zeit wieder einmal in verstärktem Maße. Elisens Erscheinen, die Art und Weise ihres Handelns und Redens, hatte einen eigenthümlichen Eindruck auf ihn gemacht. Er mußte unausgesetzt an sie denken, während doch auch zugleich das Bild Alexandrinens sich, wie verletzt fühlend, immer wieder zwischen die Gedanken drängte. Elise war schöner, voller, Alexandrine lieblicher. Erstere braun gescheitelt, die Andere blond gelockt; Jene schmerzbewußt, nicht ohne Bitterkeit, aber stolz, lieber darbend, als sich beugend, wenn auch echter Weiblichkeit nicht entbehrend; Diese kindlich, vertrauend, sich anschmiegend, unbewußt, ohne Ahnung, daß es anders sein könne. Elise trug ihr Gefühl tief verschleiert in der Brust, Alexandrine ließ es, gleich einem Schmetterling, im Sonnenlichte des Tages um Rosen gaukeln.

Es war Tag geworden, die Stunden des Vormittags waren bald vorüber. Es wurde ihm zu eng im Zimmer. Die Gedanken kamen und gingen in ihm auf und nieder. Es hielt ihn nicht länger, er mußte zu Alexandrinen; er mußte sehen, was sie thu’ und treibe, ob sie wirklich so lieblich sei, wie er sie, im Vergleich zu Elisen, in seinen Träumen und Vorstellungen gefunden.

Und er kam. – Aber wie doch wieder so ganz anders fand er sie, als er sie sich gedacht! Hatte denn aus der Rosenknospe, die an seiner Seite gleichsam täglich mehr und mehr erblüht war, sich wirklich seit gestern ein wunderliebliches Mädchen entwickelt? Oder waren seine Augen nur bisher gehalten gewesen? – Es war Alexandrine – und doch wieder eine Andere! –

Sie saß nicht fern des Fensters und las. Es war die Zeitung, welche sie vor sich hatte. Aber wie blickte sie so wehmüthig ernst, so schmerzlich fremd, fast fragend auf, als er eintrat! Er kam so froh, so freudig erregt und fühlte sich beglückt, als er sie lesend fand, in dem Gedanken, daß sie wohl seine Kritiken lese, sich also mit ihm beschäftige – und nun, nun fand er sie scheu, zurückhaltend, wie er sie noch nie gesehen, wie er sie noch nie gefunden. Es war etwas Fremdes zwischen sie getreten, von dessen Dasein er bisher noch keine Ahnung gehabt hatte.

Die Mutter war nicht zugegen, sie war ausgegangen, und dennoch wollte kein heiterer Fluß in die Rede kommen; Alexandrinens Antworten blieben einsylbig, gedrückt, Nordheim fühlte es, und sich keiner Schuld bewußt und doch von dem Drückenden des Augenblicks gepreßt, ergriff er endlich ihre Hand, und ihr in das Auge sehend, rief er: „Alexandrine? was ist’s! was haben Sie nur?“

Sie sah ihn fragend an und drängte mühsam mit Gewalt die Thränen zurück. „O nichts!“ sagte sie scheinbar gelassen, „mir ist nichts! – Ich bin ja ruhig!“ Aber mit diesen Worten war es auch, als ob der Thränenstrom den Damm durchbrochen habe, als sei es nicht möglich, sich länger zu halten: sie weinte laut!

Nordheim war erschüttert; er legte seinen Arm sanft um ihren Leib, er zog sie unwillkürlich näher zu sich heran; er beugte mit der andern Hand ihr Gesicht zu sich herüber und sagte, ihr sanft die Wangen streichelnd, wie man einem lieben, weinenden Kinde zu thun pflegt: „Alexandrine, Sie schienen so ruhig, als ich kam, Sie lasen – und nun?“

Sie glühte auf, sie wollte nicht mehr weinen und wollte sich erheben. „Ich bin ein Kind!“ sagte sie, „was geht es mich an! Ich weine auch nicht.“ Dabei aber rannen die Thränen auf’s Neue, und sie mußte sich setzen und ihr Angesicht in beide Hände bergen.

Nordheim hob die Hände sanft von ihren Augen. „Was geht Sie nichts an, Alexandrine?“ frug er. Und dabei lächelte er schalkhaft, schelmisch, denn in seiner Brust hatte das Geheimniß ihrer Schmerzen zu keimen begonnen. „Hat meine unschuldige Recension Sie gekränkt?“ fragte er. „Schmerzt es Sie, wenn ich ein anderes junges Mädchen lobe, das der Stütze, der Hülfe, der Anerkennung bedarf?“ Und ohne eine Gegenrede abzuwarten, legte er ihr Köpfchen sanft auf seine Schulter, sah ihr leuchtend in das Auge, indem er sie fest umfing – und rief und sagte nichts, als nur den Namen „Alexandrine!“ Es mußte in dem Tone, mit dem der Name gesprochen wurde, wohl ein eigener mächtiger Wohllaut, ein Zauber liegen, wie sie es noch nie empfunden, gefühlt oder gehört hatte; sie konnte nicht anders, sie mußte glückselig, aufglühend [338] das Augen heben, mußte die Arme ausbreiten, ihn umfangen, sie konnte nicht anders – und ihre Lippen ihm zum ersten Kusse bieten.

Wie heilig still, wie schön war es im Zimmer! Zwei Herzen hatten sich gefunden.

Jetzt begann Alexandrine von selbst nach der Malerin zu fragen; und Nordheim erzählte seine Begegnisse, seine Erlebnisse mit derselben und deren Mutter. Er sprach von dem Unglück der Familie so beredt, so überzeugend, daß Alexandrine den Wunsch nicht unterdrücken konnte, die Familie zu besuchen, Elisen kennen zu lernen. Sie kam mit diesem Ausspruche dem Wunsche Nordheim’s entgegen.

Bald darauf kehrte die Mutter von ihrem Ausgange zurück. Nordheim empfahl sich. Er that es wie sonst, wie immer, freundlich zuvorkommend. Er hatte der Mutter Alexandrinens nichts gesagt, auch die Tochter hatte geschwiegen. Die Liebenden hatten es unter sich abgemacht, ihr Geheimniß noch einige Zeit für sich zu behalten.

Sie waren der Billigung ihrer Liebe von Seiten der Mutter gewiß – und dennoch schwiegen sie! Wer kennt nicht die heilige, süße Scheu der Liebe? Nordheim eilte zur Ausstellung. Es war ihm jetzt Bedürfniß, das Bild Elisens noch einmal zu betrachten. Er fand den Saal gedrängt voll.

Der Kunsthändler bemerkte sein Eintreten, und ihm freundlich entgegenkommend und ihm die Hand zum Gruße reichend, sagte er: „Besten Dank! das Bild ist verkauft – Banquier Wallbot –“

Mehr sagte er nicht, denn der Genannte trat soeben selbst heran, und den Assessor erkennend, rief er lachend, mit dem Finger drohend:

„Nun, Sie Sünder und Verführer des Volks! Ist’s auch recht, Jemandem das Geld so aus der Tasche zu locken? He! Was sollte anders die Recension? Hab’s gekauft, damit ein aufkeimendes Talent ermuntert werde. So hieß es ja wohl in Ihrer Beurtheilung? Aber kommen Sie nur und trinken ein Glas Wein mit mir. Können für das Bild mir daheim den besten Platz aussuchen.“

Wallbot sprach Alles in Hast, kurz abgebrochen; und Nordheim, der wohl fühlte, daß mit diesem kurzen Abbrechen der Sätze mehr Gefühl unterdrückt, als zu Tage gefördert werden sollte, und dem selbst daran lag, mit dem Banquier in nähere Berührung zu kommen, ging natürlich sofort auf seine Einladung ein. Gemeinsam verließen sie die Ausstellung.

Wallbot fand auch in seinem Hause im Anfange die gewünschte notwendige Ruhe nicht. Unruhig rückte er auf seinem Sessel, seinem Gaste gegenüber, umher. Endlich sagte er, einen neuen Blick auf das Bild werfend, welches der Diener gebracht und ihm gegenüber hatte aufstellen müssen: „Was ist es nur, das mich beim Anblick des Gemäldes so tief ergreift? Ihre Worte allein können dies nicht gemacht haben. Sie haben warm, anerkennend gesprochen, aber dies macht es nicht. Das Bild ist mehr als Copie. Aber aus dem Gesicht der Tochter, zur Seite der Mutter, heimelt es mich an, als hätte ich dies Gesicht einmal schon früher gesehen.“

Der Assessor hatte bis jetzt geschwiegen; nun sagte er: „Giebt der Name der Künstlerin Ihnen vielleicht einen Anhaltpunkt?“

Wallbot blickte bei diesen Worten verwundert auf, und die Augen seines Gastes auf sich ruhen sehend, rief er, sich mit der Hand über die Stirn fahrend und wie aus ernstem Sinnen erwachend: „Der Name: Elise Sandow! – Sandow! Hat die Künstlerin sich vielleicht auf dem Bilde in der Tochter selbst gezeichnet? – Sie müssen’s wissen! Und Sandow! Sandow heißt sie?“

Der Banquier schien wieder in sein nachdenkendes Sinnen verfallen zu wollen, doch Nordheim, der den Zeitpunkt gekommen meinte, wo er für die Genannte handeln und eingreifen müsse, sagte ruhig, bestimmt: „Sie mögen im Einzelnen Recht haben! Aber nicht die Tochter, die Künstlerin selbst, hat zu jenem Bilde gesessen; ich denke mir. so muß die Mutter vor Jahren ausgesehen haben. Vielleicht wurde sie als junges Mädchen gezeichnet, und die Tochter hat jetzt diese Zeichnung zu ihrem Bilde benutzt. – Aber hatten Sie nicht einen Bekannten, einen Freund, der Sandow hieß? – Es ist mir, als hörte ich einmal davon!“

Der Banquier schnellte bei dieser Frage auf, schlug sich, wie sich selbst anklagend, mit der Hand vor die Stirn und rief, den Assessor zugleich beim Arme erfassend: „Herr, Sie wissen mehr, als Sie mir sagen wollen. Sie haben Recht! Wo war ich nur mit meinen Gedanken? Daher also die mir unerklärliche Zuneigung zu dem Bilde! – Ich hatte einen Freund, der Sandow hieß, Geschäftsfreund – war Fabrikant. Wir traten in Verbindung. Sie wissen, Banquiers und Fabrikherren müssen zusammenhalten. Er war ein ehrenwerther Mann, liebte seine Arbeiter und that mehr für sie, als sich mit seiner Casse vertrug. Das Sturmjahr 48 brachte sein Geschäft in’s Stocken, ihn bei seinen Ansichten und Ideen in Conflict mit der Meinung Höherer. – Ging mit nach Baden, war dumm! – Und das Uebrige wissen Sie!“

„Ja, ich weiß!“ sagte Nordheim ernst. Entschiedener setzte er hinzu: „Aber wollen Sie mir nicht dennoch das Weitere mittheilen?“

Wallbot lachte, nicht ohne Bitterkeit. Er stand auf und durchschritt einige Male unruhig das .Zimmer. Plötzlich jedoch blieb er stehen. „An Ihnen ist ein Pfaffe verdorben,“ sagte er sich wieder niederlassend; „sitz’ ich zur Beichte? Herr, ich wollte fast wünschen, das Bild nicht gekauft zu haben! Aber warum schreiben Sie auch solche Recensionen?“ setzte er nach einigem Schweigen, gezwungen lachend, hinzu. „Und nun kommen Sie noch und regen Gedanken auf –“

„Die doch gekommen wären!“ fiel Nordheim gelassen ein. „Hätten meine Worte und das Bild diese nicht schon hervorgerufen, würde mein Besuch, der ohne Ihre heutige Einladung Ihnen doch geworden wäre, sie geweckt haben. Warum sich einer Erinnerung entschlagen, die sich nicht abweisen läßt?“

Der Banquier blickte finster, fast erzürnt, grollend auf und sagte, seinen Verdruß unter wildem Humor verbergend: „Der Knabe Karl fängt an, mir fürchterlich zu werden! – Was wollen Sie?“

Nordheim that, als höre er die Frage nicht. „Sie sind mir noch die Fortsetzung Ihrer Erzählung schuldig,“ sagte er gelassen. „Mich dünkt, Sandow floh nach der Schweiz. Und seine Frau?“

„Folgte nach,“ entgegnete Wallbot grollend, wie im Innern noch verletzt. Plötzlich jedoch sprang er auf und rief, wie zu sich selber redend: „Hol’ Alles Dieser und Jener! Was hilft das Drehen und Wenden, es muß doch zu Tage!“ und sich zu dem Assessor wendend, lachte er: „Warum sind Sie nicht ein Pfaff geworden? Aber Sie thun Recht. mich an die Frau zu erinnern. Brave Frau! Muß sie achten. Frau von Werner, die Dame „comme il faut“, deren Mann Reichstagsabgeordneter war. Wusste sich besser zu betten. Die Sandow folgte ihrem Gatten treu in’s Exil und –“ Er vollendete den Satz nicht. Erregt, wüthend lief er umher und schrie: „Zum Teufel, Herr, warum kamen Sie nur, um mich an den schuftigsten Tag meines Lebens zu erinnern? Sandow starb arm in der Fremde. Das sagt Alles, er und seine Frau aßen das Brod der Verbannung! Sandow hatte mir vor seiner Flucht ein Capital übergeben, oder es lag vielmehr noch, von unserer Geschäftsverbindung her, in meiner Casse. Er ließ es dort. Und als sich im fremden Lande nichts Passendes für ihn fand, er vielmehr fürchten mußte, dies Wenige noch zu verlieren, ließ er es mir, bis – bis – ich selber in die Brüche kam und endlich fallirte. Warum ließ er auch sein Capital bei mir? Es waren schlechte Zeiten. Herr, glauben Sie mir, wenn man so jahrelang redlich geschafft und gewirkt hat und sich dann plötzlich um alle seine Mühe und Anstrengung betrogen sieht, wenn man, wo man noch vor Kurzem stolz durch die Straßen fuhr, nun demüthig zu Fuß, um Gnade bettelnd, von einem Gläubiger zum andern laufen muß – das Herz versteint, man wird hart, ja momentan schlecht. O Herr, man sollte Verbrecher nicht zu hart beurtheilen, der Augenblick kann den Besten fallen machen! Und solch ein Tag, solch eine Stunde war es, wo die Sandow kam, um das Capital zu heben. Ihr Mann war gestorben, sie war in die Heimath zurückgekehrt. Noch seh’ ich im Geiste die Frau vor mir, wie sie so ruhig, durch Schmerz geläutert, von dem Verstorbenen sprach. Nur die innigste Liebe redete aus ihren Worten, und wie bleich, wie marmorbleich wurde sie, als ich ihr sagte, daß ich bankerott, daß ihr Geld verloren sei! Ihre letzte Hoffnung war vernichtet. Arm, bettelarm ging sie von mir. Wohin? ich habe es nie erfahren. Herr, warum betrog ich damals nicht, warum gab ich der Unglücklichen, die so treu, so gewissenhaft, so menschlich rein an der Seite ihres Gatten ausgeharrt und geduldet hatte, und die keinen Fluch, kein böses Wort mir gesagt, daß ich ihr das Geld nicht gerettet, nicht das Capital vorweg, bis zum letzten Heller! Hätte es den übrigen reichen Gläubigern geschadet, wenn sie einige Procente weniger aus der Masse erhalten? Sie, die Arme, ging gänzlich leer aus, denn ihr Vermögen stand nur in meinem Privatbuche [339] verzeichnet, sie hatte keinen Theil an dem Ganzen! Herr, dies Gesagte hat oft und vielfach an meiner Brust genagt, warum nur konnte ich es nie vergessen? Wo mag die Frau nur sein?“

Der Banquier schwieg; er hatte den Kopf auf die Hand gestützt und starrte gedankenvoll vor sich nieder.

Nordheim überließ ihn einige Zeit seinem Sinnen. „Sie kamen später zu neuem Wohlstande,“ sagte er dann, „Sie siedelten hierher über, Ihr Name hat an der Börse einen guten Klang; wenn die Sandow jetzt käme, würden Sie derselben noch das kleine Capital vorenthalten?“

Wallbot reichte seinem Gaste die Hand. „Werden Sie Rechtsanwalt, Herr,“ sagte er lachend, „an Praxis kann es Ihnen nie fehlen! Wüßt’ ich nicht, daß die kleine Alexandrine Ihr Herz gefangen hält, ich würde meinen – – na, ich schweige schon, werden Sie nicht roth!“

Und auf’s Neue einen Blick nach dem Bilde werfend, rief er: „Die Elise war dazumal schon ein talentvolles Kind, und nun sehe ich es klar: es sind die Züge der Mutter, die ich dort erblicke. Wie konnte nur Herz und Auge so in mir gefangen gehalten sein! Aber kommen Sie, Herr, die Sandow ist hier. Nicht das Capital allein soll sie haben, auch – – Doch was rede ich, was sich von selbst versteht! Kommen Sie, Herr, sind Sie der Frau, der Tochter Fürsprecher gewesen, müssen Sie auch der meine sein. Lassen Sie uns gehen!“ Mit diesen Worten schritt er zur Thür. Nordheim folgte. –

Alexandrine aber saß während dieser Zeit ihr Köpfchen so recht schwer auf die Hand gestützt; sie wollte gern fröhlich sein und konnte es doch nicht. Das kleine Herz war ihr so übervoll, sie hätte aufjauchzen mögen vor innerer Freude, vor überseliger Lust und mußte doch zugleich sich zusammennehmen, daß nicht die Thränen ihr aus den Augen stürzten.

Die Mutter, die ab- und zugegangen war, sah ihr Töchterlein träumend sitzen. Es kam ihr seit Kurzem so ganz anders vor, so sinnend, so daß sie oftmals sich selber fragen mußte: ist dies meine Alexandrine oder nicht? Jetzt ging sie hin, legte ihren Arm um der Tochter Nacken und zog sie sanft, mütterlich zu sich hinan.

Alexandrine, wie aus tiefem Träumen aufblickend, sah das Auge der Mutter fragend auf sich ruhen. – Das Herz war ihr so übervoll, und in diesem Augenblicke es gleichsam wie ein Unrecht bereuend und empfindend, daß sie der Mutter ein Geheimniß noch vorenthalten habe, konnte sie sich nicht halten, sie mußte ihre Arme um die Mutter schlingen, mußte ihr Köpfchen an ihre Brust bergen und ihr unter aufjauchzender Freude mit feuchtverklärtem, weinendem Auge ihre Liebe gestehen.

War diese der Mutter ein Geheimniß gewesen? Gewiß nicht. Sie hatte der Tochter Sinnen und Träumen längst verstanden, sie hatte den Wohllaut bemerkt, der in der Stimme Nordheim’s lag, wenn er zu Alexandrinen sprach.

Freudig hielt sie die Tochter umschlungen. Aber diese preßte ihre Arme nur fester und immer fester um den Hals der Mutter und lachte und weinte wieder. Der Damm war gebrochen, das Herz strömte ihr über.

„Werde ich ihn glücklich machen?“ rief sie, „werde ich denn sein Herz ganz ausfüllen? Ich bin so nichtig, so unbedeutend, und er, er steht so fest, so gediegen, so hoch über mir! O Mutter, und dennoch liebe ich ihn so sehr! Ich hab’ es ja selber nie gewußt und geahnt, was Nordheim mir ist. Aber als ich der Malerin gedachte, als er mir so begeistert von ihrem Talente sprach, als ich seine Worte über sie las, da fühlte ich es, wie der Boden unter mir mehr und mehr versank, fühlte es, wie glücklich ihn ein so hochbegabtes, schönes Mädchen machen müsse, wie diese ebenbürtig an seiner Seite stehen würde, eine Gehülfin, eine Mitarbeiterin seines Strebens, fühlte, wie ich nichts, nichts dagegen einzusetzen hätte, als meine Liebe. Konnte ich da fröhlich sein und kann ich’s noch?“

Die Mutter lächelte und streichelte ihrem Liebling die Wange. „Tröste Dich!“ sagte sie freundlich. „Ist nicht die Liebe das Höchste, was ein Menschenherz einzusetzen hat? Kannst Du Schöneres, Besseres einem Manne darbringen, als ein Herz voll Liebe?“

Sie vermochte nichts mehr zu sagen. Es klopfte.

Frau von Werner trat ein, unangemeldet, rasch, entschieden, erregt, und darum nicht fühlend und bemerkend, daß sie vielleicht niemals mehr zur Unzeit gekommen, als eben jetzt. Aber, wie gesagt, sie sah und fühlte nichts. Sie dachte nur an sich selbst, wie sie dies stets während ihres ganzen Lebens zumeist gethan. Auch jetzt rief sie sogleich nach ihrem Eintreten: „Wie schön, wie gut, daß ich Sie treffe, meine liebe Frau Waldow! Sie müssen mir Ihre kleine Alexandrine schon für eine Stunde erlauben! Es ist eine wahrhaft lächerliche Geschichte, aber das hat man davon, wenn man sich mit den Armen in Berührung bringt. Ich würde mich ärgern, wenn’s nicht eben zu toll, zu absurd wäre. Nein, denken Sie sich, meine liebe keine Alexandrine, Sie entsinnen sich noch der fatalen Geschichte bei der Weihnachtsbescheerung. Nichts für ungut. Aber Herr Nordheim hat durch sein unzeitiges Eingreifen mir einen recht fatalen Streich gespielt! Freilich, er konnte vorher nicht wissen, daß es so kommen würde. Aber denken Sie sich meinen Aerger, meinen Verdruß, die Stadt ist voll davon, man hat Alles erkundet, erforscht, die Fama hat es vergrößert, in’s Unendliche ausgesponnen. Die Schwester jenes Kindes ist Malerin. Ihr neuestes Bild hängt bei Sohr. Nordheim hat’s gelobt; er hat die Malerin dort getroffen, und alle Welt läuft hin, es zu sehen, um sich dabei die dumme, lächerliche Geschichte mit der Schwester zu erzählen! Die Malerin ist en vogue – ich blamirt. Aber die Sache muß ein Ende nehmen! Bitte, Alexandrine, nehmen Sie Hut und Mantel und lassen Sie uns zu der Malerin gehen. Ich muß diese Geschichte todt machen, ich darf nicht zögern. Rasches Handeln ist richtiges Handeln!“

Alexandrine glühte auf, und die Mutter wie um Beistand und Hülfe anflehend, rief sie: „Ich, ich soll mit? Ich weiß nicht – –“

„Wo die Person wohnt, werden Sie doch nicht sagen wollen?“ fiel Frau von Werner ein. „Sie und Nordheim sind Eins! Oder wie, hätte er vielleicht für gut befunden, nichts zu sagen?“ Mit diesen Worten suchte sie das eingeschüchterte junge Mädchen gleichsam bis auf das Herz auszuforschen, sie zugleich fragend anschauend.

Alexandrine wußte vor Schreck und Verlegenheit nicht zu antworten, doch die Mutter kam ihr zu Hülfe und sagte entschieden: „Allerdings wissen wir durch Herrn Nordheim, wo die Dame mit ihrer Mutter wohnt, und wir hatten bereits die Absicht ausgesprochen, dort einen Besuch zu machen, wenn auch nicht heute.“

Frau von Werner schien die letzteren Worte gar nicht beachtet oder gänzlich überhört zu haben. Unruhig ging sie im Zimmer auf und nieder. „Bitte, Kind,“ sagte sie endlich, „machen Sie sich fertig, ich muß hin! Unangenehmes muß man so rasch als möglich beseitigen. Ueberdies verlangt mich nach Gewißheit! Es wäre ridicül, wenn Alles einträfe! Bitte, was sehen Sie mich an, liebe Frau Waldow? Es hilft nun einmal nichts, Vergangenes zu vertuschen. Ich fürchte, die Sandow und ich sind alte Bekannte. Sie wissen, mein Mann tagte mit als Abgeordneter in Frankfurt. Er war Thor genug, mit dem Rumpfparlament nach Stuttgart zu gehen, und wurde in Folge dessen seines Adels für verlustig erklärt und zu einer entehrenden Strafe verurtheilt. Er entzog sich derselben durch die Flucht. Sollte ich es wie die Sandow machen, und mit in’s Exil laufen? Dummheit! Sollte ich dem Staate das Vermögen lassen und in der Fremde am Hungertuche nagen? Einfalt! Mein Sohn soll Carriere machen. Ich machte Gebrauch von dem, was das Gesetz gestattet, ich ließ mich scheiden und nenne mich wieder nach meinem Geburtsnamen, nach dem Namen meiner Ahnen: von Werner. Meinem Sohne, dem Lieutenant, wurde es gestattet, den Namen seiner Mutter zu führen. Für ihn ist und muß der Vater todt sein. Ich rettete meine Ehre und mein Vermögen. That ich unrecht?“

Alexandrine und ihre Mutter schwiegen; sie fühlten durch diese Worte sich eisig kalt berührt. Endlich sagte Letztere: „Und die Familie wäre Ihnen von früher her bekannt?“

Frau von Werner hielt in ihrem Gehen inne und sagte gedehnt: „Ich fürchte – ich war mit einer Sandow bekannt. Sie hatte damals nur eine Tochter; das Kind, die Marie, müßte in der Fremde geboren sein – so ein rechtes, echtes Elendskind! Aber kommen Sie, Alexandrine.“ rief sie wieder, ihre Rede kurz abbrechend, „es ist horribel, daß ich dem Kinde eine Armenjacke schenken mußte! Aber, mein Gott, warum folgte die Frau auch ihrem Manne! Kommen Sie, ich muß für die Frau Etwas thun, der Leute wegen!“

Alexandrine hörte das Letztere nicht mehr. Es drängte sie selbst, die Familie jetzt kennen zu lernen. Die Mutter lobte ihren Entschluß. „Recht, Kind, geh’,“ sagte sie leise. „Der Besuch wird, [340] denke ich, auch Deine Befürchtungen zerstreuen. Geh’ und suche die Worte Deiner Begleiterin zu mildern.“

Letzteres war nicht möglich. Der Anblick, der Empfang, der ihnen im Hause der Malerin zu Theil wurde, schlug jede gehegte Erwartung und Voraussetzung nieder. Elise stand vor ihrer Staffelei. Sie war mit ihren Gedanken, mit ihren Ideen bei ihrer Arbeit. Wie unwillig, ob der Störung, starrte sie die Eintretenden an. Wie kalt, wie majestätisch ernst blickte sie auf! Nur als Alexandrine mit ihrer kindlich, scheu mädchenhaften Freundlichkeit ihr nahe trat und sagte: „Herr Nordheim sprach von Ihnen; es drängte mich, Sie kennen zu lernen!“ glitt ein Hauch milder Freude über ihr Angesicht.

Als Alexandrinen bei Nennung des Namens eine feine liebliche Röthe unwillkürlich die Wangen überzog, ein leises Zittern in der Stimme sich bemerkbar machte, wurde ihr ernstes, dunkles Auge größer, und es war, als ob sie das Herz der Sprecherin bis auf den Grund erforschen wollte. Es war ein kurzer, aber peinlich-entscheidender Augenblick. Bei Beiden hatte der Name eine Fluth von Gedanken hervorgerufen; jede von ihnen schien erforschen und fragen zu wollen: was ist Dir der Genannte?

In diesem Augenblick trat die Mutter ein. Sie sah die Fremden, sie erkannte aber sofort die Aeltere und sagte, einen Schritt vortretend und Frau von Werner erstaunt ansehend: „Fanny!“ Es lag in diesem Worte unendlich viel.

Die Angeredete antwortete nicht; sie, die sonst nie um Worte verlegen war, die stets das Rechte, wenn auch schroff und entschieden, zu finden meinte, hatte verlegen, bleich den Blick gesenkt; sie, die kostbar, elegant Gekleidete, die stets Dominirende, stets Befehlende, stand vor der Kleinen, ärmlich Gekleideten, die in diesem Augenblick aber so hoch, so erhaben, so menschlich rein, voll weiblicher Würde und Größe, und doch mit gramdurchfurchten Zügen vor ihr stand, mit niedergeschlagenen Augen. Diese Minute zeigte, wer von Beiden im Leben das Rechte gethan.

Und wieder sprach die ärmlich Gekleidete, die Arme zur Reichen: „Fanny, müssen wir uns so wieder sehen? Denkst Du der Zeit, wo wir mitsammen Freude und Leid, als glückliche, nachbarlich zusammenwohnende Frauen, getheilt? Denke der Stunde, wo Du zum ersten Mal Dein Landgut betratest, das Dein Gatte Dir heimlich zum Geburtstagsangebinde gekauft hatte, und wo die transparenten, mit Blumen umkränzten Inschriften Dir entgegenleuchteten: „Willkommen, Fanny!“ Es ist anders geworden! Du stehst vor mir reich, vornehm, eine Andere, des Namens Deines Gatten Dich schämend. Er lebt im Exil. Der adlige Mann, der treue, liebende Gatte, der einst reiche Gutsbesitzer, fühlt sich glücklich, als unbedeutender Commis eines Handlungshauses sein Leben zu fristen, während Du – –! Laß mich schweigen! O Fanny! Du hast mich geschmäht, als ich treu, entschieden zu meinem Gatten hielt, unbekümmert um die Meinung der Welt, nur meinem Herzen, meiner Pflicht folgend. Wie hattest Du Deinen Gatten auf die Bahn des Fortschritts mit geleitet, als derselbe Aussicht auf Erfolg hatte – und wie nanntest Du es Thorheit, als er auch im Unglück seiner Ueberzeugung treu blieb! Ist dies Eure gerühmte Politik, Euer adliges Sein und Wesen?“

Die kleine Marie, die bislang scheu, verschüchtert an der Thür gestanden, während Alexandrine, keines Wortes mächtig, mit leuchtendem Blicke auf die Sprechende geschaut hatte, tief im Herzen den eigenen Muth wachsen fühlend, die Größe und Macht der Liebe erkennend, hatte sich herangeschlichen und die Mutter am Rock zupfend, während sie ihr Auge scheu, verschüchtert auf die Präsidentin gerichtet hielt, flüsterte sie laut, vernehmlich: „Mutter, das ist die Frau, die nach der Schule kam. Will sie uns doch in’s Armenhaus bringen?“

Frau Sandow zuckte bei diesen Worten heftig zusammen, ein unsagbarer Schmerz lagerte sich um ihren Mund, und rasch sich niederbeugend und ihren Liebling aufhebend, sagte sie bitter: „Fanny, spricht der Anblick dieses Kindes nicht mit Flammenschrift zu Dir? O Ihr reichen Leute, Ihr meint den Armen mit Eurem Gelde seine Schmerzen vergessen zu machen und wißt es nicht, wie tiefe Wunden Ihr damit schlagt. Gedenke, wenn Du wieder am Weihnachtsbaum stehst, daß auch der Arme ein Herz, eine Ehre hat, daß ein Wort der Liebe mehr Balsam enthält, als eine Jacke, mit der Du mein Kind für das Armenhaus einzukleiden gedachtest. Frau von Werner, unsere Wege trennen sich!“

Die Genannte, noch immer keines Wortes mächtig, trat einen Schritt näher; es war, als wolle auch sie das Kind erfassen, als wolle sie sprechen – doch die Thür ging auf, und Banquier Wallbot und der Assessor traten ein.

Alexandrine athmete freudig auf; alle Scheu überwindend, nur froh, daß sie einen Schutz, einen Beistand habe, eilte sie dem Geliebten entgegen und flüsterte, sich leise an ihn schmiegend: „Wie gut, daß Du kommst!“ Elise hatte dies Entgegenkommen bemerkt, sie hatte es gesehen, mit welcher Innigkeit, mit welcher zutraulichen Herzlichkeit Nordheim das junge Mädchen umfing, und in ihrer Brust zuckte es, als ob ein Messer durch ihre Seele ginge. Rasch fuhr sie sich mit der Hand über das Auge, als müsse sie einen schönen Traum, liebliche Bilder und Gedanken von hinnen scheuchen.

Wallbot aber hatte mit einem Blick das ganze Verhältniß der beiden Frauen, die sich in diesem Augenblick so kalt, so fragend gegenüberstanden, errathen. Er sah aber auch den unwilligen, ernsten Blick, mit dem er selbst von der Mutter der keinen Marie empfangen wurde, und rief, ihr seine Hand hinhaltend: „Schlagen Sie nur immer ein, meine liebe Frau Sandow. Herrn Nordheim habe ich bereits gebeichtet, und er wird gelegentlich meinen Fürsprecher machen. Ich komme als Mann, der ein begangenes Unrecht nach Kräften wieder gut machen will. Ihr Capital liegt für Sie bereit – und die Zinsen –“

Der starke, kräftige Mann, er konnte nicht weiter sprechen, er mußte sich mit der Hand über die Augen fahren, um seine Rührung zu verbergen. Er hatte das Aermliche der Wohnung erkannt – und fühlte, was die Frau bereits gelitten haben mußte. Rasch wendete er sich zu Elisen und sagte, gezwungen lachend: „Ihr nächstes Bild gehört mir, ich lege feierlich Beschlag darauf! Dem Assessor aber müssen wir den Kopf waschen, er allein hat mich verleitet, Ihren Navez von dem Sohr zu kaufen. Er ist der Urheber der ganzen Geschichte! – Ich würde sagen, Kind, fragen Sie ihn nicht allein bei Ihrer Kunst um Rath, sondern wenden Sie sich auch in allen andern Lebensverhältnissen an ihn; müßte ich nicht fürchten, daß seine kleine Nachbarin, die ihn so fest hält, als fürchte sie ihn zu verlieren, dagegen Einspruch thun würde. Die kleine Schelmin hat sein Herz gefangen!“

Alexandrine ließ den Arm ihres Begleiters rasch fahren und eilte hocherröthend zu Elisen. Sie umfing sie stürmisch und rief: „Wir wollen Freundinnen, herzinnige Freundinnen sein!“

Elise sagte nichts; sie umfing lautlos, still das junge Mädchen und drückte es fest an ihre hochklopfende Brust, indeß ihr Auge groß, sinnend, wie in eine endlose Leere hinstarrend, ausschaute.

Frau von Werner, die dem Ganzen mit wachsendem Interesse zugeschaut und längst ihre frühere Ruhe und Energie wieder erlangt hatte, wendete sich kalt, spöttisch lachend zur Thür und sagte hinausschreitend, wie zu sich selber sprechend: „Ridicül! Das hat man davon! Solche Leute wissen nichts von Ehre, Anstand; – Liebe – und immer Liebe! – Ridicül! – Der Wallbot ist ein Narr!“

Der Banquier sah sie gehen; er hörte seinen Namen und sagte, sich zu Nordheim wendend: „Kommen Sie, Frau von Werner hat das Weite gesucht. Lassen Sie uns ein Gleiches thun. Spätere Besuche werden Alles regeln!“ Und der Mutter und Elisen die Hand zum Abschiede reichend, sprach er. „Ade! Gott erhalte Sie. Auf Wiedersehen!“

Draußen aber sprach er zu Nordheim und seiner Begleiterin, der kleinen, still gewordenen, glücklichen Alexandrine: „Welch einen Schatz hat der Sandow an dieser Frau und seinen Kindern gehabt! Dagegen die Werner!“

Er sagte nichts weiter; Jeder dachte sich das Seinige. Drinnen im Zimmer aber ließ Marie ihre Puppe tanzen, fröhlich derselben erzählend, daß sie nun nicht in’s Armenhaus kämen. Die Mutter hatte wie betend die Hände gefaltet, und sich zu ihrer ältesten Tochter wendend, sprach sie: „Elise! es wird besser werden! Nun kannst Du froher, freudiger Deiner Kunst leben!“

Die Tochter umfaßte die Mutter, sie wollte nicht weinen und mußte es doch, leise, tiefgepreßt. Endlich sagte sie, mit Kraft sich aufrichtend und zu ihrer Arbeit gehend: „Es war ein Traum! – Ich habe ja noch Dich, Dich meine Kunst! – Ich will weiter schaffen!“