Durch fünf deutscher Herren Länder in – 88 Minuten

Textdaten
<<< >>>
Autor: H. Meißner
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Durch fünf deutscher Herren Länder in – 88 Minuten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 356
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[356] Durch fünf deutscher Herren Länder in – 88 Minuten. Da, wo die weiße Elster in das Flachland austritt, von dem am linken Ufer des Flusses sich weitenden Blachfelde aus, auf dem sich jenes blutige Drama abspielte, welches mit den Worten: „das ist die Hand, mit der ich meinem Könige Treue geschworen!“[1] seinen sühnenden Abschluß fand, von dort aus beginnen wir unsere Wanderung, um das Kunststück auszuführen, in einer Bahnfahrt von 88 Minuten Dauer die Grenzen von fünf deutschen Staaten zu überschreiten.

Bald befinden wir uns auf Bahnhof Crossen – Kreis Zeitz – Königreich Preußen – der königlich preußischen Staatsbahn.

„Einsteigen! Einsteigen! meine Herrschaften!“ mahnen die Schaffner. Die üblichen drei Glockenschläge – ein schriller, dünnstimmiger Pfiff der Signalpfeife des Zugführers – ein ungestümer, übellauniger Antwortruf der Locomotive – dahinstiebt der Train. Die Bahnhofsuhr zeigt 1,49 Uhr Mittags.

Ein Duft wie von Millionen köstlicher Rosen strömt von rechts drüben, aus einem umbuschten Idyll kommend, herein in das Coupé.

„Station Köstritz!“ tönt es draußen, Fürstenthum Reuß j. L., fügen wir in Gedanken hinzu. Die Coupéthür wird aufgerissen. „Steigt hier Jemand aus von den Herrschaften?“

Weiter geht es. Es ist 2,1 Uhr Nachmittags.

Zwischen langgedehnten Bergrücken in weiten Bogen hingebettet: Gera mit den Villen und zahlreichen Dampfschloten. Mit ehernem Schritte ist die Geschichte über diesen Theil des Thales der weißen Elster geschritten. Massenmord und Blutströme im Bruderkriege, der Dreißigjährige, der Siebenjährige Krieg, die kometengleiche Erscheinung des ersten Napoleon vor der Katastrophe von Jena u. a.

2,30 Uhr.

„Station Wolfsgefärth!“ – Großherzogthum Sachsen-Weimar. Die Fahrt geht weiter. Die Uhr zeigt 3,13. „Ein Kirchlein seh’ ich blauen auf steiler Bergeshöh’.“ Das altersgraue Kirchlein des Dorfes Veitsberg, die erste christliche Capelle Ostthüringens, eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges.

„Greiz!“ – Fürstenthum Reuß ä. L. – Ein prächtiges Stückchen deutscher Erde! Das politische Verhalten seines Regentenhauses viel gestreift vom Humor der Zeitgenossen, die Bewohner des Ländchens aber auf der vollen Höhe der Zeit stehend, auf dem Weltmarkte mit den Erzeugnissen ihrer Fabrikationsthätigkeit erfolgreich concurrirend.

4,3 Uhr.

„Station Elsterberg!“ – Königreich Sachsen. – 4,14 Uhr.

Ziehen wir das Facit. Den Ausgangspunkt unserer Fahrt – Bahnhof Crossen im Königreich Preußen – verließen wir 1,49 Uhr. Bringen wir von den inzwischen verflossenen 145 Minuten 57 Minuten fahrplangemäße Aufenthaltszeit auf den verschiedenen Stationen in Abzug, so haben wir das Ergebniß, daß wir in 88 Minuten Bahnfahrt fünf deutschen Ländern Besuch abgestattet und dabei eines der landschaftlich reizendsten Flußthäler Deutschlands kennen gelernt haben. H. Meißner.     

  1. Die Schlacht bei Mülsen am 15. October 1080, in welcher Kaiser Rudolf von Schwaben im Kampfe gegen Kaiser Heinrich den Vierten fiel und vor seinem Tode bei dem Anblicke seiner abgehauenen Hand jene Worte gesprochen haben soll. Vergl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1880, S. 861.