Die Ursachen der Krebspest

Textdaten
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Autor: Otto Zacharias
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Titel: Die Ursachen der Krebspest
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 355–356
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[355] Die Ursachen der Krebspest. In den letzten Jahren hat man in den verschiedensten Gegenden Deutschlands (Thüringen, Schlesien, Baiern) ein massenhaftes Erkranken und Hinsterben der Flußkrebse beobachtet, ohne daß es möglich war, sich eine bestimmte wissenschaftliche Ansicht über die Ursachen der verheerenden Seuche zu bilden. Daß die sogenannte „Krebspest“ den Infectionskrankheiten zugehören müsse, durfte allerdings schon nach der Art ihres Auftretens und ihrer Verbreitungsweise als unzweifelhaft gelten; über den die Krankheit bedingenden Parasiten gingen die Meinungen der einzelnen Forscher jedoch weit aus einander.

Da die zootomische Untersuchung der erkrankten (oder bereits gestorbenen) Exemplare sehr häufig ergab, daß die Kiemen derselben mit Krebsegeln (Branchiobdella) behaftet waren, so wurden letztere eine Zeit lang als die ausschließliche Ursache der Krebspest betrachtet. In dem gleichen Verdachte hatten andere Forscher die im Muskelfleische der Krebse frei und eingekapselt lebenden Saugwürmer (Distomeen), und es wurde bereits ernstlich von einer Egelkrankheit der Krebse (Distomatosis astacina) gesprochen.

Wenn nun auch keineswegs in Abrede gestellt werden soll, daß parasitische Saugwürmer, wo sie sich übermäßig vermehren, Gesundheit und Leben ihrer Wirthe gefährden können, so spricht die mikroskopische Untersuchung der Gewebstheile pestkranker Krebse doch keineswegs dafür, daß die Distomeen als die wahre und einzige Ursache der unter den Flußkrebsen wüthenden Seuche anzusehen sind. Es ist dies schon darum unwahrscheinlich, weil die Distomeen nur durch Vermittelung eines anderen Thieres übertragen werden können, während sich die Pestkrankheit von Krebs zu Krebs fortpflanzt.

Im Hinblick auf diese Erwägung ist es vom höchsten Interesse, das Ergebniß einer neueren Untersuchung kennen zu lernen, welche von dem Director des zootomischen Instituts in Leipzig, Herrn Geheimrath Prof. Dr. Leuckart, in Gemeinschaft mit Prof. A. Rauber vor Kurzem angestellt worden ist.

Leuckart, von dem eine englische Fachzeitschrift mit Recht sagt, daß er der hervorragendste Wurmforscher der Gegenwart (The prince of modern helminthologists) sei, sah sich auf Grund der ihm vorliegenden Thatsachen nicht veranlaßt, Saugwürmer (Distomeen) als das die Krebspest verursachende Moment zu betrachten. Leuckart gesteht mit gewohnter Ehrlichkeit zu,[1] daß er eine Zeit lang über die Natur der krebsvertilgenden Krankheit vollständig im Unklaren sich befand. In der Folge erhielt er jedoch eine Sendung pestkranker Krebse, die ihn die Ursache der räthselhaften Seuche mit aller wünschenswerthen Klarheit erkennen ließen.

Die betreffenden Krebse waren sämmtlich todt; an vielen Exemplaren waren die Scheeren und auch die Beine abgefallen. Die Muskulatur der abgefallenen Gliedmaßen sowohl wie die der Stümpfe erwies sich als im Zerfalle begriffen, und bei der mikroskopischen Untersuchung konnte man eine reichliche Pilzwucherung erkennen. Helle, hirschgeweihartig sich verästelnde Fäden, die eine Menge gelblich schimmernder Körnchen enthielten, [356] durchzogen in üppiger Entwickelung die gesammte Muskulatur und die übrigen Organe der verendeten Thiere. So verhielt es sich nicht blos bei einem oder bei nur wenigen Exemplaren, sondern bei allen Individuen der betreffenden Sendung. Der mörderische Pilz erwies sich auf den ersten Blick als ein zur Gruppe der Saprolegniaceen (Fadenpilze) gehöriger Schmarotzer.

Es blieb nun noch der Zweifel übrig, ob nicht vielleicht dieser Pilz sich erst nach dem Absterben der Krebse entwickelt habe. Hierüber verbreitete eine neue Sendung von noch lebenden (aber kranken) Krebsen das erforderliche Licht, insofern sich bei der Untersuchung die Anwesenheit derselben Fadenpilze im lebenden Krebskörper gleichfalls ergab. Allem Anscheine nach dringen die Schmarotzer durch die weichen Gelenkhäute des Schwanzes sowohl wie der Gliedmaßen in die Krebse ein und verbreiten sich von da massenhaft durch die gesammten Gewebe.

Da der Parasitismus ähnlicher, wenn nicht derselben Parasiten, bei Fischen und anderen Wasserbewohnern erwiesenermaßen (nach mehr oder minder langer Dauer) zum Tode führt und ganze Culturen vernichtet: so glaubt Leuckart jene Fadenpilze mit Recht auch bei den Krebsen als die Ursache des rapiden Hinsterbens in Anspruch nehmen zu dürfen. Wir hätten es demnach in der Krebspest mit einer wirklichen Schimmelpilzkrankheit (Myosis astacina) zu thun.

Dieses von Leuckart neuerdings erhaltene Ergebniß ist um so bemerkenswerther, als auch ein anderer Forscher (Harz) zu einem ganz ähnlichen Resultate gekommen ist. Auch Harz sieht Pilze als die Ursache der Krebspest an und differirt nur insofern von Leuckart’s Ansicht, als er neben den Pilzen auch noch die Distomeen als bei der Pesterzeugung mitwirkend ansieht.

Zur Verhütung der Krebspest giebt es selbstverständlich kein anderes Mittel als Reinhaltung der Gewässer. Man hat nach Möglichkeit dafür zu sorgen, daß sich keine faulenden thierischen Substanzen in den Bächen und Krebszwingern anhäufen. Da übrigens die Pilze durch geringen Salzzusatz zum Wasser getödtet werden, so könnte man vielleicht auch den Versuch machen, die verpesteten Gewässer mit Kochsalz zu desinficiren. Es wäre von großem praktischem Werth, darauf bezügliche Versuche anzustellen. Dr. Otto Zacharias.     


  1. Sendschreiben an Herrn Rittergutsbesitzer Max von dem Borne. 1884.