Drei Jugendbriefe Ludwig Richters

Blitzschlag ins Schloß 1513 Drei Jugendbriefe Ludwig Richters (1898) von Otto Richter
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900)
Ludwig Richters Geburtshaus
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Drei Jugendbriefe Ludwig Richters.[1]
[Dresden den 30. Okt. 1827][2]
Theuerster Hoff,

Endlich einmal schike ich Dir Deine Kästchen u. Schachteln, welche ich Dir immer glaubte mit einer Gelegenheit übermachen zu können, u. darüber nur einige versäumte, u. sie nun dennoch mit der Post schiken muß; sey ja nicht böse über meine Langsamkeit; ich sehe wohl daß ich zum Spediteur nicht gebohren bin. Maydell hat 3 Wochen bei mir gewohnt, da er hier seinen Onkel, den Baron Sternberg fand, mit dem er hernach die Heimreiße angenehm u. ohne Kosten machen konnte. – Jetzt wird er wohl schon Hochzeit gemacht haben, und – da wir einmal vom Schießen sprechen – zum Sonntag über 8 Tage, als am 4ten Nov. wird auch meine, u. vermuthlich auch Schumachers Hochzeit sein, welcher wohl einige Jahre in Dresden bleiben wird. Diesen Sommer war die liebe Vaterstadt wirklich ein deutsches Florenz, denn es waren zufällig so viel alte Römer beisammen, als hätten sie nur ein wenig dem Sirocco aus dem Wege gehn wollen. Die ganze Kompagnie bestand nämlich aus: Schnorr (später auch Ferd. Olivier), Näke, Maydell, Schröder, Faber et Madame! Pöschel, Schumacher, Oehme, Ich! - Nachzügler waren: Remy, welcher vor kurzen in aller Stille sich hieselbst trauen ließ, u. mit seiner Frau gen Berlin zog; dann der alte Rhoden, u. endlich Thürmer, welcher als Professor (mit 400 Thlr.) hier angestellt ist. – Du kannst Dir vorstellen, was für vergnügte Parthien wir bei den herrlichen Sommertagen anstellten, es. war ein heiteres Nachspiel des herrlichen römischen Lebens. – ! – Ach da wird mir gleich ganz wunderlich ums Herz, wenn ich an Rom denke. „Alte Träume kehrt ihr wieder? – Weg du Traum so gold du bist, hier auch Lieb u. Leben ist.“! – Letzteres sagt man aber doch sehr gezwungen u. mit süßsaurer Miene.

Meine Arbeit macht mir das meiste Vergnügen, u. fast jeden Tag zu einen Feyertag, wenn es nur recht gelänge. Ich habe einige Bilder von Tivoli u. Civitella für H. v. Quandt, u. ein Bild (ebenfalls aus den Sabinergebirge) nach Hamburg zu malen. Uebrigens läßt hier niemand etwas malen; es ist das schrecklichste Philistervolk was man sich denken kann. Die Schlimmsten selbst sind die Akademiker, vom ersten Professor bis zum letzten Schüler der Akademie. – Kein Kunstsinn u. keine Liebe, alles stroh- u. Hekerling fressende Thiere, welche die edlen Körner geistiger Aussaat gar nicht zu würdigen verstehen. Philisterey und Mode ist die wahre Babylonische Hure unsrer Zeit; das Anhängen u. Kleben an den Kleinen, Gemeinen, rohen; u. gänzlichen Mangel an Beherzigung des Himmlischen u. Ewigen, des Großen u. Geistigen, findet man überall. Nun wandeln wir so hier im finstern Thal, recht im Gefühl der Pilgrimschaft, u. daß wir hier keine bleibende Stätte haben; und wohl uns, das wir ein vestes prophetisches Wort zum Stab und zum Führer haben, wir werden die [122] Heimath nicht verfehlen. Es ist eine große Gnade von Gott, daß jeder gottsuchende u. liebende Mensch ein Allerheilichstes innerhalb seiner 7 wahren u. 5 falschen Rippen erbauen kann, u. sollte er auch, gleich Dante, durch die ganze Hölle geführt werden, seinen Himmel trägt er auch da mit sich, ja, mitten durch die Hölle rein u. unbeflekt. Das ist der wahre Tempel Salomonis, das ächte Heiligthum, der wahre Stein der Weisen, und die Universalmedizin, die den Frieden giebt, der höher ist denn alle Vernunft.

Meinen alten lieben Thomas grüße, küsse, herze u. schmaze viel Tausendmal in meinen Namen, sag ihm, (u. laß Dir, liebster Bruder, auch gesagt seyn) er solle um Weihnachten recht viel schreiben. Das Jahr läuft zu Ende, und: haben wir zugenommen mit dem Alter an Gnade u. Weisheit vor Gott u. den Menschen? – Ach wir wollen die köstliche Zeit recht zusammennehmen; es giebt nichts schöners im Erdenleben, als daß wir darin lernen u. vorwärts kommen können, bis uns der HErr zu einen Haupt-Avancement verhilft.

Meine Braut (oder quasi Frau) grüßt Dich u. Thomas von Herzen, ingleichen der alte Oehme, u. Schumacher. Der HErr sey bei Euch!

Dein Bruder
Ludwig Richter. 
Adresse
L. R.
Schandlaftmaler.
 Große Schießgasse 
 No. 711. 4te Etage
 in
 0Dresden.

NB. Lieber guter Kupferstecher, Du könntest (etwa als Lohn für meine prompte Bedienung) mir so ein altes verdorbnes Abdrükgen zukommen lassen, besonders wenn Du, wie ich hörte etwas nach Overbek machst, nach welchen ich etwas zu besitzen vor Verlangen brenne. – Der Kunsthändler Willmanns hat oft mit meinen Vater zu thun, durch den könntest Du so etwas mitschiken. Ich werde nun auch bald anfangen, etwas zu radiren, u. dann werde ich mich auch revangiren. – Wenn ich doch einmal so glüklich seyn könnte, Thomsens italiänische Zeichnungen wieder zu beschauen, mir ist jetzt jeder Strich von daher heilig; u. Oehme hat leider fast gar nichts aus Italien. – Vielleicht komm ich einmal nach Frankfurt.

NB. So eben bekomme ich Nachricht von Stölzel, welcher sehr klagt, daß ihn Hr. Arnold nicht länger in Rom lassen will, u. er jedoch alles versucht, um diesen Winter noch dort zu bleiben. Auf seiner Platte ist ist [!] Christus u. die Madonna zum Probedruck beinah fertig, u. die Köpfe aller übrigen Figuren ebenfalls. – Therese Zanetti ist als Brauns Ehefrau nach Stuttgardt abgesegelt. Stier hat im September Rom verlassen, um nach Berlin zu gehen, u. Träger hat eine Anstellung, ich glaube als Professor in Bonn erhalten. So verthun u. versorgen sich alle, nur uns beyde will niemand zum Professor machen. S’ist ein Jammer! –


Meißen d. 18. März 1828. 
Theurer Bruder Hoff,

Mit großen Verlangen sehe ich einigen Zeilen von Dir entgegen, u. wollte Dich u. Thomas nun um eine recht baldige Antwort bitten, da ich in einigen Wochen unsern lieben Maydell schreiben wollte, u. ihm entweder etwas von Euch schreiben möchte, oder vielleicht legtet Ihr einige fein- u. auf dünn Pappier geschriebene Zeilen an ihn mit bei. – Sein letzter Brief, der so voll Jubel u. Freude war, schien mir freylich gleich die etwas stürmische, aufgeregte Fröhligkeit zu seyn, die einer, der so lange in der Fremde herumgepilgert nun am heimischen Heerde, Eltern, Freunde, Weibchen u. Wirthschaft findet, wohl anfangs in hohen Grade empfinden muß. Einer seiner Bekannten in Dresden indeß sagte mir kürzlich, daß er sehr über seine Einsamkeit klagen soll, u. gar niemand hat, mit den er so recht von Herzensgrunde über Kunst u. dies u. das plaudern kann; niemand, der recht lebendigen Antheil an seinen Arbeiten nähme. Doch soll er sich mit einen großen Altarbilde für eine Dorfkirche (vermuthlich in seinem Sprengel) beschäftigen. Mit welcher Sehnsucht wird nun der gute Maydell auf Nachrichten von seinen Freunden harren, u. ich bitte Euch deshalb recht inständig, es ja nicht länger anstehen zu lassen, damit ich bald viel gute u. freundliche Botschaft von Stapel laufen lassen kann.

Könnt ich doch einmal Deine u. Thomas’ens Arbeiten schauen, oder noch besser, könnten wir zusammen arbeiten u. Abends beim Theekännchen wieder beisammen sitzen, ein römisch Rohrpfeifchen mit Olandino gestopft, qualmen, u. so was ergötzliches, fein ernstes sprechen oder lesen. Hier in Meißen, wo ich jetzt steke, wie Du aus Th’s Brief wirst ersehen haben, wär’s grade so ein recht heimlichs Nest u. in mancher andern Hinsicht noch erbaulich. So ist z. B. der Domprediger[3] ein christlicher Mann, u. obwohl ein schlechter Redner, sagt er doch gute Dinge, die einen die Woche über schon ernähren können. Können wir freylich unsern Rothe nicht überall haben, so haben wir doch das theure werthe Buch, wo da mehr noch ist, als Rothe; u. das laß uns redlich nützen, damit der Schatź im Aker gehoben werde. [123] Ich habe jetzt mein Bild, „die Heimkehr der Hirten aus Civitella“ an Quandt abgeliefert; vielen wollte es sehr gefallen; mir eben nicht. Nach Leipzig machte ich einige italiänische Zeichnungen, auf welche ich mir eher etwas zu Gute thue, u. ein gleiches jetzt an einen kleinen Bildchen von der Ponte Salano wo ich mit ganzer Seele dran sitze u. bei der Arbeit manchmal ganz laut vor Freuden jauchze, daß mein gutes Frauchen manchmal ganz ängstlich um mich wird. Schumacher mahlt mit Pöschel in einer Villa des Professors Villers an der Elbe[4] eine Deke al Fresco; es werden die 4 Jahreszeiten. Die Zeichnungen versprachen etwas recht Gutes. Stölzel soll diesen Sommer hier[4] eintreffen.

Ist Euch Beyden nicht auch ein Lüstgen angekommen, auf den Reichstag nach Nürnberg[5] zu kommen? – Hier[4] giebts viele, die da Lust, aber niemand, oder wenige, die da Geld haben; ich habe aber um Dürern recht ehren zu können, seyn Portrait (von Förster gestochen) u. sein Leben der Maria, nebst einigen andern Holzschnitten u. Kupfern z. B. den Hyronimus in der Stube, pp., angeschafft, u. über mein Vermögen 22 Thlr. daran gewand, was der guten Hausfrau ohnmöglich recht gewesen seyn kann, obgleich sie recht freundlich dazu aussah; nun freue ich mich wie ein Kindtaufvater täglich über meine herrlichen, /D\ – Es lebt ein allgewaltiger, tiefsinniger Geist in diesen Sachen; u. ich will meinen alten seligen Dürer zum 6ten Aprill ein Vivat bringen, u. sollte niemand dabey seyn, als meine gute Frau; die wird mit anstoßen, trotz den 22 Thalern. – Vergeßt doch auch nicht, liebsten Freunde, den 6ten Aprill feyerlich zu begehen, wir wollen dann an einander denken, u. unsern HErrn bitten, daß er uns eben so tüchtig u. so fromm werden lasse, wie den guten Albrecht.

Gott sey mit Dir, mein theurer, lieber Bruder. Schreibe bald

Deinen 
Ludwig Richter. 

[Meißen den 7. März 1829] 

An Bruder Hoff. No. 2.[6]

Ich weiß nicht ob ich es Euch früher schon geschrieben habe, daß mir am Tage Maria Himmelfarth eine kleine Maria bescheert wurde, mit welcher ich nun schon seit 7 Monaten des Abends in der Feyerstunde in der großen Stube herumgaloppiere, oder sie auf den Knien reiten lasse u. ihr dazu ein Postillionsliedchen blase. Es ist eine gar liebe kleine runde dicke wilde Hummel, lacht u. jauchzt den ganzen Tag, u. ist meine größte Freude.

Oehmens haben ebenfalls an Weihnachten ein kleines Mädchen gekriegt, was ihm vollkommen ähnlich sieht. Schumacher ditto – ein kleines Mädchen, ist aber sehr kränklich u. schwach.

Stölzels Blatt nach Raphael wird sehr schön, u. er rükt waker vor. – Ich kann aus den ältern Krüger nicht klug werden; allerdings scheint er ein sonst wakrer u. kluger Mensch zu seyn; der Graveur aber ist eine kleine Pfennigtrompete, der hie u. da in Dresden schon Frömmler, Heilige u. Nazareer riecht! u. das mit quäkender Stimme verkündet.

NB. an Thomas.

Hast Du nicht gehöhrt ob u. wenn Cl. Brentano seine „Visionen einer Nonne“ herausgiebt, auf welches mich Maydell sehr neugierig gemacht hat. –?

Passavant, der mir durch Hennig ein Exemplar der Erklärung zu seiner Nürnberger Zeichnung zukommen ließ, empfiehl mich von ganzen Herzen. – Wie glüklich bist Du, christliche Freunde in Deiner Nähe zu haben. Hier in Meißen habe ich nicht einen, u. kann auch keine christl. Predigt höhren.

Wenn es sich schikt, so empfiehl mich ebenfalls der Frau v. Holzhausen, von der mir Maydell u. Du so viel erzählt u. geschrieben hast; wenn Du auch durch ihren Stand u. Geschlecht von ihr geschieden bist, so ist es doch eben so angenehm als lehrreich, zu sehen, wie sich im christl. Leben unter verschiedenen Verhältnissen immer dasselbe u. doch in seiner Uniform verschieden äußert, u. dann kann man überall etwas lernen. R. 


  1. Diese Briefe, gerichtet an den Kupferstecher Johann Nikolaus Hoff in Frankfurt a. M. (geb. 1798, gest. 1873), sind von dessen Sohne, Herrn Joh. Friedr. Hoff in Frankfurt, dem Schüler und Biographen Richters, bei Gelegenheit der Enthüllung des Richter-Denkmals dem Dresdner Stadtmuseum geschenkt worden. Vom ersten Briefe ist ein Auszug gedruckt in L. Richters „Lebenserinnerungen eines deutschen Malers“. Auf dieses Buch ist auch wegen der Personalien zu verweisen.
  2. Datum des Poststempels auf der Außenseite.
  3. Otto von Löben, geb. 1799, von 1833 bis 1873 Pfarrer in Rüsseina.
  4. a b c in Dresden
  5. Die Feier des 300jährigen Todestags Albrecht Dürers in Nürnberg, der sogenannte Künstlerreichstag.
  6. Beilage zu einem andern Briefe. Das Datum ist von J. F. Hoff mit Bleistift hinzugeschrieben.