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VII. Jahrgang          1898          Nr. 4.


Von diesen Blättern erscheinen jährlich 4 Nummern im Umfange von 1½ bis 3 Bogen. Bestellpreis für den Jahrgang 3 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich zugesandt.


Drei Jugendbriefe Ludwig Richters.[1]
[Dresden den 30. Okt. 1827][2]
Theuerster Hoff,

Endlich einmal schike ich Dir Deine Kästchen u. Schachteln, welche ich Dir immer glaubte mit einer Gelegenheit übermachen zu können, u. darüber nur einige versäumte, u. sie nun dennoch mit der Post schiken muß; sey ja nicht böse über meine Langsamkeit; ich sehe wohl daß ich zum Spediteur nicht gebohren bin. Maydell hat 3 Wochen bei mir gewohnt, da er hier seinen Onkel, den Baron Sternberg fand, mit dem er hernach die Heimreiße angenehm u. ohne Kosten machen konnte. – Jetzt wird er wohl schon Hochzeit gemacht haben, und – da wir einmal vom Schießen sprechen – zum Sonntag über 8 Tage, als am 4ten Nov. wird auch meine, u. vermuthlich auch Schumachers Hochzeit sein, welcher wohl einige Jahre in Dresden bleiben wird. Diesen Sommer war die liebe Vaterstadt wirklich ein deutsches Florenz, denn es waren zufällig so viel alte Römer beisammen, als hätten sie nur ein wenig dem Sirocco aus dem Wege gehn wollen. Die ganze Kompagnie bestand nämlich aus: Schnorr (später auch Ferd. Olivier), Näke, Maydell, Schröder, Faber et Madame! Pöschel, Schumacher, Oehme, Ich! - Nachzügler waren: Remy, welcher vor kurzen in aller Stille sich hieselbst trauen ließ, u. mit seiner Frau gen Berlin zog; dann der alte Rhoden, u. endlich Thürmer, welcher als Professor (mit 400 Thlr.) hier angestellt ist. – Du kannst Dir vorstellen, was für vergnügte Parthien wir bei den herrlichen Sommertagen anstellten, es. war ein heiteres Nachspiel des herrlichen römischen Lebens. – ! – Ach da wird mir gleich ganz wunderlich ums Herz, wenn ich an Rom denke. „Alte Träume kehrt ihr wieder? – Weg du Traum so gold du bist, hier auch Lieb u. Leben ist.“! – Letzteres sagt man aber doch sehr gezwungen u. mit süßsaurer Miene.

Meine Arbeit macht mir das meiste Vergnügen, u. fast jeden Tag zu einen Feyertag, wenn es nur recht gelänge. Ich habe einige Bilder von Tivoli u. Civitella für H. v. Quandt, u. ein Bild (ebenfalls aus den Sabinergebirge) nach Hamburg zu malen. Uebrigens läßt hier niemand etwas malen; es ist das schrecklichste Philistervolk was man sich denken kann. Die Schlimmsten selbst sind die Akademiker, vom ersten Professor bis zum letzten Schüler der Akademie. – Kein Kunstsinn u. keine Liebe, alles stroh- u. Hekerling fressende Thiere, welche die edlen Körner geistiger Aussaat gar nicht zu würdigen verstehen. Philisterey und Mode ist die wahre Babylonische Hure unsrer Zeit; das Anhängen u. Kleben an den Kleinen, Gemeinen, rohen; u. gänzlichen Mangel an Beherzigung des Himmlischen u. Ewigen, des Großen u. Geistigen, findet man überall. Nun wandeln wir so hier im finstern Thal, recht im Gefühl der Pilgrimschaft, u. daß wir hier keine bleibende Stätte haben; und wohl uns, das wir ein vestes prophetisches Wort zum Stab und zum Führer haben, wir werden die


  1. Diese Briefe, gerichtet an den Kupferstecher Johann Nikolaus Hoff in Frankfurt a. M. (geb. 1798, gest. 1873), sind von dessen Sohne, Herrn Joh. Friedr. Hoff in Frankfurt, dem Schüler und Biographen Richters, bei Gelegenheit der Enthüllung des Richter-Denkmals dem Dresdner Stadtmuseum geschenkt worden. Vom ersten Briefe ist ein Auszug gedruckt in L. Richters „Lebenserinnerungen eines deutschen Malers“. Auf dieses Buch ist auch wegen der Personalien zu verweisen.
  2. Datum des Poststempels auf der Außenseite.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/124&oldid=- (Version vom 12.7.2024)