Don Alfonso’s Residenz
[392] Don Alfonso’s Residenz. (Mit Abbildung S. 388 und 389.) Es kommt häufiger vor, als man wohl glauben möchte, daß die öffentliche Aufmerksamkeit auf einen Ort, der längst eine selbstständige Bedeutung erlangt hat, plötzlich durch ein Ereigniß zufälligster Natur ganz besonders hingelenkt wird. Daß die jüngsten Ereignisse in der steierischen Landeshauptstadt uns eine solche Erscheinung zur Anschauung gebracht haben, wird Jedermann zugeben.
Das alte liebe Pensionirten-Paradies (Pensionopolis nennt es der Volkswitz) an der Mur, die frische deutsche Stadt Graz oder Grätz, ist durch einen fürstlichen Scandal mit einem Male in ein weit lebhafteres Zeitungsgeschrei gerathen, als dies seit Jahren und bei wirklich würdigeren Gelegenheiten der Fall war. Denn wer denkt nicht gern heute noch an jene Tage der grünen Steiermark, wo vor den Volksabgeordneten in der Landstube des „Landhauses“ zu Graz der tapfere Moritz von Kaiserfeld und Rechbauer „dem Regimente der Reichsverderber“ ihre Proteste entgegenschleuderten? Das war eine Erhebung der Geister, aber wie bald ging sie vorüber! – Heute ist’s eine andere Mahnung des Landhauses, deren Nichtbeachtung die Stadt in so lebhaften Tagesruf bringt; beim Portale rechts ist’s deutlich zu lesen, daß man allhier „nicht rumohren“ soll. Weil aber die Grazer diesem Gebote ihres alten Landhauses nicht folgten, so haben sie nun dafür die urplötzliche Weltberühmtheit.
Wir stehen nicht an, die brave Stadt wegen ihres jüngsten öffentlichen Erlebnisses aufrichtig zu bedauern. Als der Grazer Gemeinderath die Niederlassung des nicht blos von den spanischen Gerichten, sondern von der ganzen gebildeten und ehrenhaften menschlichen Gesellschaft verurtheilten und ausgestoßenen Prinzen Don Alfonso nebst ebenbürtiger Gemahlin aus Rücksicht auf die öffentliche Ruhe und Ordnung mittelst eines Gemeindebeschlusses auf Grund des Gemeindegesetzes zu verhindern suchte, schwebte ihm wohl die Möglichkeit vor, daß ein in solcher Weise, von einer ganzen Stadt Zurückgewiesener, Ehrgefühl genug haben müsse, um sich nicht dort trotzalledem einzudrängen. Das war freilich verrechnet! Im Gegentheil: die Brutalität freute sich der Gewalt, die im Namen der Ordnung für sie eintreten mußte. Aber die Verachtung, welche an jedem ihrer Schritte hängt, spürt sie doch, und Das ist wenigstens einige Genugthuung für die allzu heißen jungen Herzen, welche von einer allzu kalten Gerechtigkeit dafür gemaßregelt worden sind.
Wenn aber diese Alfonso-Krawalle auch nur Einiges dazu beitragen, von dem großen tausendarmigen Strome der Reisenden einen stärkeren Arm nach Graz zu lenken, so hätte ja dieser Handel sogar sein Gutes gehabt. Graz verdient es, recht Vielen ein lieber Ort zu werden. Wer einmal in den wundervollen Baumgängen des Schloßbergs gewandelt ist, wer den Rundblick von dessen Höhe genossen und dann drunten beim Volke an den gemüthlichen Stammtischen ausgeruht, der sehnt sich immer wieder zurück nach dem fröhlichen Pensionopolis an der Mur. Eben deshalb soll unsere Abbildung sammt diesen Begleitworten nur der Vorläufer für eine ausführlichere Schilderung unseres Gegenstandes sein.