Die heilige Familie – 2 (Gemälde der Dresdener Gallerie)
Die heilige Jungfrau erscheint hier in ihrem irdischen Charakter, als sorgsame, zärtliche Mutter, beschäftigt, das Christkind in einer Schüssel zu baden. Das Bild ist in der Kunstwelt als die „Madonna del bacino“ bekannt, oder als die „Madonna mit der Schüssel“. Der kleine Jesus steht in graziösester kindlicher Haltung mit einem Fuße in dem Becken, mit dem andern auf dem Rande desselben; neben ihm auf dem Tische befindet sich der junge Johannes der Täufer und gießt aus einer Vase Wasser auf den göttlichen Freund, den er später zu seiner Weltmission durch die Taufe im Jordan weihen sollte. Elisabeth, die Mutter des Täufers, breitet ein Tuch zum Abtrocknen aus, und im Hintergrunde zeigt sich der Kopf des heiligen Joseph.
Das Bild, welches kurz nach dem Tode Raphaels, des Meisters von Giulio Romano, gemalt wurde, kann als eines der besten dieses Meisters gelten. In den Formen, in der Gewandung und in der großen Malerei weht der Geist Urbino’s; aber wie ausgezeichnet Romano, der genialste Schüler Raphaels, auch ist, der göttliche Flug des letztern geht weit über die Höhe hinaus, die Giulio erreichte. Romano’s Zeichnung ist groß, ideal und wahr; seine Darstellungen sind ebensowenig mit müssigen Figuren beladen, als diejenigen Raphaels; Alles ist bei ihm durch vergeistigte Charakteristik seiner Personen zwanglos motivirt. Bewundernswerth war Giulio an Reichthum der Ideen, an meisterhafter Technik und unbegreiflich schneller Ausführung, sowie auch allenthalben in seinen Werken das sorgfältigste Studium und die genaue Kenntniß der Geschichte und Mythologie zu erkennen sind. Groß ist die Zahl seiner Staffeleigemälde, berühmt seine Fresken und die nach Raphaels Zeichnung von ihm mit Giovanni il Fattore gemeinschaftlich ausgeführten Werke.
Giulio Pippi, nach seiner Vaterstadt Rom gewöhnlich Romano genannt, war 1492 geboren und starb, als einer der glänzendsten Sterne der Kunst gefeiert, in Mantua 1546.