Die elektrischen Kräfte/Zusammenstellung:§23

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§. 23. Weitere Erforschung des Eleinentargesetzes, gestützt auf das F. Neumann’sche Integralgesetz.

     Die Annahme, dass das genannte Integralgesetz immer gültig ist, sobald nur die Ströme gleichförmig, und Gleitstellen nicht vorhanden sind, bildet den Inhalt unserer vierten Hypothese (pag. 113); und diese vierte Hypothese, von welcher bisher noch kein Gebrauch gemacht wurde, soll nun herangezogen werden, um Aufschluss zu gewinnen über die in unserem Elementargesetz (pag. 133) noch enthaltenen unbekannten Functionen .

     Auf ein aus zwei starren und homogenen[1] Drahtringen und bestehendes System mögen von Aussen her beliebig gegebene Kräfte einwirken, nämlich Kräfte, welche theils ordinären, theils elektrostatischen, theils elektrodynamischen Ursprungs sind. Es sollen diejenigen räumlichen Bewegungen und elektrischen Vorgänge in Betracht gezogen werden, welche das System in Folge dieser äussern Kräfte und in Folge der gleichzeitig vorhandenen inneren Kräfte von Augenblick zu Augenblick darbieten wird.

     Dabei sei vorausgesetzt, der Anfangszustand des Systemes und jene gegebenen äussern Kräfte seien von solcher Beschaffenheit, dass die in den Ringen und entstehenden elektrischen Ströme und fortdauernd als gleichförmig[2] angesehen werden dürfen.

     Sind irgend zwei respective zu und gehörige Elemente, haben ferner dieselben Bedeutungen wie im Ampère’schen Gesetz, und bedienen wir uns endlich der schon früher gebrauchten Abkürzungen:

(34)

so besitzt das elektrodynamische Potential der beiden Ringe aufeinander den Werth:

(35)

(vergl. pag. 56); ferner wird alsdann die von zwei Elementen auf einander ausgeübte ponderomotorische Kraft eldy. Us dargestellt sein durch:

(36)
| (vergl. pag. 44); endlich wird alsdann die von während der Zeit in hervorgerufene elektromotorische Kraft eldy. Us sich ausdrücken durch:

(vergl. pag. 133), wo mit diejenigen Veränderungen bezeichnet sind, welche während der Zeit stattfinden.

Die in den Ringen vorhandenen Stromstärken sind nach unserer Voraussetzung gleichförmig; somit können auf diese Ringe in Anwendung gebracht werden die von meinem Vater aufgestellten Integralgesetze, das ponderomotorische, und das elektromotorische. Ersteres findet [vergl. (52.g), pag. 55] seinen Ausdruck in der Formel:

welche mit Rücksicht auf (36.) auch so geschrieben werden kann:

wo Q die in (35.) genannte Bedeutung besitzt. Letzteres, welches den Gegenstand unserer vierten Hypothese (pag. 113) ausmacht, drückt sich aus durch die Gleichung:

und durch die mit dieser parallel stehende Gleichung:

Durch Substitution des Werthes (37.) in (40.a) folgt:

oder (was dasselbe ist):

oder mit Rücksicht auf (39.):

(41.a)

In analoger Weise folgt offenbar aus (40. b):

(41.b)

| Durch Addition von (41.a) und (41.b) ergiebt sich:

oder (was dasselbe ist):

(42.)

Hieraus aber folgt durch Integration:

oder ein wenig anders geschrieben:

(43.)

wo eine Constante, nämlich eine Grösse vorstellt, welche während der betrachteten Bewegung des Systemes beständig ein und denselben Werth behält.

     Bei den hier durchgeführten Betrachtungen und Rechnungen sind die auf das System von Aussen her einwirkenden (theils ordinären theils elektrischen) Kräfte innerhalb eines gewissen Spielraums willkührlich gelassen. Dieser Spielraum determinirt sich durch die bei unseren Betrachtungen und Rechnungen benutzte Voraussetzung, jene Kräfte seien von solcher Beschaffenheit, dass die in den Ringen vorhandenen Stromstärken fortdauernd als gleichförmig angesehen werden dürfen. Denken wir uns also jene äusseren Kräfte, ohne Ueberschreitung dieses Spielraums, von Augenblick zu Augenblick in willkührlicher Weise abgeändert, so wird trotzdem die Differentialgleichung (42.) gültig bleiben von Zeitelement zu Zeitelement, und folglich die in der Integralgleichung (43.) enthaltene Constante beständig ein und dieselbe bleiben.

     Mit Rücksicht hierauf ist es leicht, einerseits den wirklichen Werth der Constanten zu ermitteln, und andererseits auch denjenigen Werth zu finden, welchen der offenbar nur von geometrischen Verhältnissen abhängende Ausdruck

(44.)

annimmt für eine beliebig gegebene specielle Lage des Systemes , z. B. für seine Anfangslage.

     Zu diesem Zwecke denken wir uns die auf das System einwirkenden äusseren ordinären Kräfte der Art regulirt, dass das System in dieser Anfangslage fortdauernd, ins Unendliche hin, festgehalten wird. Gleichzeitig denken wir uns äussere elektrische Kräfte in Anwendung gebracht, welche eine gewisse Zeit hindurch gleichförmige elektrische Ströme in den Ringen hervorrufen, allmählig| aber erlöschen, so dass schliesslich ebenfalls zu Null herabsinken. Bringen wir nun auf diese Vorgänge die Gleichung (43.), d.i. die Gleichung:
(45.)

in Anwendung, so folgt, mit Rücksicht auf das schliessliche Nullwerden von , sofort, dass ebenfalls Null ist. Die Constante ist aber während der betrachteten Vorgänge beständig ein und dieselbe, folglich fortdauernd Null; sodass sich also aus (45.) die Formel ergiebt:

(46.)

als gültig im ganzen Verlauf der betrachteten Vorgänge. Eine gewisse Zeit lang hatten aber von Null verschiedene Werthe. Somit folgt aus der Formel (46.), dass der Ausdruck für die gegebene specielle Lage des Systems nothwendig Null ist.

Jene specielle Lage ist aber identisch mit der willkührlich gegebenen Anfangslage. Somit ergiebt sich, dass der Ausdruck Null ist für jede beliebige Lage des Systemes.

Der Ausdruck (44.) kann mit Rücksicht auf (35.) so dargestellt werden:

(47.)

also mit Rücksicht auf (34.) auch so:

(48.)

und dieser Ausdruck muss also, wie wir eben gesehen haben, für die beiden Ringe und jederzeit verschwinden, welche relative Lage, und welche Gestalt die beiden Ringe auch immer haben mögen. Hieraus aber ergiebt sich durch Anwendung eines früher (pag. 95) gefundenen Satzes, dass die Functionen mit einander verknüpft sein müssen durch die Relation:

(49.)

Aus dem Verschwinden des Ausdruckes folgt ferner, mit Rückblick auf (44.), die Gleichung:

(50.)

Durch Substitution dieses Werthes von in (35.) folgt weiter:

(51.)

Aus (49.) und (51.) folgt endlich der Satz:

| Unter Anwendung der Abkürzungen
(52.a)

kann das elektrodynamische Potential zweier gleichförmiger Stromringe aufeinander nach Belieben dargestellt werden durch die eine oder andere der beiden Formeln

(52.b)

Dabei sind unter dieselben Grössen zu verstehen, wie im Ampère’schen Gesetz (pag. 44), andererseits unter zwei lediglich von abhängende Functionen, welche durch die Relation

(52.c)

mit einander verknüpft, im Uebrigen aber noch unbekannt sind[3].

| Nach einem früheren Satze (pag. 131) ist das elektrodynamische Postulat irgend zweier Stromelemente und dargestellt durch den Ausdruck:

Das elektrodynamische Postulat zweier gleichförmiger Stromringe auf einander besitzt daher den Werth

und ist also, abgesehen vom Factor (−1) identisch mit dem Potentiale (52.b).

Somit wird in unmittelbarem Anschluss an (52. a, b, c) hinzuzufügen sein, dass das elektrodynamische Postulat irgend zweier Stromelemente , den Werth hat:

(52.d)

und ferner, dass für zwei gleichförmige Stromringe das elektrodynamische Postulat, abgesehen vom Vorzeichen, identisch ist mit dem elektrodynamischen Potential.

Aus den hier durchgeführten Untersuchungen scheinen sich, wenn wir auf frühere Formeln, z. B. (41. a):

zurückgreifen, noch weitere Aufschlüsse zu ergeben. Unterdrückt man nämlich hier den gemeinschaftlichen Factor , und substituirt man gleichzeitig für den in (50.) gefundenen Werth , so folgt:

oder was dasselbe ist:

(53.)

Auf den ersten Blick scheint diese Gleichung (53.), welche, ihrer Ableitung nach, gültig ist für zwei beliebige und in beliebigen Bewegungen begriffene Ringe, geeignet, uns nähere Auskunft zu geben über die Beschaffenheit der von abhängenden Function . Doch ist das leider nicht der Fall. In der That soll im folgenden §. gezeigt werden, dass der durch (53.) gestellten Anforderung entsprochen wird, wenn man für eine völlig willkührliche Function von einsetzt. Es bleibt somit diese Function , trotz jener Gleichung (53.), uns völlig unbekannt.

| In Betreff der gesuchten elektromotorischen Kraft sind wir daher durch die Betrachtungen des gegenwärtigen §. nur äusserst wenig weiter gelangt.

Soll zusammengestellt werden, was in Betreff der elektromotorischen Kraft

(54.a)

bis jetzt ermittelt worden ist, so wird Wort für Wort zu wiederholen sein, was bereits früher (pag. 133) gesagt wurde, und nur noch hinzuzufügen sein, dass zwischen den Functionen die Relation stattfindet;

(54.b)

und dass der Ausdruck , multiplicirt mit , das elektrodynamische Postulat der betrachteten Stromelemente und repräsentirt.


  1. Vergl. die Bemerkung auf pag. 34.
  2. Vergl. die Note pag. 97.
  3. Dass die beiden in (52.b) angegebenen Integrale:
    und

    von gleichem Werthe sind, lässt sich übrigens noch auf anderem Wege darthun, nämlich nachweisen auf Grund der Relation (52, c).

    Nach (52.a) ist

    hieraus folgt mit Rücksicht auf jene Relation (52.c):

    Setzt man also für den Augenblick: , so folgt:

    Hieraus aber ergiebt sich sofort:

    , w. z. z. w.