| §. 15. Fünf allgemeine Sätze über Curven-Integrale.
Erster Satz. Sind und zwei aufeinanderfolgende Puncte einer geschlossenen, unendlich kleinen, ebenen Curve, und sind ferner
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beliebig gegebene Functionen, so wird das über jene Curve hinerstreckte Integral
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| einen Werth besitzen, der sich ausdrücken lässt durch:
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oder auch durch:
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In diesem Ausdrucke bezeichnet den Quadratinhalt der von der Curve umgrenzten ebenen Fläche; ferner bezeichnen daselbst die Richtungscosinus derjenigen auf errichteten Normale, welche positiv liegt zu der durch indicirten Umlaufrichtung; endlich bezeichnen daselbst [nämlich in (17.b, c)] die Coordinaten eines Punctes, welcher auf selber oder unendlich nahe an beliebig gewählt werden darf.
Beweis. — Um den Satz zu beweisen, setzen wir
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und folglich:
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wo irgend ein fester Punct sein soll, der entweder auf selber oder unendlich nahe an liegt, und die Coordinaten dieses Punctes vorstellen sollen. Alsdann wird:
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und folglich durch Entwickelung nach
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Hieraus folgt, wenn man über die Randcurve von integrirt, sofort:
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Nun ist ebenso d. i. Somit ergeben sich die Formeln:
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Ferner erhält man d. i.
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| und ausserdem durch Benutzung des Satzes (16.):
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Aus diesen beiden letzten Relationen folgt sofort und Somit ergeben sich die Formeln:
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Mit Hülfe der Formeln (21.a, b) erhält man nun aus (20.) sofort:
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Hieraus aber folgt durch Addition:
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wo der angehängte Index andeuten soll, dass der ganze Ausdruck zu beziehen ist auf den vorhin festgesetzten Punct Dieser Punct aber konnte auf oder in unendlicher Nähe von beliebig gewählt werden. Der aufgestellte Satz ist daher durch die Formel (23.) vollständig bewiesen.
Zweiter Satz. Es seien und (ebenso wie im vorhergehenden Satz) zwei aufeinander folgende Puncte einer unendlich kleinen ebenen geschlossenen Curve; von analoger Bedeutung seien und für irgend eine andere solche Curve; mit Bezug auf diese Puncte seien die Bezeichnungen eingeführt:
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endlich sei eine beliebig gegebene Function von und zur Abkürzung gesetzt:
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alsdann wird das über beide Curven ausgedehnte Integral:
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| dargestellt sein durch den Ausdruck:
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Dieser Ausdruck ist bezogen zu denken auf irgend zwei Puncte und welche auf und beliebig gewählt sein können; dabei haben in Bezug auf die eine Curve die bekannte (im vorhergehenden Satz explicirte) Bedeutung, und die analoge Bedeutung in Bezug auf die andere Curve.
Beweis. - Das vorgelegte Integral
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nimmt, falls man mit Hülfe des vorhergehenden Satzes (17.a, b, c) zunächst die Integration nach ausführt, folgende Gestalt an:
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hierfür kann geschrieben werden:
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wo alsdann die Bedeutungen haben:
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Bringt man nun die in (27.) noch vorhandene Integration ebenfalls zur Ausführung, wiederum mit Hülfe des Satzes (17.a, b, c); so erhält man:
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Aus (28.) ergibt sich:
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also mit Rücksicht auf (24.a, b):
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| Hieraus folgt durch Differentiation nach
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es ist nämlich zu beachten, dass z.B. mithin ist. Bildet man die mit (30.) analogen Ausdrücke, und substituirt man alle diese Ausdrücke in (29.) so ergiebt sich sofort:
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Dies aber ist der behauptete Ausdruck (24.d).
Beispiel. — Für den Specialfall
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nehmen die Differentialquotienten (24.b) folgende Werthe an:
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woraus folgt:
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In diesem Specialfalle gewinnt also unser Satz (24.c, d) folgende Gestalt:
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oder, was dasselbe ist, folgende:
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Die rechte Seite dieser Formel, in welcher unter
und
die Coordinaten der Puncte
und
unter
die gegen
| seitige Entfernung dieser Puncte, endlich unter
und
die Richtungscosinus der in diesen Puncten auf
und
errichteten Normalen zu verstehen sind, lässt sich weiter vereinfachen. Bezeichnet man nämlich die eben genannten Normalen kurzweg mit
und
so ergiebt sich sofort:
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Demgemäss kann die rechte Seite jener Formel auch so geschrieben werden :
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oder auch so:
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oder endlich auch so:
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Jene Formel selber nimmt daher die Gestalt an:
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„Sind also zwei unendlich kleine ebene geschlossene Curven gegeben mit den Elementen und und bezeichnet die Entfernung zweier solcher Elemente von einander, so wird das über beide Curven ausgedehnte Integral
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„einen Werth besitzen, welcher sich ausdrücken lässt durch:
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„In diesem Ausdruck bezeichnen
die von den beiden Curven be
| grenzten Flächen; ferner ist daselbst unter
die gegenseitige Entfernung zweier Puncte
zu verstehen, welche auf
beliebig gewählt werden dürfen; endlich sind unter
diejenigen auf
in den Puncten
errichteten Normalen zu verstehen, welche positiv liegen zu den durch
indicirten Umlaufrichtungen
[1].“
Dritter Satz. Ist eine lediglich von abhängende Function von solcher Beschaffenheit gegeben, dass für sie das (im vorgehenden Satz genannte) Integral
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jederzeit verschwindet, wie beschaffen die beiden geschlossenen Curven, über welche das Integral sich ausdehnt, ihrer Lage, Grösse und Gestalt nach auch sein mögen; — so folgt daraus, dass jene Function eine Constante ist.
Beweis. — Es ist vorausgesetzt, wäre von solcher Beschaffenheit, dass verschwindet für zwei ganz beliebige geschlossene Curven. Aus dieser Voraussetzung folgt, dass z. B. auch dann verschwindet, wenn die Curven unendlich klein und eben sind; in diesem Falle aber hat nach (24.c, d), den Werth
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Aus der gemachten Voraussetzung folgt mithin, dass dieser Ausdruck (38.) verschwindet, und zwar immer verschwindet, wie beschaffen die relative Lage der unendlich kleinen Curven auch sein mag. Oder mit andern Worten: aus der gemachten Voraussetzung folgt, dass dieser Ausdruck (38.) verschwindet für beliebige Werthe der Richtungscosinus:
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Solches constatirt, ergiebt sich sofort, dass und identisch mit Null sein müssen, dass also selber unabhängig von oder (was dasselbe) unabhängig von sein muss. W. z. b. w.
Vierter Satz. Es seien und die Elemente zweier geschlossener Curven, und ihre gegenseitige Entfernung; ausserdem sei gesetzt:
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wo gerechnet sein soll von nach
Alsdann wird für eine beliebige nur von abhängende Function jederzeit die Gleichung stattfinden:
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die Integration ausgedehnt gedacht über jene beiden geschlossenen Curven.
Beweis. — Der Satz ist, abgesehen von der etwas abweichenden Form, identisch mit einem schon früher (pag. 69) gefundenem Satze.
Fünfter Satz. Hält man fest an den Bezeichnungen des vorhergehenden Satzes, versteht man ferner unter und irgend zwei nur von abhängende Functionen, und ist bekannt, dass das über zwei geschlossene Curven ausgedehnte Integral
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jederzeit verschwindet, wie beschaffen jene beiden geschlossenen Curven auch sein mögen; — so folgt daraus, dass die beiden Functionen und miteinander verknüpft sind durch die Relation:
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Beweis. — Addirt man zu dem Integrale
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das zufolge des vorhergehenden Satzes jederzeit verschwindende Integral (39.):
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so erhält man
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d.i.
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wo und die rechtwinkligen Projectionen von und vorstellen.
In Betreff der Functionen
ist nun in unserm Satze
als bekannt vorausgesetzt, dass dieses Integral
verschwindet für zwei geschlossene Curven, wie beschaffen dieselben auch sein mögen. Aus
| dieser Voraussetzung aber folgt mit Rückblick auf (37.) sofort, dass die Function
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eine Constante ist. Es ergiebt sich also:
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und hieraus durch Differentiation nach
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Corollar. Sind die Functionen
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von solcher Beschaffenheit, dass das über eine in sich zurücklaufende Curve hinerstreckte Integral
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wie jene Curve im Uebrigen auch beschaffen sein mag, jederzeit verschwindet, so wird der Ausdruck
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ein vollständiges Differential sein.
Der Beweis dieser Behauptung ergiebt sich unmittelbar durch Anwendung des ersten Satzes [2]. Auch erkennt man leicht, dass, mit Bezug auf ein Gebiet von Dimensionen, Analoges gelten wird von einem Ausdruck von der Form:
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wo jedes eine Function von vorstellen soll.
- ↑ Jedem der Elemente ist nämlich eine bestimmte Richtung zuertheilt zu denken. Denn sonst würde und ebenso also auch das Integral (36.a), um dessen Werthermittelung es sich handelt, keine bestimmte Bedeutung haben.
- ↑ Selbstverständlich sind, wenn jener erste Satz (pag. 88), und ebenso das hier angegebene Corollar, wirklich strenge sein sollen, noch gewisse Bedingungen der Stetigkeit und Eindeutigkeit hinzuzufügen. Derartige Bedingungen sind hier (und auch an andern Stellen dieses Werkes) absichtlich unterdrückt worden, um nicht, durch allerhand leicht zu suppeditirendes Beiwerk, den Blick von der Hauptsache abzulenken.