| Vierter Abschnitt.
Ueber die gegenseitige elektromotorische Einwirkung zwischen zwei linearen Leitern, welche durchflossen sind von elektrischen Strömen.
Das für diese Einwirkung anzunehmende Elementargesetz wird ernirt, jedoch in einer Form, die vorläufig noch behaftet ist mit einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von unbekannten Functionen der Entfernung.
§. 16. Einleitende Betrachtungen.
Es sei
ein homogener[1], drahtförmiger Metallring von überall gleichem Querschnitt. Dieser Ring befinde sich unter dem Einfluss beliebig gegebener elektromotorischer Kräfte. Es soll der in dem Ringe entstehende elektrische Strom berechnet werden, — unter der Voraussetzung, jene Kräfte seien von solcher Beschaffenheit, dass dieser Strom fortwährend als gleichförmig[2] angesehen werden kann.
Es sei
irgend ein Punct des Ringes, mit der Bogenlänge
ferner
die in diesem Puncte vorhandene elektromotorische Kraft, gerechnet in der Richtung von
(d. i. in der Richtung einer in
an den Ring gelegten Tangente); endlich sei
die Leitungsfähigkeit des Ringes. Alsdann wird im Puncte
eine elektrische Strömung
vorhanden sein, welche den Werth[3] besitzt:
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| Multiplicirt man diese Gleichung mit dem Querschnitt
![{\displaystyle q_{0}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/4c3f3ee648fa5cd8322c11b9c057225c64f71e5a)
des Ringes, und beachtet man, dass
![{\displaystyle q_{0}\ i_{0}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/863803e14622f8882ead48589c391b2d41ea6432)
identisch ist mit der sogenannten
Stromstärke
![{\displaystyle J_{0}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ef5d878fad4adf0604e28545147bb5f8bbe7c5da)
(vergl. pag. 2), so erhält man:
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oder was dasselbe ist:
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wo der hinzugetretene Factor
einen unendlich kleinen Zuwachs der dem Punkte
entsprechenden Bogenlänge
vorstellen soll.
Integriren wir nun die Gleichung (3.) über alle Bogenelemente
des ganzen Ringes, und beachten wir, dass zufolge der gemachten Voraussetzungen nicht nur
und
sondern auch
unabhängig sind von der Bogenlänge, so ergiebt sich:
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oder einfacher:
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wo
die Länge (d. i. den Umfang) des Ringes bezeichnet. Der Bruch
repräsentirt eine dem Ringe eigenthümlich zugehörige Constante, den sogenannten elektrischen Widerstand des Ringes. Bezeichnet man diesen Widerstand mit kurzweg
so lautet die erhaltene Formel:
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Soll also die in dem Ringe
entstehende Stromstärke
ermittelt werden, so handelt es sich um die Berechnung der hier auf der rechten Seite befindlichen Summe
Um die Vorstellungen zu fixiren, mag angenommen werden, ausser dem betrachteten Ringe
![{\displaystyle A\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c6aaf5ce10d6add44b973e28fb3d95f37abf3721)
seien noch beliebig viele andere Körper
![{\displaystyle B,C,D,\ldots \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/e7f3c47a3196e749c94338fc57b34f5a75f7d067)
vorhanden, jeder von beliebiger Gestalt und Grösse, und im Innern eines jeden dieser Körper
![{\displaystyle B,C,D,\ldots \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/e7f3c47a3196e749c94338fc57b34f5a75f7d067)
fänden irgend welche elektrischen Vorgänge statt; auch seien der Ring
![{\displaystyle A\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c6aaf5ce10d6add44b973e28fb3d95f37abf3721)
und die Körper
![{\displaystyle B,C,D,\ldots \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/e7f3c47a3196e749c94338fc57b34f5a75f7d067)
nicht etwa fest aufgestellt, sondern begriffen in irgend welchen Bewegungen. Jene im Ringe
![{\displaystyle A,\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c7ecbf50fd361db1c874d3a407ad7788214ac37e)
im Puncte
![{\displaystyle m_{0}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c8e25180043725ddd62fb3ae351c57acc6a8f276)
(d. i. in einem Puncte des Elementes
![{\displaystyle \mathrm {D} s_{0}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/4162b256889a10bce563a28d821d43dc35db36de)
) vorhandene elektromotorische Kraft
![{\displaystyle {\mathfrak {P}}_{0}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/3354f04bc040b83696979192c686dc0459b54f4a)
wird alsdann herstammen theils von den in
![{\displaystyle A,B,C,D,\ldots \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/210f31898c7cbbbe8a3915cb7fdf4a6e6af3216e)
augenblicklich vorhandenen elektrischen
Ladungen, theils auch von den augenblicklich in
![{\displaystyle A,B,C,D,\ldots \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/210f31898c7cbbbe8a3915cb7fdf4a6e6af3216e)
vorhandenen elektrischen
Strömungen; sie wird also eine Summe
zweier Kräfte sein, von denen
| die eine elektr
ostatischen, die andere elektr
odynamischen[4] Ursprungs ist. Die erstere, die Kraft elektr
ostatischen Ursprungs lässt sich sofort angeben; sie besitzt den Werth:
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wo
das elektrostatische Potential des Complexes
in Bezug auf den Punct
bezeichnet, d. i. in Bezug auf eine in diesem Punct zu denkende elektrische Masseneinheit [5]. Die letztere hingegen, die Kraft elektrodynamischen Ursprunges ist uns vorläufig noch völlig unbekannt; sie sei bezeichnet mit
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Alsdann wird:
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so dass also die Formel (6.) sich so darstellen lässt:
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oder, weil das erste Glied rechter Hand verschwindet[6], auch so:
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Durch Zusammenstellung von (6.) und (9.) folgt:
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oder was dasselbe ist:
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wo der hinzugefügte Factor
dasjenige Zeitelement vorstellen soll, auf welches die Formeln sich beziehen.
| Durch diese Formeln
ist die Ermittelung der im Ringe
entstehenden Stromstärke
zurückgeführt auf die Berechnung der rechts befindlichen Summen.
Bevor wir auf die Bestimmung dieser Summen uns einlassen können, bedarf es zuvor einiger Bemerkungen über rein äusserliche Dinge, nämlich über die üblich gewordene Bezeichnungsweise.
Die von uns eingeführten Grössen
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repräsentiren diejenige elektromotorische Kraft, welche in irgend einem Puncte
des Ringes
und zwar in der Richtung des Ringes, hervorgebracht wird von allen vorhandenen Körpern
zusammengenommen; wobei hinzuzufügen, dass
den ganzen Werth der genannten Kraft, hingegen
nur denjenigen Theil der Kraft repräsentirt, welcher elektrodynamischen Ursprunges ist. — Daneben pflegt man nun die Producte
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zu bezeichnen als diejenige elektromotorische Kraft, welche in dem genannten Punct und in der genannten Richtung von den Körpern
hervorgebracht wird während des Zeitelementes
wiederum mit dem Unterschiede, dass
den ganzen Werth dieser Kraft,
hingegen nur den elektrodynamischen Bestandtheil derselben angiebt[7].
| Was ferner die in
![{\displaystyle (10.\xi ,\eta )\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/7ef2459268b840f567b3a75c0480e818a539cc66)
enthaltene Summe
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betrifft, so pflegt man dieselbe zu bezeichnen als die Summe derjenigen elektromotorischen Kräfte, welche im ganzen Ringe
hervorgebracht werden durch die Einwirkung des Complexes
Diese Ausdrucksweise empfiehlt sich durch ihre Kürze, leidet aber an einer gewissen Ungenauigkeit. Denn strenge genommen würde man zu sagen haben: die Summe sämmtlicher Bogenelemente des Ringes
jedes multiplicirt mit der in ihm vorhandenen und in seiner Richtung gerechneten elektromotorischen Kraft. — Ausserdem endlich pflegt man das Product
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zu bezeichnen als die Summe derjenigen elektromotorischen Kräfte, welche im ganzen Ringe
durch Einwirkung des Complexes
hervorgebracht werden während des Zeitelementes
— Selbstverständlich findet zwischen den mit
und zwischen den mit
behafteten Ausdrücken
wiederum der schon erwähnte Unterschied statt; die erstern repräsentiren die ganzen Werthe der in Rede stehenden Summen; die letztern hingegen nur die elektrodynamischen Bestandteile derselben.
Die vom Complexe
in einem Puncte des Elementes
in der Richtung dieses Elementes hervorgebrachte elektromotorische Kraft eldy. Us
kann offenbar, entsprechend den einzelnen Körpern
in ebenso viele einzelne Theile zerlegt werden:
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und hiedurch ergeben sich analoge Zerlegungen für die in
angegebenen Summen. So wird z. B.
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In dieser Formel (14.) werden alsdann die Glieder der rechten Seite zu bezeichnen sein als die Summen derjenigen elektromotorischen Kräfte eldy. Us, welche im Ringe
während der Zeit
hervorgerufen werden respective von
selber, von
von
von
u. s. w.
Von der Berechnung dieser auf der rechten Seite von (14.) befindlichen Summen soll der folgende § handeln, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass, ebenso wie
ebenso auch
lauter Drahtringe sind.
- ↑ Vergl. die Bemerkung auf pag. 34.
- ↑ Ein elektrischer Strom soll ungleichförmig heissen, wenn seine Stärke eine Function von Zeit und Bogenlänge ist; er soll gleichförmig genannt werden, wenn seine Stärke nur eine Function der Zeit ist; und er soll endlich constant genannt werden, wenn seine Stärke weder von der Zeit, noch auch von der Bogenlänge abhängt.
- ↑ Es ergiebt sich dieser Werth augenblicklich aus der für lineare Leiter geltenden Fundamentalgleichung, Formel (9.), pag. 15.
- ↑ Man vergl. die früher (pag. 10, 11) festgestellte Nomenclatur.
- ↑ Bezeichnet nämlich
das eben genannte Potential, und sind
die Coordinaten des Punctes
so werden (vergl. pag. 26) die rechtwinkligen Componenten der in
vorhandenen elektromotorischen Kraft elektrostatischen Ursprungs die Werthe besitzen:
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Folglich wird die bei der Berechnung von
in Betracht kommende, nämlich der Richtung
entsprechende Componente jener Kraft den Werth besitzen:
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- ↑ Vorausgesetzt war nämlich, dass der betrachtete Ring
aus homogenem Metalle besteht. Demgemäss wird das Potential
längs des ganzen Ringes stetig sein; und folglich das über den Ring hinerstreckte Integral
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in der That gleich Null sein.
- ↑ Bewegt sich ein ponderabler Massenpunct
in der Richtung der
Axe unter der Einwirkung einer gegebenen Kraft
so gilt bekanntlich die Differentialgleichung
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wofür auch geschrieben werden kann:
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Das Produet
drückt also, wie diese Gleichung zeigt, denjenigen Zuwachs aus, welchen die mit
multiplicirte Geschwindigkeit des Punctes erfährt während der Zeit
Demgemäss würde man berechtigt sein, dieses Product
zu bezeichnen als die auf den Punct
während der Zeit
ausgeübte Kraft; gleichzeitig würde alsdann
selber etwa zu interpretiren sein als die während der Zeiteinheit ausgeübte Kraft.
Eine derartige Bezeichnungsweise, nicht gerade üblich im Bereich der ponderomotorischen Kräfte, empfiehlt sich als besonders zweckmässig bei Betrachtung elektromotorischer Kräfte, und stimmt z. B. auch vollständig überein mit der von meinem Vater angewandten Ausdrucksweise. Diese Bezeichnungsweise aber ist es, welche oben, mit Bezug auf die Producte
eingeführt wurde.