| Dritter Abschnitt.
Untersuchung gewisser Integrale, welche hin erstreckt sind über geschlossene Curven.
Es enthält dieser Abschnitt gewisse Betrachtungen, welche voranzuschicken erforderlich ist, falls langwierige Unterbrechungen in den nächstfolgenden Abschnitten vermieden werden sollen.
§. 14. Ueber diejenigen Unterscheidungen, welche mit Hülfe der Worte Links und Rechts ausgedrückt zu werden pflegen.
(1.) Erste Definition. Denkt man sich eine bestimmte Richtung
festgesetzt auf der Peripherie einer Kreisfläche, und ferner eine bestimmte Richtung
festgesetzt auf der Achse[1] der Kreisfläche, so sollen diese beiden Richtungen positiv zu einander genannt werden, sobald der in
Liegende und nach dem Mittelpunct der Kreisfläche Hinsehende die Richtung
markirt mit ausgestreckter Linken.
Wir haben uns also, falls die Richtung
![{\displaystyle \pi \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b64589f24cc8e145d021afa17d6564d55ea5a95c)
in gewöhnlicher Weise durch einen Pfeil angedeutet ist, eine ihrer Länge nach mit diesem Pfeil zusammenfallende menschliche Figur vorzustellen, in solcher Lage, dass ihre Füsse am Schweif, ihr Kopf an der Spitze des Pfeils sich befinden, und gleichzeitig ihre Augen nach dem Mittelpunct der Kreisfläche hingewendet sind. Die beiden Richtungen
![{\displaystyle \pi \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b64589f24cc8e145d021afa17d6564d55ea5a95c)
und
![{\displaystyle \alpha \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/652e1fd9c3a2ca00e1a517783cdbb0e18e4181f8)
heissen
positiv zu einander, sobald diese Figur die Richtung
![{\displaystyle \alpha \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/652e1fd9c3a2ca00e1a517783cdbb0e18e4181f8)
markirt mit ihrem ausgestreckten
linken Arm. Es wird mithin z. B. die scheinbare Bewegung der Sonne um die Erde
positiv zu nennen sein in Bezug auf diejenige Richtung der Erdachse, welche vom Nordpol zum Südpol geht.
| Durch
![{\displaystyle \alpha \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/652e1fd9c3a2ca00e1a517783cdbb0e18e4181f8)
ist ein geradliniges Fortschreiten, andererseits durch
![{\displaystyle \pi \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b64589f24cc8e145d021afa17d6564d55ea5a95c)
eine gewisse Drehung indicirt. Sind
![{\displaystyle \alpha \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/652e1fd9c3a2ca00e1a517783cdbb0e18e4181f8)
und
![{\displaystyle \pi \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b64589f24cc8e145d021afa17d6564d55ea5a95c)
positiv zu einander, so werden jenes
Fortschreiten und diese
Drehung ebenfalls als positiv zu einander zu bezeichnen sein.
Sind im Raume irgend zwei Linien
und
jede von festgesetzter Richtung, gegeben, welche ohne sich zu treffen in irgend welchem Abstande an einander vorübergehen, so wird, falls man die eine derselben, z. B.
als Achse betrachtet, gleichzeitig durch die andere
eine gewisse Umdrehungsrichtung um diese Achse markirt sein[2]. Oder anders ausgedrückt: Betrachtet man
als das
so wird gleichzeitig durch
ein gewisses
markirt sein. Mit Bezug hierauf gilt folgender Satz:
Sind die Linien
respective als
betrachtet, positiv zu einander, so sind dieselben, respective als
betrachtet, ebenfalls positiv zu einander.
Der Satz ist leicht zu beweisen, wenn wir ihn zunächst ein wenig anders aussprechen. Die beiden Linien
![{\displaystyle g,h\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/825089e907cef12293ffc0638fe118d1dc746ea5)
mögen durch die Linie
![{\displaystyle k\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/a5665cb00a844c1c6a671c119c6e4984d28fb851)
ihres kürzesten Abstandes starr mit einander verbunden sein; und diese starre Figur
![{\displaystyle (g,k,h)\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/4b8340f6500981657887262497a32c2913052c3d)
sei gegeben in zwei (congruenten) Exemplaren. In dem einen Exemplar sei
![{\displaystyle g\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ecc456e58b207759836214cb501a1aa1af3be5bd)
mit
![{\displaystyle \alpha ,h\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/2f30a514230215206e9f4d7499c7dffcdd5d9f51)
mit
![{\displaystyle \pi \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b64589f24cc8e145d021afa17d6564d55ea5a95c)
bezeichnet, in dem andern umgekehrt
![{\displaystyle g\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ecc456e58b207759836214cb501a1aa1af3be5bd)
mit
![{\displaystyle \pi ',h\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5a49ce88a5e28736ad5cfaa0abe288fcd8842922)
mit
![{\displaystyle \alpha '.\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/3a0733cac3d57b62f0a572e6502070e52637af78)
Darzuthun ist alsdann, dass wenn
![{\displaystyle \alpha ,\pi \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/05489eff961a74c02c94fa9592dae8506c1d91ad)
positiv zu einander sind, Gleiches auch gilt von
![{\displaystyle \alpha ',\pi '.\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f514dd31100594f77bd63edf0c7a05ae965f7feb)
Hiefür aber ergiebt sich der Beweis augenblicklich. Denn jene beiden Exemplare können, wie leicht zu übersehen, in
doppelter Weise mit einander zur Deckung gebracht werden, einerseits so dass
![{\displaystyle g\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ecc456e58b207759836214cb501a1aa1af3be5bd)
mit
![{\displaystyle g,h\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/825089e907cef12293ffc0638fe118d1dc746ea5)
mit
![{\displaystyle h\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/cecd947e6666832fcc39909b00dbde70caa9cf8c)
zusammenfällt, andererseits aber auch so, dass das
![{\displaystyle g\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ecc456e58b207759836214cb501a1aa1af3be5bd)
des ersten Exemplars mit dem
![{\displaystyle h\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/cecd947e6666832fcc39909b00dbde70caa9cf8c)
des zweiten, und das
![{\displaystyle h\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/cecd947e6666832fcc39909b00dbde70caa9cf8c)
des ersten mit dem
![{\displaystyle g\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ecc456e58b207759836214cb501a1aa1af3be5bd)
des zweiten zur Deckung gelangt
[3]. Jene beiden Exemplare
![{\displaystyle (g,h),\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/468a0b7601975d7870c89ac1122e1be8ef6b8f02)
welche respective bezeichnet waren mit
![{\displaystyle (\alpha ,\pi )\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/8414fd66db91ea37d6bb8555eae2b055233e5a8c)
und
![{\displaystyle (\pi ',\alpha '),\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f7873a66240e5895980cf4fcd7a3e86500cca978)
sind also unter einander congruent nicht nur im Sinne
![{\displaystyle (\alpha ,\pi ),(\pi ',\alpha '),\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c141a64c104ce47b9fd8b5e2a5e647e4ccd23cb7)
son
| dem ebenso auch im Sinne
![{\displaystyle (\alpha ,\pi ),(\alpha ',\pi ').\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ed3f801f9224c41f2a53e7f20bc23f770ac977d5)
Aus der Voraussetzung, dass
![{\displaystyle \alpha ,\pi \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/05489eff961a74c02c94fa9592dae8506c1d91ad)
positiv zu einander sind, folgt daher, dass
![{\displaystyle \alpha ',\pi '\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f7032bc43e977317a1d61c111ce71bd7ec7bc5a7)
ebenfalls positiv zu einander sind. W. z. b. w.
Aus diesen Betrachtungen entspringt die Berechtigung für folgende Bezeichnungsweise[4]:
(2.) Zweite Definition. Zwei im Räume aneinander vorbeigehende, unter irgend welchem Winkel gegen einander geneigte Linien mögen positiv zu einander genannt werden, sobald angedeutet werden soll, dass jene Linien zu diesem Namen berechtigt sind, falls man die eine als Achsenrichtung, die andere als Umdrehungsrichtung ansieht.
Oder anders ausgedrückt: Sie mögen positiv zu einander genannt werden, sobald der in der einen Linie Liegende und nach irgend einem Puncte der andern Linie Hinsehende die Richtung dieser andern mit ausgestreckter Linken markirt.
Die in (1.) speciell für eine Kreisfläche getroffene Festsetzung lässt sich ohne Schwierigkeit ausdehnen auf jedes beliebige Flächenstück, einerlei ob dasselbe eben oder krumm ist; man gelangt alsdann zu folgender Definition:
(3.) Dritte Definition. Ist längs des Randes eines gegebenen Flächenstücks eine bestimmte Richtung
festgesetzt, und ist ferner in irgend einem Puncte
dieses Flächenstücks eine Normale
von bestimmter Richtung construirt, so wird man zunächst bei einer auf dem Flächenstück um
beschriebenen unendlich kleinen Kreislinie diejenige Richtung
anzugeben im Stande sein, welche mit jener Umlaufsrichtung
gleichsinnig ist. Solches ausgeführt gedacht, sollen
und
positiv zueinander genannt werden, sobald
und
positiv zu einander sind[5].
Endlich mag noch hinzugefügt werden folgende
(4.) Vierte Definition.
Sind
drei Strahlen, welche von ein und demselben Punct
ausgehen, so mag der Cha| rakter dieses Strahlenbündels positiv genannt werden, sobald die durch die Reihenfolge
indicirte Umlaufsrichtung positiv ist in Bezug auf irgend einen vierten von
ausgehenden Strahl, dessen Neigungen gegen
kleiner als
sind.
Bezeichnet man also diesen vierten Strahl mit
und bezeichnet man ferner mit
dasjenige sphärische Dreieck, welches auf einer um
beschriebenen Kugelfläche durch die Strahlen
markirt ist, so wird das Strahlenbündel
seinem Charakter nach positiv zu nennen sein, sobald die durch die Reihenfolge
indicirte Umlaufsrichtung des sphärischen Dreiecks positiv ist in Bezug auf die durch
repräsentirte Normale.
(5.) Determination. Für alle folgenden Untersuchungen sei festgesetzt, dass das zu Grunde gelegte rechtwinklige Achsensystem (
oder
oder
) jedesmal von positivem Charakter ist.
Von der Definition (4.) aus gelangt man (und zwar am einfachsten wohl durch unmittelbare Anschauung) zu folgendem
(6.) Satz. Bilden drei von demselben Punct ausgehende Strahlen
ein Strahlenbündel von positivem Charakter, so wird ein in
Liegender und in der Richtung von
Fortsehender die Richtung von
markiren mit ausgestreckter Linken.
Wir gehen nunmehr über zu sich anlehnenden analytischen Betrachtungen. Es sei
ein rechtwinkliges Achsensystem mit dem Anfangspunct
und
die Verlängerung von
über
hinaus. Dann ist
von positivem, hingegen
von negativem Charakter; was angedeutet werden mag durch
|
|
Es sei nun ferner
ein beliebig gegebenes von
ausgehendes Strahlenbündel, und
derjenige vierte Strahl, welcher gegen
unter gleichem, und zwar spitzem, Winkel geneigt ist. Setzt man also
|
|
so wird
sein; während gleichzeitig unter
diejenigen Winkel verstanden werden sollen, unter welchen die Ebenen von
in der Linie
zusammenstossen.
Indem wir die Linie
![{\displaystyle \alpha \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/652e1fd9c3a2ca00e1a517783cdbb0e18e4181f8)
ungeändert lassen, ertheilen wir den Strahlen
![{\displaystyle r_{1},r_{2},r_{3}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b8c18d6d511c3c007df39a54080f0c559fb4292b)
um den Punct
![{\displaystyle O\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/dc65df45ccddbed8d8cee9370d6efa4e69b8e9f9)
derartige Drehungen, dass zunächst
| ![{\displaystyle \cos \varphi _{1}=\cos \varphi _{2}=\cos \varphi _{3}={\sqrt {\tfrac {1}{3}}},\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f85d20c377940b8dc4e5db931ad820d30cce6ae0)
und dass sodann
![{\displaystyle \psi _{1}=\psi _{2}=\psi _{3}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d005e443e08e2b42e3ebfc0244a9c66d3cca49d7)
wird. Diese Bewegung lässt sich offenbar immer in stetiger Weise, und zugleich in solcher Weise ausführen, dass die Strahlen
![{\displaystyle r_{1},r_{2},r_{3}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b8c18d6d511c3c007df39a54080f0c559fb4292b)
während des ganzen Verlaufes der Bewegung
niemals in dieselbe Ebene zu liegen kommen. Nach Ausführung dieser Bewegung wird das Strahlenbündel
![{\displaystyle r_{1},r_{2},r_{3}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b8c18d6d511c3c007df39a54080f0c559fb4292b)
ein rechtwinkliges sein.
War nun das Strahlenbündel
zu Anfang von positivem Charakter, so wird dasselbe während jener Bewegung, bei welcher niemals alle drei Strahlen in dieselbe Ebene fielen, diesen Charakter beibehalten, und also zu Ende jener Bewegung congruent sein mit dem Achsensystem
War andererseits das Strahlenbündel zu Anfang von negativem Charakter, so wird es nach Ausführung jener Bewegung congruent sein mit dem Systeme
Demgemäss wird es nachträglich nur noch einer gewissen Drehung des rechtwinklig gewordenen Strahlenbündels
um den Punct
bedürfen, damit dasselbe im einen Falle mit
im andern mit
zur wirklichen Deckung gelange.
Ein beliebig gegebenes Strahlenbündel
von positivem Charakter wird also durch eine stetige Bewegung seiner Strahlen, und ohne diese Strahlen jemals in dieselbe Ebene zu bringen, zur Deckung gebracht werden können mit dem Systeme
Und in analoger Weise wird ein Strahlenbündel
von negativem Charakter zur Deckung gebracht werden können mit dem Systeme
Sind nun
die Richtungscosinus der Strahlen
in Bezug auf die Axen
so wird die Determinante
|
|
während der eben genannten Bewegung sich verwandeln
|
|
jenachdem der Charakter des Strahlenbündels positiv oder negativ ist. D. h. die Determinante
wird im erstem Fall in
im letztern in
übergehen.
Dieser Uebergang wird, weil jene Bewegung der Strahlen eine stetige ist, ebenfalls ein stetiger sein, und wird gleichzeitig, weil jene Strahlen bei ihrer Bewegung
niemals in dieselbe Ebene fallen, in solcher Weise erfolgen, dass die Determinante inzwischen
niemals Null wird.
| Die Determinante
![{\displaystyle \Delta \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5cc584330f1a6ebb48075db4580c19d19a1e97a3)
kann also, in stetiger Weise und ohne inzwischen Null zu werden, in
![{\displaystyle +1\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b0ffad41a828a17372b29a0ee44029d0b3fe23e9)
oder in
![{\displaystyle -1\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f821a3bcf09229fc33b355f35f6a91e7b1952c04)
übergeführt werden, jenachdem das gegebene Strahlenbündel
![{\displaystyle r_{1},r_{2},r_{3}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/b8c18d6d511c3c007df39a54080f0c559fb4292b)
von positivem oder negativem Charakter ist. Hieraus aber folgt sofort, dass jene Determinante
![{\displaystyle \Delta \,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5cc584330f1a6ebb48075db4580c19d19a1e97a3)
auch schon während ihres ursprünglichen Zustandes im erstern Fall einen positiven, im letztern einen negativen Werth besessen haben muss. Wir gelangen daher zu folgendem Ergebniss:
Satz. Der Charakter eines beliebig gegebenen Strahlenbündels
|
|
wird jederzeit positiv oder negativ sein, jenachdem die zugehörige Determinante
|
|
einen positiven oder negativen Werth besitzt.
Es ist ferner das analytische Kriterium zu eruiren, für zwei Linien
welche zu einander positiv sind [vergl. (2.)]. Die Linie
mag durch zwei Puncte markirt, und demgemäss mit
bezeichnet sein; ebenso
bezeichnet sein mit
Liegen nun
und
positiv zu einander, so wird (wie die unmittelbare Anschauung zeigt) das Strahlenbündel
ebenfalls von positivem Charakter sein, was angedeutet sein mag durch:
|
|
Sind
und
die Coordinaten von
und
ferner
und
die Richtungscosinus von
und
so werden
|
|
die rechtwinkligen Projectionen von
und
|
|
die rechtwinkligen Projectionen von
vorstellen; dabei ist unter
eine positive Zahl, nämlich die Länge von
zu verstehen. Aus (8.) folgt daher durch Anwendung des Satzes (7.) sofort:
|
|
oder was dasselbe ist:
|
|
| Hiefür endlich kann geschrieben werden:
|
|
Somit gelangen wir zu folgendem Resultat:
Satz. Sind im Raume irgend vier Puncte
gegeben, sind ferner
und
die Coordinaten von
und
und sind endlich
und
die Richtungscosinus von
und
so werden die beiden Linien
und
positiv oder negativ zu einander liegen, jenachdem die Determinante
|
|
einen positiven oder negativen Werth besitzt.
Es sei gegeben ein ebenes Flächenstück, begrenzt von einer convexen Randcurve [6]; und es seien
und
die Coordinaten für irgend zwei aufeinanderfolgende Puncte dieser Randcurve; ferner seien
die Coordinaten eines beliebigen Punktes
im Innern des Flächenstückes. Endlich seien
die Richtungscosinus derjenigen in
errichteten Normale, welche positiv liegt zu der durch die Reihenfolge
indicirten Umlaufsrichtung. Alsdann wird, weil die Curve überall convex ist, die Linie
positiv liegen zur Normale
Folglich wird, nach (9.), die Relation stattfinden:
|
|
d. i. die Relation
|
|
Andererseits ergeben sich, weil
gegen
und gegen
senkrecht steht, sofort die Relationen:
|
|
wo
einen noch unbekannten Factor vorstellt. Dieser Factor bestimmt sich durch die bekannte Relation:
|
|
| man erhält also :
|
|
oder einfacher geschrieben:
|
|
wo
und
die Längen der beiden Linien
und
vorstellen, während
den Winkel bezeichnet, unter welchem diese beiden Linien gegen einander geneigt sind. Somit folgt:
|
|
oder was dasselbe ist:
|
|
wo
den Flächeninhalt des durch den Punct
und das Linienelement
bestimmten Dreiecks vorstellt. Somit ergiebt sich :
|
|
Demgemäss nehmen die Werthe von
(11.) folgende Gestalt an:
|
|
Substituirt man aber diese Werthe in die Gleichung (10.a, b), so ergiebt sich sofort, dass die bisjetzt noch zweifelhafte Grösse
den Werth
besitzen muss [7]. Man erhält also schliesslich:
|
|
Summirt man die erste dieser Gleichungen über sämmtliche Elemente
der gegebenen Randcurve, so erhält man:
|
|
Nun ist offenbar
ebenso
und
ferner
falls man nämlich unter
den Flächeninhalt des gegebenen Flächenstückes versteht. Somit ergiebt sich:
|
|
| Diese Gleichungen (15.) sind vorläufig nur bewiesen für ein ebenes Flächenstück von
convexer Randcurve. Doch lässt sich nachträglich leicht zeigen, dass sie allgemeinere Geltung besitzen. Ist nämlich ein ebenes Flächenstück gegeben von
beliebig geformter Randcurve; so wird man dasselbe offenbar zerlegen können in
kleinere Flächenstücke, jedes von
convexer Randcurve, z. B. zerlegen können in lauter unendlich kleine Dreiecke. Die Gleichungen (15.) gelten alsdann für jedes dieser
kleineren Flächenstücke. Hieraus aber folgt sodann durch Summation sofort, dass sie auch gültig sind für das
gegebene Flächenstück. Somit gelangen wir zu folgendem Resultat:
Satz. Sind [mit Bezug auf irgend ein rechtwinkliges Axensystem[8])],
und
zwei aufeinanderfolgende Puncte am Rande eines beliebig gegebenen ebenen Flächenstückes, sind ferner
die Richtungscosinus derjenigen auf dem Flächenstück errichteten Normale, welche positiv liegt zu der durch
indicirten Umlaufrichtung[9]), und bezeichnet endlich
den Quadratinhalt des Flächenstücks, so werden jederzeit die Relationen stattfinden:
|
|
die Summation (oder Integration)
ausgedehnt gedacht über den ganzen Rand des Flächenstückes.
- ↑ Unter der Achse ist die auf der Kreisfläche in ihrem Mittelpunct errichtete Normale zu verstehen.
- ↑ Man kann sich nämlich die Linien
enthalten denken in einem starren Körper,
als eine feste Achse des Körpers,
aber als eine auf den Körper einwirkende Kraft ansehen. Durch diese Kraft
wird alsdann der Körper um jene Achse in einem bestimmten Sinne in Umdrehung versetzt werden.
- ↑ Dass die erste Deckungsart möglich ist, folgt unmittelbar aus der vorausgesetzten Congruenz der beiden Exemplare. Denken wir uns nun aber die beiden Exemplare in dieser Lage, also
mit
mit
folglich auch
mit
zusammenfallend, und lassen wir vom Mittelpunct der Linie
eine Achse
ausgehen, gleich geneigt gegen die beiden Richtungen
und
so wird das eine Exemplar
falls man dasselbe um die Achse
um 180° dreht, von Neuem mit dem andern Exemplar zur Deckung gelangen, diesmal aber so, dass
und
respective mit
und
zusammenfallen. Dies aber ist die behauptete zweite Deckungsart.
- ↑ WS: Satzfehler korrigiert: Bezeichungsweise → Bezeichnungsweise
- ↑ Sind die Richtungen
und
(im eben angegebenen Sinne) positiv zu einander, so pflegt man
auch positiv zu nennen in Bezug auf diejenige Seite des Flächenstücks, auf welcher die Normale
errichtet ist, z. B. positiv zu nennen in Bezug auf die obere Seite, indem man als obere Seite kurzweg diejenige bezeichnet, auf welcher
errichtet ist. In solcher Weise tritt die hier gegebene Definition in volle Uebereinstimmung mit der von mir bei einer früheren Gelegenheit ausgesprochenen Definition (Vorlesungen über die Riemann’sche Theorie der Abel’schen Functionen. Verlag von Teubner in Leipzig. 1865. pag. 71).
- ↑ Dieses Flächenstück kann also z. B. auch dargestellt sein durch eine Dreiecksfläche oder überhaupt durch ein ebenes convexes Polygon.
- ↑ Es ist nämlich zu beachten, dass die Grösse
den Flächeninhalt eines Dreiecks vorstellt, und folglich von positivem Werthe ist.
- ↑ Selbstverständlich soll das Axensystem in Einklang gedacht werden mit der ein für alle Mal getroffenen Determination (5.).
- ↑ Unter der Umlaufrichtung
ist diejenige zu verstehen, welche angedeutet wird durch die Aufeinanderfolge der beiden Puncte:
|
|