Die diesjährige Kunst-Ausstellung in Dresden

Textdaten
Autor: Helmina von Chézy
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Titel: Die diesjährige Kunst-Ausstellung in Dresden.
Untertitel:
aus: Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz, 146stes Blatt
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1822
Verlag: Maurer
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Katalog der Ausstellung siehe: Verzeichniß der am Augustustage den 3. August 1822 in der Königlich Sächsischen Akademie der bildenden Künste zu Dresden ausgestellten Kunstwerke
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Die diesjährige Kunst-Ausstellung in Dresden.

(Von Helmine von Chezy.) Mein schnell gefaßter Entschluß, auf einige Wochen Berlin zu besuchen, hinderte mich, ab zu warten, daß die Ausstellung vollständig sey; so kann ich denn nur Bruchstücke geben, nur das, was mir bei flüchtiger Anschauung im Gedächtniß geblieben. – Die Banditenbraut, von Robert aus Rom, im verjüngten Maaßstab, ein kraftvolles, höchst anziehendes Bild. Im vollen Aufputz seines Landes und Gewerbes liegt der Räuber, sicher schlummernd, weil die Liebe wacht. Das schöne Mädchen lauscht ängstlich gespannt nach der Ferne, sie hört Geräusch, schon zuckt ihre Hand, den grausen Liebling auf zu schrecken, der bleich, im tiefsten Schlaf ihr zu Füßen liegt, gewaffnet von Kopf bis zum Fuß Die Dirne möchte’ ich wild-schön nennen; Angst und Treue in Blick und Ausdruck rühren und gewinnen; das volkstümlich Italische ist höchst wahr aufgefaßt. Farbe und Ausführung, kühn und brav, lassen nichts zu wünschen übrig. – Der Kampf mit dem Drachen von Kehrer (Dessauischer Hof-Maler, jetzt in Ballenstädt), ist ein Bild, worin die Gruppe zweckmäßig und sinnig geordnet; der Jüngling, auf der Wange den Purpur der Beschämung, [692] den stolzen Blick zu Boden geheftet, ist sehr brav; der Kopf des Großmeisters herrlich, die Färbung und Behandlung der schwarzen Ordenstracht bezeugt den kundigen Maler. Auch die Nebenwerke dieses Gemäldes sind mit vielem Fleiße behandelt. so z. B. ist des jungen Streiters Dogge aus dem Leben gegriffen. – Von Wagner ist, in der reinlichen, wohlgeordneten Bürgerstube, Großmutterchen und Enkelin bei der Arbeit, herrlich kolorirt, mit Treue und Leben dargestellt. – Schlesinger aus Heidelberg malte ein junges Mädchen, niederblickend auf ein Miniatur-Gemälde. Unverkennbares und schönes Streben nach der Darstellungsweise der alten, guten Meister, und herrliche Färbung. Wir danken Hrn. Schlesinger die Ansicht einer, für den Dom zu Speier zum Altarblatt, auf Anordnung des Kronprinzen von Bayern bestimmte Copie der großen Raphaelschen Madonna Sistina, die einzig treffliche und befriedigende, die seit langer Zeit gesehen worden. So hat uns auch in der Doubletten-Gallerie eine Copie der Nacht von Correggio, vom verstorbenen Vogel, überrascht, die ein schöner Traum. von jener seligen Nacht ist; denn nicht ganz ist sie vollendet, aber so weit sie es ist, unübertreflich. Correggio’s Nacht möchte nach schwerer zu copiren seyn, als Raphael’s, hehre Madonna. – Professor Carl Vogel war, als wir von Dresden reisten, beschäftigt, den Carton zu seinem Fresco-Gemälde in Pillnitz: die Philosophie, für die Ausstellung noch ein wenig aus zu arbeiten. Dies in der Idee und Ausführung so herrliche Bild, so einfach im Großen und so schön in der Einfachheit, wird jedes Auge erfreuen. Ein sinniger und hoher Freund der Künste, und des Schönen äußerte dem würdigen Meister scherzend: „Einen Vorzug hat Ihre Philosophie vor der Philosophie selbst voraus: sie ist fertig!“ – Unter den Landschaften ist es billig, zuerst die des genialen und bezaubernden Friedrich, dann des wackeren Norwegen Dahl zu erwähnen, die würdig einander gegenüber stehen. Ein herrlicher entlaubter Baum auf beschneetem Boden, durch dessen weithin verbreitete Zweige der Abendhimmel leuchtet, indeß ihn Vögel umflattern, erfreut uns durch Idee und durch die lebendige Wahrheit der Darstellung; nur wenige Landschafter verstehen, wie Ruisdael, Claude Lorrain u. A., das Leben des scheinbar Unbelebten in der Natur: Friedrich versteht es vollkommen. Auch sein Nebel-Bild ist herrlich. Die Elb-Gebirge tauchen auf aus dem Morgenhauch, der, wie ein Schleier, den Strom überzieht; Gesträuch, Schiffsmaste, Kies und Sand dammern aus der ahnungsvollen Hülle hervor. Das dritte Bild, welches wir in diesem Jahre dem werthen Meister verdanken, hat auch seinen eigenthümlichen Werth: es stellt einen Klosterhof vor, und ist sehr kräftig gefärbt und mit des Künstlers eigenem Zauber ausgestattet.– Dahl’s Landschaft: Dresden von der Morgenseite, sein Sturm, seine Insel Ischia, letzteres Gemälde besonders, gehören zu dessen, treflichsten Arbeiten. Alle drei nehmen sich im Saal, wie auch die von Friedrich, bei der Morgenbeleuchtung am schönsten aus, die überhaupt Gemälden am günstigsten ist. In dem entlaubten Baum auf beschneetem Boden, bei Purpurschein des schön gerötheten Himmels, hat sich Dahl mit Friedrich begegnet, doch kann man beide Gemälde, in der einem jeden besondern Eigenthümlichkeit, mit wahrem Vergnügen einander gegenüber sehen. – Unverkennbar und erfreulich offenbart sich in Dahl’s Werken jenes Verstehen der Natur, ohne welches die unübertreflichste Fertigkeit und Vollendung das Prinzip des Lebens entbehrt. Hier und da fanden wir im vorigen Jahre in seinen Werken – diesmal auch wohl in seiner, übrigens sehr ergreifenden Landschaft: der Meeressturm, Gelegenheit, zu wünschen, daß die Farbe natürlicher, nicht so hinüber spielend in das Bunte seyn möchte, wie hier bei den Meereswellen, wenn schon Calderon sagt, daß auf der bewegten Fläche:

Blumen ringen mit den Schäumen,
Oder Schäume mit den. Blumen.

Der paradiesische Landsitz, das stolze Schloß der liebenswürdigen Gräflichen Familie Thun-Hohenstein, von Graf’s fleißiger Hand, begrüßte mich hier als theure, willkommene Erinnerung. Das hehre Gebirg und das lachende Thal zu Tetschen an der Elbe, mit seinen Rosengarten, die jede Hütte umkranzen, mit gigantischen Nußbäumen und tausendjährigen Linden, erinnert lebhaft an die schönsten Ufer vom Neckar und dem Rhein. Wohl nie war ein trauliches Thal so weise beschirmt von Felsmassen vor den Stürmen des Nords und Nordwests, und so anmuthsvoll offen gen Osten, Süden und gen Sonnen-Untergang, als dieses; und nirgends sieht man herrlichere Bäume, schönere Wiesen und anmuthiger liegende Meiereien, die rings um den Bezirk des Schlosses sich verbreiten: Die ganze Gegend ist ein Idyll, die Nähe bezaubernd, die Ferne ahnungsvoll. Wenn man das blühende, quellendurchströmte Thal mit dem Felsenschloß – das, hervor blickend aus den Wipfeln des entzückenden Parkes, die Gegend beherrscht – hinter sich läßt, und sich westlich an der Elbe entlang wendet, so beut der Weg am Ufer, oder der Fahrweg durch lachende, wohlbestellte Felder über Tilkowitz nach dem traubenreichen Aussig, Punkte dar, die denen am Rhein nichts nachgeben, und, abgerechnet, daß die Elbe nicht so breit ist, bis zur Täuschung an die Rheinufer erinnern. Zwischen Tetschen und Tilkowitz erheben sich mehrere Felsgruppen von Bedeutung, dem Maler und dem Dichter Aufforderung zu künstlerischer Darstellung durch Schönheit der Gestaltung und durch die Sagen, die auf ihnen ruhen. Graf giebt uns den Sperlingstein mit großer Wahrheit, und von einem sehr glücklichen Gesichtspunkt aus, im Bilde wieder. – Der, als Mensch und wissenschaftlich gebildeter Arzt ehrenwerthe Professor Dr. Carus, der, ein fleissiger Dilettant, immer tiefer in das Wesen der Kunst eindringt, darf nicht übergangen werden, wenn man von der diesjährigen Ausstellung spricht. Er beschenkte uns mit mehreren sinnigen und lieben Bildern, wovon ich nur die Sennenhütte und die Phantasie aus der Alpenwelt nenne. Ein Adler-Paar, horstend auf hoher schroffer Felsenspitze; ringsum aus der Schlucht, aus dem Nebel steigen höhere Alpen hervor. – Es war noch manches Lobenswerthe schon da, als ich die Ausstellung besuchte, nur daß mein Gedächtniß mir nicht treu die flüchtige Anschauung wieder giebt. Bei meiner nahen Rückkehr nach Dresden hoffe ich, Alles ruhiger zu sehen und Ihnen darüber zu berichten. Lassen Sie mich jetzt bei einem Gegenstande verweilen, mit welchem ich Gelegenheit hatte, mich noch vor der Ausstellung zu befreunden. Dies sind die Miniatur-Gemälde des wackeren Oechs aus Mietau, ursprünglich aus Schwaben gebürtig, der in seinem Fache eine bisher noch ungekannte Höhe technischer Vollendung erstiegen hat. – Die Gemälde von Oechs sind mit Wasserfarben auf Pergament, oder auch auf Elfenbein, mit eigenthümlicher Zubereitung und noch nicht dagewesener Behandlung, so kraftvoll und saftig, wie die treflichsten Oel-Gemälde. Der Grund ist ganz gedeckt, und man könnte die Behandlung plastisch nennen, so gediegen ist sie, so sehr behält jede Muskel ihr Recht, und so treflich rundet sich Alles, wie denn auch die Färbung im hohen Grade effektvoll ist. – Auf der Ausstellung befindet sich: 1.). Das köstliche Bild eines niederländischen Meisters, gemalt wie ein Gerard Dow; 2) Eulenböck, nach Tieck’s Novelle: „Die Gemälde“; 3) ein alter Kopf; 4) ein Greis; 5) eine Magdalene; 6) eine Sybille; 7) ein Christus, nach Guido Reni; 8) eine Madonna, nach Francesko Solimene; 9) eine Madonna, nach Trevisani, beide frei copirt: – In der Werkstatt des Künstlers sahen wir: Mignon, und bei Hrn. K. C. Krautling (aus Mietau) ein Sybille von Oechs, wie mehrere Portraits. – Tieck’s Novelle: „Die Gemälde“ (in Gleditsch’s Taschenbuch zum geselligen Vergnügen“) ist so bekannt geworden, daß vielleicht nicht zu erörtern nöthig, wer Eulenböck ist. Kein Wunder, wenn diese geistreiche Darstellung unsere Künstler lebhaft ergriff.

[695] Eulenböck, diese lebende und wandelnde Ironie seiner selbst und alles Schönen, Wahren und Guten zugleich, steht auf dem Bilde von Oechs vor uns, eben wie er, den Becher voll purpurnen Weines in der Hand, vom Wein spricht. Der Erzschelm, der gutmuthig aus zu sehen weiß; der Cyniker, der sich [696] gleichwohl den Bart abnehmen lassen; der ausgeloderte Wüstling, der immer noch neues Lebensfeuer aus allen Untiefen seines Wesens durch den Wein in die Höhe pumpt, der geniale Teufel, der mit seiner Kunst Hohn und Spott treibt, der das Schöne, was er hervor bringen kann, zum Knecht seiner Gewinnsucht macht; der Tausendkünstler, dem der idealisirende Italiener, wie der karrikirende Niederländer, Julio Romano, Salvator Rosa und der Höllenbreughel nur stehende Masken für seine Schalkheiten sind; der gemüthlich lächelnde Taugenichts, der, was er an das Herz drückt, geistig zermalmt; physisch aber bereits mehr schlürft als kaut, da ihm nur noch Ruinen vom ehemaligen Zahnbau geblieben – Eulenböck endlich, häßlich und lockend zugleich wie die Sunde, überläßt sich eben, preisend den Wein und schelmisch verzückt, dem wonnigsten Behagen. Seine Worte scheint er mehr seliglich ein zu schlürfen, als aus zu sprechen: nie war ein Redner von seinem Gegenstand inniger durchdrungen. – Eulenböck’s Gesicht erinnert ein wenig an Voltaire; nur die lauernde Katzenfreundlichkeit hat er als Zugabe. Das Colorit kann man nicht treffender schildern, als wenn man sagt: der Wein hat es gemacht; das dünne graue Haar, das beinahe schalkhaft um Scheitel und Stirne spielt, ist höchst charakteristisch, und, wie Alles im Bilde, meisterhaft behandelt. Hier noch wieder vom Technischen zu reden, von der Behandlung der Einzelheiten, vom Widerschein des Weines im Glase auf der Hand, vom grauen bequemen Tuchrock, vom gelblichen, nachlässig umgeknüpften Halstuch, vom Ohre, das sich im immerwahrenden Lauschen zu spitzen scheint, vom prachtvollen Einklang des Ganzen, wäre Ueberfluß; Arbeiten von geringerem technischen Gehalt gehen nicht aus den Händen des Meisters hervor, so wie nur sein ächt humoristischer Geist mit so viel Kraft und Natur uns diese heitere Schöpfung Tieck’s hervor zaubern konnte.

Auf einer Pergament-Tafel von 5 Zoll sehen wir einen bittenden Greis, in blauer Weste, der graue Mantel über den Sitz gebreitet, der Knotenstock liegt neben ihm; seine ausgestreckte Hand ist bereit, die Gabe zu empfangen, die sein Blick ersehnt. Scheint er doch zu sagen: Geben ist seliger denn Nehmen; deutet doch das ganze, liebe, ehrliche Gesicht, die ausdrucksvolle Stirn, so sparsam vom Schnee der Locken umwoben, auf einst erlebte, noch unvergessene bessere Tage hin; seine Gutmüthigkeit leuchtet aus dem bescheidenen, treuherzigen Blick der großen blauen Augen; schon gewohnt, Elend zu tragen, und mit unerschüttertem Glauben an der Menschen Mitleid ist er ergeben in den unerklärlichen Willen der Vorsehung, die ihm, statt der Seligkeit des Gebens, die karge Labung des Dahinnehmens beschied. Das reinliche Hemd trägt die Spuren der Dürftigkeit, und die braune Hand bezeugt, daß er die Arbeit nicht scheute, als er noch einher ging in der vollen Kraft seines nun gebeugten Körpers. – Pergament-Tafel: Christus in der Dornenkrone, frei nach Guido Reni. Trefliche Behandlung; man vermeint, es sey, auf Elfenbein gemalt; Haar, Bart, Dornenkrone, Schatten und Lichter, Alles vollendet; der Ausdruck erschütternd; die Augen tragen die Spuren der Thränen der Leidensnacht; die in der Ecke des Rundes angebrachten Sinnbilder sind bedeutsam und anziehend: – Elfenbein-Tafel: Syrille des Orients, auf graubraunem Grunde, in reichem phantastischen Schmuck, in dessen Anordnung man gleichwohl Einheit und Großartigkeit nicht vermißt. Das Colorit so blühend als zart, das Gesicht ein schön gerundetes Oval, die Stirne der Sitz des Genius; die hohen schwarzen Augen sind würdige Spiegel der ernsten Bilder der Zukunft, die vor ihren Blicken schweben. Was läßt sich nicht Alles aus diesen Augen lesen, wenn man sie lange anschaut! – die Tiefe schöpferischer Kraft erschließt hier ihre Wunder, um den vollen rosigen Mund spielen Geister der Milde, ein hoher Ernst adelt die schönen Züge, geschaffen zu Liebe und Hingebung, aber vom Geist hinüber getragen in eine höhere Sphäre des Seyns. – Mignon. Eine in tiefer Begeisterung für Goethe’s Schöpfung aufgefaßte Gestalt, wie sie wohl vor unser inneres Auge tritt, überraschend in das Leben gerufen durch den Zauber der Kunst. Der Meister hat den Moment gewählt, wo Mignon, noch in des Seiltänzers Gewalt, in ihrer spanischen Kleidung an Wilhelm vorüber eilt. Wie das Kind ein schönes Räthsel, mehr herb als süß, mehr schön als anmuthig, im Inneren glühend und tief verschlossen, so auch dies Bild; dem ersten Blick Hieroglyphe, erst nach und nach seine Tiefe offenbarend. Das bräunlich südliche Colorit, die wunderbare hohe, schöne Stirn, die antik und fein gebogenen Augenbraunen, die längliche Nase, würdig eines griechischen Gesichtes, der Mund, mit der seltsamen Zuckung nach links, das Kinn, in der Mitte hold gespalten, bilden ein eigenthümliches, unwiderstehlich anziehendes Ganze. Das dunkle Haar umwindet in Flechten und Locken das Haupt und läßt die hohe Stirn frei, ungezwungen an den Schläfen niederwaltend. Die nette Halskrause, das tiefblaue Kleid, zierlich und sinnig – alle Nebenwerke treflich. – Bis zur Täuschung wird bei längerem Anschauen das Bild lebendig; es hat so reiche Eigenthümlichkeit, daß man glauben sollte, es sey nach der Natur gemalt. Nichts ist hier, was nicht in weisem Uebergang in einander verschmolzen und zum Einklang gebracht wäre; man weiß nicht, wo der Pinsel geruht, man vermeint, diese Schatten irren nur auf dem holden Angesicht, und werden gleich entschweben. Emaille und Oehl bringen keine kraftvollere Wirkung, als diese ganz einzige Behandlung hervor. Das Bild ist auf Elfenbein. – Pergament-Tafel, frei nach Francesko Solimene: Die Jungfrau in Schmerzen; zwei Engel belauschen sie. Ein zarter Schleier von abgedampftem Gelb umfließt in edler Anordnung Haupt und Schultern; der blaue Mantel ist nachlässig um die schlanke Gestalt geschlungen, die zarten schönen Hände sind gefalten und ruhen darauf; der Arm ist auf ein steinernes Postament gestützt. Maria schaut aus der Nacht unermeßlicher Schmerzen zu Gott empor; ihrem Blick enthüllt sich, alle Wolken durchdringend, der Strahl des Trostes und der Liebe, den nur die Unschuld im Leide schaut. Das noch in Thränen schwimmende, verweinte Auge, so ahnungsvoll und süß, rührt unaussprechlich. Das Schönste und Eigenste in dieser Darstellung gehört unserem Künstler, der es hinein gelegt, und nur die Grundlage der Idee von Solimene entnommen. – Große Pergament-Tafel, frei nach Trevisani: Ein heiteres Bild des Lebens und der Liebe: die Mutter hebt den Schleier auf vom schlafenden Jesuskinde, der kleine Johannes bleibt anbetend vor ihm stehen. Hier thront die Göttliche in der Glorie der reinen Weiblichkeit; an des Kindes Wiege ist sie ganz Mutter, und der Strahl der mütterlichen Seligkeit muß jede Brust durchdringen. Maria hat eben in einem Buche gelesen, in welchem sie als Zeichen eine Lilie hinein gelegt. Ein Schleier, spielend in ein sanftes Meergrün, umwallt der Jungfrau schön gescheiteltes, lichtbraunes Haar, und fällt in reichen, großartig geordneten Falten herunter. Maria’s Augenlieder senken sich, mild lächelt der süße Mund, das wonnige Angesicht blüht wie der Frühling. Die ganze Gruppe, besonders das holde schlummernde Kind, ist in schönem Helldunkel gehalten, mit der dem würdigen Künstler ganz eigenen Vollkraft. Das Innere der Wiegen-Wölbung ist von dem Schein, der um des Kindes Haupt ahnungsvoll dämmert, sanft erhellt, und zarte Widerscheine spielen auf dem Antlitz, das wiederum vom aufgehobenen Wiegenschleier zart beschattet ist. Das Ganze ist so kühn gedacht, als lieblich gehalten, und die Anschauung von unwiderstehlichem und tiefem Reiz. – Wenige Künstler nur bieten ihre volle Lebenskraft auf, um ihre Werke würdig zu gestalten. Oechs thut es; möge die Anerkennung der Mitwelt sein ächtes Streben belohnen!

Helmine v. Chezy, geb. v. Klencke.